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LÄLti8isctis Volkszeitung I^r. 284 — 17. verember 1933 / vonMobNn-ip rui^ Sonntagsepistol s7X< svlernd« «rzlhl»»« bttdet »t« N»I,U»n« pi «ix« n«ui» Buckic „hunsrilikweihnocht- vo» Jako» «»«Ip, da» ,oe»«» >« Elauscn-Veilag, Köln, erschiinl.) Gepriesen seien die Sommer meiner Kindheit; denn sie haben mir die Erde meiner Heimat geschenkt: die Berge, die tiefen Wälder und versteckten Wtesenbuchten; di« Felsenhöhlen, di« kühlen Bergwasser und di« Nester und Schlupfwinkel für mancherlei Vögel und Getier. Aber höher gepriesen sei der Winter; denn er hat uns den Himmel auf die Erde gesenkt. Wenn Anfang November das Letzt« von den Feldern herein gekommen war und die Welt sich von den Wäldern, die unser kleines Hunsrückdorf umgeben, mit Grau und Nebel verhängte, so begann nach viel harter Arbeit für die Bauern eine Zeit der Ruhe und Einkehr. Die Welt schien da drautzen oft wochen lang zugcschlossen. Für uns Kinder aber kam mit Nebel und Dunkelheit und dieser Abgeschiedenheit von Berg und Wald und allem, was da hinter lag, eine geheimnisvolle Zeit des Märchens, des Traumes und der Erwartung aus das große Fest der Lichter, das hinter diesen Tagen des Dunkels mit seiner himmlischen Wanderpracht verheitzungsvoll ausstieg. Wir schlossen uns um diese Zeit enger zusammen und suchten im Bereich des Dorfes neue Spielplätze aus, wo wir vor Regen und Kälte geschützt waren. Scharen von Vögeln flogen mit müden Flügeln, in trauri gem Schweigen ums Dorf; nur das Krächzen der Nebelkrähe tönte von den Feldern am Waldrand hinab in die Gassen. Aber unten vom Backhaus, wo Bauer und Bäuerin im Schein der groben Ofenlöcher hin und her gingen, strömte schon ein Dust in alle Winkel des Dorfes, der von dem Wunderbaren, das bald kommen sollte, eine Vorahnung gab. Aus einer kleinen Anhöhe stand dieses Backhaus, da, wo die drei Hauptstraben des Dorfes: die Kirchgasse, die Korngasse und die Vorderortgasse zusammcnliefen. Rechts vor der breiten Ein gangspforte befand sich ein tiefer, alter Ziehbrunnen; hinter dem Backhaus aber erhob sich auf dem gleichen Hügel inmittten des kleinen Friedhofes die Dorjkirche. Das Backhaus war ein alter, vielleicht gar der älteste Bau im Dorfe. Ueber den meterdickcn Steinmauern des Erdgeschosses, das als Vackraum diente, erhob sich, mit breiter freundlicher Giebelfront ins Dorf hinschaucnd, ein schön gebälktcr Fachwcrk- ,stock und darüber noch ein Speicher mit zwei Mansardensenslern. Hinter diesem Fachwerkgiebcl lag oben der Rathaussaal, und in den kleinen Stuben, die sich da sanden, war noch Raum für die Allerärmsten, denen die Gemeinde hier ein Obdach ge währen mubte. Und noch ein Gelas; war da, das zuweilen einen seltsamen Gast beherbergte. Es war das Spritzenhaus, ein kleiner Anbau, in welchem die Sünder von der Landstrabe, Vagabunden und Strolche, eingclocht wurden, bis die hohe Polizei sie zur Kreis stadt beförderte. Mit Neugier und geheimem Gruseln um strichen wir dann den Bau, spähten nach den kleinen vergitter ten Luftlöchern in der Türe und horchten aus jeden Laut, der herausdrang. In diesem Backhaus also, und zwar in der hohen Halle im Erdgeschotz, an deren Rückseite die Backösen lagen, war nun Tag für Tag unser Spielplatz. Hier waren wir vor Kälte und Nässe geschützt, ja hier strömte mit den Düften von gebackenem Brot, von Kuchen, von getrockneten Acpscln und Zwclschen stets «ine behagliche Wärme aus. Aber all den holden, abenteuer ¬ lichen Zauber, all das buntbewegte Leben cnlszumalen, das sich im Flammenschcin von zwei groben glühroten Vackosenlöchern in dieser rauchgeschwärzten Halle bewegte: dazu gehörte fast der Pinsel eines Rembrandt I Durch die grobe Tür, die stets weit offen stand, sah man die Dauern und Bäuerinnen, vom Schein der Glut beleuchtet, hin und her gehen oder in den Oesen hantieren. Da wurden grobe Reisigbündel in den Nachen des Ofens geschoben und in Brand gesteckt, und waren dann die dicken Backsteine im Innern vom Feuer durchglüht, so wurde mit langen Holzschaufeln die übrig gebliebene Masse von Asche und glühender Kohle wieder her ausgeholt und in grobe Löcher hineingeworfen, die unter der Osenöffnung lagen. Dort prasselten und glühten die Kohlen «och lange und erfüllten den ganzen Raum und die Gesichter der Menschen mit zauberhaftem Licht. Während aber meist von männlicher Hand die Oesen be feuert wurden, „wirkten" die Frauen auf den mächtigen Tischen, die an beiden Längsseiten der Halle standen, den Teig, sie kne teten, klopften und wälzten ihn zu Brotlaiben zusammen, und waren dann die Oesen zur Ausnahme bereit, so wurden die Brotlaibe mit langer Holzschaufel durch die Oeffnung geschoben. Zwischen all dem trieben wir Kinder unser Spiel. Wir rollten mit Knickern aus die Steinplatten des Fusibodcns; wir zeichneten auf den Tischen, sobald sie frei wurden, Figuren, setz ten Würfel, bunte Glaskugeln oder im Notfall gar Bohnen als Einsatzziel hinein und schoben mit Knickern danach wie auf der Kegelbahn; wir spielten, wenn zwischen den Tischen Platz war, blinde Kuh oder benutzten den dunklen Gang, der hinter dem mächtigen Ofen hcrlies, ja, ost gar die breiten, mit Staub und Asche bedeckten Rücken der Oesen zum Vcrsteckspielcn. Zwischendurch aber kam, über all den holden Düsten, die sich hier verbreiteten, der Hunger. Die stumme Sprache unserer Augen rührte dann genug an das Herz eines Bauern oder einer Bäuerin, daß sie uns einen Apfel- oder Zwetschcnplatz auf den Tisch warfen und sich herzhaft an unserem Zugriff erfreuten. Aber die Reichen waren dabei keineswegs die Freigebigsten. Oft schenkten gerade die Armen uns lachend mit vollen Händen von ihrem wenigen und sreuten sich, wenn wir wacker Zugriffen. Aber an dunklen und kalten Wintcrtagen lockte die warm und hell erleuchtete Halle auch manch anderen Dörfler herein. Kam da ein Mädchen zum Brunnen, so schaute es wohl einmal zum Backhaus hinein, und fand es lustige Gesellschaft, so schwatzte und lachte cs eine Weile mit, sprang dann rasch wieder fort und trug einen Abglanz von der Fröhlichkeit, die hier herrschte, mit nach Hause. Ging aber ein Bauer vorüber, der eben zum Schmied, zum Stellmacher oder zum Gemcindcschösfen wollte, so trat er eben ein, stopfte sich eine Pfeife und hörte, was es Neues gab im Dors und im Kirchspiel; denn das Backhaus war behaglicher und besuchter als jedes Wirtshaus zu dieser Zeit. Und selbst das alte Mütterchen, das am Nachmittag einen Schritt zum nahen Friedhof oder zur Kirche tun wollte, sand herein, wärmte sich einen Augenblick die Hände, schmatzte ein wenig mit Vas oder Nachbarin und ging dann weiter ihres Weges. Zuweilen aber erschien auch die blinde Susanne, eine arme, alte Jungfer, die einsam am Dorfendc in einer Strohdachhütte wohnte, lind die lahme Witwe von Ginster, dem Sauhirten, und die Armen, die in dem Stübchen über dem Backhaus von der Gemeinde ausgehalten wurden, wagten sich schüchtern her ein, wenn die Not sie zwang. Aber sic brauchten kein Bellel- wor.t auszusprechen. Ihr Erscheinen genügte, um der Bäuerin der Herr ist nahe . . Mancher mag den Kopf schütteln, wenn er die heutige Sonntagsepistel noch einmal liest. Wie kann der Apostel die Philipper auffordern: „Laßt die Sorgen!" Will er einer leichten Lebensauffassung das Wort reden, die für jeden Menschen jederzeit großen Schwierigkeiten des täglichen Lebens nicht ernst nehmen? Gewiß nicht. Sondern er will mahnen, über den Sorgen nicht das Größere zu vergessen, über den irdischen Dingen nicht die ewigen. Das Bewußtsein, daß Gott über dieser irdischen Welt steht, daß in ihr — wenn auch für uns oft uner kennbar — sein Wille wirksam ist, ist der stärkste Trost, der auch über schwere Sorge und tiefes Leid Hinweg- Hilst. „Der Herr ist nahe". Ankündigung des Christfestes klingt aus diesen Worten, wenn die Kirche sie heute von der Kanzel verlesen läßt. Aber sie bedeuten noch mehr als diese Ankündigung. Sie bedeuten die Feststellung, daß Gott uns immer nahe ist, daß seine Gnade und sein Trost uns niemals fehlen, auch wenn uns alle an deren verlassen haben. In dieser Gewißheit, daß die an Gott glauben und nach seinen Geboten handeln, in Gottes Hand ewig gesichert sind, kann der Apostel seine Freunde aufrufen, sich inmitten der Sorgen und Bedräng nisse dieses Lebens zu freuen. Denn alles irdische Leid und allen Gram überwindet das selige Bewußtsein der Verbindung mit dem Ewigen, der Friede Gottes, der allen Begriff übersteigt. Bartholomäus. zu z.iczen, was »e vierhertriebcn. And wortlos fckiob man den Armen ein Brot oder einen Apselplotz unter die Schürze. Ja, einmal schien cs sogar, als ob die Geister der Toten, die hinter dem Giebel das Backhauses aus dem Kirchhof lagen, hier Zutritt und Anteil hätten; denn da Kapps-Linkser eben ein böses Wort über den toten Stesses-Bauern aussprach, hob Licsem, der Schmied, der vor dem flammenden Backofen stand, seinen schweren Bart, kältet« die dunkle Stirn und warnte: „Nimm das Wort zurück, Linkser! Der Stesses liegt da hinter der Mauer und hört zu. Er könnte sich im Grabe rühren »nd gleich dort an die Wand klopfen." Und ein andermal erlebten wir mit. daß es wirklich an die Wand klopfte, aber nicht mit leisem Geistersinger, sonder« mit harter Faust; doch die Bauern und ihre Frauen erschraken nicht, denn sie wußten sosort: das ist die Hand des krummen, arbeitsscheuen Schellcn-Kaspars, der wieder einmal wegen Dieberei im Spritzenhaus sitzt. Und diesmal zeigten sie nicht einmal Mitleid: mag ihn weiter der Hunger zwicken! Am nächsten Morgen aber hatte der Krumme die Fachwand durch stoßen, hatte dem Loosen-Wirt ein paar Hühner gestohlen und war aus und davon. Ehrlichen und unbescholtenen Wanderburschen aber wurde im Backhaus Herberge gewährt. Auch Zigeuner, Zirkusleut« und Komödianten dursten bei großer Kälte hier ihr Nachtquar tier nehmen. Und aus dem Nücke» der Backöfen und in de» weiß ich nicht. Das Bauernkind spielt mit einem Stück Holz, lind es sieht darin Eisenbahn und Puppe und was inan sich sonst Noch erdenken kann. Ich kann das gut verstehen. Als man mir als Kind einmal eine Puppe anvertrauen wollte, habe ich ihr zunächst den Bauch aus geschnitten, um zu sehen, was darin war. Seitdem hat man es unterlassen, mir solche Geschenke zu machen. Ich habe sie auch nicht vermißt, sondern meinerseits mit Streichhölzchen gespielt, denen ich Kleider aus Staniol anzog. Da hatte die Phantasie freien Spielraum. Man konnte diese Leidwesen üppig und ärmlich kleiden, man konnte sie auf Prunkbetten aus Seidenpapier legen oder konnte sie zerbrechen und wegwersen, je naclzdem. — Seitdem bin ich groß geworden and habe Geschichte stu diert. Und ich finde, daß die Weltgeschichte verblüffende Aehnlichkeit mit diesem Streichhölzchenspiel hat . . . Dein Kopf ist meine Welt. An der Straßenbahnhaltestelle, wo ich früh auf meine Linie zu warten habe, ist ein Papier- und Zeit schriftengeschäft. Da kann man sich die Zeit vertreiben, indem man die Titelseiten der Illustrierten rasch einmal betrachtet. Eines Morgens stehen zwei Mädchen, etwa 14 Jahre alt, schon an diesem Platze. Lassen schweigend ihre Augen wandern. Plötzlich stößt eine die andere an: „Na, Du! Die Thea!" Die Andere: „Was is'n mit der Thea?" „Na, die wird huppen!" „Warum soll'» die huppen?" „Na, gucke doch: Der Viktor!" „Der Viktor? -- Ach ja! Einfach Klasse?" „sttich wahr? Na, wenn das die Dhea sieht!" „Na, Du! Die wird huppen!" Nun betrachte auch ich den Anlaß dieser Zwie- spraclze. Es ist eine Nummer der Filmwelt mit dem Kopsbild des Schauspielers Viktor de Kowa auf der Titelseite. Schön, vornehm, männlich — aber nicht all- Vie Leit 6er kleinen ^Vün8eke Ptsu6erei sm >Voekenen6e Von Usraku. Silberner Sonntag! Und die Welt, o Wunder, hat sich selbst in Silber verwandelt. Schnee, Schnee und nochmals Schnee hat es in dieser Woche gegeben. So viel Schnee, daß er auch den unzufriedensten Ski-Freun den zulangt. Hoffentlich bleibt er bis zum Christfest liegen! Vor den Läden in der Stadt drängen sich die Men schen. Abend für Abend Sturm auf die Straßenbahn. Man muß doch jetzt seine Weihnachtsbesorgungen wäh len. Aber gekauft wird doch. — Gott sei Dank wird ge kauft! Weihnachten muß Weihnachten bleiben! Und es geht diesmal auch ohne das Vorwegnehmen des Weih nachtszaubers durch Aufbau von Tannenbäumen in jedem Schaufenster. Ein wahres Glück, daß uns eine wirklich weise Anordnung in diesem Jahre vor diesem Unfug verschont hat. Das ist ja vielleicht das Schönste an der Sitte des gegenseitigen Beschenkens zum Christfest: die Vorfreude. Dieses Erwarten, dieses Hoffen, dieses Wünschen. Jetzt darf man doch einmal von Herzen wiinsclzen. Wenn dann die Wünsche nicht in Erfüllung gehen, schön waren sie dock). . . . Der Schnee und der Miesmacher. Drei Jungen stapfen vor mir durch den Schnee. „Na", sagt der eine, „ist das jetzt noch nichts?" „Es mag schon angehen", knurrt der andere un willig. „Aber es könnte noch besser sein." „Könnte! Könnte!" entrüstet sich der Dritte. „Du hast gesagt, es wird überhaupt nicht. Ucberhaupt nicht schneien würde es vor dem Fest. Und jetzt willst Du Dich herausreüen!" „Garnicht — habe ich nicht gesagt", behauptet der Angegriffene. „Du hast gesagt", stellt der erste kühl fest, „Dreck würde es geben vor dem Fest, aber keinen Schnee. Wo wir lins doch schon so lange Schnee gewünscht haben. Und nun ist er da. Ist das vielleicht Dreck, he?" „Es ist aber noch nicht Weihnachten" wendet der andere ein. „Er macht schon wieder miss" stellt der dritte fest. „Aber das sage ich Dir: Wenn es jetzt wirklich vor Weih nachten taut, dann bist Du daran schuld. Mensch, dann knnnste Deine Knochen numerieren!" Spielzeug — für Erwachsene. Spielzeug, Spielzeug gibt cs jetzt wieder in unver gleichlicher Pracht und Herrlichkeit. Und auch die Er wachsenen möchten am liebsten stehen bleiben und sich die Nase platt drücken an den Schaufenstern wie die Kin der. Herrlich geschnitzte Figuren, wie sie unser Erz gebirge so wundervoll herstellt. Prachtvoll lebendige Puppen von der Künstlerhand Käle Kruses geschaffen. Eisenbahnen, Steinbaukästen, Metallbaukästen, Scljau- kelpferde, Gesellschaftsspiele . . . Ach, wie ist das für die Erwachsenen interessant! Schon Nietzsche hat ja festgestellt, daß in jedem Manne ein Kind verborgen ist, das spielen will. Al>er auch in jeder Frau! Am liebsten möchte man sich selbst so eine Eisenbahn kaufen, sich zu Hause hinsetzcn und anfangen zu spielen. (Nachdem man die Türen fest verschlossen hat, denn was sollten die Leute denken . . .) In der Tat gibt es ja Vereine, die dem Spiel mit elektrischen Eisenbahnen und andere, die dem großen Reiz der Zinn soldaten gewidmet sind. Ob freilich die Kinder immer an diesem bis ins letzte verfeinerten Spielzeug die rechte Freude haben,