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Beilage zum „Riesaer Tageblatt". RM »O »MG lm» L«»t„ » Vl»t«Nch I» Mafa» G» dla «MM» »«MWMch: H«,» Gch«i»t I, Masa. iso. Montag, 1. Juli 18SS, Abends. 48. Iahrg. hätten von der ganzen Expedition nur das Gefühl der Scham mit nach Frankreich zurückgebracht. Und das beschämendste für sie sei gewesen, daß man deutscherseits, je schiefer und peinlicher ihre eigene Position, desto höflicher und immer höflicher geworden sei. Bor dem Kaiser wäre er, der Ad« mtral, am liebsten in den Boden gekrochen, so erbärmlich sei er sich mit der kleinlichen politischen Rolle, die man ihn zu spielen gezwungen habe, dem in allen Dingen großartigen Monarchen gegenüber vorgekommen. Die Aeußerungen sind zu einer Privatperson gemacht, ich garantire aber ihre Au- thenticität." — Wenn der Revanchepresse in Frankreich, die selbst während der Kieler Tage nicht aufgehört hatte, zu Hetzen, in Deutschland keine Beachtung be'gelegt wird, so zeigen doch die Auslassungen der anderen Blätter, wie leicht fertig es sein würde, auf einen Umschlag der Stimmung in Frankreich gegen Deutschland zu rechnen. — Unter den Be richterstattern, die zu den Festtagen nach Kiel gekommen waren, hat sich auf das Bonheilhafteste der Korrespondent des „Figaro" ausgezeichnet, ein zurückhaltender, ernster Mann von guter Beobachtung und sicherem Urtheil. Rian ist ihm auch von deutscher Seite sehr entgegengekommen. In Ham burg und in Holtenau hat er mit an festlicher Tafel gesessen. Und doch kommt auch er in dem Epiloge, den er zu seinen Festbetrachtungen schreibt, zu dem Ergebniß, daß es einen Abgrund gebe, der Deutschland und Frankreich trenne, und an dem weder Entrevucn noch Flotrenkundgebungen etwas ändern würden. Die Deutschen, so schreibt er, wollen das gewonnene Gut in Ruhe genießen und sich ihres Ruhmes freuen; wir aber wollen ihnen das Gut wieder abnehmen und den verlorenen Ruhm wiederfinden. Der neue Kanal t «erde diese Aufgabe zwar schwieriger machen; aber Krank- I reich werde seine Anstrengungen verdoppeln. ES werde sich I auch seinen Zwei-Meer-Kanal graben. — In diesen AuS- ! führungen ist nicht« von der pöbelhaften Gemeinheit der „France" zu finden, der die Hetzartikel nicht genügend er schienen und die darum noch mit scheußliche« Bildern au« dem Kriege von 187O/7L die Phantasie ihrer Leser zu er- Hitzen suchte. Aber die frivole Leichtfertigkeit, mit der die Gefahr eine« neuen Kriege« behandelt wird, ist hier dieselbe wie in den Revancheblättern niederen Range-, und vergebens sucht man nach den Spuren der Erkenntniß und Läuterung, die ein Weltprozeß r on der furchtbar ernsten Bedeutung de« letzten deutsch-französischen Krieges hätte nach sich ziehen müssen. Alle anderen Nationen haben Schläge verwinden gelernt und verwunden, die sie in kriegerischen Auseinander setzungen erfahren haben. Aber für die Franzosen giebt es keine Selbstüberwindung, ihr krankhafter Ehrgeiz duldet keine anderen Gefühle und Gedanken als die der Rache, und keine anderen Hafsnungen, als die, das verlorene Gut und den verlorenen Ruhm wiederzugewinnen. Deutsche- Reich. Wenn in der Presse hin und wieder von einer nahe bevorstehenden Konvertirung der vier prozentigen KonsolS die Rede ist, so ist augenscheinlich nicht beachtet worden, daß die Staatsregierung an der Auffassung festhält, daß die Durchführung der Maßregel nicht ohne Zu stimmung der Landesvertretung erfolgen kann. Wenn die« beachtet würde, so würde auch kein Zweifel darüber bestehen können, daß in dem jetzigen Stadium der Session die Ein bringung einer entsprer enden Vorlage völlig ausgeschlossen ist. Wenn daher eine solche frühestens für die nächste Session Tiergeschichte. " Dem kabinetSwechsel in England kommt gerade in diesem Augenblicke auch für die deutsch-englischen Beziehungen eine größere Bedeutung zu, al« e« dem äußeren Anschein nach der Fall ist. Die deutsche Politik war im Laufe diese« Jahres weiter von England abgerückt, als jemals seit der Thronbesteigung de» jetzigen Kaiser«. Die Entfremdung war durch die ganze Haltung de« im Sladstone'schen Fahrwasser schwimmenden Kabinet« Rosebery herbeigeführt worden, namentlich aber durch besten auffällige Annäherungsversuche an Rußland nach dem letzten dortigen Thronwechsel, wobei jede Rücksicht auf Deutschland außer Acht gelassen wurde. Nicht zuletzt hierdurch ist die deutsche Politik zu ihrer Schwenkung in der ostafiatischen Frage veranlaßt worden. Der A' schluß Deutschland« an das Vorgehen Rußlands und Frankreichs gegen Japan richtete seine Spitze nicht zuletzt gegen England. Nachdem die ostasiatische Gemeinschaft mit Rußland durch dessen einseitige Verständigungsversuche mit China einen starken Riß erhalten hat, erscheint eine Annäherung an Eng land geboten und durch den inzwischen erfolgten Kabinets- wechsel wesentlich erleichtert. Lord Salisbury besitzt und ver dient ein größere« Vertrauen, al« irgend ein anderer leben der Staatsmann Großbritanniens. Wenn er nicht vom Parlamente abhängig wäre, würde er längst seine Ueberzeugung, daß Englands Heil ausschließlich beim Dreibunde ruht, in die entsprechende That umgesetzt haben. An ein Bündniß mit England kann allerdings Niemand denken. Solange aber Lord Salisbury am Ruder bleibt, ist ein Zusammen gehen mit England in allen konkreten Fragen, gegenivärtig also in der ostasiatischen, möglich, ohne daß man eine Ueber- vortheilung oder eine Hinterhältigkeit von dieser Seite zu befürchten hätte. Die Stimmung Frankreichs nach der Feier in kiel steht in der Presse immer noch in Erörterung. Die nachfolgende Schilderung des Pariser Berichterstatters des „Hamb. Korr." dürfte die wahre Lage" und die Stimmung der Franzosen am zutreffendsten kennzeichnen. Er meint: „Katzenjammer rings umher! Das ist die Signatur des Tages! Die Gedenkfeier für Carnot hat dadurch nur ge wonnen; die Trauer um den gemordeten Präsidenten, in dessen Amtsführung die ersten Liebeleien mit den Russen fallen, war wirklich aufrichtig. Aber sonst ist man, wie ge sagt, recht gedrückt und noch nervöser als in gewöhnlichen Zeitläufen. Zu der Katerstimmung haben mancherlei äußere Umstände den Anlaß gegeben. Man hat ein arg böses Ge wissen wegen der Vorgänge in Kiel und kann das von Tag zu Tag immer deutlicher werdende Gefühl nicht los werden, daß man dort eine komische statt der geträumten tragischen Heldenrolle gespielt hat. Wie ich hörte, hat man noch in letzter Stunde von hier aus versucht, die russische und dä- nische (!) Regierung zu veranlassen, ihre Schiffe gleichzeitig mit den französischen aus Kiel abdampfen zu lassen, hat sich aber nur eine höfliche Ablehnung geholt. Auch daß der französische Admiral und dessen Offiziere so gar keine Rolle gespielt haben, daß ihnen niemand nachgelaufen ist, keiner um ihre Gunst geworben hat, nicht einmal die russischen Brüder in der erwarteten ostentativen Weise, hat hier stark ver schnupft. Ich weiß wenigstens bestimmt, baß Aomiral Menard sich nichtamtlich, wahrscheinlich aber auch offiziell, bitter da- rüber beschwert hat, daß die Regierung mit ihren Jnstruk- tionen, die Presse mit ihrem Geschrei ihn in eine höchst peinliche und beschämende Situation gebracht hätten. Er und seine Offiziere seien sich wie „Pestkranke von Distinktion" vorgekommen, die man „psi- cllstsnes" mit mitlnoigen oder konventionellen Höflichkeiten überschüttet, denen aber kein Mensch, auch die Russen nicht, einen ehrlichen herzlichen Handschlag habe zukommen lassen. Es sei eine Albernheit gewesen, ihn und seine Offiziere nach Kiel zu schicken und dort eine so dumme, klägliche Rolle spielen zu lassen, sie sttacyvrucl vervvten. Der Schein trügt. Skizze aus dem amerikanische» Leben von Joseph Treuman«. Ein Peddlar, der Uhlen und Schmucksachen vertrieb, war an einein Freitag Morgen neben der Landstraße er mordet und beraubt gefunden worden. Am Tage vorher hatte man ihn noch niit zwei kleinen ledernen Koffern gesehen, die er an einen« über seine Schultern hängenden Riemen trug und welche niit seinen Maaren gefüllt waren. Der Juwelier Forster in der benachbarten Stadt Jackson, bei dem Moses Kolb -- so hieß der Peddlar — zwsi Tage früher eingekehrt war, versicherte, die Uhren, Schmucksachen und das baare Geld in den beiden Koffern hätten einen Werth von fünftausend Dollars gehabt. Am Donnerstag Abend war Kolb in einem von der Landstraße nur wenig abgelegenen Wirthshause, halben Weges zwischen Jackson und dem Dorfe Middkevillage, ringckehrt; man hatte ihn dort eintreten ' sehen, und zwei oder drei Personen, die während des Abends in denBar- room kamen, um ein Glas Whiskey zu trinken, hatten sich sogar mit ihm unterhalten. Den Leichnam des PeddlarS hatte am nächsten Mor gen ein Farmer in einem auf seinem Grundbesitz befind lichen trüben Tümpel neben der Landstraße und nur ein paar hundert Schritte von dem Wirthshause entfernt ge sunden. Sein Hirnschädel war durch mehrere Schlägt zerschmettert, die, wie in der folgenden Coroner s Unter flicynng se,rge,reur wnroe, mit einem Beile nach dnn Kopfe des Ermordeten geführt worden waren. D»r Verdacht, Moses Kolb umgebracht und beraubt zu Halen, richtete sich sofort gegen Patrick Nowley, den Besitzer des Wirthshauses, und derselbe war verhafte« worden. Man nahm an, er habe den Peddlar im Haust ermordet und ihn dann an die Stelle geschafft, wo dir Leiche gefunden worden war. Der Verhaftete sah übrigens ganz so aus, als sei er eines solchen Verbrechens fähig; er war ein untersetzter, breitschultriger Mann mit einem dicken Kopfe, einer niedrigen Stirn, tiefliegenden, ver schmitzt blickenden Augen und einem Gesichtsausdruck, welcher verrieth, daß sich in seinem Gehirn eine große Verschlagenheit mit gieriger Habsucht und herzloser Roh- heit paarten. Rowley's Hausgenossen bestanden aus seiner Frau, einer Tochter und einem Sohne; die beiden weiblichen Mitglieder der Familie besorgten die Küche und das in nere Hauswesen, während Patrick und sein Sohn die Ar- beiten im Stall versahen und die einkehrenden Gäste be dienten. Es schien erwiesen, daß der Peddlar in einem Zim mer von der Rückseite des Hauses und direkt über de» Vorrathskammer, in welcher die Branntwein- und Bier fässer, sowie andere Gegenstände lagerten, geschlafen hatte. Einige Wochen nach der Ermordung Kolb's fand in Jackson die öffentliche Gerichtsverhandlung gegen Patrick Rowley statt. AuS der gairzen Umgegend waren die Leut« herbeigeströmt, und schon lange vor der Eröffnung de« Sitzung war der für die Zuhörer abgegrenzte Theil dell Saales überfüllt. Nach dem Eintreten in die Verhandlung entstand sofort bei der Auswahl der Geschworenen ein lebhafte« Kampf zwischen dein Vertheidiger des Angeklagten und dem öffentlichen Ankläger. Eine große Anzahl von geisl x ungemein geweckten und als einsichtsvoll bekannten Man nern wurden von der einen oder anderen Seite hartnäckig verworfen; trotzdem gelang es nach und nach eine Jury zusammenzubringen, zu der schließlich nur noch ein Mit glied fehlte. Da wurde der Name David Thyer aufgerufen. Der Träger dieses Namens war ein junger Farmer in der Nähe von Middkevillage und anscheinend das unreifste Exemplar eines Menschen, der zum Geschworenen berufen werden konnte. Er kam ganz frisch aus einem Blockhause, war in ein grobe«, selbstverfertigtes Gewand gekleidet, un beholfen und tölpelhaft; sein Haar glich dem Werge, und sein Kopf sah aus wie ein neu gewickelter Spinnrocken Wenn etwa« seine Aufmerksamkeit erregte, stand sein Mund weit offen. Zwischen dem Anwalt, dem Ankläger und den« Rich- ter entstand ein lebhafte« Wortgefecht über die g-istigc Befähigung de« jungen Mannes, aber der Anwalt des Angeklagten, der den Geisteszustand Thyer'ä seinem Klienten für günstig hielt, bestand darauf, daß er zum Geschworenen genommen werden müsse. Schließlich leistete David als solcher seinen Schwur. Die Verhandlungen begannen nunmehr mit der Ver nehmung des Angeschuldigten. Sein Gast habe sich, so erklärte Patrick Rowley, zegen zehn Uhr in sei» Schlafzimmer begeben, vorher iber gesagt, er verlange kein Frühstück, da er des Mor gens so früh fortgchen wolle, daß er Jackson noch zu einer Zeit erreichen könne, wo der erste nach St. Paul gehende Zug durchkomme. Vor Tagesanbruch sei der Peddlar auch aufgestanden, und er selbst habe sich nach dem Schenkzimmer begeben, um dem sich Entfernenden noch ein Glas Brandy zu verabreichen und die Thü> hinter ihm zu verschließen. Als er darauf in sein Schlaf zimmer zurückgekommen, durch dessen Fenster man dir Landstraße überblicken könne, habe er zufällig gesehen, daß sich dein Peddlar ein Mann angeschlossen, den zu erkennen ihn« jedoch unmöglich gewesen sei. Dieser Umstand wäre ihm so auffällig erschienen, daß er seine Frau geweckt und au's Fenster gerufen habe; sie sei auch heran gekommen und habe dasselbe gesehen. Die nächste Person, welche auf den Zeugenstand ge rufen wurde, war Rowley's Frau, ihrem Aussehen und der Sprache nach eine echte Tochter der grünen Insel. Sie erzählte, daß, als ihr Gatte sie geweckt habe, sich ge rade die ersten Vorboten des kommenden Tages gezeigt hätten und daß sie den Hausirer mit seinen beiden Koffern ganz deutlich gesehen habe, als er mit einem ihr unbe kannten Manne um eine Biegung der Landstraße herum gegangen und verschwunden sei. Der Sohn und die Tochter konnten nichts Wesent liches bezeugen; sie bestätigten die Aussagen der Eltern so weit, wie ihnen dies möglich war. Darauf wurden zwei Männer verhört, die an dem Abende vor dem Morde de«, Peddlar in dem Barroom Rowley's gesehen und mit demselben gesprochen hatten; der Eine hatte ihn deutlich sagen hören, daß er zu Bett zu gehen wünsche. Sonst waren ihre Bekundungen ohne B>lmg. Das wichtigste Zeugniß wurde dasjenige eines jungen Mannes, Namens Cd "ard Hadley. Derselbe war, seiner Angabe gemäß, am 4 b »de jenes Donnerstags zum Kegel schieben in einer benachbarten Ortschaft gewesen und erst nach Mitternacht nach Hause zurückgegangen: um seinen Weg abzukürzen, hätte er die Richtung über Rowley's Wiese eingeschlagen und wäre dadurch an derjenigen Seite d s Wirthshauses vorüber gekommen, an welcher sich das Schlafzimmer des Peddlars befand. Er hätte Licht in den« Zimmer gesehen, und da er sich darüber gewundert habe, daß zu dieser Stunde noch Jemand wach wäre, sei cr stehen geblieben und habe durch das Fenster in das Gemach geblickt. Irr diesem Augenblick sei ein Mann ir Hemdärmeln, der in der Nähe des Fensters geweilt haben mußte, in schräger Richtung von demselben sortgegangen; derselbe habe eine Thür geöffnet und durch dieselbe das Zimmer verlassen. Da Mer Mann die kleine Lampe, welche das Licht ansgcstrahlt, mit sich fort genommen und die Thür hinter sich zugezogen habe, sei eS nunmehr in dem Gemache dunkel geworden. Er hält» noch ein gs Minuten gewartet, um den etwa Znrückkehrenden genauer betrachten zu können, aber da es spät und er müde ge wesen sei, hätte er seine Absicht aufgegeben und seinen Weg nach Hause fortgesetzt. Der Zeuge konnte nicht sagen, ob der Mann, den er' zesehen, Patrick Rowley oder ein Anderer gewesen war. „Ich habe sein Gesicht nicht gesehen", antwortete er auf eine Frage des Berthe.digerS; „er ging von dem Fenster fort, als ich ihn erblickte, und als er die Thür öffnete, schwang sich dieselbe direkt zwischen die Lampe und mich, so daß er mir aus dem Gesichte entschwand." Die Mitglieder der Rowley'schen Familie wußten ach diesen Vorgang zu erklären; sie sagten, der Peddlar wäre in der Nacht zwei oder drei Mal ausgetreten, und sie seien übcrzengt, daß er die Lampe die ganze Nacht hindurch habe brennen lassen. Das WirlhshanS war schon früher durch die Polizei von oben bis unten genau untersucht worden; dieselbe hatte sogar den Fußboden des Stalles ausheben lassen, Holzhausen waren umgejetzt und die umliege irden Aechey