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I. Beilage znm „Riesaer Tageblatt". «otattonSdmck und «erlag von LangerLWinterltch in Ri« ja. — Für-le Redaktion verantwortlich: Arthur HLHnel «n Rlefa. 4S Rittwoch, 88. Februar I»12, abends. «S Jahrg. SSchfischer Landtag. Orkglnal-Vericht. )( Dresden, 27. Februar 1Sl2. ZweiteKammer. Tie Zweite Kammer wählte heute in ihrer 52. öffent lichen Sitzung zunächst die Slbgeordneten Präsident Tr. Vogel (Natl.), Opitz (Kons.) und Schulze (Soz.) zu Mit- gliedern des Landtagsausschusses zur Verwaltung der Staatsschulden, und zu deren Stellvertretern die Abge ordneten ClauS (Natl.), Tr. Hähnel (Kons.) und Roch (Fortschr. Bp.) Darauf wurde in die SchlußLeratung über Titel 11 des außerordentlichen Staatshaushaltsetats, den vier gleisigen Ausbau der Linie Bodenbach—Dresden zwischen Pirna und Mügeln einschließlich der Herstellung eines Industriegleises zwischen Pirna und Mügeln (1. Rate) betr., eingetreten. Nachdem Abg. Wittig (Kons.) als Be richterstatter die Genehmigung der Petition befürwortet hatte- dankte Abg. Spieß der Deputation für die wohl wollende Behandlung der Angelegenheit und regt des Weiteren den Bau eines neuen Bahnhofsgebäudes an, da das jetzige Gebäude dem gesteigerten Verkehr nicht mehr genüge. Abg. Kunze (Natl.) regt Verbesserungen im Vor ortsverkehr an. Finanzminister v. Seydewitz erklärt dem Vorredner, daß die Regierung eine Denkschrift über den Dorortsverkehr ausärbeiten lassen werde, die anläßlich der Beratung des Eisenbahndctrets an die Kammer kom men soll. In Betracht käme vor allem der Vorortsverkehr zwischen Dresden und Meißen und zwischen Dresden und Pirna. Es tvürde auch die Einführung des elektrischen Betriebes in Erwägung gezogen. Nne Tarifherabsetzung könne jedoch für den Fall der Einführung des elektrischen Borortsverkehrs nicht in Frage kommen. Ter Titel wird darauf nach der Vorlage mit 2 Millionen Mark als erste Rate bewilligt. Sodann nimmt das Hans mehrere Eisenbahnpetitio nen in Schlußberatung. Tie Petition der Gemeinderäte zu Nieder-Oderwitz und Spitzcunnersdorf um Errichtung einer Güterabfertigungsstellc in Nieder-Oderwitz wird, nachdem die Mgg. Rentzsch (Kons.) als Berichterstatter, Uhlig (Soz.) und Schwager lFortschr. Vp.) für die Wünsche der Petenten eingetrcten, der Regierung zur Kenntnis nahme überwiesen. Weiter petitioniert her Stadtrat zu Wurzen um Erbauung einer Eiscnbahn^von Wurzen nach Eilenburg. Die Finanzdcputation beantragt die Petition der Regierung zur Erwägung zu überweisen. Abg. Gleis berg (Natl.) gibt der Hoffnung Ausdruck, daß die not wendigen Verhandlungen mit der preußischen Negierung bald zum Abschluß gelangen werden und bittet bei dieser Linie nicht so sehr an der Forderung der unentgeltlichen Hergabe des Areals festzuhaltcm Abg. Döbritz (Kons.) und Abg. Beda (Natl.) bitten nm möglichst baldigen Be ginn der Bauarbeiten. Finanzminister v. Seydewitz er klärt, daß die Regierung auch hier auf unentgeltliche Her gabe des Areals bestehen müsse, weil cs sich nm eine den lokalen Interessen dienende Nebenbahn handle. Uebrigens hätten schon mehrere Gemeinden, auch solche in Preußen, das nötige Areal der Regierung zur Ver fügung gestellt, sodaß zu hoffen sei, daß noch in der laufenden Finanzperiode mit den Vorarbeiten zum Bahn bau begonnen werden könne. Hierauf wird der Antrag der Deputation angenommen. Ohne Debatte läßt man hieraus die Petition des Stadtgcmcinderats zu Johann georgenstadt um Umbau der Strecke Schwarzenberg-Jo hanngeorgenstadt auf sich beruhen, während die Petition des StadtgemeinderatS zu Liebstadt und Gen. um den Bau einer Visenbahn durch das Seidewitztal bis Liebstadt der Regieruug zur Erwägung überwiesen wird. Tie Abgg. Wittig, Tr. Spieß und Tr. Böhme (Kons.) geben ihrer Freude über den Beschluß der Deputation und die wohl wollende Haltung der Regierung Ausdruck und baten, ' daß das Projekt recht bald verwirklicht lverde. Tie Pe tition des Ortsteils Gebirge bei Marienberg und der Gemeinde Pobershau, die Errichtung einer Vcrkchrsstcllc betreffend, bleibt auf sich beruhen. Es folgt die Schluß beratung über die Petition der Gemcinderätc zu Schönau, Neustadt und Stelzendorf bei Chemnitz. Abg. Gleisbcrg (Natl.) beantragt namens der Deputation, die Petition, soweit sie sich auf einen Personenhaltepunkt bezieht, der Regierung zur Kenntnisnahme zu überweisen, soweit sie sich aber auf die Anlage einer Gütcrverkehrsstelle be zieht, zurzeit auf sich beruhen zu lassen. Tie Abgg. Lang hammer (Wild) und Mehnert (Soz.) treten für die Wünsche der Petenten ein. Ministerialdirektor Geheimrat Tr. El terlich erklärt auf Anfrage: Tic Regierung werde dem nächst die geplante Errichtung einer Personcnhaltestclle ausarbeiten lassen unter Berücksichtigung der späteren Anlage einer Gütervcrkehrsstellc. Der Deputationsantrag findet sodann einstimmige Annahme. Endlich beschließt das HanS ohne Debatte, die Petition des EKrncinderatS zu Reinsdorf bei Waldheim um Errichtung einer Halte stelle für Personenverkehr auf sich beruhen zu lassen. Nächste Sitzung Donnerstag vormittag ll'/e Uhr. Auf der Tagesordnung stehen die Interpellation bctr. die Zusammensetzung der Ersten Kammer, Etats- und Rechcnschaftsfachcn. Schluß I1/2 Uhr. Englische Neverfalttaktik. DFV. Englische Minister weisen die Annahme der Möglichkeit eines UeberfallS auf Deutschland als „wilde Phantasien" zurück. Einen interessanten Kommentar da zu liefert ein Auszug aus einem französischen Aufsätze der „Revue de Paris" vom Jahre 1904, wo es unter dein frischen Eindruck der Tatsachen hieß: Als im November 1903 die russisch-japanischen Bc- i zichungcn sich trüber gestalteten, wurde das Kommando der japanischen Flotte dem ehemaligen EcueralstabS- chef Vizeadmiral Togo übertragen. Im Jahre 1857 ge boren, war Hehatchi Togo nkit 17 Jahren nach England geschickt worden, um an Bord des „Worcester" die Kurse > der nautischen Schule, (Thomas Nantical College) zu höre». ! Im Jahre 1883 diente cr wiederum eine Zeitlang in Eng- ! land und zwar als Leutnant auf einem der Schiffe des > Kanalgeschwaders. Seine militäriiche und nautische Er ziehung stammt demnach von den Engländern, unter denen er jahrelang gelebt hat, und mit denen cr sich jedenfalls oft über militärische Dinge unterhalten hat. Als Geucralstabschcf übertrug cr den englischen Werften von Elswick u. Clyde die Konstruktion der neuen Gefechts einheiten. Es sind demnach englische Ideen, welche Admiral Togo in der Kriegführung gegen Rußland anwendetc. Die „Navas Warfare" von Colomb und die Arbeiten des Amerikaners Mahan sind ihm bekannt. Cr hat jeden falls die gewissen Essays in den „Procccdings vf the Royal United Service" gelesen — und sic sicherlich mit jener Aufmerksamkeit, jenem ernsthaften Bildungsstre ben, aber auch mit jener Fähigkeit der Anpassung ge lesen, welche wir an asten jenen Japanern beobachten konnten, die unsere militärischen Schule!, besucht haben. In den „Procccdings vf the Royal United Service" konnte cr lesen — und das Zitat scheint heute mehr als je interessant: „Wenn die Seestreitträfte der beiden krieg führenden Parteien ungefähr gleich sind, so kommt eS vor der über die Vorherrschaft auf der See entscheiden den Seeschlacht vor allem darauf an, von allem Anfang au eine nummerische Ucberlegeuheit über, den Gegner dadurch zu erringen, daß man versucht, über einen Teil seiner Streitkräfte unvermutet herzufallen und so eine oder mehrere seiner Gefechtseinheiten zu zerstören. Man wird ihn, auf diese Weise einen nicht mehr gutznmachen- den Verlust — und zwar für die ganze Tauer des Krie ges — zufügen, denn da heutzutage die Fertigstellung eines größeren Kriegsschiffes zum mindesten eine Bau zeit van drei Jahren erfordert, so ist cS kaum wahr scheinlich, daß Schiffe, welche während der Feindselig keiten erst auf Kiel gelegt werden, jemals rechtzeitig fertig sind, um noch gebraucht werden zu können. Um des Erfolges bei dieser besonderen Angriffsart sicher zu sein, könnte man sic als Erklärung der Eröffnung der Feindseligkeiten benutzen, sobald die diplomatischen Be ziehungen abgebrochen worden sind." Diese bemerkenswerten Sätze stammcu von, Major F. B. Elmslie, „Der Angriff auf eine Küstenbefestigung". Zur Unterstützung dieser These erinnert der Autor daran, daß in einer Sitzung dcS englischen Unterhauses der da malige Staatssekretär für Krico in Beantwortung einer im Parlament gestellten Frage erklärte: „Daß unter drciundscchzig Kriegsfällen zwischen zivi lisierten Nationen bei vollen vierzig Fällen die Feind seligkeiten, ehe der .uricg erklärt war, eröffnet wurden, und daß i), dreißig dieser letzten Fälle der Angreifer keinen anderen Zweck hatte, als sich von Anfang an da durch einen Vorteil zu verschaffen, daß cr unversehens über einen nicht genügend gerüsteten Gegner herfiel." Oberst Maurice von der königlichen Artillerie — fügt Aosen und Dornen. ; Roman von Arthur Zapp. 54 Endlich hatte Arno sie erreicht und packte die heftig wider strebende an beiden Armen. Sie wandte blitzschnell den Kopf hin und her, als ob sie einem drohenden Kusse ausweichen wollte, obgleich der Dichter bisher gar keine Anstalten dazu gemacht hatte. Aber die herausfordernden Bewegungen der Koketten reizten ihn offenbar, das Versäumte nachzuholen. Schon beugte er sich mit blitzenden Augen, mit verlangenden Lippen zu ihr hinüber, da konnte Else den Anblick nicht länger ertragen. „Arno!" rief sie mit lauter Stimme, „Arno!" Er fuhr blitzschnell zurück, ließ die Arme der Schau spielerin fahren und starrte entnüchtert, fragend zu den lang sam Näherkommenden hin. Else hatte sich rasch gefaßt. Mit ruhigem Gesicht trat sie an ihren Mann heran. „Ich möchte mich verabschieden; für mich und Heinrich ist eS Zeit." Eine Wolke senkte sich auf deS Dichters Stirn. Schon ost hatte eS ihn verdrossen, daß sie plötzlich eine Gesellschaft ver- laflen mußte, weil sie die Kaprice hatte, den kleinen Hein rich selbst zu nähren. Er hatte ihr seinerzeit vorgeschlagen, eine Amme zu nehmen, aber sie hatte entrüstet abgelehnt. „Ich verdiente ja gar nicht das Glück, Mutter zu sein," hat sie erwidert, „wenn ich diese erste heilige Pflicht gegen mein Kind a„S Bequemlichkeit vernachlässigen würde." Er stand einen Augenblick unentschlossen da, dann nahm er ihren Arm. „Ich komme mit." AIS sie sich von dem Schauspielerpaar verabschiedet hat ten und sich allein ans dem Heimweg befanden, fragte er: „Bist Du böse?" „Warum denn?" „Nun — die Seehofer hat eine etwas ungenierte Art." Sie zuckte anscheinend gleichmütig mit den Achseln. „Wenn- Dir nicht unbequem ist!" Er lachte. * „Mein Gott, sie denkt sich doch nichts dabei, das ist vun mal ihr Naturell. Und ich als Mann kann mirs ja gefallen lassen." Er schlang einen Arm um Elses Taille, beugte sich zu ihr hinüber und sah ihr forschend ins Ge sicht. „Aber von Dir freuts mich, daß Du nicht eifersüchtig bist." Sie sah ihn groß an. Ihre Augenbrauen zogen sich hoch, und ihre Mienen nahmen einen starren, stolzen Ausdruck an. „Das hieße dieser Dame doch zu viel Ehre antnn und Dir Geschmack und Feingefühl absprechen." 'Er errötete und sah ihr erstaunt ins Gesicht. Dann legte sich seine Hand fester um sie, und mit einer raschen, impulsiven Bewegung bückte er sich zu ihr hinab und küßte sie auf die Wange. Für den Abend hatte er sich mit Arnoldi und Fräulein Seehofer nach dem Strandhotel verabredet. Else fühlte sich eryrüdet, auch pflegte sie sich nur ganz ausnahmsweise für einen Abend von ihrem Söhnchen zu trennen. So ging Arno denn allein, im stillen gar nicht unzufrieden; denn er hatte die Empfindung, daß Else nicht in die Gesellschaft des Schau- spielerpaareS passe. Erst spät in der Nacht kam er wieder. Else schlug die Augen auf, als er ins Schlafzimmer trat. „HastDuDich gut amüsiert?" fragte sie freundlich. Er nickte strahlend. „FamoS wars, ganz famos! Wir waren eine ganze Gesell schaft, fast lauter Berliner. Arnoldi sang — er hat einen pracht vollen Bariton — und die Seehofer rezitierte ein paar Ge dichte von Bierbaum und Liliencron. Sie war wirklich hin reißend!" AuS seinen lebhaften Augen leuchteten noch Enthusiasmus und Bewunderung. Else zog mit einer unwillkürlichen Be wegung ihre Decke über ihr Gesicht. — Am anderen Vormittag machte er sich fertig zum Aus gehen, ohne Else zur Begleitung aufznfordern. „Gehst Du spazieren?" fragte sie. Er verneinte mit einer Kopfbewegung. „Zur Seehofer geh ich — arbeiten. Wir haben uns gestern verabredet." Else sah ihn überrascht an. Ihre vibrierenden Nasenflügel verrieten ihre innere Bewegung. „Das wußte ich noch nicht," versetzte sie mit einem An flug von Spott, „daß die Dame auch literarische Talente hat." Er schüttelte mit dem Kopf. „Literarisch? Nein! So mußt Du Dir das nicht denken. Es handelt sich nur um die letzte Feile. Die Sache ist näm lich die: sie liest mir, was ich fertig habe, vor, weißt Du, in der Weise, ivie es auf der Bühne gesprochen wird. Ich höre aufmerksam zu. Das ist elwns ganz anderes, als wenn ichs selber für mich lese. Das Ohr merkt gleich: hier ist ein Satz zu lang, da ein Ausdruck zu papiern. Bald muß etwas lebenswahrer gegeben werden, mehr im Volkston. Bald wie der ist etwas nicht klar genug gefaßt. In Friedrichroda hat sie mich auf die Idee gebracht. Ich sage Dir, ich habe ihr schon manche wertvolle Aenderung zu danken." Else war den ganzen Vormittag über von einer außer gewöhnlichen Nervosität. Obgleich sie Verständnis genug für das literarische Schaffen besaß, uin den Wert dieser Unter stützung seitens der Schauspielerin für den Dramatiker zu be greifen, so fühlte sie sich doch verletzt und beunruhigt. Sie fand keine Ruhe, weder in der Beschäftigung mit ihrem Kinde noch in der Lektüre, mit der sie sich zu helfen versuchte. Ihre Blicke liefen mechanisch über die Zeilen des aufgeschlagenen Buches, ohne daß das, was sie las, zu ihrem "Bewußtsein gedrungen wäre. Vor ihrem geistigen Auge stand immerfort ein aufstachelndes, erbitterndes Bilv: Arno in der Gesellschaft der Schauspielerin. Dicht nebeneinander saßen sie, Arm an Arm. Wie herausfordernd ihm die Schauspielerin ins Gesicht sah mit ihren brennenden, blitzenden Augen! Wie sie miteinander scherzten, neckten, wie ausgelassen und zwanglos sie mit ein ander verkehrten! Die Phantasierende sprang auf und schleuderte das Buch auf den Tisch. In die frische Luft! Sie hielt es nicht ans in dem engen Zimmer, allein mit diesen entsetzlichen, qual vollen Phaulasiebildern. Aber als sic mit Jackett und Hut zum Ausgehen fertig dastand, wandelte sic mit einem Male eine Schwäche an. Mit zitternden Fingern riß sie ihren Hut herab und warf sich auf das Sofa, drückte ihr Gesicht in die Polster und weinte bitterlich. 18. Kapitel. Es war gegen elf Uhr abends, als Major von Sterneck und seine Gattin ihr Schlafzimmer aufsuchten. Der alte Herr war eben dabei, den Hausrock abzustreifen, als er erschrocken innchielt und sich nach seiner Frau umwandte. 195,20