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diü^iisiscks Volkszeitung hlr. 272 — 3. Oorembe» 1033 Keim Von l'keoäor Lieber Lin 8oI6st ^viU Bier Jahre ist der llntcrossizier Adolf Domdey im Feld gewesen. Al« er zurückknm, ernster und rciscr, mit einem harten und kantigen Gesicht, in schweren Kümpfen verbrannt und gegerbt, war sein Heimatdors von Polen beseht. Nach dem Waffenstillstand waren die Truppen in ihre Earnisonstädte zu- riilkgckehrt, auch das Regiment, in dem Dondey gedient hatte, löste sich auf. Als der Unteroffizier Adolf Domdey erfuhr, das, sich in seinem Heimatort polnische Feldwachen eingenistet hatten, meldete er sich zum Grenzschutz, der von einigen ent« schlossen«,» Männern ins Leben gerufen wurde, und lies, sich in den Kampfabschnitt versetzen, in dem das väterliche Anwesen lag. Nur anderthalb Kilometer trennen die deutsche Stellung von den ersten polnischen Feldwachen, die in den Häusern seines Heimatdorfes liegen. Acht Wochen ist der Unteroffizier Dom- dey schon in diesem Abschnitt, ohne daß der Befehl zum Angriff gegeben wird. Man munkelt sogar, daß das Bataillon in den nächsten Tagen aus der Stellung herausgezogen und durch ein neu ausgestelltes abgelöst »verden soll. Tag für Tag hat Dom- dey auf die Stunde gewartet, da es ihm vergönnt sein würde, seine geliebte Heimat besreien zu helfen. Tag und Nacht zerrt das Heimweh an seinem Herzen. Seine Mutter, denkt er. kann erschlagen werden, ehe er da ist und über die Treppe stürmt in die kleine, verwinkelte Dachkammer, Hanna kann tot sein, ehe er wieder ihre geliebte Stimme hört, und wer weis;, was inzwischen aus Ali geworden ist, dem kleinen Jagdhund mit dem schwarz,veis, gefleckten Fell und den lappigen Ohren, ohne den sich der Unterosfizier Domdey ein Leben mit Mutter und Hanna nicht mehr denken kann. Nein, Domdey kann nicht länger »»arten. Wie schön, denkt er, wäre es, morgen schon durch die alten Straßen zu gehen und den Leuten zu sagen, daß man wieder da ist, mitten unter ihnen, einer, der zu ihnen gehört, der mit ihnen is,t und trinkt und am gleichen Tisch sitzt, Adolf Domdey, einer von Millionen, ein Sohn seines Volkes. Wenn die Polen vertrieben sind, träumt Domdey weiter, wird er sei,, Gcivehr wcgwerfen, weit fort, und beten, das, dieses Leben von einst wieder seinen Laus nehmen soll mit Frieden, Arbeit und Heiterkeit, wochentags aus den Feldern, in den Höfen und Scheunen, abends im Gasthaus und auf der Kegelbahn und Sonntags mit der alten Mutter in die Kirche. Als Domdey hört, das; das Bataillon in den nächsten Tagen aus der Stellung herausgezogen werden soll, sürchtet er, das; er nte wieder in diesen Abschnitt zurückkommt. Er muh Abschied nehmen von seinem Dorf, das so nahe und doch so unerreichbar vor ihm liegt, einmal noch will er aus nächster Nähe die vertrau ten Häuser sehen, die Scheunen und Ställe und die kleine Holz brücke, die unter Hannas Fenster über den Bach führt. Eines Abends verläßt er die Truppe. Eg glückt ihm. durch die den Feldwachen vorgelagerte Postenkette ungehindert zu passieren. Nachdem er eine Weile gelaufen ist, wirst er sich erschöpft aus den Waldboden, nimmt Deckung hinter einem Baum und späht in die Nacht. Eine schlvermütige, gespentische Ruhe lagert über dem Feld, kein menschlicher Laut ist zu hören, nur in den Wipfeln der Bäume ist ein einschläfernder Lärm wie das Rau- scheu eines fernen Flusses. Still verdehut sich das Land in die Dunkelheit, irgendwoher gluckert das murmelnde Wasser eines Baches, die kleinen Häuser drüben haben sich verkrochen und schlafen geduckt, tief zieht Domdey die Lust in seine Lunge und blickt nach dem schlafenden Dors. Der Soldat erkennt die Um risse der Scheune, wo er als kleiner Junge aus dein Heuboden gespielt hat, im Hause seiner Mutetr wandert ein kleines Licht und verlöscht, einsam steht ein Wagen im Hof mit drohend emporgercckter Deichsel. Zu Hause mus; ein Warten sein, ein trauriges Kauern aus dem Bettrand, wieder wandert das suchende Licht, dann verlöscht es für immer. Adols Domdey grübt seine schwieligen Hände in den feuch ten Waldbodcn und preßt seine Stirne aus knollige Baum- »vurzeln. Das Lächeln seiner guten Mutter ist bedroht, Han nas anmutiger Gang, sein Haus und sein Glück der Stube, jeder Zaun und das Plätschern des Baches, das ihm gehört, ihm allein. Er möchte ausspringen und kerzengerade über die Felder gehen in sein kleines, geliebtes Dors. Plötzlich hört er ein verdächtiges Knacken, ein Schnllfscln und Schnaufen. Ein Hund muß das sein, ein vcrivildcrtes, Herren, loses Vieh, das iin Gesprüpp herumzigeunert. Das Tier hat den Mann gewittert und füllt mit einem wilden Satz über ihn her. Der Hund schlägt mit dem Schweif, springt und wälzt sich aus dem Rücken. Er leckt den» Soldaten Gesicht und Hände. Ali, flüstert Domdey, Ali. Domdey drückt den Hund neben sich, und wie er den» Tier über das zottige Fell streicht, fühlt er plötzlich, daß dieses kleine, verwahrloste Vieh ihm die ganze Heimat bedeutet, die Scheune neben dem Haus und den Gar ten mit den Rosensträuchern, das weise Gesicht seiner alten Mutter und Hannas starke, ausopscrnd« Liebe. Ganz leise, fast demütig, streicht der Soldat über den Kops des Tieres, er be wegt die Lippen, als wolle er etlvas sagen, und Ali, der Köter, sieht ihn ausmerksan» an, klopft mit dem Schrveis und versteht ihn. Hanna, denkt der Soldat. Ja, blicken die Augen des Hundes, ja, ja, Hanna. Hanna ist da, guter Herr, Hanna wartet auf dich. Liebe, gute Hanna, denkt Domdey, und der Hund sicht ihn an und drückt seine Schnauze an sein Gesicht. Liebe, gute Hanna, meint der Hund. Plötzlich sind Stimmen in der Landschast. Der Hund springt Er war ein kleines, mageres Männlein, allgemein 's Eral- lele genannt; denn er war einen Kopf untern» Mittelmaß. Ich meine, er hat seine Figur selbst ain besten bezeichnet mit den Worten: „Kurz wohl, aber doch wenigstens dünn", wie er einmal von WUrstcln behauptete, die er im Wirtshaus bekam. Dafür war er aber gesteckt voll Witz und toller Einfälle bis an sein Lebensende. Geboren ist er am „unsinnigen Psinztag" und behauptete daher das Recht auf Dummheiten, auch wenn cs nicht im Grundbuch eingetragen war. Getauft wurde er auf den Namen Joses, aber im Bolksmund hieß er nur „'s Grallele". Er schaut aus zwei ausnehmend listigen Acuglein in die Welt, und aus seinem Mund kam selten eine Rede, über die man nicht lachen mußte. Aus seinem „farbenblinden" Gupshütlein, das er sogar beim Essen und meist auch im Bett auf dein Kopf hatte, wehte zeitlebens ein weißes Hahnensederlein, „weil's sovl ring ist", wie er meinte. Er stellte sich im Leben immer auf die Sonnenseite und verlor deshalb nie den Humor. Einmal — es war im Winter — hatte er sich soviel Holz aufgeladen und war auf den» steilen eisigen Weg nicht mehr imstande, den Schlitten, der rasend ab wärts toste, zu meistern. Grallele war in Todesgefahr; denn der Weg machte kurz vor einem unheimlichen Felsen eine scharfe. auf, hebt witternd die Nase, beginnt zu knurren. Domdey zieht das Tier zu sich und hält ihm die Schnauze zu. Domdey erkennt, daß es polnische Soldaten sind. Sie revidieren die Posten, denkt er. AZenn der Hund nicht aufhört zu knurren, bin ich verloren. Aber der Hund springt wieder auf und knurrt von neuem; noch einmal zieht ihn Domdei; zurück und hält ihm die Schnauze zu. Die polnischen Soldaten stehen in kur zer Entfernung und horchen. Domdey tümpst einen harten inneren Kamps, dann umklammert er mit beiden Händen den Hals des Tieres, schließt die Augen und drückt dem Hund mit einem zangenharten, würgenden Griff die Kehle zu. Die polnischen Soldaten bleiben noch eine Weile stehen, dann gehen sie weiter, über die Brücke, an das andere User und verschwinden in» Dunkel. Der Unterossizier Adolf Dom dey liegt reglos aus dem Boden. Dann kriecht er vorsichtig »veiter. Mechanisch schiebt er sich langsam nach vorn. Wenn es dämmert, muß er längst wieder drüben sein, bei seiner Kompagnie. Plötzlich macht er eine Pause und kriecht wieder zurück. Er bückt sich zum toten Tier, er nimmt den Hund be hutsam vom Boden aus mit seinen rauhen Händen und bettet ihn an seine Brust wie ein schlafendes Kind, während er mit der Linken die Tränen fortwischt, die über sein Gesicht fließen. Nun, da der Hund tot ist, hat er das gespenstische Gefühl, als hätte er für immer seine Heimat verloren. Er trägt das Tier wie ei» Letztes, das ihm geblieben ist, und in seinem Herzen sticht und zieht ein sengender Schmerz. . . Am nächsten Tage wurde das Vattaillon, von dem es hieß, daß es aus der Stellung herausgczogen »verden sollte, durch ein neues verstärkt, um die Polen durch einen Lbcrrascknmden Angriff zu überrumpeln. Nachdem die polniichcn Stellungen fast ohne Verlust genommen waren, wurde dem Hauptmann gemeldet, daß der seit gestern vermißte Unterossizier Adols Domdey zweihundert Meter von den deutschen Stellungen, einen toten Hund unter dem Arm, mit einem Kopfschuß ausgesunden wurde. Sonst seien außer drei Verletzten keine Berluste zu beklagen. fast rechteckige Svendung. Aber 's Grallele wußte sich zu helfen. Blitzschnell wars er sich seitwärts in den Schnee und lies; die Fuhre allein zu Tal fahren, wo der Schlitten elendiglich in Trüm- mer ging Lachend stand er aus und sagte zu den Nachkomme», den Kameraden, die meinten, es sei ihm ein Unglück zugestoßen: „I hab einmal 's Gneatigste vorbeig'lassen" . . . „'s Gneatigste, d. h. das Drängendste, vorbeilaffen", das war beim Grallele Lcbensgrundsatz. Er nahm das Leben und seine Mühsalc nie schwer. Wo das Grallele war, ging cs deshalb auch immer laut und lustig her. War es im Wirtshaus, war es beim „Hoangcrt" l Heimgarten Z oder wo immer. Als er einmal in der Kirche von Flöhen behelligt wurde und kratzen mußte, sagte er zu seinnn Nachbar: „Wcgeu dem Fressen wollt ich gar nichts sagen, nur versteh ich nicht, wozu das G'jprang sein soll." 's Grallele blieb zeitlebens ledig; denn verheiratet wär' gebunden und angehängt. Einem unglücklichen Ehemann hat er einmal gesagt: „Gelt, hast auch gemeint, du habest das Sakra ment der Ehe empfangen, und erwischt hast du die Buße!" Na, na! Sich selbst freiwillig und ungezwungen in lebensläng liche Leianaenschast beaeben. ist und bleibt eine Elelei. Was O38 / Lin Oberlsn6er Kil6 von joiiann KÖII lek kskre 8eknee bestellen Plauderei am ^oekenen6e Von lttsrsbu. Es ist ja.ganz schön, datz es in diesem Jahr in Sachse»» garnicht richtig Winter »verden will. Alan kann so wun derbar auf diese Art mit der Heizung sparen. Aber die Skifahrer und Schlittschuhläufer, die Rodler und alle anderen Freunde des Wintersports kommen dabei nicht auf ihre Rechnung. Lange schon hatte ich die Klagen dieser begeisterten Freunde des Schnees mit Rührung an gehört. Und endlich reifte in mir der Entschlutz, den Winter persönlich aufzusuchen, um ihn zu bitten, doch auch nach Sachsen etwas Schnee zu schicken. In solcher Lage Kain mir der Besuch meines Freun des, des Marquis, gerade recht. Der Marquis wollte allerdings nicht Schnee bestellen, sondern er wollte nach Siiddeutschland fahren, um einmal wieder gute Klötze zu essen. Denn er behauptet, daß er solche in Berlin nicht mehr bekäme, seitdem sein Freund, der Häuptling Sit- ting Bull, in dessen Hause er so oft mit dieser herrlichen Gabe der Kiicl;enkunst geatzt wurde, nach dem Süden »-er zogen ist. Wir taten uns also zusammen und verliehen Dresden am Bußtag in der Hoffnung, im Siiden sowohl Schnee wie gute Klötze anzutreffen. Wallfahrt im Nebel. Bom Winter war allerdings an diesem Tage ir» ganz Sachsen nichts zu merken. Die Sonne strahlte so warm und goldig hernieder wie an einem schöne»» Tag in» Früh herbst. Der Tharandter Wald bekam noch einmal einen Hauch seiner ganze»» herbstlich bunten Pracht. Und auf dei» Hügeln des Muldentals und des Bogtlandes lag nicht die Spur von Schnee. — Wir unterhielte»» uns ii» Plauen mit unseren dortigen Freunden in anregender Weise einige Stunden und fuhren an» nächsten Morgen, als die Hähne krähten, im Morgennebel nach Balzern hinunter. Bayern hat bei manchen Leuten '»inner als „finster" gegolten. Und in der Tat, als wir die Grenze überschrit ten hatten, wurde der Nebel.so dick, datz man die Lichter aufsetzen mutzte, lieber Hof und Münchberg ging cs nach Kulmbach. Ii» Lichtensels beschlossen wir, der Wallfahrts kirche Bierzehnheiligei» eine»» Besuch abzustalten, um un serem Unternehmen eine»» bessere»» Erfolg zu sichern. Das »»»ar garnicht so einfach, da das herrliche Nebelwetter den Berg van Vierzehnheiligen mit einer angenehmen Gleit masse überzogen halte, die dei» Rädern einigen Wider stand entgegensetzte. Endlich aber hatte», wir es doch geschafft und standen nun mit Bewunderung in dieser herrlichen Sandsteinbasilika, deren Inneres eine Farbcn- symphcnie in »veitz und blau und gold ist. Der Versuch, nach Schloss Banz hinaufzukommen, mitzlang infolge der Glätte der Strntzen. Wir kehrten also nach dem Torfe Stnffelstein zurück lind sangen dabei Scheffels Wanderlied: „ ... ich will zur schönen Sommerszeit ins Land der Franken fahren ..." Zur schönen Sommerszeit ist das keine Kunst, aber im November soll uns das mal einer nachmachen! In Ebrach trafen wir wieder eine herrliche Barock kirche an, neben der eine zivar altersgraue aber ganz prachtvolle Barockfassade eines alte»» Klosters aufgebaut ist. Wir bewunderten das Innere dieser Kirche von der Türe aus, hinter der gleich das übliche Gitter gezogen »vor. Um l»ns die Szierre öffnen zu lassen, wandten »vir uns an die Klosterpforte. Da bemerkten wir erst, datz es sich um eine»» längst säkularisierte»» Bau handelte, denn über der Pforte prangte die Inschrift: „Zucht* hau» Ebrach". D»r haben »vir lieber aus die weitere Besichtigung verzichtet. Ins Spital kommen. Das ist im.allgemeinen keine angenehme Sache: ins Spital zu kommen Aber ich kenne eine Stadt, ihr Ruhm kann nie laut genug gesungen iverden, da ist das „ins Spital kommen" eine höchst liebliche Saclze. Das ist Würzburg, die Stadt des Heilige»» Kilian, die Perle des Mains. Hier machten »vir schon aus Sympathie für unseren Freund Kilian Station. Das Gasthaus, in dem wir Quartier nahmen, trug schon einen Vertrauen erwecken den Namen: „Zum Bratwurstherzle". Dann aber »nach ten »vir uns auf, um die geätzt'' Sehenswürdigkeit Würz burgs etivo.s näher zu betrachten: den Frankenwein. Der beste Wein dieser Art wird — in den Spitäi.'rn der Stadt verschenkt. Sowohl das Iuliusspital wie das Bürgerspital der Stadt Würzburg sind Besitzer ausge dehnter und ausgezeichneter Weingüter, deren Erträg nisse mai» zu einen» lächerlich billigen Preise in den Aus schankstuben dieser Spitäler verkoste»» kann. In einem solchen Spital könnte man es wirklich längere Zeit aus halten. Aber »vir mutzte»» »veiter, denn wir hatten, ja letzten Endes nicht die Absicht, Frankenwein zu bestellen, sondern Schnee. Loblied auf Baden. Nach einen» Besuch in den» von Gold und Marmor prangenden Doir» Würzburgs fuhren »vir ai» der gewaltig thronende»» Marienfestung vorbei gen Baden. Hügel auf und Hügel ab führte die Stratze. Der Winter war auch hier noch nicht geivcsen. Rotbraun prangten die präch tige»» Buchenwälder und die Sonne leuchtete so wohl wollend »vie vorl;er in Sachsen. Sofort als wir die Grenze Badens überschritten, merkten wir, datz wir in eine nahrhafte Gegend kamen. Der erste Ort hinter der Grenze hietz Grotzrinderfeld und kurz hinterher kam Schiveinsberg. Zwischen diesen beiden nahrhaften Dörfern liegt das Städtchen Tauber-