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Riesaer G Tageblatt 48. Jahr« Dienstag. 11. Juni 18SS, AvendS L. 126. ?c.S Ri-icr-r Tagebialt erscheint jeden Tag Abends mit Ausnahme der Sann- und Festtage. Vierteljährlicher Bezugspreis bet Abholung in den Expeditionen in Riesa und Llrehla, den AuSga^üe.^ . ir'.oie am Lcballer der taijerl. Poslanstalten 1 Mark 25 Ps., durch die Träger frei ins Hans 1 Mark 50 Ps , durch den Briefträger srei ins Hans 1 Mark 65 Pf. Anzeigen-Annahm« fi'rr die Ncnnm-- des Ausgabetages bis Vormittag 9 Uhr ohne «Äewühr. Druck und Verlag von Langer L Winterlich In R>c'a. — Oieschäftsstelke: Kn st an lenst rohe 5>c>. — Für die Redaction verantwortlichl Herm. Zchmtdt in Riesa. - Fernsprcchsielle Nr. 20. Bekamilinachlmg. Eing-gangen sind folgende Gesetze, welche in der Rathsexpedilwn cingesehen werden können: Gesetz, betreffend die Feststellung eines Nachtrags zum Reichshauohalts-Etat für das Ellusjahr 1895/96. Boni 15. Mai 1895. Bekanntmachung, betreffend die Ausführung des Oeffenüiche Sitzung des Bezirksausschusses Sonnabend, den 15. Zuni 1895, Nachmittags 3 Uhr km Vcrhandinngssaale der Königlichen Amtshauptmannschaft. Tie Tagesordnung hängt im Anmeldezimmcr der Emizlei zur Einsichtnahme auS. Grossenhain, am 7. Juni 1895. Die Königliche Amtshauptmannschaft. V. Wilncki. O. W 11 s* 1 stz s* 11 für das „Riesaer Tageblatt" erbitten uns spätestens bis ^8- 44 s) Bormittags U Uhr des jciveiligen Ausgabetages. ! Die Geschäftsstelle. Bekanntmachung.. Bei der am 29. Mai dieses Jahres vcn der Bezirksversammlung vollzogenen ErgänzungS- lrahl isl an stelle des verstorbenen Rittergulsbesitzers Freiherrn von Nochow auf Slranch Herr KittcrgutSlresitzer Freiherr von Bnrftk mit Schönfeld als Vertreter der Höchslbesteuerten int Bezirksant schuß mit Funcliousdauer bis mit Jahres schluß 1895 gewählt worden. Großenhain, am 6. Juni 1895 Die Königliche Amtshauptmannschaft. v. Wilncki. O. und Anzeiger Meblait und Anzeiger) Tclcgramm-Adrcsse ßH m „Tageblatt", Riesa. All 4 N V Hl H der König!. Amtshauptmannschaft Großenhain, des König!. Amtsgerichts und des Stadtraths zu Riesa Gesetzes über die Prüfung der Läufe und Berschlüsse der Handfeuerwaffen vom 19. Mac 1891. Bom 8. Mai 1895. Gesetz, betreffend die Acnderung des Zolltarifgesetzes und des Zolltarifs. Bom 18. Akai 1895. Bekanntmachung, betreffend Abänderung der Aichordnung und der Aich- gebühren-Tape, sowie der Bekanntmachung, betreffend die Aillmng des Getreideprobers, vom 6. Mac 1895. Gesetz wegen Abänderung des Gesetze.s vom 23. Mai 1873, betreffend die Gründung und Verwaltung des Reichs-Jnvalidenfonds. Bom 22. Mai 1895. Bekanntmachung, betreffend die Anzeigepflicht für die Lchweineseuche, die Schweinepest und den Rvlhlauf der Schweine. Bom 29. Mai 1895. Allerhoch >er Erlaß, betreffend den Abgabentarif für den Nord-Ostsee-Kanal. Bom 4. Juni 1895 Verordnung. Maßregeln zur Abwehr und Unter drückung der Schweineseuche, der Schweinepest lind des Rviblaufs der Schweine betreffend; vom 10. Mai 1895. Verordnung, die Gebühren für Erhebung der Einkommensteuer und Besorgung der übrigen den Gemeindebehörden bei der Einkommensteuer obliegenden Geschäfte im Jahre 1895 betreffend; vom 10. Mai 1895. Verordn ing, die" Errichtung einer Ka.omer für Handelssachen beim Landgerichte Zwickau und die B.rändernng des Bezirks der Kammer für Handelssachen in Glauchau betreffend; vom 21. Mai 1895. Riesa, den 10. Juni 1895. Der Stadtrath. Klötzer. Gesetzentwurf zur Förderung des genossen schaftlichen Personalkredits. Dem preußischen Abgeordnetenhause ist der angekündigte Ge cyentwurf, betreffend die Errichtung einer Zentralanstalt zur Förderung des genossenichastlichen Personalkredits, zuge- gangen. Der Entwurf ist auch für Sachsen von Interesse. Derselbe beruht auf den Grundsätzen, die der am 18. Mai ds. Js. stattgehabtcn Berathung von Sachverständigen aus dem Gebiete des Genossenschaftswesens zu Grunde gelegen und die fast einhellige Zustimmung dieser Sachverständigen gefunden haben. Die Anstalt wird, um ihr die nöthige Beweglichkeit zu geben, als selbstständiges Institut mit eigener juristischer Per sönlichkeit, aber unter Aufsicht und Leitung des Staates errichtet. Ihre Aufgabe ist, regulirend und befruchtend in den Kredit der Genossenschaften des produktiven Mittelstandes in Land und Stadt zu wirken, der Art, daß sie den Ver einigungen dieser Genossenschaften im Bedarfsfälle zu billigen Bedingungen Betriebsmittel überweist, andererseits die zeit weilig überschüssigen Bestände von ihnen annimmt und nutz bringend anlegt. Soweit es durch diese ihre Ausgabe bedingt ist — aber auch nur soweit, um nicht den privaten Banken eine unerwünschte Konkurrenz zu machen — soll die Zentral- lasse ferner befugt sein, Gelder im Depositenverkehr sowie Spareinlagen anzunehmen und die sonst nothwendigen Ge schäfte zu betreiben. Da der Anstalt auf diese Weise erst allmählich die nöthigen Mittel zufließen werden, ist die Zu weisung eines staatlichen Betriebskapitals von 5 Millionen Mark in Aussicht genommen. Die Gewährung einer solchen den Gläubigern haftbaren Einlage gicbt der Anstalt eine größere geschäftliche Sicherheit und demgemäß eine festere Basis für ihre Thätigkeit als die früher angeregte Be willigung eines staatlichen DarlehnS, welche die Anstalt von vornherein mit einem erheblichen Passivum belastet haben würde. Daneben ist natürlich nicht ausgeschlossen, wie anderen soliden Instituten, so auch der Zentralkasse im Be darfsfälle zeitweilig überschüssige Bestände der Staatskasse gegen entsprechende Verzinsung zu überweisen. Ebenso läßt der Gesetzentwurf offen, daß sich auch die Vereinigungen, von Genossenschaften mit VermögenScinlagen an der Anstalt be theiligen. ES ist ferner vorgesehen, daß ein Reservefonds angesammelt und auf die staatliche wie die sonstigen Einlagen eine mäßige Verzinsung gewährt wird. Der Anstalt, welche durch ein kollegialisch eingerichtetes Direktorium verwaltet und nach außen vertreten wird, soll zur beiräthlichen Mit wirkung ein aus sachverständigen Personen gebildeter Ver- waltungsausschuß an die Seite gestellt «erden, der über die für die GeschäftSgebahrung der Anstalt wichtigsten Grundsätze gehört werden muß. Die näheren Bestimmungen hinsichtlich des Geschäftskreise; und der Zusammensetzung des Bcrwal- tungSausjchusseS sind durch königliche Verordnung zu treffen. Die Bank soll in keiner Weise die so segensreiche freie Bewegung der Genossenschaften hemmen oder störend in die selbe eingreifen, vielmehr dieselbe fördern und die fort schreitend Entwickelung des genossenschaftlichen Zusammen schlusses der Mittelklassen aus allen Gebieten erleichtern. TageSgeschichte. Deutsches Reich. Kolonialdirektor Kayser eröffnete gestern die Frühjahrssitzung des Kolonialraths mit einem Ueberblicke über die kolonialen Ereignisse der letzten Monate und wies auf die 1896 stattfindende Kolonial - Ausstellung c.in. Der Kolomalrath besprach zunächst kurz die Mit theilungen Kayser's, erörterte die Bedeutung der Errichtung einer Station in Ujiji. Wißmann machte eingehende Mio theilungen über die dortigen Verhältnisse, die Schwierigkeiten des Baues und der Erhaltung der Straßen in Ostafrika. Hinsichtlich Deutsch-Südwestafrikas erwähnte Kayser, es sei bisher nicht gelungen, vereidigte Wasserbautechniker zur Unter suchung der Landes Verhältnisse an der Tyoakhaut-Mündung zu finden, indessen bereitete die Landung daselbst weniger Schwierigkeiten als an den meisten anderen Küstenplätzen von Westafrika. Die Woermannlinie ziehe bereits das Landen in Thoakhaut dem in der Walfischbay vor. Noch wichtiger sei die Erleichterung der Verbindung mit dem Innern. Die Aufwendung von Geldmitteln hierzu werde begreiflich schon durch die Ersparnisse der bisherigen enormen Transportkosten für den Bedarf der Schutztruppe sich bezahlt machen. Eine längere Debatte erfolgte über die Besiedelung des Schutzge bietes. Kayser theilte ferner mit, das neu- Reglement der Nigger-Schifffahrt lasse so bedauerliche Vorkommnisse, wie die früheren, künftig als ausgeschlossen erscheinen. Ein deutsches Unternehmen im Hinterlande Kameruns am Benutz könne auf den Schutz der deutschen Regierung rechnen. Der Konsul Vohsen berichtete über die Togo-Expedition und von ihren mit dem Sultan von Gurma am Nigger abgeschlossenen Verträgen. Die Gefahren der Auswanderung nach Brasilien werden in sehr drastischer Weise veranschaulicht durch die Leidensge- schichte eines im vorigen Jahre hinübergegangenen und jetzt krank und völlig mittellos von dort zurückzekommenen eng lischen Arbeiters. Bei seinem Eintreffen in San Paulo wurde ihm gesagt, die brasilianische Regierung gewähre jedem Ankömmling eine Landschenkung unter der Bedingung, den Boden urbar zu machen, zu bebauen und, gegen einen Tage lohn von 3 Milreis, namentlich 14 Tage hindurch Straßen bauarbeit zu thun. Er erhielt ein Stück Urwald, mit Raub zeug aller Art bevölkert, so daß er und sein Bruder ihre Kulturarbeit nur mit stets schußbereitem Gewehr verrichten konnten. Dann kam der Aufstand; Beide sollten Soldat werden und da sie, als britische Staatsangehörige, dies An sinnen ablehnten, wurden sie ohne Weiteres und ohne irgend welche Entschädigung aus ihrem damals schon 2200 Pfund Sterling werthen Besitzthum verjagt. Der britische Konsul erklärt, er sei außer Stande, sich ihrer anzunehmen und müsse froh seit», wenn es ihm nicht selbst an den Kragen ginge. Die brasilianischen Behörden aber ließen sich auf nichts ein. Der Brüder des in Rede stehenden Arbeiters wurde kurz darauf ermordet, er selber ging in die Goldberg- werksbczirkc, wurde aber nach wenigen Monaten krank, und als er im tiefsten Elend nach Rio zurückkam, wurde er von der Straße weg arretirt, mit einigen Dutzend Mördern und Straßcnräubern eingesperrt und mit Erschießen bedroht. Die wachthabenden Soldaten behandelten die Gefangenen mit größter Brutalität. Er selbst war Augenzeuge, wie sie einen sehr anständigen jungen Franzosen, der mit einer Beschwerde bei seinem Krnsul drohte, zu Tode prügelten. Nach zwanzig tägiger Kerkerhaft nahm sich ein brasilianischer Infanterie hauptmann, Deutscher von Geburt, d's Unglücklichen an, be wirkte seine Freilassung und ermöglichte ihm so die Rückkehr nach seiner Heimath. Der mir jo schlimmen Erfahrungen aus Brasilien Zurückgekehrte schließt den Bericht seiner Leiden mit dem Wunsche, daß sich alle, die brasilianische Aus- wanderungsproj-kte hegen, seine Erlebnisse zur Warnung dienen lassen und nicht in ihr sicheres Verderben gehen möchten. Der soeben beendete Aachener Prozeß in Sachen der Irrenanstalt des dortigen Alexianerklosters hat mit Recht allseitiges Aufsehen erregt. Vielleicht bedurfte es derartiger Enthüllungen, die das Herz jedes fühlenden Menschen zu sammenkrampfen müssen, um endlich einmal die seit Jahren „in Fluß befindliche" Reform des Medizinal- und Irren wesens zu Stande zu bringen. Es mag sein, daß so entsetz liche Zustände, wie sie in der Aachener Klosteranstalt geherrscht haben, in den von Aerzten geleiteten preußischen und son stigen Irrenanstalten nicht vorkommen. Aber diese Mög lichkeit genügt nicht, man muß die durch feste, reich»- und staatsgesetzliche Bestimmungen gewährleistete Gewißheit haben, daß Mißbräuche und Ausschreitungen, wie sie in Aachen un ter den Augen der Behörden seit Jahren an der Tagesord nung gewesen sind, fortan nirgends mehr auf deutschem Boden vorkommen können. Der Gedanke ist furchtbar, daß arme bedauernswerthe Geisteskranke solchen Qualen ausgesetzt sein konnten. Aber noch entsetzlicher ist der Gedanke, daß Gesunde, die ihren Angehörigen aus irgend einem Grunde unbequem geworden sind, für geisteskrank erklärt und in solche Marteranftalten verbannt werden können. Die Be stimmungen über da» Entmündigung-verfahren und über die Aufnahme von Personen in Irrenanstalten bedürfen einer gründlichen Aenderung und einer wesentlichen Verschärfung, das ist das Nächstliegende, was sich für die Gesetzgebung aus dem Aachener Prozeß ergiebt. Das eine ist Reichssache und gehört in das Reichsjustizamt, das andere ist Sache Preu ßens und anderer Bundesstaaten, in denen das Jrrenwesen noch nicht auf der Höhe der wissenschaftlichen und humanen Anforderungen unserer Zeit steht. In diesem Falle würde sich ein scharfes und schnelles Eingreifen der höchsten Stelle sehr empfehlen, damit die bureaukratische Maschine, die sich bereits seit langer Zeit mit der Reform des Irren- und Medizinalwesens vergeblich abquält, nunmehr prompt in ' Gang kommt und diese Ausgabe bewältigt.