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Gegen 11 Uhr erfüllten die ersten Signale, das erste Pferdegetrappel die Maienluft. Die Kavallerie, einge hüllt ttr dichte Staubwollen, trabte aus Adlerklaa zu. Kessel hielt dicht hinter dem Feldmarschall-Leu tnant Kle- nau, der neben dem Generalissimus die Heranziehenden musterte. Ein herrliches Bild, wie die bunten Massen, vom Sonnenlicht umblitzt und umftrnkelt, da an ihnen vorüberzogen: Kürassier-, Dragoner-, Ehevaulegers-, Husaren-, Manen-Eskadronen, alles zusammen — Kle- nauS Avantgarde inbegriffen — 107 Schwadronen mit 8 Kavallcriebatterien. Plötzlich — die Sonne stand schon hoch im Mittag — knatterte Gewehrfeuer in südlicher Richtung aus. Ka nonenschüsse rollten dazwischen. Der Feldmarschall- Leutnant Hiller sprengte heran und meldete dem <^ne- ralissimus, daß au dem Ernste des UebergangS über die Lobau nicht mehr zu zweifeln sei, — daß sich schon französische Boltigeurkompagnien jenseits des Stadler arms gezeigt hätten. Im Augenblick war der Entschluß des Generalissimus gefaßt. Er befahl Klenau, sofort gegen Eßling vorzu gehen, eine umfassende Rekognoszierung durchzuführen und die kämpfenden Bortruppen aufzunehmen. Dann wandte er sich an Kessel, der wenige Schritte hinter ihm zu seiner Linken ritt. «Sie setzen alles daran, um mi» genaueste Botschaft über den Brückenbau zu bringen. Cs hängt alles von dieser Kenntnis für uns ab." Wenige Augenblicke später jagte Kessel wie auf Sturmwindsflügeln davon, in fliegender Hast, weiter und weiter. Schon sah sein scharfes Auge hier und dort zwischen sich teilendem Pulverdampf und zerreißen den Staubwolken die Wogen der Donau herüberblinken, die blutigrot funkelten im Abcndsonnenschein. Nun lösten sich, seinen Blicken deutlich erkennbar, auS den grünen Büschen des jenseitigen Lobau-NscrS die blitzenden Reihen französischer Truppen. Wie ein breiter Strom quollen sie daraus hervor und schoben sich eine ununterbrochene Heeressäule, auf einer schwankenden Schiffsbrücke über die Fluten der Donau, an das diesseitige Ufer in die Mühlau herüber. Aber wa- war das? Kessel zwang sein Roß zum Stehen. Wie gebannt blickte er nach dem schönen Schauspiel hinüber, da» die Entwicklung der feindlichen Truppen feinem Auge bot. Nicht gen Nordost, nicht gen Eßling wandte sich die endlose blitzende Kolonne, — gen Rord-Nvrdwest, auf Aspern zu, nahm sie die Richtung. Und mit einem Mal, als sei der Blitz in ihn gefahren, sauste Kessel auf das Dörfchen Aspern zu. WaS suchten die franzö sischen Truppen dort? In Roß und Reiter schien nur dieser eine einzige Gedanke zu arbeiten. So völlig war Kessel» ganze» Wesen Auge und Ohr. Da schob sich eine Parzelle jung grünenden Walde» vor ihn hin. Die entzog ihm den Blick auf Aspern. Aber am Ende der breiten Straße, die Eßling mit Aspern verband, tauchte es blitzend und blinkend im Abendsonnenschei» auf. Sieder hielt Kessel sein Roß an. Spähend legte er die Hand über die Augen. Wahrhaftig! Da Annen sie heran — ihm entgegen, näher, näher. Also darauf war e» abgesehen? Eßling sollte von Aspern her genommen werden! DaS hieß der Avantgarde Slenan» in die Flanke fallen. Zurück! Mel den! E» verhüten! Kessel warf sein Roß herum. Da weckte ihn ein Schrei — seltsam, markerschütternd fuhr der ihm durch alle Glieder. Er riß sein Haupt empor. Sb hielt zur Seite eiueS tannenmnfriedeten Hauses. In seiner ungeheuren Erregung, nur den Wick auf die heranrückende Kolonne gerichtet, hatte er das bisher nicht gesehen. Geweihe schmückten Mauern und Giebel, — war e» des Oberförsters Heim? Eine unbeschreibliche Empfindung zerwüPte urplötzlich Kessels ganzes Wesen. Der Oberförster von Aspern — Viktorias Oheim war's. Siedend heiß schoß ihm das Wut durch alle Adern. Sein Blick pog die schmalen, efeuumsponnenen Fenster hin — über das Gärtchen — heiliger Gott! Dort unter der Linde diese süße, elfenhafte Gestalt! Sie beugte sich über den Zaun. Ihre großen Augen bohrten sich in Kessels Gesicht. Ewige Barmherzigkeit! War das Viktoria? War's ein Wendwerk der Hölle, das der Teufel selber ihm vorgaukelte, damit er pflichtvergessen die treuen Oester reicher dem Anprall des Erbfeindes preisgab?! Schuldig wollte er werden, daß Klenaus Avantgarde vernichtet, daß damit vielleicht die kommende Schlacht verloren — die heilige Schlacht, die den Tyrannen zu Boden schmet tern sollte?! „Gott helfe mir!" schrie er auf. Er drückte die Hand vor die Augen und stieß dem Roß die Sporen in die Seiten, daß es wildschnaubend emporstieg, um dann mit seinem Retter wie ein Pfeil davonzuschießen. So setzte Kessel durch den Forst — über die Weite hin. Wie er nach Eßling gekommen, wie er dem Feld- marschall-Leutnant Klenau Rapport erstattet, er hätte es nie zu sagen vermocht. Um weniges später sauste er schon wieder auf Klenaus Befehl zum Fürsten Lichten stein, um seine Unterstützung zu einer Attacke aus die anziehenden Feinde zu erbitten. Schon senkte sich die weiche Maiennacht über die Erde, als die Schwarzenberg-Ulanen, die Stipsicz-Husaren und zwei Schwadronen Rosenberg-Cheveaulegers, von den Hohenzollern-Kürassieren der Brigade Lederer als Sou- tien gefolgt, den Franzosen zum Angriff gen Aspern entgegenritten. Mit furchtbarer Wucht prallten die bei den Gegner auseinander, — die französischen Husaren und Jäger bogen zum Teil in die Flanke aus, — Klenaus leichte Retter wurden geworfen. Ihr jäher Rückzug reißt die als Soutien folgenden Schwadronen mit sich fort. Indes wendet sich die Wolke der leichten französischen Reiter in eilendem Rosselauf gegen die Hohenzollern-Kürassiere. Aber die stehen fest wie eine Mauer. Die Franzosen stutzen, — die zerstreuten öster reichischen Schwadronen sammeln sich neu im Rücken der Kürassiere. Ein neues Attackesignal, — sie stürzen sich auf die Front des Feindes, der in wilder Flucht aus Aspern zurückweicht. Erst das Gewehrfeuer, das den siegreichen Ver folgern von französischen Voltigeuren aus Aspern ent gegenschlägt, gebietet ihnen Halt. Feldmarschall-Leutnant Klenau sammelt seine Scharen. Der Generalissimus, der in Adlerklaa das Gefecht überwacht, sendet, von der Un möglichkeit durchdrungen, mit der Reiterei gegen die in den Ortschaften und Auen geschützten Stellungen der Franzosen etwas auszurichten, das Kommando zum Rück zug auf Adlerklaa und NeuwirtShaus. Dieser und tiefer wird das Dunkel der Nacht, unheimlicher, ahnungsbanger ihr Schweigen. Was mag im Schoße des kommenden Tages schlummern? Ernst von Kessel warf sich, in seinen Mäntel ge hüllt, aus der nackten Erde umher. Er vermochte nach der aufreibenden Anstrengung der letzten Stunden kein Auge zu schließen. Sein Wut tobte wie im Fieber. Wie mit tausend Hämmern schlug e» ihm im Hirn. Eine Befriedigung darüber, daß er seiner Pflicht ge horcht, wollte und wollte in seiner gequälten Brust nicht aufkommen. Vor seinem geistigen Auge stand nur fort und fort Viktorias Bild, so wie er sie im Oberförster gärtchen über den Zaun gebeugt gesehen. Umsonst war es, daß er sich einzureden suchte, dies Bild sei eine Täuschung seiner Nerven, eine „Cpukgestalt seiner über hißten Phantasie" gewesen. „Sie war es selber! schrie sein Herz mit unumstöß licher Gewißheit dagegen, und: Die Freunde hast du gerettet, dein Weib den Feinden preisgegeben!" Er wand sich in namenloser Oual. Schweiß brach ihm aus allen Poren. Plötzlich sprang er jählings empor. Unmöglich, das länger zu ertragen! Er ließ sich beim Feldmarschall-Leutnant melden. Mit fieber Dl» Buchdrucker«! von Langer MilterM kies* Soetheftraß« Nr. ä» hält sich zur Anfertigung nach stehender Drucksachen bet sauberer Ausführung und billigster Preis stellung bestens empfohlen. «Vife SLreß- und Geschäfts ¬ karten Briefköpfe, Brtesletsten Bestellt««-! Broschüre«, Billett Deklarationen DauksaguusS» uud Einladuugöbries» Einlaßkarten Etiketten aller Art Fakturen, Flugblätter Formulare tn div. Sorte» Frachtbriefe Gebrauchsamvetsuusea Fremdeazettel Vans» und Fabrik» Ordnungen GebortSauzetgeu vochzeitSetuladuugea »Zeitungen «>d »Gedichte Kaftenschilder Kostenanschläge Kataloge, Kontrakt» Kontobücher Lohnlisten, Mahnbriefe Mitteilangen, MeuaS Musterbücher, Nota- Plakate Programm Preiskurante Postkarten, Outttnugea Rabattmarke« «echaaogea Speise«- «ad Weinkarte« Statute«, Tanzkartea Stimm-, Theater» u«d Sackjettel Visite«» ««» verlobuugsttrte» Wechsel, Serke Zirkulare, Zeugnis» * »e. re. re. Massenauflage« für Rotationsdruck. siiener Isgedlstt — Amtsblatt — Frrnsprechstelle Nr. 20. Telegramm-Adresse: Tageblatt Riesa. glühenden Wangen und Augen trug er ihm seine Bitte um einen Urlaub bis -um nächsten Morgen vor. Der Feldmarschall-Leutnant genehmigt« da» sonder- bare Gesuch, wenn auch mit verwundertem Blicke. Aber dieser Offizier hatte heute seiner Avantgarde einen allzu wichtigen Dienst geleistet, al» daß er ihm diese Bitte hätte abschlagen können. Nm weniges später war Ernst von Kessel von neuem auf der Straße nach Aspern unterwegs. Wie der wilde Jäger jagte er dahin durch die schwei gende Nacht. Gott! Wenn sie dem holden Geschöpf ein Leid angetan?! Entsetzlich! Nicht auszudenken —! Wie ein Wahnsinniger peitschte er seinen schnauben den Hengst, — en carriere flog er dahin. Wie aber — würde sie denn von ihm gerettet sein wollen? Warum war sie aus Berlin geflüchtet? Viel- leicht, um ihren Weg für immer von dem seinen zu scheiden? „Allgütiger, Erbarmen!" schrie Kessel heraus. Er litt Folterqualen. Jetzt erst fühlte er, wie er sein verlassenes Weib liebte. Gleichsam wie eine Naturgewalt brach die Erkenntnis dieser Liebe über ihn herein. Tausendmal lieber tot — als sie verlieren! Jetzt hielt er an dem einsamen Försterhause. Wie ein Märchen träum lag es da, im nächtlichen Schweigen versunken. Gott sei Lob und Dank! Tiie Feinde schienen sich hier nicht eingenistet zu haben. Gewiß hatten ihre Verfolger sie am Hause vorüber bis ins Dors hineingejagt. Er sprang ab. Er riß an der Klingel, die an der Tür des Vorgartens angebracht war. Gellend schallte der Ton durch dis Nacht. Hunde bellten auf mit wildem Geheul. Dann war es wieder still. Er harrte, — Ewigkeiten. Von neuem riß er an dem Strange. Von neuem kläfften die Hunde, wütender als zu- vor — schier ohne Ende. Da knarrte ein Fenster. „Was wollt Ihr? Wer seid Ihr?" klang eine Stimme zürnend durch die Nacht. Dem Unseligen aber erscholl ihr Zürnen wie Musik. In dieser warmen, ehr- Üchen Mannesstimme barg sich kein Arg und kein Falsch. „Herr Oberförster, lassen Eie mich hinein! Meine Frau ist bei Ihnen, ich muß sie sehen," brach es wie e'n Bergstrom von Kessels Lippen. ,Lhre Frau? Sie sind wohl betrunken?! Scheren Sie sich gefälligst zum Teufel, mein Herr!" Klirrend schlug das Fenster zu. Kessel hatte das Gefühl, als sei ihm die Pforte deS Paradieses vor der Nase zugeschlagen. Seiner Sinne kaum mächtig, sprang er in heißer, unbezähmbarer Angst über den Zaun, donnernd und krachend schlugen seine Fäuste an die eichene Pforte des Hauses. Die Hunde erhoben ein wüstes Geheul, das über- täubte die Tritte, die drohend die knarrende Stiege herab kamen. Die Haustür ward von innen aufgerissen. Ter flackernde Schein einer Oellampe fiel blendend in Kessels erhitztes Gesicht. „Bei allen Teufeln, Leutnant von Kessel! — Zurück, ihr Rüden! — Gott straf mich, Kessel! Könnt Ihr nicht eine schicklichere Besuchsstunde wählen?!" knurrte der alte weißbärtige Herr, der, auf der Schwelle stehend, mit der Hand die blaffenden runde abwehrte, halb ärger lich, halb schon versöhnt, indes er Gestalt und Gesicht des nächtlichen Einlaßforderers mit scharfem Weidmanns- blicke musterte. „Vergebung!" stammelte er, „Viktoria — sie ist hier?!" Der Alte schien zu schwanken, was er antworten sollte. Als er aber den ans Irre grenzenden Blick der Augen sah, erwiderte er fest und bestimmt: -La" Kessel atmete auf, wie einer, der seine Begnadigung vom nahen Tode erfährt. „Laßt mich zu ihr!" Damit wollte er an dem Ober förster vorbeidrängen. Der vertrat ihm breitbeinig den Weg. „Herr/ wißt JHr denn- ob sie Luch sehen will?» „Sie ist mein Weib —" ,/Fhr habt sie verlassen." „Mich zwang die Pflicht." „Die Pflicht gebot Euch, in Berlin, bei den Fahnen de» preußischen Heeres zu bleiben." „Barmherzigkeit! Richtet hiep nicht zwischen Tür und Angel, oder tötet mich auf der Stelle!" schrie Kessel. In seinem Don offenbart« sich ihm selber unbewußt «ine so grenzenlose Qual, daß der Oberförster er schüttert die Tür« freigab. „Seht, was Ihr bei ihr ausrichten könnt," murmelte er achselzuckend. „Sie ist ein Krauskvpf, will Euch nie Wiedersehen. Aber — hm! Nun ja!" er kraute sich hinter dem Ohre, „Frauenzimmer sind eben Frauenzimmer." „Bringt mich zu ihr!" „Hüten werde ich mich," knurrte der Alte. „Zwischen zwei Mühlsteine soll keiner seinen Finger stecken. Ta die Stiege hinan — die erste Tür linker Hand — das ist ihr Asyl. Erbrecht die Pforte oder fahrt wie ein Geist durchs Schlüsselloch hinein — mich soll das nicht küm mern. Die kleine Wetterhexe kratzt mir sonst die Augen aus." Ernst hörte nicht mehr, was der Alte in seinen weißen Bart brummelte. Er war die Stiege hinauf gesprungen und — im nächsten Augenblicke hinter der bezeichneten Türe verschwunden. Der Alte blickte und lauschte hinan — mit weit auf gerissenen Augen. „Da schlage doch ein Wetter drein! Kenn' einer solch ein Frauenzimmerchen aus," schmunzelte er dann, sich den langen Bart streichend. ,Lch glaube gar, sie hat ihn am Zaune gesehen, Spektakel hat er ja nach Hundsnoten gemacht. — Bei meinem Bart!" Der alte Jägersmann machte sein pfiffigstes Gesicht. „Am Ende — am Ende hat sie gar aus ihn gelauert." Damit stapfte er verschmitzt in sein Arbeitszimmer zu ebener Erde hinein und trällerte vor sich: „O wie so trügerisch Sind Frauenherzen —" Ernst aber war, nur von der Gewalt seiner Ge fühle beherrscht, ins Stübchen gestürzt — er lag zu den Füßen des holden Wesens, das vom Hellen, weich fließenden Gewand umwallt, im matten Lampenscheine wie eine überirdische Erscheinung vor ihm stand. „Viktoria, Viktoria! Du bist eS wirklich?" rang es sich stammelnd von seinen Lippen, indem er ihr Ge wand wie das einer Heiligen an die Lippen zog. „Vergib mir! Ich konnte damals nicht anders handeln. Hab mich lieb! Ich kann nicht ohne Dich leben!" Wie ein Gießbach stürzte eS hervor über des Mannes Lippen. Das junge Weib aber blickte aus den Gatten nieder mit einem unbeschreiblichen Ausdruck in dem fei nen, seelenvollen Gesicht. Groll, Zorn, Trotz und Ab wehr schienen mit einer heimlich auS tiefsten HerzcnS- tiefen herauszitternden Liebe zu streiten. Und nun sprang er empor. „Viktoria! Sprich nur ein einzig Wort! Kannst Du mir vergeben?" Verlangend breitete er beide Arme nach ihr aus. Da wich sie zurück. Zorn und Trotz gewannen in ihren Zügen die Oberhand. Sie streckte abwehrend die Hände gegen ihren Mann aus. Dabei scheuchten ihre großen Augen ihn mit einem entsetzten Wiche gewaltsam zurück. , „Geh! Rühr' mich nicht an!" stieß sie hervor. -,Wa» habe ich gelitten! — Du — Tu kannst mich nicht lieben!" „Viktoria! Tausendmal mehr als mich selbst!" Um ihren Münd zuckte e» bitter. „Und konntest mich dennoch achtlos wie eine welke Rose in den Staub treten?! Und das junge Leben —> das —" „Viktoria- bring mich nicht um meinen Verstand!" „He, holla! Oberförster! Heran»!" drang eine hcHK