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Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1925
- Erscheinungsdatum
- 1925-09-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id1666408611-192509269
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id1666408611-19250926
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-1666408611-19250926
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Riesaer Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1925
-
Monat
1925-09
- Tag 1925-09-26
-
Monat
1925-09
-
Jahr
1925
- Titel
- Riesaer Tageblatt und Anzeiger : 26.09.1925
- Autor
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al» gegen V-8 Uhr der Herderg»varer frischen Kaffee brachte, da waren tm Nu dw langen Tische von un» be setzt und fröhllch stärkte sich alles für den Vormittag. Dann aber hrelt es keinen mehr rn der Herberge, denn bi« S Uhr hatten wrr Zett, allein uns die Stabt anzu- sehen. Eilig ging ich nut einigen KameroLen nach dem Gondelteich, den ich bereit» am Abend vorher entdeckt hatte. Wrr mieteten uns einige Boote und vergnügten uns mit dem Rudern. Dabei verging die Zeit so rasch, das; unser Weg zum Sammelpunkt vor der Bergakademie im Laufschritt zurückgelegt werden muhte, wenn wir nicht unpünktlich sein wollten. Wir wurden bereit» erwartet und kamen zur 2 Abteilung, die zuerst die bergmännische Sammlung »m Hauptgebäude der Akademie besichtigte. Der freundliche alte Modellmeister de» Institut» war unser Wrer und zeigte, un» stolz seine von ihm ge- hüteten Schatze. Zwei Säle waren mit Modellen au» dem 18. und 19. Jahrhundert angefüllt, die Wasserhaltung»- ^„Förderanlagen alter Bergwerke darstellten. Uebsr- sichtlich war die Sammlung des Bergmannsgezähe vom Altertum bi» zur modernen elektrischen Gesteinsbohr- maschine aufgebaut, desgleichen die Entwicklung der Gru- benlamve und des Bergrettungswesens. I» großen Glas- schranken wurden historische Stücke aufbewahrt. Rasch ü>ar beim vielen Schauen die Stunde vergangen, die für diese Besichtigung angesetzt war und mit dankbarem „Glück aur verließen wir unseren Führer, um uns nach der mineralogischen Sammlung zu begeben, die in einem Neu bau, einige Minuten von der Akademie entfernt, unter gebracht ist. Hier war Herr Dr. Tetzner unser Führer, der Mit liebenswürdigen Worten uns in sein Reich ern- führte. Ein großer Heller Saal, durchflutet von Ober- licht, birgt diese bedeutende Sammlung mit ihren sel tenen Kostbarkeiten, die nur vom Londoner Kessington- Museum übertroffen wird War das - ein Sehen und Staunen, als wir an den einzelnen hohen GlaSschränkcn vorüber gingen. Welche Kunstwerke ha? hier die Natur hervorgebracht, deren Nachbildung der Menschenhand un möglich ist. Viel bewundert wurde das Modell eines 46 Kilogramm schweren Goldklumpens, der seinerzeit im Ural gefunden wurde, Graßes Interesse erregte auch die Hälfte eines Meteors, aus Eisen und Nickel bestehend, der im Erzgebirge gefunden wurde. In den Freiberger Erzen entdeckte der große Mineraloge der Bergakademie Werner das Element Germanium. Wieder war die Zeil zu kurz, nm uns alles ansehen zu können, denn ab 11 Uhr sollte dem Heimatmuseum ein Besuch abgcstattct werden. Hier trafen nun beide Abteilungen wieder zusammen und gemeinsam ging es. durch die umfangreichen Samm lungen des Museums. Dann war Freizeit bis 1 Uhr, die wir zu nochmaligem Besuch des Gondelteichcs benutzten. Dieses seltene Vergnügen war doch zu schön und mußte bis zuletzt ausgekostct werden. Ich glaube, hier hat man cher sein letztes Geld ausgegcben und mußte nachher hungrig und durstig zuschen, wie cS uns schmeckt» Lim 1 Uhr sollten wir alle m der Herberge sein, um uns noch mals ausznruhen und das Gepäck aufzunchmen. 1.52 ver ließen wir in Richtung Nassen das schöne Freiberg. Manch sehnsuchtsvoller Blick aus den Abkcilsenstern traf die verschwindenden Türme der Stadt, in der wir noch gerne länger verweilt hätten. Nach cliistnndiger Fahrt war Nossen erreicht, hier hieß es aussteigen, da die Weiter fahrt erst um 7 Uhr möglich war. Schwerer Regen ver hinderte die Ausführung unserer letzten gemeinsamen Be sichtigung, der Klosterruine Alt-Zella. „7 Uhr Bahnhof" war der Sammelbefehl und nun kannten wir uns die Zeit vertreiben wie jeder Lust und Geld hatte. Mit einigen Freunden wanderte ich über die Mulde nach dem nahen Bergrestaurant und vertrieben uns die Zeit mit allerlei Scherzen. Auch der Stadt Nossen statteten wir einen Be such ab und besichtigten Schloß, Kirche und Kriegerdenk mal. Als wir nach 7 HUr auf den Bahnsteig kamen, be grüßten wir mit großem Hallöl) einen guten Bekannten vom Sonnabend, es war der uralte Wagen 4. Klasse, dem wir für die Rückreise unsere müden Glieder anvertrauen wollten. Bei Gesang und lebhafter Unterhaltung merkten wir das Stuckern des Wagens nicht so sehr und viel zu früh für viele war Riesa, unsere Heimat, erreicht. Ein letztes „Glück auf" und jeder strebte dem Elternhausc Dann lag sie ganz still in einem seltsam erregten Halbschlaf; immer und immer wieder drängte sich ein Wort über ihre zuckenden Lippen» Mutter! Mutter!" Das war ein Schrei der Sehnsucht, ein Gebet in einem einzigen, kurzen Worte. „Mutter!" Und dabei hielt ihre Hand fest das alte Bild umklam mert, und die kleine Lampe warf einen irrelichternden Schein über das reine, süße Gesicht, das von dem Kärt chen zu ihr emporsah. Drüben im Kloster aber legten zur selben Stunde die Schwestern den schweren Deckel über das weiße Antlitz der toten Frau, welche morgen auf dem Klosterfriedhofe bestattet werden sollte, in jenem Winkel, wo die Unbekannten, die Namenlosen, welche hier in der Freistatt eist letztes Asyl gefunden, ihren langen Schlaf schliefen. ' 8. Kapitel. Dater und Kind. Es war am Morgen des nächsten Tages. Auf der -reiten Waldstraße, welche von Heidenheim zu dem Schlosse Freydeck emporsührte, subr eine sehr elegante Equipage langsam dahin. Ein einzelner, schon ziemlich bejahrter Herr saß da rinnen und musterte dann und wann die Umgebung mit einem etwas gelangweilten, müden Blick. Das kränklich aussehende, verfallene Antlitz trug un verkennbar die Spuren vieler Lebenserfahrungen, trauriger und heiterer. Bielleicht war dieser Gesicht auch vor der Zeit ge altert. Dar stark gelichtete Haar war eisgrau und ließ die Farbe des Antlitzes noch gelber und matter erscheinen. Da» einzige, was jung geblieben war, das waren die Augen: große, sehr dunkle Augen, in denen «ine Fülle von Spott und scharfer Beobachtungsgabe lag. Alles in allem war der Freiherr Bodo von Ullniingen keine alltägliche Erscheinung, welche man sofort wieder ver gißt. „Langsam fahren, Philipp! Noch langsamer! Ich komm« früh genug in das alte Eulennest l Verteufelt langweilige Fahrt! Wenn ich bloß denke, daß di« Frau Baronin von Bergbau» nun da repräsen tieren wird! Scheußlich, meiner Seele!" Er batte laut gesprochen, wie es die Gewohnheit vieler älterer Menschen ist, welche ziemlich einsam leben. Der Dien« kannte di« Eigenheiten seine» Herrn genau und laß uüt einem so steinernen, ruhigen Gesicht auf seinem Bock, al» rede der Baron in einer ihm völlig fremden Sprache. Anch hört« er derartig« Zorneoaurbrüche seit gestern ßa häufig, daß sie tede» Interesse für ihn «ingebüßt hatten. ädwdwr O»n 'Wlminaev «ar ein eatternter Her zu, um nach all den Anstrengungen einen langen Schlaf zu tun. So endete unsere Freiberger Fahrt, die allen Teil- nehmcrn lange im Gedächtnis bleiben wird, zumal 16 gut gelungene Aufnahmen oie Erinnerung sesthalten Herz- uchen Dank sind wir dem Werke, schuldig, für die Fahrt selbst, sowie sür die Unterstützung, die jedem einzelnen ge- währt wurde Abgestattet kann er von uns nur werden durch fleißige Arbeit und Pflichterfüllung; das werden wir tun. Alle Teilnehmer haben aber den einen Wunsch, baß e» recht bald wieder hinausgehen möge zu neuer Wander fahrt, die unsere Kenntnisse vertiefen und die Liebe zur Natur vflegen soll. „Glück auf" zu neuer Wanderfahrt! Schr R. I« „M btt MW W MM". Verhaftung eine» internationale« Hochstapler». Dieser Tage wurde in Zürich ein junger Mann verhaftet und den Gerichtsbehörden in Basel überwiesen, mit dem sich die internationale Presse auch schon wiederholt beschäftigt hat. ES handelt sich um einen 1899 oder 1900 in Lüttich ge borenen Burschen, namens Otto Stephane, der sich al» ein illegitimer Sohn des verstorbenen Königs von Belgien, Leopold II., und der Madame Vaughan auSgibt. Er rühmt sich, am 6. August 1914 als 14jähriger Pfadfinder kurz vor dem Sturm auf Lüttich die deutschen Linien passiert und dem belgischen Generalstab die letzten Meldungen aus der Festung überbracht zu haben. Doch ist die Geschichte nicht verbürgt, wohl aber die folgende: Als die amerikanischen Besetzung», truppen noch am Rhein weilten, überbrachte der junge Mann, angeblich im Auftrage König Alberts, dem amerika nischen General Allen eine belgische Kriegsdekoration, die er ihm vor versammelter Mannschaft feierlich überreichte. Bald darauf mußte der General die peinliche Feststellung machen, daß er einem Hochstapler zum Opfer gefallen war. 1928 gab der hoffnungsvolle Jüngling in der Schweiz ein kurze» Gast spiel. Zuerst prellte er unter Vorspiegelung falscher Tat sachen verschiedene Leute in St. Gallen. Dann tauchte er in Basel auf, stellte sich bei seinem Konsul vor, der ihn in gutem Glauben seinen englischen und amerikanischen Kollegen als „Graf von Tervueren" und Neffen König Alberts von Bel gien vorstellte. Tervueren ist ein Vorort von Brüssel, be kannt durch sein reiches Kolonialmuseum, aber ohne Grafen schlösser. Tie Zeit war für die Herren Konsuln zu knapp, nm alle Angaben deS liebenswürdigen Gesellschafter», der so glänzend englisch sprach und über da» Hofleben in Belgien und England so trefflich Bescheid wußte, nachzuprüfen. So glaubte man ihm ohne weiteres seine Geschichte: er war an der elsässischen Grenze, al» er nach Genf au die Völkerbund», tagung reisen mußte, angehalten worden, weil mit seinem Auto etwas nicht in Ordnung war. Man bankettterte mit ihm und hals ihm sogar mit ein paar hundert Franken au». Trug er doch im Knopfloch das Bändchen der „Medaille militaire" und das Abzeichen eines „Lfficier de l'Ordre de Leopold". Die Polizei allerdings zeigte sich mißtrauischer. Ebenso Ser Direktor des Hotel», in dem der Kavalier abge stiegen war. Dieser konfiszierte alle feine AusweiSpapiere, Adressen und Empfehlungsschreiben — weiteres Handgepäck war nämlich nicht vorhanden — und gab alle» erst herau», als der verdächtige Gast^seine Zeche bezahlt hatte. Otto ver duftete nach Mülhausen. Bald darauf mußte er sich iu Wiesbaden vor einem französischen Kriegsgericht wegen Fälschung von Kokainrezepten und wegen widerrechtlichen Kokainverkaufs an Soldaten verantworten, und am 11. Feb. 1924 verhaftete man ihn in Dessau, weil er kurz vorher in Berlin bei der Ankunft der Revaratiou-kommifston sich am Bahnhof als Vertreter der Reichsregierung auSgegeben und sich mit dem Gepäck der fremden Herren aus dem Staube gemacht hatte. Zweimal wurde der zweifelhafte Gentleman aus England ausgewiesen. In Frankreich brandschatzte er ein Kloster, in dem er sich als Vertreter eines Bischofs au»- gab. Während er in Paris im Gefängnis saß, besang er den Gefängnisdirektor in einem formvollendeten Gedicht und er lebt« die Genugtuung, daß fein schönes Poem in einer Zei tung abgedruckt wurde. „Blond, braunäugig, glattrasiert, 1,60 Meter groß, spricht fließend Deutsch, Französisch und Englisch", so ungefähr wandter der Freydecks, aber er hatte weder für den alten Grafen, noch für dessen Schwester oder Hugo von Frey» Leck je die geringsten Sympathien empsunde». Nur mit Ernst, dem ältesten Sohne de» Hause», halt« ihn «inst eine Art von Freundschaft verbunden, trotzdem er um fast zwanzig Jahre älter war^ al» der „toll« Freydeck." > Aber ihm. dem Lsbenskünstler. gerade di« rafqe, leiquevige uno ooa> gerMu» «rr ves füng«a Mannes, und er hatte damals oft eine aufrichtige Freud« gehabt an den lustigen Streichen und Abenteuern, die Ernst von Freydeck in den Mund aller Leute bracht«. Der alte Herr seufzte ein wenig, da er jetzt zurückdachte an eine frohe Zeit. Da er mit dem jungen SefähMu hier in eben diesem Walde jagte und ritt, und «in paar heitere Wochen auf dem Schlosse verlebte, welches auf ihn — ohne Ernst — stets einen kalten, düsteren Eindruck gemacht hatte. Ja, ja, jene Zeit war längst vorüber, der tolle Emst war bald nach jenen Sonnentagen jählings abgereift. Einige Zeit danach hatte Ullmingea die Kunde von seinem Tode erhalten. Und seither war er viel gereist, hatte auf seine Art das Leben genossen, innerlich immer einsamer werdend. Nach Schloß Freydeck war er nie mehr gekommen bis heute, wo ihn als Anverwandten die Pflicht herführte, dem Senior des Hauses da» letzte Seiest« zu gebeu. O, wie er sie haßte, alle diese aufgedruugenen Pfllch- len, diese langweiligen Forderungen des Alltags l Der alte Graf war ihm nie etwas gewesen. Weshalb verlangten die Leute von ihnu daß er mit einer passenden Trauermiene hinter seinem Sarge schritt? Ueberhaupt: die Leute! Hatte er sich jemals viel um sie gekümmert? Und doch mußte man ihnen fortwährend Opfer bringen, weil sie sich in alles «inmengten, weil sie alles in strenge Formen elnzwängen wollten. Er redete schon wieder laut und scharf vor sich hin. So hörte er gar nicht Len schwingenden, singenden Ton der Glocke des Klosterturme», der aus dem Waldesdunkel sich erhob. Er hörte auch nicht das Gemurmel von gedämpften Frauenstimmen, welche» durch die stille, klare Luft bi» hier herüberdrang. Erst als nun der Kutscher sacht die Peitsch« hob und mit dem Stiel gerade vor sich binwies, wurde der Frei herr aufmerksam. Er erhob sich halb im Wagen und spähte scharf nach vorn. Und da bot sich ihm ein Bild, so seltsam und so ergreifend, wie auch er, der viele bunte Lebensausschnitt« gesehen, es noch selten erblickt hatte. Gerade vor ihm lag, vom Wege durch «in« hohe Mauer, die jedoch dort und da schon abbröckelte und große Lücken wies, getrennt, der uralte Friedbof de» Klotter» von Sankt Marien. lautete fein Steckbrief, auf den hin die Polizei in Zürich den Hochstapler verhaftete. In der langen Zwischenzeit war Otto, wenn man seinen Worten Glauben schenken darf, als Offizier der Fremdenlegion in Marokko verwundet und von Abd el Krim gefangen worben. Doch glückte ihm die Flucht und über Sizilien und Italien kehrte er in die Schweiz zu rück. Zu den drei Weltsprachen hat da» kluge Bürschchen schnell noch eine vierte hinzugelernt. Er spricht jetzt fließend Italienisch. Nach den guten Erfahrungen, die er 1923 in der Schweiz gemacht hatte, hoffte er sich bequem und ungeschoren in -er Alpenlust von den afrikanischen Strapazen erholen zu können. Doch der Krug ging auch hier zum Brunnen bis er brach. Otto Stephane ist tatsächlich ein gebrochener Mann. Oder tut er nur dergleichen? Leute, die von ihm geprellt worben sind, neigen mit großer Entschiedenheit zu dieser Version. Sicher ist nur, daß der Häftling in feiner Zelle in Basel einen wahren -oder fingierten Selbstmordversuch un ternahm. Man fand ihn mit einer großen Schramme am Hals. Daraufhin wurde er in die staatliche Irrenanstalt gebracht. Was gilts, wir werden noch mehr Interessantes von diesem Abenteurer hören. Er ist ja noch jung und seine Vergehen sind glücklicherweise nicht derart, daß sie durch lebenslängliches Zuchthaus geahndet werden müssen, klebri gen» ist es leichter, aus einer Irrenanstalt zu entfliehen, als aus dem Gefängnis. Und bevor die angesrellten Erhebungen über die zivile und militärische Vergangenheit dieses Bel gier», der immer noch fest behauptet, aus königlichem Geblüt zu sein, abgeschlossen sind, ist er vielleicht längst wieder über alle Berge. im Speisesaal war ein große, — Palme i!) eingebaut. Aus «r war nur als Ruhestätte für Bewohner de» Stifte» bearündet worden, und viele gleiche Gräber lagen da dicht aneinandergereiht in dem leuchtenden Sonnenschein. Nirgend» stand ein Stein, «in Name. Rur auf schwarze» Holztäfelchen ein« meist schon halbverwischte Nummer, Lle Zeugnis davon ablegte, daß hier ein Mensch ausrubte von der Pilgerfahrt durch Liese» Leben, «in Mensch, dessen Andenken wohl kaum noch von einem Lebenden bewahrt wurde. Auf den Gräbern blühten wilde, bunt« Astern in einer leuchtenden Farbenpracht; aus dichtem, rotbraunem Buschwerk glühten hochrote Vogelbeeren; silberne Fäden schwammen durch die Luft und hingen sich an Geäst und Gezweig. Und im höchsten Gipfel der alten Eberesche, welch« ihre gelben Blätter weit hinstreute über dieses fülle Fleckchen Erde, sang eine Amsel schmetternd und laut ein Lied vom Leben, da» den Tod überwindet Durch all den Sonnenglast und die herbstbunte Freudigkett aber kam aus der steinernen Klosterpfort« heraus ein schattenhafter Zug. Lang wallten die dunklen Gewänder um die lang sam und feierlich Schreitenden, von den hohen, schwarzen Kopfbedeckungen wehten die dichten Schleier; weiß und hell glänzten nur die Tücher, weiche das ganze Antlitz vollkommen verdeckten, und die Hände der Schwestern, die sie zum Gebet gefaltet hatten. Vier der iu der Mitte schreitenden Gestalten trugen auf ihren Schultern einen schmucklosen Sarg. „Und vergib uns unsere Schuld — wie auch wir vergeben unseren Schuldigem —" Klar und hell klangen diese Worte des Friedens, Les Verzeihens hin über den kleinen Raum und drangen bis zu den Ohren des Mcknnes, welcher leise ausgesriege» war und dem Kutscher «inen Wink gegeben hatte, sich einstweilen mit dem Wagen zu entfernen. Er selbst stand ganz still, ohne sich zu rühren, entblößten Hauptes — „Und erlöse uns von dem Uebel l Amen!" Der Freiherr hob den Kopf. Zwischen all den ge dämpften Lauten, klang da nicht eine Helle, süße Stimme, ein Ton Les Lebens, der Verheißung? Ein Ton von Jugend, von Frühling? Die Nonnen hatten sich gegen die Friedhofsmauer zugewendet. Dunkel und schwer hoben sich ihre Sil houetten ob gegen den Hellen Himmel. Nun setzten sie Len Sarg nieder. Und da — in diesem Augenblick — tauckte wie ein Bild auf dunklem Grunde eine zarte, schlanke Mädchen gestalt auf. Die Sonne warf ganze Strahlenüündel hin über da» weiße, leuchtende Gesicht, über dies« Fülle goldenen Haares, überwiese knospeLhaft keusche, liebliche Erscheinung. (Fortsetzung folgt.) M MM M Wk SMtM MM. In dem Dresdner Vorort Klein-Zfchachwiy wurde vor kurzem das hundertjährige Bestehen einer Schule gefeiert, die seinerzeit von dem russischen Fürsten Putialin gestiftet worden war. Er war ein großer Sonderling, dieser märchen haft reiche Fürst, der am Ende des 18. Jahrhunderts mit feiner ganzen Familie aus Rußland ausreiste, um nie wieder in die Heimat zurückzukehren. Dresden und seine Umgebung haben ihm so gul gefallen, daß er sich ent schloß, bis an sein Lebensende dorr zu bleiben. In Klein- Zschechwitz ließ er sich eine prunkvolle Villa in einem rechi exzentrischen Stil bauen. Tie Billa wurde mit sechzehn Balkon» verziert, mitten i Ofen in der Form einer - dem Zimmer der jungen Fürstin, die lungenkrank war führt« eine Tür direkt in den Stall, um der Kranken die Möglichkeit zu geben, die, wie Putialin glaubte, ihr höchst zuträgliche Stalluft zu genießen. Ten ersten Stock der Villa ließ der Fürst durch ein Seil mit einem mächtigen Baumstamm mit dem Garten verbinden. ES machte ihm besonderen Spaß, in einem kleinen Wagen, der an dem Stall angebracht war, in den Garten hinunterzufahren. So ersann der Fürst den Urtypu» einer Drahtscilbahn. In dem Garten, der reich mit Statue» geschmückt war, ließ der Fürst seinen Hund begraben und ihm ein prachtvolles Denk mal au» edlen Steine« errichten. Bet Regenwetter ging der Sonderling in den Straßen Dresden» spazieren, ein gehüllt iu ein Schilderhaus, daß er aus dem Rücken trug. In de» fürstliche» Karossen waren automatische Fächer angebracht, die dem Fahrenden während der Hitze Kühlung zufächelten. Kur» vor feinem Tode stiftete der Fürst im Jahre 182S an» eigenen Mitteln der Gemeinde Klein-Zschachwitz die Schule, die jetzt ihre Hundertjahrfeier beging. Die Zimmer mußten mit Zitaten aus der Heiligen Schrift reichlich versehen werden. Di« Stiftungstafel trägt die folgende Inschrift in russischer Sprache, die hier in deutscher Sprache, aber mit der merkwürdigen Interpunktion de» Original» wiedergegeben fei: „Mit Gott, in Gott, durch Gott ist diese Schule erdacht und au» eigenen Mitteln er baut, zum heiligen ! ! ! zum teuersten ! ! ! ewigen An denken ! ! ! au die Tochter ! ! ! an die Gemahlin ! an den Freund ! ! !" In seinem Testament bestimmre der Fürst, daß au» de» Zinsen einer netten kleinen Summ« „feine" Schulkinder" alljährlich am Tage ber Schulgrün» dang" in alle Ewigkeit" einen reiche« Schmau» bekomme« sollte». Die Inflation hat leider von der hübschen Stif tung nicht viel übrig gelassen.
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