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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.04.1915
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1915-04-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19150424015
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1915042401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1915042401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1915
-
Monat
1915-04
- Tag 1915-04-24
-
Monat
1915-04
-
Jahr
1915
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Sette 2. nr. 20S. Morgen-Nusssde. Leipziger Tageblatt. Sonnsvenü, 2< April ISIS. ?ln -eutscher Lazarettzug von einem russischen ZIleger beschossen. (r) Landsberg a. W., 23 April. (Eigener Drahtbericht.) Ein russischer Flieger, der am Bahnhof Soldau im Regierungsbezirk Allenstein zwei Munition»züge beschirmen wollte, traf einen haltenden Lazarettzug. tötete acht Verwundete und verletzte 20 Personen. Auf den Bahnhof warf der Flieger 13 Bomben. Er führte fälschlich das deutsche Fliegerabzeichen (!). deutsche Zlleger über russischen Zessungen. D Berlin. 23. April (E i g. Drahtbericht.) Von der russischen Grenze wird der „National« zeitung " gemeldet: In den letzten 1-1 Tagen wurden Grodno, Ossowirz. Lomga, Warschau und Li bau mehrfach mit Bomben aus deu tschen Flugzeugen beworfen. Der an gerichtete Schaden ist angeblich nicht bedeutend: da gegen fürchtet die Bevölkerung die deutschen Flug zeuge außerordentlich. Sobald ein deutscher Flieger am Horizont erscheint, verschwindet in den Strogen alles, was diese belebt. Trotzdem sofort eine heftige Beschienung der Flieger einsetzt, lassen sich diese in ihrer Tätigkeit nicht stören. In Grodno ist übrigens die Kaserne eines Ersatz-In fanterieregiments durch Bombenwürfe zer - stört worden. Auch auf russische Trainabteilungcn sind in letzter Zeit verschiedentlich Bomben geworden worden. Auch russische Flieger haben sich neuerlich wieder recht zahlreich über die deutschen Linien gewagt. In nächster Zeit sollen noch mehr russische Flieger auf dem Kriegsschauplätze erscheinen, da sich zahlreiche freiwillige und fremde angoworbene Flieger dem russischen Flugwesen zur Verfügung ge stellt haben. Der Aar in Lemberg. 1». Haag. 23. April. Der Zar, der, wie ge meldet, vor einigen Tagen wieder einmal zur Front abgereist war, ist jetzt in Lemberg eingctrosfen. ivtb. Petersburg, 23. April. Der Zar ist in Lemberg angckommen. Auf dem Bahnhof von Brody begrünten ihn der Oberbefehlshaber Großfürst N i k o I a f N i k o l a j e w i t s ch mit seinem Stabe und der Gehilfe des Generalgouverneurs von Gali zien. Der Zar ließ sich über die kriegerischen Vor gänge Bericht erstatten und fuhr mit dem Großfürsten im Automobil in die Stadt, an deren Eingänge er vom Eeneralgouverneur Galiziens, Grafen Bo brinsky, begrüßt wurde. Er begab sich dann in das Palais des Gencralgouverneurs. Als die Menge sich vor dem Palais ansammclte, trat der Zar auf den Balkon, dankte für den herzlichen Empfang und rief: „Hoch lebe das eine, unteilbare und mächtige Ruß land! Hurra!" Vie-erhersiellung -es posiverkehrs mit EnglanS. nlb. Rotterdam, 23. April. Der „Rotterdam'sche Courant" erfährt, daß ab heute die Post wieder mit dem H a r w i ch d a m p fe r verschickt wird. Heute nacht wurde sie von dem Frachtdampser „Brüssel" mitgenommen. vtb. Amsterdam. 23. April. Der Dampfer „Kopenhage n" der Great Eostcrn-Bahn ist heute früh in Vlissingen mit britischer Post angekommen. Er nahm die holländische an Bord und fuhr mittags nach England ab. Der Londoner Korrespondent des „Handels- bladet" erfährt, daß geplant sei, vorläufig zweimal in der Woche mit englischen Schiffen die Post nachden Niederlanden zu schicken. Man wisse noch nicht, wie lange die Einstellung des gewöhnlich?» Dienstes dauern werde. Aum Untergang -er „Katwijk". vtb Rotterdam, 23. April. Der „Nieuwe Rotier» dänische Couranr" schreibt aus Grund der Er klärungen, die ihm das Niederländische Departement des Aeußern gab: Gegenüber der Behauptung, daß die spontane Erklärung der deutschen Regierung bezüglich der „K a t w i j t" mit der Uederreichung des Protestes durch die n jeder- lä irdische Regierung zusammenfiel, können wir Zum Uebergang -er Deutschen über -en gpera-kanal. seststellen, daß Zwischen den Niederlanden und Deutschland weder schriftlich noch mündlich ein Ge dankenaustausch stattgesunden hat. Unsererseits war, da die Nationalität des Unterseebootes unbekannt war noch kein Schritt getan worden, als die deutsche Erklärung einlies. Das erhöht zweifellos ihre Bedeutung. Aufgebrachter Dampfer. «tb. London, 23. April. Lloyds melden, daß die Deutschen in der Nordsee den norme aischen Dampfer „Brilliant", auf dem Wege von Sarpsborg nach London, aufgebracht haben. Anfragen im englischen Unterhaus. nrb. London, 23. April. (Unterhaus, s Premier minister Asquith kündigte an, Lloyd George werde Anträge zur Einschränkung des Alkohol ausschanks einbringen. — Mac Na mara teilte Einzelheiten über den türkischen An griff auf das Transportschiff „Manitou" mit und führte aus: „Manitou" hatte Truppen an Bord und wurde von einem türkischen Torpedoboot ungehalten, das aus Smyrna entkommen war. Die Besatzung und die Truppen erhielten Befehl, binnen acht Minuten das Schiff zu verlassen. Das Torpedo boot feuerte dann drei Torpedos auf den Dampfer ab, die sehlgingen. Das Torpedo boot wurde von britischen Torpedooootszerstörern, die auftauchten, vertrieben und verfolgt. Es wurde auf Strand gesetzt und zerstört. Die Besatzung wurde gefangengenommen. lDie amtliche türkische Meldung hierüber lautet etwas anders. D. Red.) Während die Truppen das Transportschiff verließen, kenterten zwei Boote. Die Ursache war in einem Falle das Brechen eines Davits, in dem anderen Fülle wahrscheinlich Ueberfüllung des Bootes. Untersiaatssekretär Tennant über -as englische Heer. ntl>. London, 23. April. Im unlerhauie wies gestern Unterstaatssekretär Tennant darauf hin, daß das Heer allen Ansprüchen gerecht werde. Er erinnerte an die Pünktlichkeit, womit die Verstärkungen geschickt würden, und betonte die Regelmäßigkeit, womit die Ausrüstungsgegenstände beschafft würden, sowie, daß an Nahrungsnntteln, Pferden und Futter kein Mangel und der Gesund heitszustand der Truppen vorzüglich sei. Die Epi demien würden unterdrückt: es seien keine Fälle von Dysenterie rorgekommen. Die Verwundeten er reichten in 21 Stunden London. Loro Kitchener habe ihn ermächtigt, mitzuteilen, daß das Ergebnis der Rekrutierung während der letzten Monate äußerst befriedigend war, und daß er sicher darauf baue, daß die Nation in Zukunft dem Ruf zu den Fahnen ebenso folgen werde, wie bisher. Mehr als hunderttausend Mann seien dank der lokalen und individuellen Ben ühungen in besonderen Bataillonen formiert. Im Flugwesen gehe alles nach Wunsch. Trotz der Schwierigkeiten bei der Aus bildung der Mannschaften sei die Ver fertigung des Materials sehr ausgedehnt. Die neue Armee würde genügend mit Flugzeugen versehen sein. Die Wahrheit über -en Krieg un- ihre Unter-rü«kung in Englan-. (2.) Hamburg, 23. April. (Eig. Drahtber.) Reisende, die aus England zurückgekehrt sind, er zählen, daß vor kurzem in London in vielen Druckereien Haussuchungen vorgenommen worden sind. Die Nachforschungen beträfen Broschüren, die sehr heftige Angriffe gegen die Regierung und namentlich gegen das M a r i n e m i n ist e r i u m enthalten. Darin wurde aufgefllhrt, wie den „Hamburger Nach richten" aus dem Haag gemeldet wird, daß das Vor gehen gegen die Dardanellen an verlorenen und schwer beschädigten Kriegsschiffen und ver nichteten Geschützen sowie an Munition, die in außer ordentlicher Menge verschossen wurde, das eng lische Volk bis jetzt 300 Millionen Mark g e« kostet habe. Die neue Aktion, die sich in Vor bereitung befinde, werde mit ihren großen Truppen beförderungen mindesten» das Doppelte an Kosten verursachen, so daß mit den Pensionen für die Hin terbliebenen usw. der Versuch der Darda« nellenbezwingung England auf etwa eine Milliarde zu stehen komme, voraussicht lich aber nichts einbringen werde. Der Feld zug in Aegypten habe bisher 120 Millionen Mark erfordert. Dabei wage man nicht einmal über den Suez-Kanal wei ter htnauszugehen. Der Kolonialfeldzug koste schon 100 Millionen Mark und habe nur einige Sandstrecken von Deutsch-SUdwestafrika eingebracht. Obwohl der ganze Krieg England monatlich im Durchschnitt 1!4 bis 1^ Milliarde Mark Kosten auf erlege, habe die Front seit sechs Monaten kaum eine Veränderung erfahren. Geländegewinne von weniger als zwei Kilometern kosteten die Engländer, wie bei Neuve Ehapelle, mehr als 12 000 Tote und Verwun dete. Die Flugschrift ist angeblich in mehreren hun derttausend Exemplaren verbreitet worden. Als Herausgeber vermutet man Anhänger der irischen Partei. Deutsch - französischer Invali-enaustausch. Seit einigen Tagen verkehren, wie die „V. Z." aus Basel erfährt, auf der Strecke Karlsruhe- Offenburg—Konstanz wieder zahlreiche Extra züge, die durchweg mit französischen Schwer verwundeten besetzt sind. Ein Zug befördert etwa 300 Verwundete. Die deutsche Regierung hat der französischen einen zweiten Austausch Schwer verwundeter für den 1. Mai und die folgenden Tage voraes^sagen. Bis jetzt sind in Konstanz bereits 2200 schwerverwundete Franzosen angekommen, und ibre Gesamtzahl dürfte etwa 3600 betragen. An die schweizerische Reaierung wurde deutscherseits das Er suchen um ihre Mithilfe und an das schwei-crische Rote Kreuz das Ersuchen um Stellung von Lazarett zügen beim Transport von Konstanz nach Frankreich und umgekehrt gerichtet. Die Antworten aus Frank reich wie auch des schweizerischen Bundesrates stehen, wie wir bereits berichteten, noch aus. Ueber -ie Freilassung -es französischen Hauptmanns Pascal erfährt der „Lok.-Anz." von deutscher amtlicher Stelle Einzelheiten. Danach schweben seit Monaten mit der französischen Regierung Verhandlungen über den Austausch sämtlicher Zivilgefan genen sowie über die Freilassung des beiderseits zurückgehaltenen Sani tätspersonals. Durch eine möglichst baldige Erledigung dieser Verhandlungen würde einer Reihe von Klagen ein Ende gemacht, auch einem Gebot der Menschlichkeit entsprochen werden. Aus diesem Grunde ist dem Abgeordneten Pascal, der in Kriegsgefangenschaft geraten und um die Erlaubnis zur Rückkehr eingetommen war, nahegelegt worden, die Verhandlungen, für die er sich lebhaft inter essierte, seinerseits nach Kräften zu fördern. Seine Freilassung konnte unbedenklich erfolgen, da er ver sprochen hatte, auf Grund des ihm nach den fran zösischen Bestimmungen zustehenden Wahlrechts künftig lediglich sein Mandat als Abgeordneter auszullben und auf seine weitere militärische Tätig keit zu verzichten. Hanotaux — französischer Sotschasier in Rom! Die römische „Concordia", die seinerzeit auch die Abberufung Krupenslys früher als andere Blätter erfuhr, meldet dem „B. T." zufolge, daß Hanotaux tatsächlich bereits die Leitung der franzö sischen Botschaft an Stelle des leidenden Bar- rore übernommen habe. Hanotaux dirigiere auch bereits zusammen mit dem englischen Botschafter Sir Renne! Rodd den diplomatischen Jntrigenfeldzug sowie den Sturmlauf der Presse gegen die italienisch- österreichischen Verhandlungen. kriegsbilSerbogen. Von Leutnant d. L. Dr. Rudolf Dämmert. XVIII. Kriegssrühling im Osten. (7..) Welche Ileberraschungen bietet doch diej?r Krieg! Hatte nicht einst unsere Gedankenwelt bei dem tastenden Erfassen eines Weltkrieges sich mit Bildern rascher blutiger Erschöpfung erfüllt, mit der Vorstellung, daß di? gigantischen Körper der einander feindlichen europäischen Großmächte sich mit wuch tigen Tatzen ineinander klauen und dem Gegner in Kurze Nahrung und Atem rauben . . . Wir waren noch durchzuckt von den dramatischen Steigerungen des Krieges 1870/71, den gewaltigen Schlagen, die in spannendem Aufbau das Schicksal des Feindes erfüllten, jenen malerischen Zwischen akten, da bei Sedan Napoleon dem alten Kaiser den Degen übergab, die deutschen Truppen in Paris ein zogen und in Versailles das neue Deutsche Reich ver kündet wurde. Dieser Krieg geht bei der Ucberzahl unserer Feinde andere Bahnen, nachdem die ersten raschen und entscheidenden Erfolge errungen waren und nur gelegentlich die Gunst besonderer Verhältnisse Er- eignissc von überwältigender Größe ermöglichte. Die neuzeitliche Technik der Kriegführung errichtet Hindernisse, gegen die der Angrifssmut vergeblich brandet. Tie Steinmauern mittelalterlicher Ver- teidtgungskunst sind gefallen. Der trennende Schutz ist in die Erde gebaut. Der Sicht entzogen, ist dem Boden der Leib geöffnet, und vor den mit Menschen gefüllten und von Eisen umsponnenen Grüben stockt der Kampf, in Schrecken gebannt. Hinter der lang gestreckten, kaum sichtbaren Mauer, in deren luftige Älandung der blaue Himmel lacht, die sich mit Frühlingsschmuck umkleidet und hinter der teuflisch sprungbereit der Tod mit tausend Krallen lauert, lagern zu beiden Seiten die Heere der Millionen, ständig in Atem gehalten durch die geheimnisvolle Regsamkeit des Feindes, die nächtlichen Gefechte der vortastenden Patrouillen, das Rätselspiel der Feuer- Überfälle, die kecke Herausforderung vorwärts foppender Gräben. Wie sieht zurzeit im O st en das Kriegsbild au»? Durch das gewaltige Gebiet von der Ostsee bis an die rumänische Grenze zieht sich ein Doppelband von spanischen Reitern, von atacheldraht und Gräben, von Asrocrhauen. Minen und Schlingen. Das ver heerende Ungewitter de» Kriege» ist zusammen- gedrängt und feftgeschnürt in diesem eisernen Band, das gebieterischer als jeder Grenzpfahl der Friedens zeit — das Machtgebiet zweier Bökkergruppen von einander scheidet. Die gigantische Heeresmacht der beiden gewaltigen Gegner ist in dieses Stahlband eingegossen, eingeschmolzen. Tag und Nacht wird daran gearbeitet, es zu verhärten, zu verdichten. Der riesenhafte Block der Millionenheere ist länder weit auseinandergezogen als eine scheinbar untätige und doch ruhelos den Widerstand zermürbende Wacht an den vom Schwert eroberten neuen Grenzen. Nur an einzelnen Stellen belebt die Möglichkeit des Be wegungskrieges das eintönige Gesamtbild. Die letz ten Reserven des russischen Reiches verbluten sich an dem umklammernden eisernen Ning. Die Lenz stürme fegen über das sumpfige ebene Land, dessen Nässe der Wintcrfrost fcstgehalten. Sic saugen das Wasser auf und trocknen den Boden. Sic bahnen uns die Wege, auf denen der eiserne Ring dem rus sischen Koloß immer enger um den Leib geschmiedet wird. Unmittelbar hinter dem wenige Kilometer brei ten Stahlband des Krieges, das sich hier Lurch die Lande zieht, entfaltet sich — auf deutscher Seite — ein sonniges Bild des Friedens. Der Sämann schreitet durch die Fluren. Junge lachende Mädchen hacken die Saatkartofseln in die zurechtbereitet« Erde. Mit dem Pfeifchen im Mund führt der Bauer den Pflug durch die Aecker. Den Landwirten wird die benötigte Saat ausgehändigt, es werden ihnen, soweit Mangel vorhanden, 2vagen und Pferde zur Verfügung gestellt. Während der Wind aus der nahen Feuerlinie das Getöse der Geschütze, das Knattern der Infanteriegewehre hcriiberträgt, bie ten die deutschen Ansiedlerdörfer die Idylle des Dorfleoens dar. Kein Bauer fast, dem nicht die zur Ackerbesteslung nötigen Pferde gelassen werden. Ucberall Kühe, Schweine, Hühner, Enten. Alle Freuden des Landwirts, der Zuwachs an Fohlen, Kälbern, jungen Fcrkelchcn und Kücken finden in unseren Ruhestunden unsere vergnügte Anteilnahme. Mit lcnzfroyer Lust entdecken wir den grünen Hauch, der über den Weiden schimmert, die Knospen und Kätzchen. In dem Genuß der farbig belebten Natur, dem Miterleben de» Landlebens erwachen wir von den düsteren Stunden ernstester Pflichterfüllung und leidenschaftlicher Geschehnisse. Bewegt und dankbar erfreuen wir uns der Zaubergeschenke der Erde, dis harmlos und selbstverständlich als gäbe cs keinen Streit und Krieg auf ihr, verschwenderisch ihre Gaden streut, die Menschheit mit guten heiligen Ge danken erfüllt. Die Landleute gehen hier dem ge wohnten Tagwerk nach, als sei der Krieg in ferne Gegenden und Zeiten gerückt. Und wie sich das Ohr an den Wasserfall, das Meeresrauschen ge wöhnt, die Sinne die gewohnten Laute nicht mehr zum Bewußtsein wecken, so gleitet das Getöse der täglichen Gefechte eindruckslos an ihrem Alltag vor über. Niemand von diesen Ansiedlern, deren Ge danken und Wünsche nur ganz von den Sorgen und Mühen des Landwirtes erfüllt sind, denkt an die Möglichkeit, daß der eiserne Ring vorne in der Stellung bersten und die russische Flut aufs neue die grünende Felder- und Lebenssaat vernichten könnte. Mag die Kriegsbrandung noch so sehr an den eisernen Wällen emporschäumen, sie bietet ein schauriges Schauspiel, aber sie raubt dem Landwirt hier das Gefühl der Sicherheit ebensowenig wie dem Bewohner auf hochgelegener Küste, der dem er schreckenden Kampfe der Lüfte mit den Wassern ruhig genießend seine Betrachtung weiht. Manch mal erscheint es freilich, als ob in den polnischen Gehöften diese Zuversicht nicht vorhanden und nicht erwünscht sei. Die innere Zerrissenheit und vielfach lauernde Feindseligkeit verstockter Polen lagert wie Schatten auf dem friihlingstrunkenen Lande. Wer will über die zwiespältigen Gefühle Richter sein? So manche Ruine einstiger Wohnstätten, die der friedenkündende Lenz nur notdürftig mit Blüten und Blättern zu umkleiden vermag, erinnert uns an di« grausame Wirklichkeit, die noch keinen Frieden unter den Menschen kennt. Soldatengriiber. Die ganze Erbarmungslosigkeit und ernste Nüch ternheit des Krieges war mir vor das Auge ge treten, als ich bei den ersten Vormärschen in Feindes land dis schlichten Erdhügel sah, in denen Freund und Feind ihre Ruhe gefunden. Die Vorstöße waren mit energischstem Ungetüm erfolgt. Jeder Gelände gewinn mußte ausgenützt, der zurückweichende Feind ruhelos verfolgt werden. Dr hieß es, rasch Abschied nehmen von den gefallenen Kameraden. Da» Schick sal hatte sie ausersehen, für die große, heilige Sache ihr Leben zu opfern. Morgen waren vieHeicht wir an der Reihe. Alle weichen Gedanken und Tmp« findungen waren Verrat an der Pflicht, an dem feurigen Willen zum Heldentum. Ein schlichtes Krcuzlcin mit Bleinotizen blieb hinter uns am Wege zurück, auf dem Hügel der Helm. Wa» gilt der ein zelne, wenn da» Geschick eines Volke» erfüllt wird? Sine einzige Einheit in einer Millionenziffer. Und einer wie der ander« ist berufen, sein Alle» zu gehen, gleichviel ob sein Untertauchen ein» große oder kleine I Lücke reißt, gleichviel welche geistigen oder künstle rischen Schätze in ihm aufgespeichert, gleichviel 00 er allein im Leben steht oder mit ihm der Lebensquell I und die Lebensfreude von vielen ihm nahe stehenden Mitmenschen versinkt. Jeder Anspruch an das Leden ist verwirkt. Ich sah Schlachtfelder, auf denen die Gefallenen tagelang unbeerdigt lagen. Nicht einmal der An spruch auf Grabesruhe konnte von einem unerbitt lichen Feind erwirkt werden. Die Nähe des Feindes gestattete auch nicht, in schützender Nacht die Liebes tätigkeit auszuüben. Erst der Abzug des Gegners gab die Möglichkeit hierzu. Die Ruhe des Stellungskrieges war unserer Heeresleitung Veranlassung, die flüchtig ausgehobe nen Ruhestätten in würdige Grabdenkmäler umzuwand^ln. In jedem Truvpenverband ist ein besonderes Kommando an der Arbeit, ein Kataster der Grabstätten anzulegen, ein Verzeichnis und einen Plan, aus dem die Gräber ersichtlich sind und in späteren Zeiten von den Angehörigen aufgesunden werden können. Die unscheinbaren Erdwnllungen, über die der Pflug vielleicht schon bald achtlos hin weggegangen wäre, wandeln sich — ob Freund ober Feind — in Grabhügel, die mit Steinen eingefaßt, mit Moos und Blumen bedeckt und mit einem dauer haften Kreuz versehen werden, das den 'Namen und Truppenteil des Gefallenen trägt und durch seinen Anspruch von dem treuen Gedenken der Kameraden zeugt. Wenn irgend möglich werden die Verblichenen auf einem besonders angelegten Soldaten-Friedhof oder auf dem Friedhof des nächstgelegenen Dorfes beigesetzt. So taucht, in der ersten Atempause des Krieges, der einzelne, die winzige Einheit des Millioncnheeres, wieder aus der Versunkenheit empor. Zwar wirkt sein Ovfertod in den Erfolgen fort, aber auch seine sterbliche Hülle findet eine geweihte Stätte, an der die Kameraden in ihren freien Stunden in weh mütiger Andacht weilen. Das Satyrspiel des Lebens kommt auch in diesen ernsten Dingen an» Tageslicht. Al» das Gräber kommando dieser Tage einige mit dem griechisch- katholischen Kreuz versehenen Russenaräber öffnete, um di« Stätte zu vertiefen und auszubauen, fand es darin statt der Gefallenen Waffen und Stacheldraht versteckt. E» zeigte sich da wieder die ganze Barbarei des Feindes, dem nicht einmal der bei allen Völkern geweihte Tempel des Grabes heilig ist, der mit dem Sinnbild de» Opfertodes den Gegner zu betrügen sucht. Wie muß in diesem schweren Ringen einem Volk« innerlich zumute sein, da» sich den hohen Beruf de» Krie-e, selbst so herabwürdtgtl
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