Volltext Seite (XML)
Riesaer Tageblatt ^°167 Montag, 20. Jnli 1S36, abends 89. Jalira Postscheckkonto: Dresden 1530 Girokass«: Riesa Nr. 52 Drahtanschrift: Tageblatt Riesa Fernruf Nr. 20 Postfach Nr. 52 Das Riesaer Tageblatt erscheint jede« Tag abends V.S Uhr mit Ausnahme der Tonn- und Festtag«. veM-SpreiS, bet Vorauszahlung, fltr einen Monat 2 Mark, ohne Zustellgebühr, durch Postbezug NM. 2.14 einschl. Postgebühr lohne Zustellgebühr), bet Abholung in der Geschäftsstelle Wochenkarte (6 aufeinanderfolgende Nr.) 55 Pfg., Einzelnummer 15 Psg. Anzeigen für die Nummer des Ausgabetages sind btS 10 Uhr vormittags aufzugeben,' eine Gewähr für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird nicht übernommen. Grundpreis für die gesetzte 46 mm breite mm.Zeile oder deren Raum 9 Rpf., die 00 mm breite, 3 gespaltene mm-Zeile im Textteil 25 Rpf. (Grundschrtft: Petit 3 mm hoch). Ziffergebühr 27 Rpf., tabellarischer Satz 50"/. Aufschlag. Bei fernmündlicher Anzeigen-BesteÜung ober fernmündlicher Abänderung etngesandter Anzeigentexte ober Probeabzüge schließt der Verlag die Jnansprua». nähme aus Mängeln nicht drucktechnischer Art au». Preisliste Nr. S. Bei Konkurs ober ZwangSvergletch wird etwa schon bewilligter Nachlaß hinfällig. Erfüllungsort für Lieferung und Zahlung und Gerichtsstand -st Riesa. Höhere Gewalt, Betriebsstörungen usw. entbinden den Verlag von allen «ingegangenen Verpflichtungen. Geschäftsstelle: Riesa, Goethestraße öS. ««d Arrreiger sLidchiatt md Anphry. Da, Rkesoer Dweblall tft da» Mr Bar»ff«itktch«ag brr aWtkchaa Vrkannlmachuagru ü«r Amtshauptmannschaft vroßenhatt» behördlichersett» bestimmte Blatt und enthält amtSich« Bekanntmachungen de» Finanzamtes Riesa und -e» Hauptzollamtes Meißen 9er olympische Faüellaus beginnt Entzündung des olympischen Feuers in Slympia Zum ersten Male in der Geschichte der neuzeitlichen Olympischen Spiele wird das heilige Feuer, das als Sinnbild der sich ewig erneuernden Jugend und des Frieden« unter den Völkern an den olympischen Kampf- flätten brennt, von der Sonne Griechenlands entzündet. Mehr als 3000 Läufer, die Jugend der sieben Länder, die der Fackclstafscllauf vom Peloponnes zu den olympischen Kampfstätten im Grünewald verbindet, bringen die Flamme von Volk zu Volk, von Land zu Land. Tag und Nacht eilt daS heilige Feuer, von ihren Händen getragen, durch die Lande, überall verkündend, daß die Jugend der Welt zu friedlichem Wettstreite, zum Kampfe der Wagen und Gesänge zusammentritt. Deutschland hat diesen wundervollen Gedanken auf der Athener Tagung dem Internationalen Olympischen Komitee unterbreitet. Begeistert ist er von allen aus genommen worden und wird nun am heutigen 20. Jnli verwirklicht. Olympia ist in diesen Tagen wieder einmal znm Zentrum Griechenlands geworden. AuS allen Gauen des neuen Hellas sind mit der Bahn oder mit dem Schiff über Katakolo-PyrgoS die Besucher eingetrosfen. Die Bauern aus der Umgebung sind auf Maultieren und Eseln, mit Sustcn, ihren zweirädrigen Karren, und viele sind auch zu Fuß nach Olympia gekommen. Der Autoverkehr wurde aus die Kraftwagen der offiziellen Persönlichkeiten be schränkt, weil die Straße noch nicht scrtiggestcllt und teil weise in sehr schlechtem Zustande ist. ES scheint, als er« wache Olympia nach langem Schlafe zu neuem Leben. In dem kleinen Dorf herrscht da» Leben einer Groß stadt. Man spürt deutlich: Olympia weiß und fühlt, daß die Augen der gesamten zivilisierten Welt aus die heilige und stille Nltis gerichtet sind. Olympia hat sich für das Fest gerüstet! Alle Hotels und alle Zimmer sind über füllt. Viele Olvmpiapilger müssen sogar im Freien näch tigen, was übrigens angesichts der ungemein großen Juli- siitze — das Thermometer zeigt schon über 30 Grad im Schatten — eher ein Vor- als ein Nachteil ist. Die grie chischen Jungen haben schon vor einigen Tagen ihr Zelt in Olympia aufgeschlagcn und führen ein Lagerleben ähn lich dem der deutschen Jugend. Botschaft -es Barons -e Louberiin Vor Beginn dcS Fackclstasfellaufes wurde eine An sprache des Begründers der neuzeitlichen Olympischen Spiele, Baron de Coubertin, an die Läufer Olym pia-Berlin verlesen, in der es heißt: Fünfzig Jahre sind seit dem Tage verflossen, als ich 1886, unter Ausschal tung aller persönlichen Regungen, meine ganze Lebens- kraft daransctzte, eine Reform der Erziehung vorzuberei- tcn in der Uebcrzcugung, daß weder eine politische noch soziale Stabilität ohne eine vorhergehende pädagogische Reform erreicht werden könne. Ich glaube, meine Aus gabe erfüllt zu haben, wenn auch nicht vollkommen. Ans unzähligen, über die ganze Welt verstreuten llampsstättcn hat heute die LcibcSfreude eine Stätte wie rßcdem in Hellas Gymnasien. Keine Nation, keine Klasse, kein Beruf sind davon ausgenommen. Die Wiederbele bung der Körperkultur hat nicht nur die Volksgesund heit gefestigt; lie strahlt vielmehr eine Art „lächelnden Stoizismus- aus, der dem einzelnen über die täglichen Unbilden des Lebens hinweghilst. Wir wollen uns zu diesem Erfolg beglückwünschen; doch ist damit noch nicht alles getan. Der Geist muß von den Banden erlöst Wer sten, die ihm durch eine ans die Spitze getriebene Ein seitigkeit aufcrlcgt wurden, auf daß er der bedrückenden Tuge der Spezialbcrufe ents-ttehe. Die wetten Ueberblicke, die unserer Zeit gegeben sind, müssen jedem auf der Schwelle dcS tätigen Lebens, wenn auch nur für einen .'urzen Augenblick, ermöglicht werden. Die Zukunft ge hört den Völkern, die als erste es wagen, die Erziehung des Heranwachsenden jungen Mannes umzuformen. Denn er ist cs, der das Schicksal erfaßt und gestaltet. Auf diese Weise wird ein kraftvoller und durchgeistig ter Friede geschaffen, der einer sportlichen Zeit voll ge sunden Ehrgeizes und starken Willens gebührt. Ich ver traue euch meine Botschaft an, die wohl die letzte ist, die ich ausrichtcn kann. Glück auf zu eurem Lauf! Das deutsche Komitee hat mit einer von allen Ländern hoch anerkannten Mühe die Gestaltung und Organisation des Laufes durchqcführt. Fordert für mich die in Berlin versammelte Jugend auf, das Erbe meines Wirkens anzntreten, damit sie zu Ende führe, was ich begann und was die uns umgebende Pedanterie und der Hang zum Gewohnheitsmäßigen ver hinderten, zur Vollendung zu führen, auf daß der Bund zwischen Körper- und Geisteskraft zum Fortschritt und zur Ehre der Menschheit auf ewig besiegelt werde. Vie Feier beginnt! )l O l n m v i a, 20. Juli 1036. Jmmev arößcr wird die Spannung, je mehr sich die Zeiaer der io. Morgenstunde lMEZ.) nähern. Eine wahre Völkerwanderung hat ein- gesetzt. Alle pilgern sie hinaus zu dem großen Platz nor der Attis, wo in einem großen Viereck die Feier der Ent zündung der ersten Fackel vorgcnommen wird. Durch die Stadt zieht, von der Jugend begleite», die Musik. Sie kündigt den Beginn der Feier an. Schon lange vor 10 Nhr haben die Schulkinder, die Stafselläuser und auch die offiziellen Persönlichkeiten die ihnen zuqewiesenen Plätze eingenommen Die. Stelle des Baron» de Eouvertin, die 1034 bei der 40. Tagung de» in ternationalen olnmpischrn Komitee» enthüllt wnrde, ist auf dem Festplatz in der Nähe der Attis neu ausgestellt wor den. Gegenüber der Stelle errichtete man den Altar, an dem der erste Fackelträger nun in wenigen Minuten seine Fackel entfachen wird. Alle» ist einfach, schön, würdig. Gegen 10 Ubr MEZ. erschallen vom Eronoshüqel Posannenklänge herab ans den Festptay, das Zeichen, daß die Feierlichkeit der Ftammenentzünduug beginnen soll. Der Zutritt zur AltiS. zu den Ruinen von Olnmpia ist strengsten» untersagt. Da» Fest für die Offiziellen nnd da» Bolk findet vor der Altis statt. Dir alten brstren Ruinen sollen in ihrer aöttlichen Stille nicht gestört nnd die heilige Handlung der Entzündung der olnmpischen Flamme soll in keiner Weise beeinträchtigt werden. Dumpf dringt in die sonst so stillen Ruinen wie ein Rannen au» weiter Ferne nur da» Stimmengewirr und Geplauder der draußen ver sammelten Festversammliing. Hier in der Attis, wo der Hera- und der berühmte Zcustemvel stehen nnd wo die gwaltigen Säulen de» letzten zwischen Blumen und Gräsern am Boden liegen, hört man sonst nur da» lebhafte Zirpen unzähliger Zykadcn. Vie Ramme ift entfacht Nach den Posannenstößen vom Kronoshügel begeben sich die 15 jungen Griechinnen, die schönen Vertreterinnen des hcutiaen Hellas durch die Krnpta, dem zum antiken Stadion führenden gedeckten Gang, um hier in aller Stille die olympische Flamme zu entzünden. Dort steht schon ans einem eisernen Vicrfnß der Spiegel, ein Gerät, wie es die alten Griechen benutzten, um das verlöschte heilige Feuer wieder neu zu entfachen. Die Mädchen halten einen Stab, der mit leicht entzünd baren Stossen umbunden ist. Die Spannung des Augen blicks ift ans das höchste gestiegen. Die Mädchen batten das schöne Gefäß bereit, in dein sie die nun ieden Augenblick entfachte Flamme binau» zum Altar bringen werden. Aller Augen sind auf den Spiegel und den Brennstab gerichtet. Die ersten Dämpfe bilden sich, erste Wölkchen steigen ans. Zuerst ein Flackern nnd dann lebt sie: die sonnengeborene Olympiaslamme! Nun wirb damit die in dem Gesäß enthaltene Brenn masse entzündet. Langsam in rhythmischen Schritten, mit vorgestreckten Händen, in einem lange geübten, einfachen aber eindrucksvollen Schreiten bewegt sich die Mädchen gruppe wieder durch die Krnpta und trägt die Flamme an den 12 Schatzhäusern am HerakleS-Altar und dem Heraion vorüber, durch die von Pinien beschattete AltiS. Die jungen Mädchen tragen Gewänder der hcutiaen Zeit, um auch schon so zu bezeugen, baß hier der Geist des jungen Hellas lebendig ist und wirkt nnd schasst. Es ist ein zicgelfarbiger Kittel, wie er bet gymnastischen Uebungen allgemein getragen wird. D«e Hingen Griechinnen geben mit brennendem Feuer aus oeu Eingang mit den Ruinen zu und nehmen vor der Attis Aufstellung. Gleich am neuen Ausgange der Aktiv ist die vom Dore berttbergebrachte Stele des Baron» de Eoubertin ausgestellt worben. Ihr gegenüber steht der Altar, au dem der erste Läufer seine Fackel entzünden wird. Seit wärts davon haben 00 Jünglinge, 40 von ihnen sind Läufer, Aufstellung genommen. Alles, was an Tbcatcrspielen erinnern könnte, wurde aus der Feier sortgclassen. ES gibt keine „antiken Prie ster", sondern man bat die heutige nationale orthodoxe Kirche hcrangezogcn, damit sic dem Staffellauf ihren Segen geben soll. Auch damit wird miede» betont, daß — wie im Altertum — auch im heutigen Hella» die Religion zum heutigen griechischen Volksleben gehört. Auf dem Feftplatz Große Bewegung herrscht aus dem Festplatz. Während im Innern der Attis, unsichtbar von der Menge, die Mädchen die olympische Flamme entzünden, tritt hier del Rüraermeister von Pyrgos, der Hauptstadt von Elis, vois die Stele des Baron de Eonbertin. Er spricht von de» Bedeutung nnd der Geschichte der Feier von Olnmpia, von dem nnn in wenigen Minuten beginnenden Fackellaus nn8 den 11. Olympischen Spielen in Berlin. Nachdem de» Bürgermeister unter dem Beifall der versammelten Mcngä seine Rede beendet Kat. nimmt der Unterftaatssekretär des potttttchen Büros des Ministerpräsidenten, GeorgacopouloH, das Wort. Ansprache des Nnterstaatssefretiirs (tteorgacopoulos Der Unterftaatssekretär des Politischen Büros des Mi nisterpräsidenten, Georgacovoulos, führte in seiner Ansprach» u. a. aus: Das griechische Volk empfinde mit besonderer Be friedigung nnd lebhafter innerer Bewegung, daß die Orga nisatoren der eisten Olympiade, Vertreter de» höchsten deut» schen Geistes, am tiessten in die olympische Tradition ein gedrungen sind. Sie haben den olympischen Geist erneuert und glauben an das unsterbliche Dogma des antiken Hellas, nach dem es der Zweck der Nationen ist, Zivilisation zu schaffen und zu verbreiten. Mit dieser Auffassung unter dem hohen Schutz de» Führers der deutschen Nation wurden alle Völker zu einer höheren geistigen Zusammenkunft nachBer- lin einaeladen, wo gemeinsam mit dem vornehmen Wetteifer der athletischen Kämpfe zugleich die heutige deutstj)« Zivilisation in Erscheinung treten w'rd. Eine schöne Aeuße« rung dieser deutschen Zivilisation ist der Gedanke des graften Olympischen Fackellauses, durch den die olympische Tradition in Erscheinung tritt, die sich fortgesetzt durch den Lauf der Jahrhunderte und durch die geknüpften Bande der Olym pischen Spiele, an denen einstmals nur Griechen teilnahmen, und die jetzt zu einem gemeinsamen Gut aller Menschen auf dem Erdball werden. 3000 junge Menschen werden dieses Feuer in einem Tag und Nacht ununterbrochen durch geführten Fackel-Stasfellauf durch die griechischen Berge und Wiesen als Symbol des Friedens an die User der Spree unter die hohen Eichen tragen, um sie auf dem Altar abzusetzen, den der erhabene zeitgenössisch« deutsche Geist vorbereitete. Denkt daran, daß, wenn die Priester das Feuer in der heiligen Altis anfachten, die gesamte griechische Welt die Waffen niederlegte. Der Krieg, der Haß, di« Meinungsver schiedenheiten waren vergessen, es herrschte Waffenruhe. In allen griechischen Landen herrschte eine völlige geistige Ruhe, damit die heiligen Olympischen Spiele durchgeführt werden konnten, um die stürmische Jugend in einen erhabenen und friedlichen Wettkampf zu führen. Wendet alle Eure Blicke auf das Berliner Stadion! Verfolgt die heilige Einweihung, an der alle Völker tei'neh- men, und glaubt an den olnmpischen Geist, der freie Men schen schafft, Freunde des Friedens und «ine große unsterb liche Zivilisation! Dann spricht der deutsche Geschäftsträger in Athe« Gesandter Dr. Piftor. Noch der Ansprache des dentscben Gesandten stimmen die 60 Jünglinge im Sprcchchor die bei den ersten Strophen der Vlll. Olympischen Ode von Pindar in altgriechischer Sprache an. Zunächst batte inan daran gedacht, die Ode ins Neu griechische zu übersetzen. Um aber nicht von ihrem Wohl laut und ihrer Schönheit zu verlieren, klingt sie heute wie sie dte Vorväter der Griechen vor Jahrtausenden spräche» in den heißen griechischen Sommertag. Las olympische Aener brennt Kaum sind die Hellen Knabenstimmen verstummt, setzen sich die am Eingang mit der Flamme erschienenen Mädchen in Bewegung. Lie gehen zunächst aus die Stele des Baron de Coubertin zu und von dort in gerader Linie langsam und gemessen zu dem gegenüberliegenden Altar. In wohl geübtem aber trotzdem natürlich erscheinenden Mange um schreiten die snngen Griechinnen dann den Altar und ent- »ünden sofort das olympische Feuer. E» ist ein einzigartig schönes Bild, zumal in dieser poetischen Umgebung, die sich einst die alten Griechen sü» ihre olnmpischen Spiele anssuchtcn. Und nun kommt de» eigentliche Höhepunkt der Feier. Die Entzündung der ersten Fackel uud die Weiter gabe des Feuers durch den ersten Läufer. Durch die Menge geht ein Flüstern. Die 60 jungen griechischen Sportler treten hervor und leyten in nengrtechischer Sprache, die wohltönend und voll ad». »-