Volltext Seite (XML)
Was soll mein Zunge werden? I« jede» Jahre werden hunderttausend« von deut sche« Eltern vor die schicksalsschwere Frag, gestellt: „Was soll mein 2una« werden?" Es ist schön und begreiflich, wenn sich die Väter und Mütter kür ihre Kinder eine glän zende Zukunst erträumen. „Unser Junge soll es einmal besser haben als wir" — das ist der Gedanke der viele Eltern beseelt. Diesem Ziel haben sie viele Jahre lang unendlich viel Arbeit und Geld geopfert. Die Folge davon ist leider nur zu oft gewesen, daß weit mehr Knaben und Mädchen einer höheren Schulbildung zugeführt tvorde« find, als das Wirtschaftsleben an derartig vorgebildeteu Kräften aufzunehmen vermag In einseitiger lieber- schätzung der intellektuellen Ausbildung übersahen di« El tern nur zu ost, daß nur verhältnismäßig wenige Menschen sich für einen akademischen Berus eignen. Vor allem aber waren sie sich nicht klar darüber, daß unser Volk nicht nur höhere Beamte, Rechtsanwälte und Aerzte braucht, sondern auch tüchtige Handwerker, Facharbeiter und Kaufleute. auf ste gehört, dann gäbe es heute überhaupt nur noch ungelernte Arbeitskräfte, und der Nachwuchs in diele» Be rufen würde vollständig fehlen. Darum soll derjenige, der in sich einen starken Drang nach einer bestimmten Tätig, keit, eine wirkliche .Berufung" verspür^ sich niemals ab schrecken lassen. Im Gegenteil: starker Wille und wirklich« Begabung werden sich stet» durch,eben, und sei es auch nach schweren Kämpfen. Dies« sollte man. aber seine« Kindern nicht ersparen wollen, sondern st« eher wünsche«. Die Hauptsache ist, datz st« für diese Kämpfe gerüstet stad, an denen st« wachsen und stärker werden. Die Sr««dber»fe find wichtig Es ist also notwendig, dah die jungen Leute nlchk nur schnell Geld verdienen sondern etwas Richtiges lerne«. Darum find die Erunoberuse so ungeheuer wichtig. Ei« junger Mann, der das Schlosserhandwerk richtig gelernt hat, kann sich, wenn es nottut, später immer noch einem Spezialgebiet zuwenden. Selbst der Berufswechsel wird sich m vielen Fällen, wenn es nötig sei« iollte, durch estw Umschulung ermöglichen lassen. L» steht sogar fest, dah ein Mann, der in einem Berus eine gründlich« und oi«U seitige Ausbildung seiner geistigen und körverlichen Fähig- keiten erreicht hat, nach verhältnismäßig kurzer Zeit i« einem ganz fremden Beruf mehr leisten kann al» einer, der in diesem anderen Berus von Jugend a« nur eia« Teilhantierung ausgeübt hat. Unersetzlich für die Berufsausbildung und Erziehung ist ein« tüchtig« Handwerkslehre. Di« tägliche enge Berührung mit dem Meister, der sich um jeden seiner Lehr- linge persönlich kümmert, di« Eingliederung in «ine klein«, übersichtliche Arbeitsgemeinschaft, in der man di« Herstel lung «ine» Gegenstandes von der Auswahl der Rohstoffe bis -um verkauf-fertigen Stück kennenlernen kann, ist durch «icht« zu ersetzen Der junge Mann lernt vom ersten Tage an die Aufgaben und Sorgen de» selbständigen Handwerks- meister» kennen, er bekommt ein Gefühl dafür, wa» der Kund« braucht, z« dem er zuerst vielleicht nur al» Bote geschickt wird, und lernt eine Fülle von verschiedenen Ver richtungen ausführen. Wenn er auch zunächst nichts ver dient, so wird er den Vorsprung anderer Kamerad«« auf diesem Gebiet doch in kurzer Zeit einholen. Aber schließlich ist da» Geldverdienen überhaupt «icht der Sinn des menschlichen Leben«. Es hat schon mancher Million«« besessen und verloren, der innerlich tief Unglück- kch war. Wie zufrieden kann aber jeder sei«, der sich a« Gefahre« der Einseitigkeit Andere Eltern haben sich weit weniger Sorge »m die Zukunft ihrer Spröhlinge gemacht Für ste erschien es als da» Wichtigste, dah ihre Kin der möglichst schnell Geld verdienten, um den Eltern nicht länger aus der Tasche zu liegen. Man lieh ihnen nur eine kurze Ausbildung an- gedeihen, und zwar möglichst in einem Beruf, in dem schon junge Kräfte ziemlich hoch be zahlt find. Durch diese» Verfahren ist es ge kommen, dah wir über eine unendlich große Anzahl von ungenügend geschulten Arbeitskräf ten verfüae«, die nur in dem Spezialzweig etwas leisten können, auf den sie emgeorillt worden find. Ihr« Leistungen und ihre Ein künfte find zwar in jungen Jahren Verhältnis- mähig hoch: wenn aber die Kräfte nachlassen oder wenn es in ihrem Spezialzweig nicht ge. nirgend Arbeit gibt, dann liegen fie hilflos auf der Straße. Die schwere Wirtschaftskrise der letzten Jahre hat gelehrt, welch ein Unglück dieses Verfahren nicht nur für di« zunächst Bekrönen«» sonder« für das ganze deutsche Volk gewesen ist. Selbst in de« schlimmsten Krisenjahren haben wir es erlebt^ daß in zahl reichen Gewerbezweigen ein empfindlicher Mangel an vielseitig ausgebildeten tüchtigen Facharbeitern be it nuv w Uirend Millionen von ungelernten und angelern ten Arbeitskräften stempeln mußten. Es ist ein« der aller wichtigsten Ausgaben der Gegenwart dies« Kräfte umzu schulen u^> wcitcrzubilden, denn je stärker die Wirtschaft Lch belobt, desto fühlbarer wrrd der Mangel an Facharbeiter». Die Berufswahl ist heut« nicht nur eine Angelegenheit de» einzelne«, sonder« Sache des ganzen Volkes. Am T April werden wieder je KON 000 Knaben und Mädchen «nd rund 100000 Jugendliche aus Fachschulen und höhere« Lehranstalten Einlaß zu einer beruflichen Ausbildung», stätt« begehren. Die öffentliche Berufsberatung befindet sich bereits seit Monaten in den Vorarbeiten für diese Auf. gab«. E, ist niemandem ein Vorwur daraus zu machen, wenn er die Berufswahl zunächst aus einer Welt und au» seinen Erfahrungen heraus vornimmt. Es ist aber not wendig. daß sich der einzelne an der Stelle einordnet, an der er am dringendsten gebraucht wird. Die Berufs beratungsstellen und die Arbeitsämter, denen ste ange- gliedert sind, geben sich die größte Mühe, die Verbindung zwischen den Wünschen und Fähigkeiten der jungen Leut« und dem Bedarf des Wirtschaftslebens herzustellen. Dabei ist es noch immer notwendig, da» übergroße Zuströme« der Jugendlichen zu einigen Modeberufen zu bekämp fen. Damit soll aber nicht gesagt sein, daß vor bestimmten Berufen in jedem Fall gewarnt werden muß. Es ist leider r» den letzten Jahre« üblich gewesen, daß alle nur erdenk lichen Berufsgruppen im Brustton der Ueberzeugung von der Ueberfüllung ihres Berus» berichteten und nachdrück lich davor warnte«, diese Berus« zu ergreife«. Hätte ma« tz» äs» cker Siomev-Voei»« Deutscher Rat allem em», mein Amd: Sei treu unb wahr, Laß nie bi« Lüge deinen INunb entweih»! Von aüers her im deutschen Volke war Oer höchste Ruhm, getreu und wahr zu s«i». v« bist «m deutsches Rind, so denke dran. r Noch bist du jung, noch ist es nicht so schwer, Au» einem Anaben aber wird «in Mann, Das Bäumchen biegt sich, doch der Baum nicht mehr. z st Sprich Za und Nein, und dreh und deutle nicht; Da» du berichtest, sage kur; und schlicht, Da» d« -«lobest, sei dir höchste Pflicht, Dein Dort sei heilig, drum verschwend es mchll Leicht schleicht die Lüge sich an» Herz heran, ; Zuerst ein Zwerg, ein Ries« hinternach, Doch dein Gewiffen zeigt den Feind dir an. Und ein« Stimme ruft in dir: „Sei wach"! - - Dann wach und kämpf, es ist ein Feind bereit: Oie Lüg' in dir, sie drohet dir Gefahr. Rind! Deutsche kämpften tapfer allezeit, vu deutsches Rind, sei tapfer, Iren »nd wahrt i bchem Tage jetnes Lebens sagen kann, daß er nach bestem Wissen und Gewissen sein« Pflicht getan hat! Ein rascher und glänzender Aufstieg in höher« Sphären ist meist keiu Segen, sondern eine unge- - heure Gefahr So mancher be gabte Emporkömmling, d«r die Gefahren des Reichtums und das Gewicht einer schweren Verant wortung nicht genügend erkannt hat. ist schon gestrauchelt Darum ist es notwendig, daß der junge Mensch durch eine möglichst schwere und gründliche Lehre geht Wa» er dort mitbekommt, »ft mehr wert als Geld und Gut, da» man doch jederzeit verlieren kann Wenn die Mutter fragt: „Was soll mein Junge werden?" dann soll der Later ant worten: „Ein ordentlicher Mensch soll unser Junge werde» — da» ist die Hauptsache!" Handwerk hat goldenen Boden Die strenge Scheidung der menschlichen Tätigkeiten in Kopß arbeit und Handarbeit ist eine Auffassung, die unseren Borfahren ganz fremd gewesen ist Noch fremder und unverständlicher wäre ihnen die ueberschätzung der sogenannten Kopfarbeit und die Geringschätzung der Handarbeit erschienen Schon die alten Ger manen haben den Handwerker in hohen Ehren gehalten. Wieland der Schmied aalt al« Königslohn; Jung-Siegfried. ebenfalls der Sohn eine» König-, schmiedete selbst sein Schwer« Aus der ger manischen Vorzeit Nnd «n» herrliche Beispiele edelster Handwerks kunst in Gestalt von Holzschnitzereien und goldgeschmiedete« Schmuckstücken erhalten. Die vornehmsten Mönche in den Klöstern, die Heimstätte« der geistigen Arbeit waren, übten Handwerkskunst. Sie habe« u a. Buchdeckel au« Edelmetall getrieben und aus Elfenbein ge- schnitz«, und die Miniaturmalerei hat niemals wieder einen solchen Höhepunkt erreicht. Auch die großen Maler und Bildhauer de« gotischen Mittelafter» fühlten sich nicht als freie Künstler, sonder« als Handwerker und Mitglieder einer Zunft. Selbst die Kirchensürsten scheuten sich nicht, als Handwerker zu arbeiten Es gibt ein altes Bild, das den heiligen Eligius mit Heiligenschein und Bischofsmütze am Ambos, barstellt Biel« Fürsten des Mittelalter» übten selbst in ihren Mußestunden ei, Handwerk au». Dieser Brauch hat sich in manchen fürstliche» Familie« bis >n die Neuzeit erhalten. Die HandwerkSardei» ist gleichzeitig Handarbeit »nd San arbeit. L« ist unmöglich, beide Bestandteile voneinander zu trennen. Dazu kommt, daß ein tüchtiger Handwerksmeister auch von kauf- männiickwn Dingen etwa» verstehen muß. Er muß seine Bücher führen, Briefe schreiben, mit den Kunden verhandeln »nd seine Rohstoffe einkaulen. In einem solchen Berus kann kein« Ei» tönigkei« und Langeweile auskommen. Die Kenntnis eine« Handwerks ist die sick-erfte Grundlage für das ganze Lebe«. Stets ist bei gelernter Arbeit der Verdienst höher »nd sicherer al« t» Berufen, die zur No« teder autübe» kann. Noch immer ist freilich in vielen Menschen da« Vorurteil der letzten Jahrzehnte ttef eingewurzelt, da« di, Handarbeit oder bestimmte Arten der Handarbeit geringschätzt. Diese törichte An sicht muß endgültig ausgeroitet werden. Jeder Berus adelt seine» Träger, wenn er zuverlässig und vollkommen ausgeüb« wird. Die Ausbildung sti «ine» der »runddrruse des Handwerks ist et», auSge^ichnet« Gr»»dlag« für die spätere Arbeit iu alle» «»gliche» Berufszweig«» Selbst dem «aufmanu kan» iie ooa hohem Nutzen sein. Wo er auch späte, stehen mag, immer wrrd er seinem Konkurrenten an solider Kenntnis der Ware und ihrer Her- stcNungSweae überlegen sein. Die Handwerkslehre ist st, unerletz- tich, daß »elbft die Industrie ihre besten FacharbettSkräfte vom Handwerk übernehmen muß. Mancher Jndustriekapilä» rst scho« au« einem Handwerksberuf hervorgegangen. Auch für den akademisch Gebildeten ist die Handwerksaus- bildung eine hervorragende Ergänzung des theoretischen Unter richts. Es ist sogar schon vorgekommen, daß junge Akademiker noch noch Ablegung der Doktorprüfung eine HandwcrkSIchr, durch gemacht haben. So machte es z. B. Dr Andrea- Friedrich Bauer, der nach Atgchluß seines Studium« der Philosophie und Mathe matik als Lehrling tu die Werkstatt des berühmten Mechaniker« Bauman» einlrat »nd sogar aus die Wanderschaft ging Dabet traf er in London den Buchdrucker Friedrich König Er baute mit ihm l8>3 die erste Schnellpresse, aus der die «Times» gedruckt wurde, und gründete I8>8 die bekannte Druckmaschinenfirma König ö Bauer, die heule noch Weltruf genießt. Der Wert der Handfertigkeit wird neuerdings wieder in zu nehmendem Maße erkannt. Daher wird nicht nur in Deutschland sondern auch in anderen Ländern gefordert, daß Handwerksaus- bildung als gleichberechtigter Lrhrzweig m den Lehrplan auch der höheren Schulen ausgenommen werden soll. Noch vor kurzem wurde der Mensch beneidet mrd bewundert, der nicht zu arbeiten brauchte. Es wird bald dahin kommen, daß man ihn verachten und geringschätzen wird, auch wen» er Geld Hal. Der Nichtstuer kann kein wertvoller Mensch sein. Erst die Arbeit spann« alle sittlichen Kräfte an und bildet sie aus. Da möge sich jeder bei der Berufswahl vor Augen halten, denn dü Berufswahl ist der Weg zum Glück — oder zum verderbe«.