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Der Kassierer, ein ebenfalls ergrantrr, langjähri ger Diener, trat ein. „Run, Beyer, ich habe Sie herbitten lassen. Wie ich höre, hat mein Sohn Ihre Kasse stark in Anspruch genommen." . ,Lawohl, Herr Eßlinger." „Wieviel verlangte er?" „Borigen Monat zehntausend Mark, Herr Eglinger." „Donnerwetter! Und Cie wissen nicht, wozu er da- Geld braucht, Beyer?" Der Kassierer schwieg verlegen. „So sprechen Sie doch! Ich verlange eS." ,Lch glaube, der junge Herr spielt. Er soll auch bei den Wettrennen mit hohen Summen engagiert sein," entgegnete Beyer zögernd. Eßlinger starrte den Sprecher erschreckt an. „Davon hatte ich keine Ahnung," sagte der Bankier erblassend. ,Lch muß Ihnen noch mehr mitteilen, Herr Eßlinger" „Roch mehr?!" rief der »ater Lothars. „Ja. Sestern erhob Ihr Herr Sohn an der Kasse sünfzehntauseni Mark; er sagte, mit Ihrer Ein willigung." Eßlinger kehrte den Kopf weg. Er winkte dem Kassierer, zu gehen. Sorgenvoll blickte er auf das Bild Lothars, das in kostbarem Silberrahmen auf dem Schreibtisch« stand. „Ja, ja," sagte der alte Mann mit schwerer Be tonung, „Jette hatte den Narren an dem hübschen Jungen gefressen. Wir haben ihn als Kavalier er zogen. Der Wilhelm hat den Wert des Geldes kennen gelernt und hat sich eine steinreiche Frau, die Tochter des alten Ziesemeyer aus Köln, geheiratet." Der Bankier schellte seinem Diener. „Ist Herr Eßlinger schon gekommen?" „Rein, noch nicht." Der Alte blickte mißvergnügt auf die Standuhr in der Ecke. Eben hob sie zum Schlage aus. „Elf Uhr!" dachte der Vater Lothars. „Noch immer nicht da, und ich arbeite schon seit zwei Stunden." Dann befahl Eßlinger dem Diener, feinem Sohne sofort nach seiner Ankunst zu melden, daß der Chef ihn zu sprechen wünsch«. Er betonte das Wort „Ehest". Ja, als solcher wollte er Lothar heute gegenübertreten, nicht als der stets nachsichtige Vater. Lothar ahnte, daß der Kassierer gesprochen haben mußte und ihm eine Aussprache mit dem Vater be vorstand. Dies war die „Auseinandersetzung mit dem Ltten", wie er Olga scherzhaft angedeutet hatte. Zunächst fuhr das elegante Auto von Eßlinger junior nach dem Kurfürstendamm und hielt vor dem Hause deS bekannten Sport- und Lebemannes Ström hausen, der am Abend in seinem Salon eine kleine, wie er sagte, harmlose Bank hielt oder ein gemüt liches Kartenspielchen ins Leben rief. Bei diesem edlen Vergnügen konnte man ganz runde Summen verlieren. Lothar steckte Spielerblut in den Adern. Er war in letzter Zeit einige Male bei Strömhausen gewesen und hatte recht viel verloren. Heute mußte er zahlen. „Aber, lieber Freund, bleiben Sie doch ;um Früh stück bei mir," bat der Hausherr, ein starker Vierziger, dem man das flotte Lehen, das er liebte, deutlich ansah. Lothar zögerte. Wie alle schwachen Naturen, schob er gern Unangenehmes auf. Er fühlte doch ein ge wisse- Grauen vor der Unterredung mit dem Vater, denn der konnte eklig werden, wenn es an den Geld beutel ging, und Lothar hatte in letzter Zeit riese Griffe hineingetan. Das exquisite Frühstück bei Ström- haüsen, die schweren Weine versetzten Lothar in eine fröhlichere Stimmung, als sie ihn beim Eintritt in das elegante Junggesellenheim des Spielers beherrscht hatte. „Donnerwetter, bald zwölf Uhr!" rief Lothar auf springend, „mein Alter wird schimpfen!" Er verabschiedete sich von Strinnhausen und fuhr davon. „Dir rupf« ich noch manche goldene Feder auS," dachte der Lebemann, dem davoneilcnden Automobil nachsehend. (Fortsetzung folgt ). - Brot. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das durch den Mund Gotte- geht (Matth. 4,4). Die vrotfrag« ist wohl immer «ine wichtige Frage im Menschenleben gewesen; aber man darf wohl sagen, daß st» in unserer Zeit ganz besonders im Vordergrund steht. So manch« große, scheinbar ideale Bewegung, die sich bei unS bemerkbar mach», enthüllt sich doch bet Gelegenheit iu ihrer ganzen nackten Wirklichkeit^ als vrotfrage! So manches Dun auch einzelner Mensche«, das seinen Ursprung in einer höheren LebenSsphSre zu haben scheint, ist doch nicht anderes als ein Erzeugnis der Brotstage. Gewiß ist das Streben: nach »Brat', nach allen fürs äußere Leben notwendigen Dingen, gar wichtig. Und viel mehr noch und auch viel energischer noch sollten die Be strebungen durchgesührt werden, die dahin zielen, daß jeder Mensch nicht nur die Lasten des Lebens zu tragen hat, sondern auch tatsächlich seines Leben» sich fernen kann. Wie manchen Menschen nährt die Erde heute immer noch so kümmerlich, daß er von eigentlicher Lebensfreude nicht» weiß. Aber täuschen wir unS auch nicht. Um die Menschlich keit wirklich zu beglücken, genügen die Bemühungen nicht, die allen ausreichendes Brot beschaffen wollen. Hier muß von vornherein noch «ine andere Quelle fließen. Denn der Mensch hat doch nicht nur einen Leib, sondern auch ein Gemüt, eine Seele; er ist nicht nur ein durch Stoffwechsel unterhaltener Organismus, sondern eine Persönlichkeit. Für diese muß auch, ja erst recht gesorgt werden, denn sie ist das Bleibende, sie allein hat «ine wirkliche Zukunft, wäh rend der Leib nur eine Gegenwart besitzt. Was ist da zu tunk Ein Schiffsbaun errichtet seine Werst nicht im Vinnen lande. Er weiß eS: wird der SchtffSkoloß auch noch so herrlich und schön erbaut, wird er auch gleich mit noch so trefflichen Instrument«, ausgerüstet, eS ist doch völlig zweck los, da er niemals in sein eigentlicher Element, in» Meer, gebracht werden kann. Drum wählt er für seine Werk stätten einen Platz am Ufer des Meere» — dort ist dio rechte Stelle. So gilt e» auch für un» Menschen, daß wir un» zu allererst die richtige Stelle auSwiHlen, wo wir da» Gebäude unsere» Leben» «usführen wollen. Und dies« rechte Stelle ist gelegen am Ufer de» Meere» der Ewigkeit; da» ist der feste religiöse Grund unstre» Leben», der un» nahe an der reinen Welt Gotte» wohnen läßt. Wir blicken dann beständig hinaus auf die Ewigkeit, au» der un» so mancher wohltuende und erquickende Klang entgegenhallt. »Worte Gotte»' nennen wir diese wunderbaren Stimmen, diese» heilige Flüstern, da» die größten und edelsten Geister der Menschheit vernommen und unS, den Kleinen, in mensch liche Worte gehüllt haben. Wer dort seinen LebenSbaU aufführt, wo er tmmer wieder solche GotteSwort« hören kann, der kann ganz gewiß «inst die Fahrt in» Meer der Ewigkeit antreten: da» wahre Wunderland wartet sein. Wer diese» Suchen nach Gotte» Wort zum Haupt streben seines Leben» gemacht hat, der wird dann auch die vrotfrage recht zu beantworten suche«, der wird auch dem Erdenleben den ganzen Mann stellen, denn der ist geweiht von oben her. Und solchem werden die edlen Erdengüter viel höheren Wert besitzen al» denen, die nur die irdisch« vrotfrage kennen. Sehe« »vir einen Augenblick hin auf unser Leben: haben wir un» an der rechte« Stelle an- gestedeltk Oder ist eia Umzug nötig, «he e» zu spät ist» Druck und Verla, von Lauser » Winterlieb. Riesa. — Kür di« Redaktion verantwoettich: Arthur HSHn-h Riesa. Erzähler an der Elbe. Belletr. Gratisbeilage zu» „Riesaer Tageblatt". Nk. 8. Ni-«, »e« A. Kthnutr 1,14 er. lleverS Jahr. Roman von Baronin E. v. Schlippenbach (Hrrbert Rioulrt). Fortsetzung. Anna mochte wohl eine halbe Stunde von der För sterei entfernt sein, da erwachte sie aus ihren Gedanken. Der schnelle Trab eines Pferde» kam über den Waldweg icäher. Sie erblickte denjenigen, an den sie voller Sehn sucht soeben gedacht. „Wie, gnädige» Fräulein, Sie hier?* Waldemar sprang aus dem Sattel. „So weit vom schützenden Dache? »ne un vorsichtig! Wissen Sie auch, daß e» gleich regnen wird? Da fallen schon die ersten Tropfen! Wa» machen wir nun?" - „O, ich werde schnell bis zur Försterei gehen." Sie tat einige Schritte vorwärts. TS war so süß und doch so gefährlich, hier allein mit ihm zu sein. Ihr »var e», als müßte sie fliehen. Ta prasselte ein Regenschauer durch die Bäume Waldemar »var mit einigen schnellen Schritten neben ihr. „Rein, das erlaube ich nicht," sagte er energisch, „Sie sind in meiner Gewalt und müssen gehorchen. Hier nehmen Sie meinen Lodenmantel um, tnw laßt keinen Regen durch." ' Ehe sie e» sich versah, hatte er das wetterfeste KleidMgsstück von den Schultern gezogen und sie darin eingehüllt. Und dann geschah etwas Seltsames. Fest und doch zart fühlte sie sich von starken Armen emporgehoben Mb auf den Rücken deS Pferdes gesetzt. Tann schwang Waldemar sich in den Sattel und legte den Arm um sie. Er lachte munter: , „Eine etwa» gewaltsame Entführung," sagte er, „aber Not bricht Eisen; besser da» als eine abermalige Erkältung. Und nun, mein guter Brauner, vorwärts. Sie fürchten sich doch nicht?' „Rein, gar nicht." , Sie lehnte an seiner breiten Brust. Sie schloß die Lider und wünschte, daß dieser Augenblick ewig wäre, daß sie aus dem sinnverwirrenden Traume Nimmermehr erwache. Ter Regen prasselte jetzt stärker hernieder. „Sie werden durch und durch naß," sagte Anna. Er lachte vergnügt. „Tas wurde ich oft als Soldat, das spüre ich kaum." Allzu schnell für Anna erreichten sie das Forsthaus. Waldemar hob die leichte Mädchengestalt aus dem Sattel. „Soll ich Sie bis ins Zimmer tragen?' fragte er fcherzend. „O nein! Ich bin zu schwer." „Federleicht," entgegnete er und ließ sie behutsam Kur Erde gleiten. j Frau von Lindner hatte sich um die Tochter gesorgt. Sie stand am Fenster und sah das hcrankommende, seltsame Reiterpaar. , Grundholz bat Waldemar, näher zu treten, um eine trockene Joppe von ihm anzuziehen. „Mutterten, bringe heißes Wasser !" rief der För ster In die Küche hinein, „wir »volle« einen Schluck stei- ßen Grog trinken!" Waldemar» schlanke Figur sah in der Joppe be stärken Men ganz merkwürdig aus, al» er ia die „gute Stubek' zu den Damen trat. Dort brannte «in mächtige» F««er im Kachelofen, und Tore, die sau bere M!agd, deckte eben den Kafftettsch mit de« buntge blümten Staat-taffe« ihrer Herrin. „Wie gemütlich!" sagte Waldemar näher tretend!. „Grundholz , ich bleibe heute abend hier. Draußen stürmt und regnet e», und rs ist einsam in meine« großen Hause." »Mutterk«, der Herr Baron bleibt zu« Abend Sei «ns. Da» ist ein famoser Güxmke! Sorge für eine gute Mahlzeit! Und nun »vollen wir em« Grog brau«, der sich gewaschen hat. Bald kommt Arnold und bringt den Arzt au» der Kreisstadt «tt, der gerade heute hierher muß, um eine Kranke zu besuch«. Ta hab« wir den viert« Mann z«r Skat partie, Hurra!" Fröhlich füllte Grundholz die Gläser und tat ein« tüchtigen Schuß Arrak Hinz«. Nun noch die nötige Menge Zucker und eine Zitronenscheibe, dann »var da» erwärmende Getränk mundgerecht. Mit Behagen schlürfte Waldemar den gut gerat«« Grog, während die drei Frau« dem duftende« Kaffe« und großen Napfkuchen zusprachen. Heute strahlte Anna» blasses Gesicht. Ihre.Bang« waren frisch gerötet, und sie ging lachend auf die etwa» derb« Scherze Grundholzens ein, unterhielt sich lebhaft mit Waldemar und neckte sich mit dem Bruder, der mtttlerweise auch erschienen »var Sehr anmuti- sah Anna aus. Sie hatte ebn weißwollenes Kleid avgezogen, ihr reiches Haar war zu eine« Knot« am Hinterkopft sestgesteckt, und ein Sträußchen wild« Erika bebte an ihrem Herz«, das laut und sröhüch pochte, weil es so glücklich »var. Grundholz wurde abgeruf«, und Arnold folgte ihm. Frau Emma Grundholz aber begab sich geschäftig in die blitzblanke Küche, um für da» leibliche Wohl ihres hochverehrt« Gastes zu sorg«. „Kann ich nicht Helf«?' fragte Frau von Lindner freundlich, „die Magd hat ja gerade heute Wäsche." „Ja, danke. Bitte, reinig« Sie d« Salat, während ich die Hähnchen auSnehmr. Eine Mehl speise kommt hinterher. Wenn Sie mir auch dabei Misst zur Hand geh«, so bin ich Ihn« dankbar, gnädige Frau." Waldemar von Klingen und Anna sind allein. Nie wird sie jene kurze halbe Stunde vergess«, die sie in der halb« Dämmerung der gut« Stube de» Forsthauses mit dem heimlich Geliebt« verbrachte. »Sc hatte die Lampe auf dm entfernten Rebentisch am Fenster gestellt. Rur das flackernde Feuer de» Ofens fiel auf sein Gesicht. Es beleuchtete auch da» de» zarten, jungen Mädchens, das, dicht neben ihm sitzend, d« Kopf erhob«, seiner Rede lauschte. Auch auf den einsamen Mann, der eine herbe Enttäuschung erlebt hatte, wirkte der Zauber jene» Herbstabends. Wie »Venn er ein« Riegel vorschöbe, der die Vergangenheit von der Gegenwart trennte, wenn er den stark« Arm schützend um die zarte Mm- schenblume legte und das blonde, liebliche hcmpt an feine Brust bettete, wenn er spräche: „Werde mein, ich kann dir Schirm und Schutz gewähren. Tritt in mein einsames Lebe« al» guter Engel, der mich mtt dem Schicksal versöhnt, da» mir den Jugendtraum zerstörte!" , Aber feine Frau sollte ein ganze» Herz hab«.