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Riesaer G Tageblatt Fernspeechstckl» ,ra-«dlatt*.M«sa, Donnerstag, 21 Oktober 1909, abends «2. Jahrg And. König Albert mußte auf Bitten der Königin Carola in diesem Falle von der Regel abweichen und eine Ausnahme machen. Der neue Königliche Küchenchef trug mit Stolz seinen Bart weiter und es dauerte gar nicht lange, so hatten alle Köche Bärte und das hat sich bis jetzt so er halten. König Albert mußte ein Auge zudrücken, um den Allgewaltigen in der Schloßküche nicht zu erzürnen. Seit dem haben die Königlichen Köche das Privilegium, einen Bart tragen zu dürfen, während bis jetzt die übrigen Schloßbeamten glattrasiert durchs Leben pilgern mußten. Jetzt hat aber König Friedrich August auch den anderen Hofbeamten und Hofbediensteten das Tragen eines Bartes gestattet und man sieht bereits diesen oder jenen mit an gehendem Schnurrbart. Nur die mit dem Servieren der Speisen an der Königlichen Tafel beschäftigten Beamten werden auch in Zukunft auf den Bart verzichten müssen. —88 Nach dem Jahresbericht des Königl. LandeS- mediszinalkollegiumS über das Medizinalwesen im Königreich Sachsen fiel die Fruchtbarkeit von 31,9 pro Mille auf 36,5 pro Mille, die Sterblichkeit von 17,5 pro Mille auf 17,2 pro Mille, der Geburtenüberschuß, der sich vom Jahre 1905 auf 1906 von 12,2 pro Mille auf 14,4 pro Mille erhoben hatte, ist im Berichtsjahre 1907 auf 13,1 pro Mille zurückgegangen. Die relativ höchste Geburten ziffer hatte der Regierungsbezirk Chemnitz mit 34,4 pro Mille, die niedrigste der Regierungsbezirk Bautzen mit 27,8 pro Mille, genau so wie in früheren Jahren. Die geringste Sterblichkeit zeigte der Regierungsbezirk Dresden. Unter den Städten von über 8000 Einwohnern hatte Markneu kirchen mit 21,7 pro Mille die geringste Geburtenziffer und mit 9,6 pro Mille die geringste Sterblichkeitsziffer. Die Mehrzahl der Todesfälle ereignete sich im Berichtsjahr im Mai, die geringste Zahl im Juni. Die Säuglingssterblich keit zeigt die absteigende Tendenz der letzten 10 Jahre, sie ging zurück von 38,9 auf 36,7 Proz. der Todesfälle. Auf je 100 Lebendgeborene kamen 21 Todesfälle im Säuglings alter, gegenüber 24,5 im Durchschnitte der Jahre 1898 bis 1905. — Die Zahl der Aerzte im Königreich Sachsen hat sich von 2112 auf 2136 vermehrt. Die Gesamtzahl der Hebammen fiel von 1866 auf 1832. — Nach dem amtlichen Bericht der Königl. Kom mission für das Beterinärwesen über die am 15. Ok tober 1909 im Königreich Sachsen herrschenden ansteckenden Tierkrankheiten waren in der Amtshauptmannschaft Großen hain bezeichnet: BläSchenauSschlag des Rindviehs in Zschat- len, Rotlauf der Schweine in LampertSwalde und Rostig, Geflügelcholera in Boden, Rostig und Weißig am Raschütz. — DaS „DreSdn. Journal" schreibt: Sine auswärtige Tageszeitung nimmt an, die «m 18. d. M. in einer Be sprechung mit BerwaltungSbeamten proklamierten Grund sätze des Ministeriums des Innern seien nur aufgestellt worden, weil die Neuwahlen vor der Tür stünden. Dem gegenüber ist darauf hinzuweisen, daß der Minister des Innern Graf Vitzthum alsbald nach feinem Dienstantritt das Bedürfnis empfunden hat, zur Wahrung der Einheit lichkeit in der LandeSoerwaltung seine Auffassung von den Aufgaben der Behörden der inneren Verwaltung den in Frage kommenden Stellen darzulegen. Die zu diesem Zwecke vorgesehene Besprechung mußte wegen der Beur laubung verschiedener Herren verschoben werden, bis die Anwesenheit aller an der Besprechung Beteiligten gesichert war. Die Unterstellung, eine derartige Besprechung solle Wahlzwecken dienen und die aufgestellten Grundsätze könn ten vergessen werden, sobald die Wahlen vorüber seien, geht völlig fehl. Oberste Verwaltungsstellen verfolgen bei Be kanntgabe allgemeiner Richtlinien nicht besondere Zwecke, sondern die Wahrung des allgemeinen Landeswohls und der Bedürfnisse der Bevölkerung und sorgen für dauernde Handhabung und Durchführung der von ihnen vertretenen Auffassung. — Heitere» von der Landtagswahl. In einem Dorfe de» . . Wahlkreises hatte sich ein Kandidat für Vergoldung der Zeiger an der KirchturmSuhr erklärt. Flug» bildete sich dort eine „Freie Bereinigung", die in einem größeren Hörerkrei» der Fall sei, versucht habe, einen Ueberblick über weitere Zeiträume zu geben. Er habe diesen Weg gewählt, um den Erschienenen an einem kon kreten Beispiele zeigen zu können, bi» zu welchem Grade sich heute di« einst so bespöttelte und von den älteren SchwesterdiSziplinen hochmütig über die Achseln angesehene prähistorische Archäologie vertieft hat, und wie fie berufen erscheine, über wichtige historische Geschehnisse und gewaltige Bölkeroerschtebungen Licht zu verbreiten. Der interessante Vortrag wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen, von dem auch Herr Photograph Werner, der die Lichtbilder in der gewohnten vorzüglichen Weise vorführte^ einen Teil auf sich beziehen konnte. Auch der Vorsitzende des Bezirks- lehrerveretnS, Herr Lehrer Richter, nahm noch Veranlassung, dem Herrn Vortragenden für seine Darbietungen zu danken. —* Die jetzige anhaltend schöne Herbstwitterung hat in der Hervorbringung von Abnormitäten in der Natur schon viel geleistet. Heut« wurde uns oon Röder^u der Zweig einer Kastanienhaume» überbracht, der noch einmal frische Blätter und Blüten getrieben hat. Es ist die» eine umso größere Seltenheit, als das Grün der Blätter de» Kastanienbaumes allenthalben schon längst einer herbstlichen Farbe gewichen ist, einige dieser Bäume sogar schon die kahlen Teste gen Himmel recken. — Dar Kultusministerium hat angeordnet, daß am 10. November, dem 150. Geburtstag Schillers, in sämtlichen Volksschulen de» Lande« Schillerfeiern abgehallen bezw. der Bedeutung dieses Tage» und des Dichter» für das deutsche Geistesleben in angemessener Weise gedacht werde. —88 Mne lustige Episode, in deren Mittelpunkt König Friedrich August steht, macht jetzt die Runde in Künstlerkreisen. AIS König Friedrich August vor einigen Wochen auf dem Jagdschlösse Moritzburg weilte, stattete er eines Tages dem ihm befreundeten Kammerherrn Freiherrn von Spörken auf Berbisdorf bet Moritzburg in Begleitung seiner beiden ältesten Söhne einen freundnachbarlichen Be such ab. Der König und seine Söhne marschierten durch die wogenden Felder und als sie sich einer besonders von der Natur begünstigten Waldstelle näherten, bemerkten sie plötzlich vor sich einen Kranz junger Damen, die teils vor der Staffelei saßen, teils ein kleines Picknick adhielten. Sofort erkannten sie den König und wollten vor ihm die Flucht ergreifen. Der leutselige Landesherr aber rief den jungen Mädchen ein „gebieterisches" Halt entgegen und eS dauerte gar nicht lange, so war zwischen dem König und den jungen Dresdner Malerinnen — denn als solche ent puppten sie sich — die schönste Unterhaltung im Gange. Der König unterhielt sich in der angeregtesten Weise mit den Künstlerinnen, besprach mit ihnen die in Arbeit be findlichen Landschaften und wünschte ihnen für ihre Bilder — reiche Käufer. Mehr al» eine halbe Stunde verweilte der König in dem lustigen Mädchenkreise, dann setzte er seine Tour nach Schloß Berbisdorf fort. — Die Könige Albert und Georg von Sachsen waren von jeher dagegen, daß die Schloßbeamten sich den Schnurrbart wachsen ließen. Während an vielen anderen deutschen Fürstenhöfen, auch am deutschen Kaiserhofe, di« Schloßbeamten nach Belieben sich mit einem Schnurr- oder Bollbarle auSrüsten können, duldeten die sächsischen Könige bisher nicht, daß in den Königlichen Schlössern der Bart seinen Einzug hielt, ob- gleich des öfteren diesbezügliche Wünsch« der Beamten laut wurden. Nur einmal mußte König Albert eine Ausnahme gestatten. ES handelte sich um das Engagement eines wegen seiner Kochkunst berühmten französischen Küchenchefs, den die verstorbene Königin Carola auf Schloß Albrechts- bürg bet Dresden, wo derselbe in Diensten de- Prinzen Albrecht stand, entdeckt hatte. Königin Carola wünschte, -daß dieser berühmte Koch für die Königlich, Küche enga- giert werde. De» Kochkünstler» größter Stolz war aber «in prächtiger Schnurrbart und da er wußte, daß am Königshofe der Schnurr- und Backenbart verpönt war, macht« er bei Abschluß sein«! Vertrage» zur Bedingung, daß man ihm erlaube, seinen Schnurrbart weiter zu tragen. Oertliches und Sächsisches. Ri-sa, 21. Oktober 1909. -4-* Durch Allerhöchsten Beschluß vom 20. d. M. ist der Fähnrich Gottschling im 3. Aeldarttllerie-Regiment Nr. 32 -um Leutnant mit einem Patente vom 23. Oktober 1907 befördert, durch Verfügung de» Kriegsministeriums vom 11. d. M. der ProvtantamtS^Jnspektor Wolff in Riesa unterm 1. November 1909 nach Leipzig versetzt worden. —* Wir haben Vorkehrungen getroffen, daß uns die Ergebnisse der heutigen Landtagswahl, sowohl an» unseren beiden Wahlkreisen, den 8. städtischen und 19. ländlichen, wie aus ganz Sachsen, schnellstens übermittelt werden. Die Resultate werden wir, je nach ihrem Ein gang, durch Extrablätter bekannt geben, doch können hin sichtlich deS Erscheinen» der letzteren bestimmte Zeitangaben nicht gemacht werden., Die Veröffentlichung de» Bollergeb- nifse-au» unserem 8. städs. Wahlkreise Wird, da die Stadt Mutzschen eine Wahlzeit bi» nachm. S Uhr hat, vor 8 Uhr abend» kaum erfolgen können. Die bi» nachm. 5 Uhr ein gegangenen Ergebnisse sind bereits auf Seite 2 ersichtlich. —* Der gestern abend vom Bezirkslehrerverein und dem Allgemeinen Beamtenverein im Hotel Wettiner Hof veranstaltete Vortragsabend war sehr gut besucht. Der Vorsitzende de» Bezirkslehreroerein», Herr Lehrer Richter, hieß die Erschienenen willkommen, dankte für das zahlreiche Erscheinen und erteilte sodann Herrn General oberarzt WUke-Chemnitz da» Wort zu seinem Vortrag über: „DaS Jndogermanenproblem". Der Herr Vortragende wie« zunächst darauf hin, daß das Verdienst, die Frage nach der Heimat de» indogermanischen UrvolkeS der Lösung näher gebracht zu haben, der jüngsten unter den historischen Disziplinen, der Vorgeschichte, gebühre. Diese sei bei ihren Forschungen von der Frage ausgegangen: „War können wir au» den vorliegenden sprachlichen Tatsachen über die materielle Kultur de» indogermanischen Urvolke» erschließen und läßt sich für irgend eine» der indoeuropäischen Völker die Heimat während dieser Kulturstufe bestimmen?" Hier auf verbreitete sich der Herr Vortragende über die Resul tate, die auf Grund von Sprachgleichungen über die Kultur der Jndogermanen gewonnen worden sind, und über die Ergebnisse, di? sich aus den archäologischen Forschungen über die Heimat der Jndogermanen ergeben haben. Diesen Ausführungen ließ der Herr Redner wieder einige sprach- liche Bemerkungen, die sich mit der Diälektspaltung und der au» dieser sich ergebenden Scheidung der indogerma nischen Volke» in zwei große sprachliche und kulturelle Gruppen befaßten, folgen. Die beiden Gruppen bildeten ei» nördliche» und ein südlicher Kulturgebiet und dem letzteren galten ausschließlich die weiteren Darlegungen des Vortragenden. In der Hauptsache hielt er sich an die ! keramische Hinterlassenschaft, an die Erzeugnisse der Töpfer- kunst, di« am besten über große Kulturströmungen Aufschluß i zu geben vermöchten. In Wort und Bild führte der Herr I Vortragende seinen Zuhörern die Bandkeramik, den Flach stil und die Entstehung der jünsten bandkeramischen Der- zierungSform, der Spirale, vor Augen, um sich dann über die Heimat und ethnische Stellung der Spiral-Mäander- Ornamentik zu verbreiten. ES folgten Betrachtungen über die verschiedenen Kuliurkreise, wie sie un» zur Zeit der Spiral-MLander-Keramik in Mitteleuropa entgegentreten und über die Wahrnehmung, daß di« Gruppierung der verschiedenen Kuliurkreise in einem bestimmten Abschnitte der jüngeren Steinzeit sehr genau der Gruppierung der indoeuropäischen Sprachen entspreche, wie sie sich nach der sogenannten Schmidtschen Wellentheorie darstelle. Für die Richtigkeit der letzteren Auffassung sucht Redner sodann, wieder unterstützt durch zahlreiche Lichtbilder, den archäo- logischen Beweis zu führen. Der Herr Vortragende schloß mit einem Hinweis darauf, daß, wie die Zuhörer wohl bemerkt hätten, sich seine Ausführungen auf «ine ganz eng begrenzte Periode der jüngeren Steinzeit beschränkt . hätten und er nicht, wie e» gewöhnlich bei Vorträgen vor Die bisherigen Ratsschreiber, Herr Clemens Paul Reiche und Herr Friedrich Karl Johannes Vrotzman«, stad von uns als HtlfSextze-ieute« verpflichtet worden. Der Rat der «ladt Riesa, am 21. Oktober 1909. ' Vr. Scheider. Freibank Heyda. Morgen Freitag nachmittag s Uhr wird junges vnlleufleisch verpfändet. Pfund 45 Pfg. Der Gemeiudevorstaud ' La» Riesaer Tageblatt erscheint s»en Ta, abend« mit Ausnahme der Sonn- und Festtag«. Vierteljährlicher Bezugspreis bei Abholung in der Expedition in Riesa 1 Mark 50 Psg., durch unsere Träger frei in» Hau» 1 Mack VS Psg„ bei Abholung am Schalter der kaiserl. Poslanstalten 1 Mack VS Psg., durch den Briefträger frei ins Haus 2 Mark 7 Psg. Auch MonatSabonnenientS werden angenommen. Anzeigen-Annahm« für die Nummer de» Ausgabetage» bi» vormittag S Uhr ohne Gewähr. Rotationsdruck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Geschäftsstelle: Goethestrak- SS. — Für die Redaktion verantwortlich: Hermann Schmidt in Riesa. «nd Anr-igor Mtblatt Mld AyckgtH Awtsötatt für die Königl. AmtShauptmannschast Großenhain, das Königl. Amtsgericht und den Rat der Stadt Rtesh sowie den Gemeinderat Gröva.