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„Riesaer Layeblwtt«. »«< »ck »M-, iw» E ,1»t«ettch «» Rkes«. - »k Re RetzMi- »««M»Mchr H««»rGch»wt A«ch» eilage z«m 11«. 48. Äahrg. «Mag. IS. «ai 18SS, Meads. Die Umsturzvorlage ist abgethan! Der Reichstag hat sie am Sonnabend, wie schon durch Extrablatt gemeldet, nach mehrstündigem Scheingefechte über den Militärparagraphen mit schlichtem Abschiede au» der Welt geschasst, indem er mit Zweidrittelmehrheit ohne «eitere Debatte sämmtliche Paragraphen des Gesetzes, sowie sämmt- liche Zusatzanträge, sowUr sie nicht zurückgezogen waren, ab« lehnte. E» ist sonnt mich keine dritte Berathung mehr nöthig. Das Zustandekommen einer Einigung über den Militärpara- graphen verhinderte die Regierung selbst, da sie auf Annahme diese« Paragraphen in der Fassung der Regierungsvorlage bestand. Das Zentrum, theilweise unterstützt durch die Polen, hielt an der Vorlage in der Kommissionsfassung fest. Auf der Sitzung lag von Anfang an jene Spannung, die der Entscheidung großer politischer Ereignisse vorauSzu- gehen pflegt. DaS Haus war namentlich im Zentrum und auf der linken Seite stark besetzt, während die Rechte größere Lücken aufwies. Die Zuschauern ibünen, die Logen des Bunoes- raths und der Abgeordneten waren dicht gefüllt. Auch in der Hvfloge zeigten sich einige Uniformen. Elegante Damen toiletten vervollständigen das farbenreiche Bild. Alles hing mit athemloser Aufmerksamkeit an den Vorgängen im Parket des Hauses. Dort unten gestaltete sich das Bild immer dramatischer. Dichte Gruppen von Abgeordneten umdrängten die Rednertribüne, namentlich während der Rede Bebels. Auf allen Gesichtern prägte sich das Gefühl aus, daß man unmittelbar vor einer kritischen Wendung stehe. Allerlei Gerüchte durchschwirrten das Haus. So hieß es, der Reichs kanzler werde im Namen der verbündeten Regierungen die Vorlage zurückziehen. Dann wieder munkelte man, der kon servative Abgeordnete v. Levetzow wolle den Antrag stellen, im Falle der Ablehnung des 8 112 über die Vorlage im Ganzen abzustimmen, u. s. w. Deunoch nahm die Diskussion zunächst einen ganz nor malen Verlauf. Rian begann mit der Berathung des 8 112, der sich nach der Kommissionsfassung auf die Anreizung von Militärpersonen zum Ungehorsam und die Verächtlichmachung von Einrichtungen des Heeres bezieht, während die Regierungs vorlage darunter auch die Hineintragung der Idee des ge waltsamen Umsturzes in d'.e Armee verstanden wissen wollte. Der erste Redner war der württembergische Abgeordnete Haußmann (südd. Volksp.), der den Unterantrag stellte, auch die von der Kommission an Stelle der „Umsturzabsicht" (in der Regierungsvorlage) gesetzte „Verächtlichmachung" zu streichen, da dadurch jede Kritik der Auswüchse des Militaris- wus unmöglich gemacht würde, auch solcher Auswüchse, wie wir sie zur Zeit des „ollen ehrlichen Seemann" kennen ge- lernt haben Redner charakterisirte den 8 H2 als einen MauUorbparagraphen schlimmster Art. Kriegsminister Bronsart v. Schellendorff erklärte, der Vorredner habe über den Gegenstand nichts Neues vorge bracht. ,/Ich begreife das Ankämpfen der Sozialdemokratie gegen die Armee, denn diese feste Mauer aus Erz und Stein ist nicht niederzurennen mit den Köpfen ihrer Genossen." Die Sozialdemokratie stochere an dem Fundament der Mauer herum. Diesem Bohrversuch soll der 8 112 begegnen. „Ich stehe auf dem Boden der Fassung der Regierungsvorlage und halte die Kommissionsfassung nicht für so gut. Im Uebrigen kann ich auch keinen anderen Standpunkt cinnehmcn, denn die verbündeten Regierungen haben noch nicht Gelegenheit gehabt, zu der Kommissionsfassung Stellung zu nehmen." Weiter nahm das Wort der Abg. Bebel: Der 8 112 sei gegen die Sozialdemokratie gemünzt, er verwahre sich aber dagegen, daß in der Sozialdemokratie die Absicht des gewaltsamen Umsturzes bestehe. Man würde es freilich in gewissen Kreisen gern sehen, wenn sich die Sozialdemokratie zu Ausschreitungen provoziren ließe, und diese Kreise träfe die Verantwortung, wenn cs zum Bluifließen käme. Der Redner verliest eine Anzahl von Citaten aus dem der Kommission vorgelegten Material und ist der Meinung, daß das Material nicht beweiskräftig sei. — Bronsart von Schellendorff erwiderte: Der Abg. Bebel habe auch seine, des Ministers Ausführungen im Wesentlichen als Provoka tionen bezeichnet; wenn er dann die Bemerkung gemacht habe, daß die Verantwortung für etwaiges Blmfließen die Provozirenden treffe, so habe diesen Gedanken der „Vorwärts" viel schöner entwickelt, der in einem Artikel sogar die Pro vokant n enthalte, den Kriegsminister niederzu chießen. — Abg. Osann (narlib.) erklärte: Seine Partei fei von Anfang an für die Regierungsvorlage und gegen die Kommissions fassung gewesen, weil diese den Kern der Sache nicht treffe; erst als die Aussichtslosigkeit der Regierungsvorlage unzweifel- hast gewesen, hätten die Vertreter der Partei in der Kommission für die Faffung der letzterer! gestimmt; nunmehr, nach der Erklärung des Kriegsministers, werde die Partei für die Regierungsvorlage stimmen. Abg. Spahn (Zentr.): Seine Partei habe keine Veranlassung, gegen die Kommissions- fassung, welche die Zustrmmung der Regierungsvertreter er halten habe, zu stimmen. Staatssekretär Nieberding sagte, die RegierungSvertrcter hätten keinen Zweifel darüber ge lassen, daß sie mit der Kommissionsfassung nicht einverstanden seien, und daß sie nur unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Kriegsministers an der juristischen Fassung des Kommissionsvorschlages mitgewirkt hätten. Eine ähnliche Er klärung gab auch der Generalauditei r Jteenbach ab. Abg. v. Saroorff (Reichsp.) erklärt sich im Namen seiner Partei für die Fassung der Regierungsvorlage. Abg. Graf von Roon (tonst): Die sozialdemokratischen Abgeordneten ver wahrten sich ärmer gegen den Vorwurf, daß sie auf den ge. waltsamen Umsturz hinarbeiteten. Wer stehe aber dafür, daß auch ihre Wähler den gewaltsamen Umsturz nicht wollten ? Abg. v. Levetzow (konst): Seine Partei hätte allenfalls für die Kommissionsfassung gestimmt, wenn die Vorlage in einer annehmbaren Form hätte zu Stande gebracht werden können, und wenn der Bundesrath die Fassung gebilligt hätte. Nach der vorgestrigen Abstimmung und nach der heutigen Er klärung des Kriegsministers sei aber weder das eine noch das andere der Fall, die Partei werde daher für die Re gierungvorlage stimmen. Damit schloß die Diskussion. Bei der nun folgenden Abstimmung, vor welcher der Abg. Hauß mann seinen Antrag zurückgezogen hatte, wurde der 8 112 sowohl nach der Kommissionsfassung als auch nach der Re gierungsvorlage avgelehnt. Abg. Richter beantragte nun, da nach den Ergebnissen der bisherigen Beratungen wohl an einer Weiterberalvnng der Vorlage Niemand ein Interesse habe, gleich abzuüimnu». Abg. Frhr. v. Manteuffel (kons.) schloß sich diesem Bvi s t läge an und so wurden denn die einzelnen Paragraphen s.i ->muich, und zwar sowohl nach der Fassung der Kommission wie nach derjenigen der Regierungsvorlage, ohne Diskussion abge lehnt und das war schließlich das Beste, was man nach Lage der Sache thun konnte, wurde dadurch doch wenigstens nutzlosen, langathmigen Debatten und zweckloser Zeitver schwendungvorgebeugt, galt es doch nach dem Fall des 8 m als erwiesen, daß von der Vorlage nichts zu „retten" war. f Dieselbe ist gefallen, di? Verhältnisse, die zu ihrer Einbringung die Veranlassung waren, dauern aber an. Was nun? TigeSgeschichte. Deutsche- Reich, st Se. Majestät der Kaiser empfing gestern Mittag den Reichskanzler Fürsten Hohenlohe und den Minister v. Köller, unmittelbar darauf den Finanzminister Dr. Miquel. Diese drei Minister wurden sodann vom Kaiser mit einer Einladung zur Frühslückstasel beehrt. Der Kaiser hat sich, wie bekannt, die Entscheidung über Befestigungsanlagen zum Schutze des Nord-Ostsee-Kanals am Eingang der Elbe Vorbehalten. Nunmehr ist mit der Auf stellung von Schnellfcuerkanonen auf den in die Elbe hinein- ragenden Molen bei Brunsbüttlerhafen begonnen worden. Die mit Panzerschild n versehenen Schnellladegeschütze ruhen auf Schienen und können dadurch an jeden beliebigen Punkr an der ganzen Seile des Außenhafens entlang bewegt und benutzt werden. Gleichzeitig werden gegenüber der Känalmündung bei Balje im Kreise Freiburg auf der Elbe mehrere Küstenbalterien für die schwersten Kruppschen Geschütze errichtet werden. Nach Brunsbüttel soll eine Abtheiluug Marine Artillerie gelegt werden, deren Aufgabe ausschließlich in der Ber-Heidiguiig o. r Kaualmündung liegen wird. Entgegen den vorläufigen Berichten hat die amtliche Fest stellung ergeben, daß bei der Stichwahl in Weimar nicht der Sozialdemokrat Baudert, sondern der Konservative Neichmulh mit 9556 gegen 9440, also mit 116 Stimmen Majorität ge- wählt worden ist. * Krankreich, st In Bordeaux hielt am Sonuabeiw der Ministerpräsident Ribot eine Rede und führte o bei oi Bezug auf die auswärtige Politik aus, Frankreich Hube nos seines Feldzuges in Madagaskar nicht zögern könne», sich den anderen Großmächten anzuschließcn, um die Frage der europäischen Interessen im fernen Osten zu ordnen. Eu, Land wie Frankreich könne in einer derartigen Frage nicht abseits stehen; es müsse sich selbst geg nüber zeigen, daß ein- Demokratie im Stande sei, eine auswärtige Politik zu vadeu und sie mit der nöthigcn Festigkeit und Nachdrücklich eit durch zuführen. (Lebhafter Beifall.) Die Baude, welche F an^reich mit Rußland seit 1891 verknüpften, 'eien gestärkt morden Die ganze Welt habe begriffen, aß das gemeinsame Handeln der beiden verbündeten Mächte aus allen Punkten des Erd balls, wohin ihre Jnlercss n sie rufen, eine Bürgschaft des Friedens und der Sicherheit sei. (Beifall.) Dre Regierung stelle sich mit dem Bewußtsein der Kammer vor, daß sie weder im Inner» noch nach Außen eine Politik des Zurück- weichens und Aufgebcns verfolgt und alle ihre Aufgaben mit Festigkeit erfüllt habe. — Zahlreiche Sozialistengruppm ver sammelten sich vor dem Gebäude, in welchem das Bankett stattfand; als Ribot und die anderen Minister d.,s Gebäude verließen, versuchten die Sozialisten unter Pfeifen und Ge schrei eine Kundgebung gegen dieselben. Die Polizei meb dte Sozialisten auseinander und verhaftete gegen 20 Personen. Die übrige Bevölkerung begrüßte Ribot und die Minister lebhaft. Rußland. Sine sehr wichtige Verfügung d r russischen Regierung hat seit dem Sonnabend Gesetzeskraft erlangt. Von nun ab ist die Erwerbung des EigemhumSrcchtcs auf Immobilien außerhalb der Städte des Wolhhnischen Gouver nements, sowie des Besitz- und Gennßrechtes über solche Im mobilien, soweit sich ein solche- aus Mieths- oder Pachloer- trägen ergiebt, den im russischen Unterthansoerbande flehenden ausländischen Ansiedlern und Einwanderern aus den Weichjel- gouvernementS hinfort untersagt. Die Bestimmungen des Gesetzes erstrecken sich nicht auf diejenigen der enwähnien Per sonen, welche vor Erlaß des Gesetzes sich außerhalb dec Städte niedergelassen haben, ebenso auch nicht auf die gesetzlichen Erb- folger dieser Personen. Wird die Vollziehung eines Aktes, wodurch die obigen Bestimmungen verletzt oder umgangen worden sind, bekannt, so veranlaßt der Gouverneur die ge- richtliche Nichtigerklärung des Aktes. Dem Gouverneur wird ferner anheimgestellt, russisch« Unterthanen, wie auch Ausländ, r, welche die in Rede stehenden Bestimmungen brzw. das insbe sondere die Ausländer betreffende Gesetz vom 14. März 1887 verletzen, auf administrativem Wege anSzuweisen und zwar als faktische Besitzer außerftädtischer Immobilien nach münd licher Uebereinkunft, überhaupt unter nichtformellen Bioing- ungen odcr nach gerichtlicher Aushebung der betreffenden Be- sitztitel. Schwede«, st Die zweite Kammer nahm am Sonn abend mit 114 gegen 105 Stimmen den Kompromiß-Antrag des Ausschusses, betreffend den schwedisch-norwegischen Handele- Vertrag an, wonach dieser vor dem 1. August gekündigt werden soll. Die Regierung soll in Unterhandlung mit Norwegen treten behufs eines neuen Vertrages, für welchen ein bezüglicher Gesetzentwurf dem nächsten Reichstage vorge- legt werden soll. In der ersten Kammer kam es nicht zur Abstimmung darüber. Meteorologisches. MIrirthrllt von R. Noll,an, ypllkr. Barometerstand Mittags 12 Uhr.- Sehr trocken 770 — Beständig schön Schön Wetter Veränderlich 750 — Regen (Wind) — Biet Regen 740 M Sturm 720 — Nachdruck Verbote» Der Sport als Heilmittel. Bou Wilhelm Wahlfeld. Jede Art von Sport ist gesund, das ist keine Frage, nur muß er auf eine vernünftige Art betrieben werden. Für jeden denkenden Menschen ist ein äußeres, ein me chanisches Heilmittel viel mehr ansprechend, als eine ge heimnisvolle Arznei, für deren heilsame Wirkung auch der verschreibende Arzt nicht immer die Bürgschaft über nehmen kann. - Viel sicherer und wahrnehmbarer ist die Wirkung bei unseren modernen mechanischen Heilmitteln, die sich mit Recht im Fluge das Vertrauen der ganzen Welt erworben haben. Ueberall hört man von Trainirkurorten, von aktiver, passiver und duplizirter Heilgymnastik, von Turnen, Reiten, Radfahren, Rudern, Schwimmen und dergleichen. Jeder mit Ausdauer und Vorsicht betriebene Sport hat seine großen Vorzüge, er bringt eine Anzahl von Muskelgruppen in Bewegung und Thätigkeit und steigert dadurch den Blutumlauf und den Stoffwechsel im hohen Grade. Wer aber seine Muskeln stärkt durch irgend einen Sport, der kräftigt auch seine Nerven, denen auf direktem Wege nicht beizukommen ist. Sport und Nerven schwäche sind zwei Feinde, die nicht nebeneinander be stehen können. Der Sport ist auch für Fettsüchtige sehr zu empfehlen, denn er vermindert durch die Vermehrung deS Stoff wechsels das Wasser im Blute und im Körper, denn fette Menschen haben weniger gutes Blut als die magern undblutarmePersonensindweniger widerstandsfähig als die blutreichen. Bei blutarmen Menschen ist das MischungSverhältniß deS Blutes nicht normal, das Blut enthält zu viel Wasser, es ist zu wässerig. Ist aber der Wassergehalt der Organe zu groß, so verringert sich die Leistungsfähigkeit derselben, namentlich die Schnelligkeit bei der Arbeit, sowohl bei körperlicher als auch bei geistiger. Wer bei den leichtesten Arbeiten m Schweiß geräth, dessen Blut hat zu viel Wasser, der bedarf der Abhärtung durch Sport oder sonstige körperliche Anstrengung. Viele Menschen glauben, daß ihnen das Alter die Kraft geraubt habe, während nur der starke Wassergehalt ihres Blutes es ist, der ihnen schnelles und anhaltendes Arbeiten un möglich macht. Wir können den gesunden, den normalen Wassergehalt unseres Blutes wieder erlangen, wen» wir oft Bewegungen bis zum starken Schweißausbruch machen und darauf, uin Erkältungen zu vermeiden, mit leichteren Bewegungen fortfahren, bis das Schwitzen nachläßt. Je stärker das Muskelsystem des Menschen, desto weniger leicht geräth er bei einer Arbeit ins Schwitzen. Jede Art von Sport ist als Abhärtungsmittel und Heilmethode gut, wenn sie nur vorsichtig und naturgemäß betrieben wird. So wohlthätig der methodische und naturgemäße Sport ist, so nachtheilig ist der übertriebene, plan- und maßlose. Kennt man doch jetzt schon ausgeprägte „Radfahrer-Krankheiten", h rvorgerufen durch übertriebene Anstrengung und schlechte, ml nme Haltung; Krankheiten, die sehr schmerzhaft sind m.d ohne ärztliche Behandlung schwer zu Heiken smd.