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136 hatte sie nickt vvrzudringen vermocht, denn das Karabiner feuer der westfälischjen Husaren, mit dcinTic ihre Stellung verteidigten, wirkte zu nachdrücklich. Ms gleich darauf in beschleunigter Ptangart die Füsiliere des 55. Regiments anlangten, überschritten diese ungehindert den Tamjm, erriwickelten sich in >!0mpagniekolonuen und trieben die nur geringen widerstand leinenden Hessen über Baufach und Fwnhofen bis Eisenhammer und Weib erhöh- zurück, wv ihr Brigadegencral Frey mit seinem Gros eine Stellung bezogen hatte. c General von Goebcn erteilte nunmehr,'da sein Marsch ziel erreicht war,' den Befehl, die Biwake- zu beziehen. Tas Füjilierbataillon wurde dem Feinde gegenüber be lassen, und die Brigade Wraugel legte außerdem noch ihre Vorposten in einen bei Fronhosen besindlichen vorteil hasten Gebäudcabschnitt. leine Husareneskadron und ein Bataillon des Regiments Nr. 15 waren dazu bestimmt. Werbach gehörte dazu. Ruf der Wiese am westlichen Rus gange von Laufach richteten fielt die Soldaten zum Biwak ein. Fn der Billa, die dicht daneben lag, und die Tags zuvor Oberst Wildenfels nnd seine Richte zum Asyl cr- borcn hatten, schflug General Wränget sein Hauptquartier auf. Ter Fabritherr und seine Leute waren eben damit beschäftigt, von ihren Eßwaren au die Hungrigen zu ver teilen. ats Wraugel in dem GärcclM erschien und, dem gutmütigen Herrn auf die Schalter klop end, freundlich meinte, er möchte von den herrlichen Dingen doch auch was für ihn und seine Offiziere zurückbehalken. Sie seien, wie die Leute, verhungert und verdurstet. „Ich glaube es wohl," versicherte treuherzig Herr- Wacker, „und will Herrichten, was ich noch habe. Bille Achtung, wenn cs wirtlich richtig ist, das; Sie der General Wränget sind, der -.wchs am 11. mittags in Kissingen war." „Stimmt auf den Kopf, mein guter Freund," ant wortete Wraugel lachend. „Air haben eben sestgestcllt, daß im Spessart noch keine Chausseen angelegt sind, und füh len unsere Knochen wie unsere Magen. Also, mein treff lichster Herr, sorgen Sie gütigst für Quartier und Essen. Wir sehen wie die Müllerburschn so staubig aus, also erst etwas Rcinigungsapparat und bann ein herzhaftes Futter." s Tieje Gäste waren nun die zweite Ucberrumpelung für die Billa, aber ihr Besitzer hatte so hohe Begrifft von der Gastfreundschpst, daß er auch diese Einquartierung nicht nur willig aufuahm^vndern ihr die besten Zimmer, über die er verfügen konnte, einräumte. . Zugleich begann nun in der Kirche eine rührige Lebendigkeit. Inge in einer großen Schsürzr, die sie sich Von der Wirtschafterin geborgt hatte, hantierte am Herde Uocher, als ob die Klick,je ihr täglicher Aufenthalt wäre. Sie verstand es eben, überall znzugrcifen, Ivo Hülfe nötig war. Bald entstiegen denn auch dieser unteren Region vielverheißcnde Düfte, die für einen ausgehungerten Ma gen etwas unendlich Verführerisches hatten. Sv wenigstens meinten die Offiziere,' die beim Glase Rotwein im Gartenhäuschen saßen und der Tinge warte ten, die da kommen sollten, sich zugleich an dem regen Leben freuend- dach sich ihnen gegenüber auf der Wiese in dem rasch ausgeschlagenen Biwack entwickelte, wo über flackerndem Feuer die Kochskessel brodelten. Eben erschien nun August, die Ordonnanz des Gene rals, und meldete in strammer Haltung, daß der Tisch gedeckt sei. , s ' Ein vielstimmiger, fröhliclfer Ausruf aniwvrlele ihm, Und eilig begaben sich die Herren in das Eßzimsincr. Kaum hatte sich die Tür hinter ihnen geschlossen, so tauchte Inge von der Kellertreppe her auf, die dampfende Suppenschüssel tragend ' Oben kam ihr Anglist entgegen- dem sie diese erste Stärkung aushandigte. Er griff in seinem Nebereifer so hastig danach daß der köstliche Inhalt überfloß nnd, eine feuchte Spur hinterlassend/ an der Terrine herablief. „Warten Sie, August/ so gehl es nickt," gebot Inge und wischte sorgsam mit ihrem Schürzenzipfel die Spuren seiner Ungeschicklichkeit weg. > „Wenn Sie den .Herren die Suppenteller hingesetzt haben, daun tominen Sie gleich wieder und holen den Wein herauf, der noch unten kalt steht. Ten Braten werde ich selbst schneiden; sobald die Suppe gegessen ist, bringen Sie ihn herein." t Tie junge Gräfin Ivar so völlig in ihirc Beschäftigung vertieft gewesen, daß sie nicht gehört hatte, wie sich hinter ihr die Tür öffnete nnd ein rafchjer Schritt sich ihr näherte. Jetzt klirrte dicht hinter ihr ein Säbel. Sie überließ August die Suppenschüssel der damit eilig nach dem Wy zimmer strebte, und wandte sich um. Ta standen sie sich nun gegenüber, der Freiherr von Werbach und die junge Gräfin. Beide nichts weniger als" salonfähig, und doch einer für den anderen als der Inbegriff vornehmer Schön heit. Tie Begegnung war so plötzlich- so völlig unerwartet, daß beide einen Augenblick verstumsniteu. Inge, glühend von der Hitze des Herdes und denk freudigen Schreck, faßte jich zuerst. „Sie kvmsiwcn zu rechter Zeit. Sie werden auch hungrig sein" — stamsmclte sie, „das Mittagessen . . „Kanu ich nicht teilen," unterbrach er sic und griff dabei hastig nach ihrer Hand. „Torf ich mit dieser Staub maske dennoch einen Handkuß wagen'?" und unter dem Schleier der gleichsam weiß gepuderten Wimpern sahen sie seine dunkelblauen Augen bittend an. Inge würde sich selbst ein Rätsel gewesen sein, wäre ihr Zeit zum Nachdenken geblieben. Mitten int Ernst der Kriegslage hätte sic aufjauchzcn mögen in Wonne über dieses Wiedersehen. Schalkhaft auf ein paar dünkte Flecke an ihrem Finger weisend, meinte sic: „Gleich und gleich gesellt sich gern- der Staub und der Ruß." Run aber zog sie doch ihre Hand scheu und hastig zu rück, der Kuß darauf war gar zu stürmisch gewesen, und die Blauaugen hatten mit einem einzigen stummen Blicke zu viel verraten. / Werbach war sich seiner Schuld sofort bewußt. „Ver zeihen Sie mir," bat er. „Es sollte ein Abschiedsgruß sein. Tie Meldung, die ich bringe, wird uns sofort wieder ins Feuer führen! Gedenken Sie mein!" Noch ein rascher- heißer Blick tauchte tief in die er schrockenen Augen des' Mädchens- dann ging der Freiherr schnellen Schrittes nach der Tür,, aus der heileres Stim mengewirr in den Flur schallte. Fortsetzung folgt. Denk- und Sinuspriichc. Zwischen Eilen und Verweilen Alles schicklich einzuteilen. Ist ein Spruchs, den ich gelernt; Doch im LebeN wie im! Dichten Ganz danach mich einzurichten. Davon bin ich noch entfernt. Mitleid ist eine taube Blüte, Wenn es! nach John und Nutzen frägt. Und was ist das für eine Güte, Tie ihre Gaben wägt! Frieda Schanz. Des "GlückeS Gewalt Wie des! Mond's Gestalt Sich ändern tut, Trum hab's in Hut. Druck und Verlag von Langer L Winterlich, Riesa. — Für die Redaktion verantwortlich Hermann Schmidt, Riesa. BelleLr. GrstisZeiLKKe zum „Riesaer Tageblatt". Nr. 34. Riem, den 35. August 1396. 29. J.hrg. Kampf. Eine Geschichte aus bewegter Zeit von A. von Lilicncron geb. von Wränget. Fortsetzung. Tettenborn richtete sich mit einem Ruck ans und griff nach ihrem Arme. „Inge, ist Dir einer zu nahe getre ten? Hai es jemand gewagt: Dir ein Haar zu krümmen?" Sie hasttc sich wieder gefaßt und suchte die Frage ins Scherzhafte zu ziehen. /.Unsinn," schilt sie, „Du sichst, ich verfüge noch über alle meine Haare." Sie nahn den runden Striohhnt ab und wies aus die blauschwarze Flechtenkrouc, die ihren Kopf schmückte. „Aber nun laß mich nicht länger warten, Bans, erzähle mir coa Dir." Er tat es und lächelte beglückt bei ihrer Anteilnahme an seinen Erlebnissen. ' j,,Was wird Elfy sagen, wenn Du ihr von Deinen Kriegstateu erzählst," ineiuie jetzt Inge. „Wie wird sie den schneidigen Reiter bewundern!" Etwas wie Enttäuschung glitt, über Tettenborns Züge. Das junge Mädchen wollte cs aber nicht bemerk n und fuhr fort: „Sobald Du transportfähig bist, mußt Du nach Burgau. Onkel und Tarne werde» Dich mit Freuden auf nehmen, nnd Elfy wird glücklich sein. Der ftarti» Blut verlust hat Dich mitgenommen, Du mußt gepflegt wer den. Das werden sie gründlich besorgen und das Ver hätscheln dazu." Sie hatte leichthin gesprochen, wäh rend sie ihren Hut wieder cmssetztc und ansstand. t „Und Du, Inge, wirst Du mich auch! verziehen-?" fragte der Offizier und hielt das junge Mädchen zurück. Sic begriff, daß er mehr nfti der Frage meinte, als in den einfachen Worten lag. In ihrem ahnenden Her zen dämmerte aber auch setze das Verständnis einer Liebe 'auf,- die das ganze Sein erfüllen kann; darum stieß sic den Vetter nicht herbe zurück: sondern antwortete sanft/ aber mit großer Bestimsintheit: „Ich will gut mit Dir jein, Hans, wie ein treuer Kamstrad zu dem an dern ist. Verlange aber nie mehr von mir, als ich Dir geben kann." Er seufzte und hielt ihre Hand fest, die sie ihm zum Abschied gereicht Hatje. „Eia Tcost nur, daß ich keinen Nebenbuhler habe!" Inge entzog ihm hastig die Hand. „Hans, Du darfst mich nicht länger aushaltcu! Jh habe gar keine Zeit mehr." Sie winkte ihn- einen Abschiedsgrnß zu und schritt dann eilig zur Tür. Von da ans nickre sie noch einmal freundlich „ans Wiedersehen in Burgau, dort wollen wir Dich wieder gesund pflegen." Als die junge Gräfin am späten Nachmittage wieder nach Kissingen zurückkam, fand sic den Onkel im Lehn stuhl am Fenster sitzen. Er sah msüde und bleich aus,: nach der hohen Erregung der letzten Tage machte sich die Abspannung geltend. „Inge," sagte er, „Wcndelyorst hat mich, heute durch die Straße» von Kissingen geschleppt! Es sicht ja hier zum Gotterbarmen aus"! Ich würde es nicht ertragen, das noch länger vor Augen zn haben. Heute abend um 7 Uhr führt der Wagcn.vor. Also in einer Stunde mußt Tu zur Abfahrt frriig sein. Johann soll meine Sachen packen." Inge stand erschrocken da. „Tas Reisen wird jetzt seine Schwierigkeiten haben/' bemerkte sic zögernd. , „Unsinn! Wir klommen durch," schjnitt ihr der Onkel ' in krankhafter Gereiztheit das Wort ab. „Wendelhorst ! und ich haben uns genau erkundigt. Tic Bayern ziehe« jich nach Arnstein zu,' nach dem Süden, und die Preußen stehen bei Hammelburg. Wir fahren heute abend nach Schweinfurt und morgen früh mit der Bahn nach Karl stadt, da gehen noch Züge." „Und wefter," drängte Inge. „Tie Bahn von E-emünden nach Lohr ist zerstört. Wir tun daher am besten,; von Karlstadt gleich mit dem Wagen nach Lohr zn fahren. Bon da ans sollen Züge nach Ajchiasfenbnrg gehen." „Dann haben wir nur noch drei Meilen bis zu Hause." ' s „Ich wollte, wir säßen erst in Burgau," unterbrach sie der Onkel, „aber nur geschwind, krame Deine Sieben sachen zusammen. Hernach magst Tu mir von Eurer Expedition crzählen An "der Tür wandte sich Inge noch einmal um'. „Wir begegneten vor Kissingen der Brigade Wrangel, die hier eiuziehen wollte. Weißt Du,, ob das geschehen ist?" „Versteh! sich. Mit klingendem Spiel sind sie einge rückt. Habe das selbst erlebt, Ivie die jauchzenden Trup pen an Fallen stein nnd Goebe» rorbeimarschicrten, und Ivie die beiden Herren dem Wraugel gratulierten zu den schönen Gefechten seiner Brigade. Er mags wohl ver dient haben, das Lob, aber weh tutS unscrciuem doch, was mau hier sehen und hören muß!" „Bleibt denn die Wrangelfchc Brigade hier in Kis singen "?" fragte das jnngc Mädchen und ließ mechanisch die Türklinke hin und her durch ihre .Hand gleiten. „Gott bewahre! Tie ist schon wieder weg," lautete die Antwort, „auch in der Richtung auf Hamm'elburg." „Onkel", sagte Inge nach kurzem Zögern, „mir ist cs sehr lieb, daß wir henke reisen. Auch ich mag nichts mehr sehen voin Krieg und von Kriegslcuten." Sechstes Kapitel. Mit militärischer Pünktlichkeit erschien der Oberst um 7 Uhr vor der Tür seiner Villa und sciialt nicht wenig, daß Johann noch damit beschäftigt Ivar, die Koffer zu- zuschließen, und Inge, die Piaidrjemcn nmzulegen. Fünf Minuten späicr fuhren alle drei ab. Tie Nach! wurde in Schweinfurt zugebracht, und wirk lich ging am anderen Morgen ein regelrechter Zug/der die Reisenden nach Karlstadt brachste. Johann trieb glück lich einen Wagen dort aus, und die Fahrt begann. Tie Sonne braunle, und der Staub, den die Räder aufwir belten, wurde geradezu unerträglich Wildcnscls fühlte längst, das; er sich mehr zugemutet hatte, als er eigentlich leisten llounte. Aber er wollte das nicht zng-eben nnd saß steif znrückgelehnt, ohne ein Wort zu sprechen, im W-agcn. Gegen zwei Uhc Ivar Sohr erreicht. Der Obers! bestand trotz seiner Erschöpfung darauf, mit dem Zuge, der in einer Viertelstunde ab gehen sollte, weiter zn fahren. Er wetterte aber nicht wenig/ wie er erfuhr, daß der Zug nur bis Laufach ginge, weil die hessischen Truppen, die um Aschaffenburg ständen, Be schlag ans diese Strecke gelegt hätten. Ergrimmt und ratlos zugleich wandte jich der Oberst au Inge. „Tas ist ja eine nette Geschiehst?,"" stöhnte er.