Volltext Seite (XML)
L « L d» L «v r — 166 — — 167 — Eben stieg die Tonne im Open empor, nngeblendet kannte man noch in die von Tunstmassen umschlcierte Scheibe sehen. „Tort drüben ist Rußland Tie Ebene vor uns lst ein uraltes Schlachtfeld, auf dem die Preußen mit den Tatarcnhorden gerungen haben, auf dem der Große Kursürst eine schwere Schlacht gegen die Polen schlug." Mit Entzücken hatte der Assessor das Bild in sich ausgenommen. Er hatte schon viel von der Welt ge sehen, die meisten der Gegenden, die vom Touristen- ström überflutet werden. Hier ergriff ihn die majestätische Einsamkeit, die wie ein Hauch von Melancholie über der Landschaft lag. Am Rande des Moores wurde der Braune aus gespannt und sreigelassen. Er wälzte sich zunächst einige mal im Grase und begann dann vergnügt zu tveiden. Liana, die braune Hühnerhündin, war inzwischen auf eigene Faust in die Diesen gegangen. Nach den ersten dreißig Schritten blieb sie stehen, ihr ganzes Gesicht nahm einen gespannten Ausdruck an — jetzt hob sie den rechten Vorderlauf, und die sonst so bewegliche Rute stand starr und piti. .^kommen Sie, Herr Assessor, wir haben schon die erste Schnepfe vor uns." Er ließ die Hündin ein springen; ein kleiner Bogel stand auf und strich schnur gerade mit schwerfälligem Flügelschlag ab. Ter Förster brachte die Flinte an die Backe und machte Dampf. Die HÜndm sprang herzu und apportierte den Bogel. „Sehen Sie, Herr Assessor, das kleine winzige Ting. Nach Ihrer Ansicht lohnt es sich nicht der Mühe, danach zu schießen, obwohl es, in der Pfanne gebraten, ein sehr delikater Happen ist. Und doch verwenden so viele ernsthafte Menschen Zeit und Mühe daraus. TaS heißt, auf daS Schießen; das Braten ist Weiber sache. Sie wollen wissen, worin der Reiz liegt? Nun, erstens in der Arbeit des Hundes. Sehen Sie doch nur, wie d-e alte Hündin sucht! Sehen Sie, wie sie jetzt Umfängt, interessiert auszu schauen? Jetzt hat sie daS Wild in der Nase. Sehen Sie, wie ihre ganze Gestalt das Bild vorsichtigen Heranschlcichens ausdrückt? Nun passen Sie aus! Schießen Sie aber nicht eher, alS bis Sie aus das Ziel gut abgekommen sind Ihr Gewehr trägt weit, und der Bogel zieht langsam." Ter Assessor hatte geschossen, die Schnepfe war un beschädigt weitsrgezogen. Nach wenigen Sekunden holte sie der Schuß des Försters herunter.- „Die das Leispiet lehrt, ist eS durchaus nicht selbstverständlich, daß man beim Schießen auch trifft. Es ist atso eine gewisse Kunst nötig, und da möchte ich an Ihren Ehrgeiz appellieren, -Herr Assessor. Sie könneu gewiß gut reiten, fechten/wahrscheinlich auch schwimmen. We-Halb wollen Sie denn nicht auch gut schießen können? Je schwerer die Ausgabe wird, desto mehr werden Sie einsehen lernen, daß das Schießen oder, richtiger gesagt, daS Dressen eine Mznge körper licher und geistiger Fähigkeiten verlangt, di« nicht jeder besitzt." „Sie sind ein guter Lehrmeister, alter Herr! Jetzt säugt e- an, mich wirklich zu reizen, daß ich den nächsten Bogel treffe." Einige Stunden waren sie schon selbander über die Wiesen gewandert. De. Assessor hatte sich Mühe gegeben rmd ei» Dutzend der kleinen Bögel Erlegt. Der Förster hatte mehr als die doppelte Zahl an feiner Jagdtasche hängen. Jetzt hielt er an einem Sichenknack an: „Hier wolle« wir frühstücken." Er drang in das Dickicht ein »ad kehrt« »ach wenigen Augenblicken mit einem voll gepackte» Korbe zurück. „Haben Sie etwa ein Tischleindeckdich bei sich ?" Der Graubart lachte. „Nein, den Korb hat meine Illte durch den KUecht herschaffen lassen. Älo wir zu Mittag rasten, finden; wir den zweiten. Wenn man DV« -UM »ch» 8« ßkWsMWft. M ich Xqch ein junger Dachs war, steckte ich mir ein Stück trocknes Brot ein und lief damit vom frühen Morgen bis zum späten Abend." Er hotte inzwischen eine reine Serviette auf das Gras gebreitet und darauf allerlei gute Sachen gestellt, wie sie auf dem Lan'e dahinten im Osten als nötig, nützlich und angenehm für einen hungrigen Menschen erachtet werden. Ter Förster lud zum Zulangsn ein und ging selbst mit gutem Beispiele voran. Auch die alle Hündin erhielt ihr Ttzil. Tann zog der Förster seine kurze Pfeife hervor und lehnte sich, nachdem er sie angezündet, behaglich an den dünnen Stamm einer verkrüppelten Eiche zurück. „So, Herr Assessor, nun kann ich auf Ihre Frage zurückkommcn. Zuerst noch ein anderes Wort. Sie haben bereits so viel Interesse und Geschick gezeigt, daß ich Sie noch in diesem Winter als leidlichen Schützen aus den großen Treibjagden präsentieren kann. Und darum kann ich Ihnen jetzt auch sagen, daß Sie im Kreise schon einen Beinamen haben. Sie werden allge mein der Sonntagsjäger genannt." Ein wenig mußte sich der Assessor doch zusammen nehmen, um seine Ueberraschung nicht allzu deutlich zu zeigen. An diese Möglichkeit hatte er noch nicht gedacht Sein ziemlich stark entwickeltes Selbstbewusst sein fühlte sich verletzt Ter Mte mochte ihm die Ge danken vom Gesicht ablesen, denn er fuhr fort: „Lassen Sie sich davon nicht anfechten Sehr ost schon sind Spitznamen zu Ehrennamen geworden Und Sie werden hoffentlich den richtigen Schluß daraus ziehen Ich bin völlig dävon überzeugt, daß wir unsere deutsche Wildbahn nach K'rästen hegen und pflegen müs sen, und habe mein Lebtag danach gehandelt Man kann aber auch darin zu weit gehen, wie es zum Beispiel hier geschieht Im Herbst, wenn die Klagen über Wildschaden beginnen, werden Die sich selbst ein Urteil darüber bilden können „Würden. Sie denn nicht geneigt sein, ein großes Gut ganz allein zu beschießen, wenn es Ihnen nicht zu weit abliegt?" „Daß Sie Jsnoten kaufen wollen, peifen schon die Spatzen auf den Dächern. Tie Nachricht wurde bereits vor Ihrer Ankunft hier bekannt. Ich weiß auch, daß Ihnen von dem Vertreter der Erben Schwier, gleiten gemacht werden. Tas geht alles von der Gegenseite aus. Tars ich mir erlauben, Ihnen einen Weg zu zeigen, wie diese Schwierigkeiten zu überwinden sind?" „Das könnten Sie? Dafür wäre ich Ihnen außer ordentlich dankbar." „Erst noch eine Frage: Wären Die imstande und> geneigt, eine nicht ganz kleine Hypothek auf ein schon ziemlich belastetes Gut zu geben?" „Wenn es einen Zweck hat, warum nicht?" „Gut, dann hören Die, Herr Assessor. Ihr Gegen kandidat rst ein tüchtiger und eifriger Landwirt, dem eS sehr schwer fällt, sich von feinem Besitztum zu trennen. Er hat nicht schuld an seinem Rückgang, oder nur insofern, als er seinem Nettesten von Nein auf die Zügel etwas lang auslaufen ließ. Ter Junge hat sehr viel verbraucht, und der Mte konnte nicht zur rechten Zeit stopp sagen, sondern belastete das Gut bis über die Puppen, um den Sohn immer.wieder hcrauszuhauen. Genützt hat es doch nichts. Ter Junge ist über den großen Teich pach Amerika gegangen und dort verschollen. Schade um ihn! War sonst ein präch tiger Kerl . Wenn sich nun! jemand findet, der oem Alten klare Bahn schafft, dann läßt er die Kandidatur mit Ver gnügen schießen und sängt mit Macht wieder zu wirt schaften an. Tann ist bas Geld goldsicher." „SS ist leider in diesem Fall ausgeschlossen, daß ich das Geld geb«/ -Mi vraychM xs pW HW WAWtzxW. Mui Die Buchdruckerei von Langer Mlilsrliek (T. Langer und H. Schmidt) «icsz Goctheftrahe Nr. SV hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billlgsterPreiL- stellung bestens empfohlen. «vife A Gegenteil, es darf niemand auch nur ahnen, daß das Geld von Ihnen stammt." „Um wieviel handelt es sich denn?" „Um füiiszigtausend Mark, die zwar nicht pupillarisch sicher stehen; aber wenn eine neue Taxe ausgenommen wird, reicht es gerade bis zu einer vernünftigen Be leihungsgrenze. Herr Assessor, denken Sie jetzt bloß daran, daß Sic damit ein gutes Werk tun. Ich bin eilt alter Esel, daß ich Ihnen überhaupt gesagt habe, für wen ich das Geld haben will. Sie würden es mir wohl nicht abgeschlagen haben, wenn ich Ihnen alles andere verschwiegen. und nur mitgeteilt hätte, daß cs sich um einen guten Freund von mir handelt. Und das ist in der Tat ücr Fall. Ich bitte Sie also nochmals, jetzt aber nur als Freund für den Freund, selbst auf di<! Gefahr hin, daß Herr von Riesa seine Kandidatur nicht zurückzieht." Adrcß- und GeschäftS- karten Briefköpfe, Briefletsten Bestellzettel Broschüren, BilletS Deklarationen TankfagangS- und Einladungsbriefe Einlaßkarten Etikette» aller Art „Herr Förster, Sie sind ein feiner Diplomat. Aber ich glaube Ihnen, und ich will es tun." „Wenn ich ein alter Fuchs wäre, hätte ich die Sache geschickter angefangen. Aber nun danke ich Ihnen. , Wollen Sie so bald als möglich das Geld von Berlin aus an mich anweisen lassen, damit jede Spur verwischt wird. Und nun wollen wir ausbrechen. Wenn Sie in den nächsten Stunden sich sehr zusammennehmen, bringe ich Sic noch am Nachmittag an ein Volk Hühner, das hoffentlich halten wird " Fakturen, Flugblätter Mit Vergnügen sah der Graubart, wie sein Schüler Formulare tu dtp. Sorten Frachtbriefe sich alle Mühe gab und allmählich aus dem Zustande herauskam, bei dem Schießen und Treffen stets EcbrauchSaumeisuugeu Fremdenzettel Haus- uud Fabrik- Ordnungen Geburtsanzeige« HochzettSetnladunge« -Zeituugeu «ud -Gedichte Kastenschilder Kostenanschläge Kataloge, Kontrakte Koutobücher Lohnlisten, Mahnbriefe Mtttetlaugen, MemrS Musterbücher, Nota- Plakat« Programme PretSkuraate Posttarten, Quittungen Rabattmarken Rechnungen Speisen- und Weinkarten Statuten, Tanzkartra Stimm-, Theater- und Sackzrttel Visiten- und Verlobungskarten Wechsel, Werke Zirkulare, Zeugnisse »e. ,e. re. Massenauflagen für Rotationsdruck. ßiWser fsgedktt — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adresse: Tageblatt Riesa. ziocierlei ist. Ob die Passion bereits in ihm erwacht war, oder ob sich nur der Ehrgeiz regte, der ihn an spornte, konnte der Mte noch nicht unterscheiden. Nach einer kurzen Mittagpause brachte der Förster seinen Lehrling wirklich an «in Volk Hühner. Mitten im dächten Gestrüpp stand Tiana, zog noch einige Schritte auf den ermunternden Ruf ihres Herrn nach und stand bombenfest. Die Hühner pnrrten auf; der Assessor feuerte zweimal, ohne zu treffen, in den Schwarm hinein, während der Alte zwei Hühner herunter holte. Nun folgte eine kurze theoretische Belehrung, dann ging's weiter. Tie Salve hatte das Gute gehabt, daß die Hühner sich zerstreuten und einzeln einfielen. Sie wurden einzeln ausgemacht und zur Strecke gebracht. Als das letzte Huhn*an der Jagdtasche hing, warf der Förster seine Flinte über die Schulter. „Eigentlich müßte ich Sie jetzt mit dem Schrot beutel zum Gesellen schlagen und Die mit einem alten Weidgeschrei in die Zunft aufnehmen. Im abgekürzten Verfahren will ich Ihnen sagen, Herr Assessor, daß Sie alle Aussicht haben, ein ganz wackerer Weidmann zu werde«." „Wirklich, ist das Ihr Ernst? Das freut mich. Und dafür will ich Jhnew verraten, daß mir die heutige Jagd nicht nur Spaß gemacht, sondern auch die Lust zur Wiederholung geweckt hat. Wann darf ich wieder kommen?" „Sobald Sie Zeit haben." „Ich habe für Sie immer Zeit." „Tann Wolken wir uns von ein paar Jungen einige kleine Schonungen durchdrückcn lassen, damit Sie den Hasen schießen lernen." Langsam schritten s « Über das Bruch Ml der Stelle, wo sie den Braunen ausgespannt hatten. Der alte Gaul, der sich dick und voll gefressen hatte, ließ sich ruhig am Stirnhaar nehmen und einspannen. Ms sie auf dem Wagen saßen, wies der Förster mit der Hand auf eine dunkle Rauchsäule, die sich über dem Wald erhob. Der Asses, or fragte: „Ist das. Waldbrand?" „Nein, aber dort hinüber siegt das Bauerndorf Mostoltev, da wKrd es. bkkchvy».? Er ließ den Braunen ausgrcifen, und es zeigte sich, daß der starkknochige Gaul eine ganz respektable Schnelligkeit entwickeln konnte, wenn man es von ihm verlangte. Aus dem Hofe des Forsthauses stand das Fuhrwerk des Assessors. Tie Rappen davor, echte Trakehner, scharrten schon vor Ungeduld mit den Hufen den Boocn. „Kommen Sie mit, Herr Förster, Sie kennen den Weg." „Selbstverständlich!" VI. Langgestreckt lag das Torf Mostolten an der Land straße. An dem einen Ende dicht beieinander einige stattliche Bauerhöfe, nach dortiger Sitte von hohen Steinmauern umgeben. Tie Gebäude fast durchweg massiv, unter fester Bedachung. An dem andern Ende des Torfes standen die Jnsthäuser und Chaluppcn der sreien Tagelöhner. Kleine Häuschen von Holz, die mei sten alterschwach, als könnten sie die moosbewachsene» Strohdächer kaum tragen. Alles war aus dem Felde, als das Feuer ausbrach. Nur die Kinoer und aite, gebrechliche Leute waren zu Hause. In einer Chalupps sollte Brot gebacken werden. Tie alte Großmutter hatte den Backofen geheizt und ausgefegt. Gedankenlos trug sie — vielleicht hatte sie es schon ost getan — die Asche mit den glühendem Kohlenresten ans den Hof und schüttete sie auf den Düngerhaufen, Ter Wind blies ein Fünkchen und warf es auf ein Bündel Stroh, das zum Abend den Schweinen ein gestreut werden sollte. Im nächsten Augenblicke flog der rote Hahn auf das Dach. Eine Minute später schlug überall brausend und prasselnd die Flamme in die Höhe. Funkcugarbcn sprühten auf, — schon brannte Her nahe Stall. Jetzt schlug aus drei, vier Häusern dahinter die Flamme gleichzeitig hervor. Mit dem Feuer schien der Wind zu wachsen. Mit rasender Schnelligkeit sprang es vo» Dach zu Dach, ja selbst die schmale Straße hin über, und sofort stand auch hier die ganze Häuserreihe in Flammen. Es brennt nichts so leicht und schnell wie die von Sommerglut ausgedörrten Holzchaluppen. Weinend und jammernd hatten die alten Weiber bei den ersten Häusern 'Vie Kinder aus der Stube geführt und versucht,, noch irgend eine Kleinigkeit herauszutragen. Bei den nächsten konnten sie froh sein, das Freie zu erreichen; denn die Glut war bald unerträglich geworden. Jetzt kamen vom Felde die Männer und Frauen herbeigelausen. Laut jammernd rangen sie die Hände. Ihr ganzes Eigentum war ein Raub der Flammen geworden. Weder HauZ noch Mobiliar versichert. Sie befaßen buchstäblich nichts weiter, als was sie auf dem Leibe trugen. Ti« Mütter hatten zuerst nach den Kindern ge forscht. Gott sei Tank! Es war wenigstens kein Menschen leben zu beklagen. Sogar eine alte Frau, die gelähmt im Bette lag, konnte noch rechtzeitig aus dem brennen den Hause getragen werden. Tie Bauern hatten die Spritze geholt und einen Wasserkübel aus dem nächsten Brunnen gefüllt. Das alte Gerät, das in seiner Bretterbude lauge untätig gestanden hatte, ächzte und pfiff, als es in Bewegung gesetzt wurde. Aus dem Schlauch sprühten tausend Wasserfäden, und nur ein. dünner Strahl er- reichte das Feuer. Kraftlos verzischte das Wasser in der Glut. Tie Männer ließen die Arme finken. Hier war Hilfe und Abwehr unmöglich. Die Rappen sahen wir Schimmel gM und warfen Moße Dchaumflochen vom Gebiß, als! dir Assessor mit