Volltext Seite (XML)
ISS ISS 1» Briese» meiner verstorbenen Schwester — Sie Nisse» doch, daß ich noch eine Altere Schwester hattet —a, Ihr Bruder teilte es mir vor einigen Dagen mit, als ich ans dem Kirchhofe zu Amsee ihr Grab gefunden hatte." „LaS Grab meiner Schwester Magda," sagte Ursula Und strich sachte über das Bild, das sie in der Hand hielt. Lange und wehmütig hafteten ihre Blicke darauf, dann reichte sie «S Eva. Wollen Sie Magda sehen?" Eva nahm da- Bild. Sie legte es vor sich hin, denn ihre Hände bebten so stark, daß sie «S nicht gut halten konnte, und schaute hinein in die reinen, seelen vollen Mlge. die dunkeln, sanften Augen, bis ihre eige- neu Augen sich umflorten und sie nichts mehr sah. „Ich weiß nicht, weshalb meine Gedanken heute so viel bei Magda sind," fuhr Ursula fort; „darf ich Ihnen vou ihr erzählen, liebe Eva? Mr sprechen nie von ihr; meine Eltern wünschen es nicht, denn ihr Tod war der grüßte Schmerz, den sie je erfahren. Mir aber ist es eine Erleichterung, davon zu reden. Magda war meine LtMingsschwester; es lagen nur zwei Jahre zwischen uuS. Sic war uoch ein junges Ding, als sie sich mit eine« ebenfalls sehr jungen Manne verlobte, den meine Ntern gern als Sohn willkommen hießen. Eines Tages befand ich mich im Garten, da ge schah etwas Furchtbare-; das steht noch immer vor mir, als sei es gestern geschehen. Ich hörte ein Ge räusch wie den Ton aufs Äußerste beflügelter Schritte und Sandte mich um; da sah ich den Verlobten «einer Schwester mit entsetzlich entstelltem Gesicht und verstörten Augen. Zn seinen Armen hing Magda; ihr . leblose- Gesicht war gegen seins Schulter gedrückt, von her Stirn rann langsam ein Blutstropfen nachdem an dern. „Ekbert," schrie ich auf, „ist sie tot?" «ES kann sein, ich weiß es nicht," stöhnte er; „laß mich in dar Hans." Er stürzte an mir vorüber, und ich folgte ihm. Wir holten den Arzt, der ihr Leben für gefährdet erklärte. Reine Schwester starb nach Jahres- ptst." „Und ihr Verlobter?" stammelte die bleiche Zu- Hüterin. „Er Sar sehr jähzornig und erzählte dem Vater, Laß er Magda durch seine Heftigkeit so erschreckt! habe, haß sie zurückgetaumelt und mit dem Kopf an den scharfen Äst einer Linde gestoßen sei; es stehen ihrer »et nahe beieinander in unserem Parke zu Amsee." „Und die Wunde hat sie getötet?" „Nicht die Sande, vielmehr die Erschütterung, die her Schreck ihrem zarten Körper verursachte. Ach, und hach wäre sie vielleicht noch gerettet worden, Hätte jie Mit ihrem Ekbert glücklich sein- dürfen, den sie nicht Weniger lichte, weil er sich hatte hinreißen lassen. Mein mein Vater stieß ihn von sich, nachdem er selber fein« Schuld bekannt hatte. Er ging und blich seitdem für u»S verschollen. Wohl reute den Vater sein« Härte, hem» er sah Magda dahinfiechen; er wollte ihn zurück- wrfen, ihn» vergeben; er ließ nach ihm forschen, aber vr «ar nicht aüfzufinden; feine Spur blieb für uns »chlore«. Und da brach MagdaS Herz; der schwache Leden-faden zerriß, »nd sie starb mit einem Wort« der Web« für Ekbert guf den Kippen So zog eine Schuld hie andere uoch sich und "zerstörte mit schwerer Hand MG Frühlingsglück und Slternsreude." Ursula seufzte tief, warf uoch einen langen Blick Mck da» Bild und schloß eS dann sorgfältig in ihren Schreibtisch ein. Ml» fit sich Wieder zu Eva anmdte, fich sie, daß dieser langsam die Dränen vou den Wangq» „Liebste Eva, hat meine Geschichte Sie so bewegt?" DMßte sie, den Mrm um sie legerch „Jo, und — ich dachte an mich selber/* brachte ,-Jch weiß, daß auch Sie bittere Lebenserfahrungen gemacht haben," sagte Ursula ruhig. Eva sah sie erschrocken an. „Sie wissen? Woher?" „Ich las es in Ihrem Gesicht." Eva beugte sich über die Hand der Schwester Magdas und drückte einen Kuß darauf. Es war ihr schwerlich bewußt, daß in dieser schweigenden Abbitte der Handlung ihres Mannes sich deutlicher das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit ihm und seiner Schuld und das Vergessen des erlogenen Glorienscheins aus sprach, als es eine laute Beichte vermocht hätte. Sie konnte noch nicht nach Hause gehen. Rastlos wanderte sie die verborgensten Wege des Gartens auf und nieder; sie wollte dem wunderbaren Geschicke nach sinnen, das sie mit einer fremden Familie verband; allein sie hörte nur immer das eine Wort in ihrer Seele widerllingen: So zog eine Schuld die andere nach sich. IX. An einem der nächsten Nachmittage fuhr eine fröh liche Gesellschaft nach Amsee hinaus, um dem jungen Besitzer dieses Gutes einen Besuch abzustatten. Außer der Familie Sorgen waren.noch Fräulein von Langen, Herr von Marbach mit seiner Nichte und Herr Warbeck geladen. Auf der Freitreppe des stattlichen Wohnhauses stand Heinrich, die Ankommenden willkommen zu heißen; seine kräftige, wohlgebaute Gestalt mit dem offenen, Vertrauenerweckenden Gesicht, dem herzlichen Lächeln um den Mund nahm sich prächtig aus, und seiner Mutter Augen hingen mit berechtigtem Stolz an ihm, als er sie aus dem Wagen hob und seine Hand dann ritterlich der neben ihr sitzenden Berta reichte. Sie bemerkte nicht, wie seine Blicke währenddessen zu dem andern Wagen streiften, in dem Fräulein Kartmann neben Ursula ihren Platz gesunden hatte; sie sah auch nicht! mehr die leicht« Wolke aus des Sohnes Stirn, als Dassilo Warbeck sich elastisch von dem Rücksitze.dieses Wagens herunterschwang und mit großer Sorgfalt auch Eva herabhalf. Unter munterem Geplauder begab sich die Gesell schaft in das Haus, wo im Speisesaal ein reichlicher Imbiß bereitgehalten war. Darauf lud Heinrich seine Gäste ein, ihn in den Garten und an den See hinab zu begleiten. Dort stand eine Gondel bereit, sie auf zunehmen; ihre Mmpel flatterten lustig in dem leisen Lastzüge. Zu seinem Leidwesen sah Heinrich, daß es ihm als Wirt unmöglich wurde, sich Eva viel zu nähern, und er mußte mit gerunzelten Brauen wahrnehmen, daß Dassilo für sie ein Tuch im Hinterteile des Bootes ausbreitcte und sich dann neben sie setzte, während der junge Wirt selber noch die übrige Gesellschaft zu ordnen und ihr passende Plätze anzuweisen hatte. Hätte er ahnen können, wie weit Evas Gedanken von ihrem Gefährten entfernt waren, er wäre ruhiger geworden. Tassilo sah schärfer; dennoch wollte er sich den Ausdruck ihres Gesichtes nicht zu seinen Ungunsten deuten, obgleich er ihn sich nicht erklären konnte. Er hatte Eva nur in glücklichen Zeiten gekannt, und als zum erstenmal ein Schatten auf ihr bisher sonniges Beisammensein fiel, h<ttte «S ihn nicht dulden können; er war entflohen; er hatte alle Brücken hinter sich abgebrochen, und so unerträglich schien ihm die neue, unbekannte Schranke zwischen ihnen, daß er sein Ohr gegen jede Nachricht verschloß, die etwa üb«r ihr Er gehen zu ihm dringen konnte. Er entfloh über das Meer hinaus, und erst nachdem der Ozean zwischen ihnen lag, als es notwendig wurde, sich eine Existenz zu schaffen, kam er zur völligen Besinnung. Evas Worte fielen ihm ein und spornten Ihn au, ihnen nach zueisern. Er stürzte sich mit aller Kraft in seinen Beruf, er schrieb, er komponierte, er konzertierte, und als er nach zwei Jahren nach Europa zurückkehrte, da wurde sein Name unter den Künstlern mit hoher An erkennung genannt. Die Buchdrucker«» von Länger LVinlerHeti <T. Langer und H. Schmidt) Goethestratze Nr. SS hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bei sauberer Ausführung und billigster Preis stellung bestens empfohlen. Avise Adretz- uud Geschäfts karte« Briefköpfe, Briefleiste« Bestellzettel Broschüre«, BilletS Leklarattoum DanksagungS- und EtnladungSbrirfe Einlaßkarte« Etikette« aller Ar« Fakturen, Flugblätter Formulare in dtv. Sorten Frachtbriefe Gebrauchsanweisungen Fremdeuzettel Haus- und Fabrik- Ordnungen Geburtsanzeige« HochzettSeinladungen «Zeitungen vnd -Gedichte Sastenschilder Kostenanschläge Kataloge, Sontrakte Ko«tobücher Lohnliste«, Mahnbriefe Mittetlongen, MeonS Musterbücher, Nota- Plakate Programme Preiskurante Postkarten, vnittungea Rabattmarke« Rechnungen Speise«- «nd Weinkarten Statute«» Tau,karten Stimm-, Theater- und Sackzettel Visiten- u«d Verlobungskarte« Wechsel, Werke ' Zirkulare, Zeugnisse re. re. re. M,ffena«flage« für Rotationsdruck. Nvser srBktt — Amtsblatt — Fernsprechstelle Nr. LS, Lrlegramm-Adreffe r Tag,blatt Riesa. Doch auch jetzt noch trieb ihn eine, stolze Scheu, jede Nachricht über die junge Rose aus dem Garten des Gelehrten zu meiden; erst wenn er sagen konnte: „Ich habe deine Forderungen erfüllt; hier stehe ich als ein den jungen Komponisten der Jetztzeit Gleich berechtigter und stelle an dich dieselbe Frage, die ou mir damals glückzerstörend beantwortetest; sage, ob du es zum zweitenmal tun willst" — erst dann wollte er wieder vor sie treten. Allein eh« sein- Phantasie gebilde fertig in die Wirklichkeit hineingebaut werden konnte, warf sie die Zufallswogen beide an denselben Strand I Er sah seine Rose wieder. Sie war nicht mehr die sonnige, lachende Knospe von ehedem; es war über Nacht eine schwere Krankheit des Herzens über sie gekommen, die hatte ihre taufrischen Blätter ge troffen und sie verwundet, bis sie weinten und bebten und der Kinderhauch von ihnen schwand. Aber doch duftete die kranke Rose nicht minder süß; denn die sanfte Tirauer verlieh ihr einen höheren, seelischen Reiz, und der Knabe, der einstmals sie zu brechen kam, entbrannte in neuer Glut für sie, er er wollte sie besitzen, so wie sie war. Tassilo hätte gern erfahren, was sie umgewandelt hatte. Er ließ die Augen forschend auf ihr ruhen. Eva hielt die ihrigen gesenkt; die langen Mmpern ruhten ans den schmalen, blassen Wangen; ihr goldiges Haar flutete leuchtend um sie im Sonnenlichte; ihre Hand spielte zerstreut mit einer Rose. So glich sie auffallend dem Bild ihres letzten Beisammenseins im Gärtchen des Professors. Das Schiff strich durch den glatten See; taktmäßig senkten sich die Ruder in das Wasser, die von den drei Brüdern Sorgen geführt wurden, während Else am Steuer saß. Tie Unterhaltung schwirrte laut und munter ringsumher „Welch schöner Sommerabend I" begann Dassilo abgebrochen. „Air hatten ihrer viele in letzter Zeit," sagte Eva. „Er ruft mir einen ähnlichen zurück," fuhr Tassilo mit bebendem Töne fort, „Sie und ich waren allein, nnd die Rosen blühten; haben Sie ihn vergessen?" „Vergessen?" Eva schauerte leicht. „Jener Abend war für mein Leben entscheidend; ich vergesse ihn niemals," sagte sie. Er wußte nichts von dem andern Sinn in ihren Morten: er hörte nur eine wilde Mage heraus und fragte hastig: „Aber warum, Eva, in welcher Weise war er wichtig? Reute Sie Ihr hartes Wort?" Sie neigte langsam das Haupt. Ein Areudenstrahl überflog sein Gesicht; er beugte sich näher zu ihr. „Mollen Sie Ihre Abweisung zurücknehmen, Eva?" Sie blickte ihn erstaunt an. Erst.als sie sein Auge wie damals so heiß und sehnsüchtig aus sich ruhen fühlte, verstand sie ihn. Zu welcher Deutung hatte sie ihm Veranlassung gegeben? „Mr mißverstehen uns, Tassilo," sagte sie nachdrücklich, „wie ich damals sprach, so spreche ich heute noch." EL tat ihm leid, sich übereilt zu Haben. „Ver geben Sie meine Kühnheit, Eva, !lcher Sie wissen nicht, wie unerträglich es. ist, Sie so verwandelt zu sehen." „Sie Werden sich daran gewöhnen müssen, Herr Warbeck," entgegnete sie kurz mit ungewöhnlicher Schärfe. Eine zornige Röte stieg in Dassilos Wangen; er erhob sich schnell von seinem Platze, stieg mit großer Gewandtheit über die mittleren Sitze des Bootes und setzte sich neben Else am Neuer nieder. Bald hörte man von diesem Teile des Schiffes lebhaft«, ununter brochene Unterhaltung, die sich noch fortsetzte, als das Schiff gelandet war und die Gesellschaft sich unter Heinrichs Leitung zu einem schön geschmückten Fest platze begab, woselbst die Diener Erfrischungen an boten. Der junge Hausherr wurde mit schmeichelhafte» Worten über das wohlgelüngene Programm des Nach mittags überschüttet. Die keine liebenswürdige Bert» Langen, die sich heute in ihrem leichten Rosakleide mit den zarten Spitzen daran besonders anmutig aus nahm, erglühte in Freude über die vielerlei Aufmerk samkeiten, die ihr der sonst ziemlich einsilbige Haus herr hatte angedeihen lassen. Ihr bescheidenes Herz war von großer Dankbarkeit erfüllt. Aber auch Heinrich meint« genug getan zu haben, um die Wünsche seiner Eltern zu befriedigen. Einmal sollte für Heinrich heute auch der Moment kommen, zu dem er diesen Tag bestimmt hatte. Als die Gesellschaft sich aus den Rückweg begab, trat er zu Eva. „Ich habe Ihnen noch nicht den Ort gezeigt, wo die drei Linden beisammen stehen," sagt« er, „wollen Sie ibn jetzt sehen?" Evas Augenlider zuckten schmerzhaft. Also auch das noch! Ta sie nichts erwiderte, zeigte Heinrich mit ein ladender Handbewegung auf «inen der Seitenpfade. „Hier, wenn ich bitten darf, wir kürzen so den Weg ab." Schweigend schritten sie nebeneinander hin, bis sie auf einen weiten Platz gelangten, auf dem allein drei gewaltige Linden ihre mächtigen, weitverzweigten Seit« auslreiteten." „Wjr sind zur Stelle, Fräulein Hartmann, dies sind die Bäume, von denen ich Ihnen erzählte; bitte, setzen Sie sich." Er wies, auf eine Bank, die unter den Linden stand. Eva gehorchte. „Ich habe mich sehr daraus gefreut, mit Ihnen hierher zu gehen, Fräulein Hartmann," fuhr er vor ihr stehen bleibend fort; „ja — verzeihen Sie, wenn ich offen rede, — es war derjenige Teil des Tages, auf den mein Denken sich einzig konzentrierte; denn er soll mir eine für mein künftiges Leben bedeutungsvolle Ent scheidung bringen." Eva sah ihn mit verständnislosen Augen ruhig an. So fern lag ihr eine Werbung seinerseits, daß sie auch jetzt noch nicht begriff, wo er hinaus wollte. Ihr Blick schweifte schwankend seitwärts bis zu den ver hängnisvollen Linden; sie standen in kraftvoller, un- verweltter Schönheit und hatten alles mit angesehen; aber sie hüteten sorgsam ihr Geheimnis. — „Was können Sie mir zu sagen haben, Herr von Sorgen;" fragte sie psbwesend; „welche Entscheidung sollte ich für Sie herbeiführen?" „Ich wollte Sie bitten, mir Ihre Land zu schenken, Fräulein Hartmann," sagte er langsam und sah sie fest an. — „Sie würden mich dadurch sehr — sehr g'.üat'ch machen," fügte er nach einer Pause hinzu. Eva schlug beide Hände vor das Gesicht und stöhnte laut; die Macht des Verhängnisses überwAtigte sie fast. Erschrocken sah Heinrich auf sie nieder. „Fräu lein Hartmann, liebe Eva, habe ich Ihnen wehe ge tan?' fragte er hastig und versuchte sanft ihre Hände herabzuziehen. „Ach, ich wußte ja , daß Sie dem Glücke schon entsagt hatten, ich las es längst in ihren Augen; ich will auch nicht forschen, was Ihre Ver gangenheit birgt, sie gehört nicht mir. Aber die Zu kunft ist mein, und ich hoffte, daß meine Liebe die Macht besitzen würde, noch einmal einen Nrahl der Freude in diese lieben, todestraurigen Augen zurück zuzaubern! Eva, soll ich gehen?" „Bleiben Sie, Herr von Sorgen," sagte Eva mit so unnatürlich rauher Stimme, daß sein Fuß wie ^ge bannt war. Dann erhob sie sich mit einer plötzliche« Bewegung und nahm die Hände vom Gesicht. Ihre Langen glühten, die Lippen bebten in furchtbare« Erregung, Sitz streckte, ihr« zitternd« Rpcht« gegen