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Sächsische Volkszeitung : 28.10.1933
- Erscheinungsdatum
- 1933-10-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id494508531-193310288
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id494508531-19331028
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-494508531-19331028
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsische Volkszeitung
-
Jahr
1933
-
Monat
1933-10
- Tag 1933-10-28
-
Monat
1933-10
-
Jahr
1933
- Titel
- Sächsische Volkszeitung : 28.10.1933
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Bevölkerungspolitik und Staat Zur Frage der Verhütung erbkranken Nachwuchses / Von Hermann Mlkermann Vielleicht erwartet der Leser eine eingehende Erläuterung des gleichnamigen Gesetzes vom 14. Juli dieses Jahres. Ich habe meine Ansicht im Bemühen um dieses Gesetz ost genug auseinandergelegt, als datz es notwendig wäre, noch einmal darauf zurückzuliommen. Ich verweise vor allem aus meine Schrift „Eugenik und Katholizismus". Was meine ka tholischen Mitbürger angcht, so sei an den gerade veröffentlich ten Brief des Fürst- und Erzbischofs Kardinal Dr. Bertram erinnert. Darin hcitzt es, datz in Fragen der Sterilisie rung die katholisck)eii Christen in sittlickunc Beziehung sich selbstverständlich nach denjenigen Weisungen zu richten hätten, die vom Episkopat in voller Uebereinstimmung mit den Enzykliken des Heiligen Vaters ergehen würden. Im übrigen sind ja die Aussührungsbestimmungen zum Gesetz noch nicht erschienen. Der Sinn dieses Beitrages kann also nur der sein, über das Gesetz vom 14. Juli hinaus Matz nah men darzulegen, die zur Verhütung erbkranken Nachwuchses geeignet sind. Nach den vor einiger Zeit veröffentlichten Ausführungen über erbliche Belastung, zumal über die Geisteskrankheit der Schizophrenie und den erblichen Schwachsinn, bedarf es keiner besonderen Begründung mehr, doch das biologische Ahnenerbe des deutschen Volkes von Be lastungen zu befreien, die immer mehr Familien die Möglich keit nehmen, der Lebensguell für ein blühendes Geschlecht zu sein. Die Matznahmcn zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, auf die es In diesem Beitrage ankommt, sind doppelter Art. Die eine Gruppe geht von den erblich Belasteten selbst aus, die andere von den erblich Gesunden. Viele erblich Belastete, zumal erblich Schwach sinnige und Triebmenschen wie Alkoholiker, kann man nicht von innen heraus bestimmen, auf Ehe und Nachwuchs zu ver zichten Es fehlt Ihnen entiveder an Einsicht oder an Willens beherrschung oder, wie zumeist, an beiden. Es bleibt also nichts anderes übrig, als den physischen Zwang anzuwenden, was allerdings auf eine Art geschehen mutz, die den grotzen Gesetzen der christlichen Nächstenliebe entspricht. Der physische Zwang besteht darin, datz man die Menschen, die wegen ihres seelischen Zustandes sich niemals zu geschlechtlicher Enthaltsamkeit ver stehen, während der ganzen Zeit ihrer Fortpflanzungsmöglich keit nach Geschlechter getrennt aufbewahrt. Ein grotzer Teil dieser Menschen mutz ja ohnehin in Anstalten untergebracht werden, denn die Hilfsbedürftigkeit ist zumeist so groß, datz es grausam wäre, diesen Menschen die Freiheit zu lassen. Es ist erst recht in jenen Fällen unmöglich, wo die Freiheit eine Be drohung der Anderen bedeuten würde. Eine Anstaltsvcrivah- rung kommt vor allem in jenen Fällen in Frage, die in dem Gesetz vom 14. Juli dieses Jahres über die Unfruchtbarmachung genannt werden. Indessen ist auch hier ein Unterschied. Her auszunehmen aus der menschlichen Gesellschaft wären unbe dingt die Schizophrenen und die erblich Schwachsinnigen, eben so, doch nicht ohne Unterschied, die Manisch-Depressiven und jene, deren Epilepsie auf Vererbung beruht. Erblich Taub stumme und erblich Blinde kommen nur dann in Frage, wenn man keine Hoffnung hat, sie durch innere Beeinflussung zur Enthaltsamkeit zu bestimmen. Unheilbare schwere Alkoholiker gehören ohnehin in ein« Anstalt — nicht nur wegen eines mög lichen Nachwuchses, der erbbelastet sein mag. sondern auch wegen ihrer Familie, die sie durch ihre Sucht seelisch und wirt schaftlich zu Grunde richten. Allerdings kann man cinwenden, datz eine Ausdehnung der Asylierung aus alle erblich Belasteten, deren Nachwuchs un erwünscht ist, einen grotzen Aufwand verlangt. Ich habe selbst ost genug auf die Aufgaben hingewiesen, die, unter Berücksich tigung der Not der Erbgesunden, so grotz erscheinen, datz man sie mit Recht als untragbar bezeichnet hat. Inwieweit dies« Kosten durch Unfruchtbarmachung vermindert werden können, ist eine Frage, die man nicht einfach dadurch beantworten kann, datz man die Summen für den bisherigen Aufwand zusammen zählt. Ich weise erneut darauf hin, datz ein grotzer Teil der erblich Belasteten schon wegen ihrer Fürsorgebcdllrstigkeit in Anstalten untcrgebracht werden mutz. Auf jeden Fall kann und soll man eine Herabsetzung der Kosten in Anpassung an die Not der Erbgesunden eintrctcn lassen, ohne jedoch die Mindestforderung der christlichen Liebe zu verletzen. Es darf gewitz der Schwachen, d. h. der hoffnungslos erblich Be lasteten, nicht eine Gefahr für die Starken, d. h. für die erb- j lich Gesunden werden. Man soll daher alles tun, um innerhalb der Grenzen sittlich erlaubter Möglichkeiten das Entstehen der i noch nicht erblick) Belasteten zu verhüten. Aber wollte man die Liebe zu den tatsächlich vorhandenen erblich Belasteten aus löschen, dann würde man nicht mehr in Uebereinstimmung mit jener Lehre bleiben, die der Welterlöser durch Wort und Bei spiel verkündet hat: Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan. Die zweite Gruppe von Matznahmcn geht von den erb lich Gesunden aus. Ich halte sie für die wichtigste. Auch Gallon hat ihr den höchsten Wert beigelegt. Erbgesund sind Mensck)en, die vor allem in seelischer Beziehung, ohne durch erblick>e Belastung gehemmt zu sein, einsichts- und millensstark genug sind, um ihre Freiheit in Uebereinstimmung mit der Ver nunft zu betätigen. Es kommt also daraus an, die auswachsen den Söhne und Töchter aus den erbgesunden Familien so zu erziehen, datz sie aus sich die eheliche Verbindung mit Menschen ablchnen, die, aus belasteter Fainilie entstanden, nach den Re geln der Erbbiologie keine Gewähr für einen erbgesunden Nachwuchs bieten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist den jungen Menschen zunächst ein entsprechendes Wissen zu ver mitteln. Es mutz jedem von ihnen klar und selbstverständlich sein, datz erbgesunde Menschen nur mit erbgesun den Menschen eine Ehe sch Hetzen — ebenso wie man mit aller Entschiedenheit die Zugehörigkeit zum deutsck-en Volk Berlin, 28. Oktober. Reichsjustizkommissar Staatsmlnister Dr. Frank äußerte sich am Donnerstagmittag eingehend über die künftige Reform des gesamten deutschen Rechtslebens. Dr. Frank erinnerte daran, datz der Führer in Leipzig ein ausgesprochenes Bekenntnis zum deutschen Rechtsgedanken abgelegt hat. Die gesamte Rechts reform ist dem Reichsjustizkommissar vom Reichspräsidenten und vom Reichskanzler unterstellt worden. Am Sonntag, den 5. No vember, mittags, wird im Berliner Stadtverordnetensitzungssaal die erste Arbeitstagung der neugegrllndeten Akademie für Deut sches Recht stattfinden, deren Führer Dr. Frank ist. Die Tagung wird das Thema behandeln „Die Rechtsgrundlage des politischen Vorgehens der Reichsregierung in bezug auf Gleichberechtigung und Abrüstung" Nach einer Einleitungsrede des Reichspropa- gandaministers Dr. Goebbels wird Professor Bruns von d«r Die Abstimmung ist geheim Berlin, 26. Oktober. In der Oeffentlichkeit sind über das Wahl- und Abstim- mungsversahren am 12. November irrige Vorstellungen ent standen. Aus dem Wortlaut des Wahlgesetzes (8 26) und des Volksentfcheidgesetzes (8 18), wonach die „Abstimmungshand lung und die Ermittlung des Ergebnisses öffentlich sind", ist der Schluß gezogen worden, daß auch die Kennzeichnung ve, Stimmzettels entgegen der bisherigen, auch in der Rcichsver- sasjung sestgelcgten Regelung öffentlich sei. Demgegenüber wird daraus hingewiesen, daß irgendwelche Aenderungen am Wahlrecht und Wahlversahren für die bevorstehend« Svahl und Abstimmung nicht vorgenommen find, daß es selbstverständlich bei der durch die Reichsversasiung vorgcschriebenen „geheimen Wahl" verbleibt, wobei der Stimmberechtigte den Stimmzettel tn der Wahlzelle kennzeichnet und daselbst in den Umschlag legt. Die übrige Abstimmungshandlung wie die ordnungsmäßige Abgabe des Umschlags, der Aufruf des Namens, das Einfügen des Umschlags in die Urne und die gesamte Feststellung der Wahl- und Abstimmungsergebnisse werden hingegen wie bisher tn voller Oeffentlichkeit vollzogen. verlangt oder sedensakls doch Fremdrassiges ablehnt. Hinzu kommt eine entsprechende Willensgewöhnung, die das Begehren dem eugenisch gebildeten Gewissen unterordnet. So wenig sich eugenische Eheverbote als solche empfehlen, so wird man doch durch Bevorzugung derer, die selbst erbgesund Erbgesunde heiraten, di« eugenische Er ziehung des ganzen Volkes fördern und durch Bildung einer öffentlichen Meinung das rechte Handeln erleichtern. Es wird sich die Sitte des Austausches von eugenischen Gesundheits zeugnissen vor der Verlobung durchsetzen und so das Werk der eugenischen Erziehung selbst vollenden. Ich habe in diesem Aufsatz mit keinem Wort die Frage er örtert, ob cs vielleicht erlaubt sein könnte, erblich belastetes Leben auszulöschen, noch ehe es geboren ist, oder seine Ent stehung auf künstliche Weise, doch ohne Eingriff des Chirurgen, zu verhindern. Was das Letzte angcht, so sind zumal erblich belastete Geisteskranke und erblick Schwachsinnige nicht im stande, sich einer Technik zu bedienen, die doch Einsicht verlangt, — ganz abgesehen davon, datz es sich um eine grundsätzliche Naturwidrigheit handelt, die umso entschiedener abzulehnen ist, weil sie gerade von den Erbgesunden angewandt zur Ver nichtung des Volkes führt. Was die Tötung des keimenden Lebens angcht. so kann nicht genug betont werden, datz der Mensch vom ersten Augenblick der Zusnmmensiihrung von Erb anlagen an ein echter Mensch ist, dessen unschuldiges Leben kein Mensch antasten darf. Nicht die Verneinung des Lebens löst die Probleme, sondern die Lebens bejahung. die allerdings sich immer erfolgreicher dem erb gesunden Leben zuwenden sollte. (Ein weiterer Artikel folgt.) Berliner Universität, ein Mitglied des Haager Gerichtshofes, sprechen. . Im Zuge der Rechtsreform sind mehrere Ausschüsse in Bil dung begriffen. Einmal ist dies der Ausschuß für die Re form des Strafrechts, dessen Vorsitzender Dr. Frank ist, der wiederum von dem preußischen Staatssekretär Freister ver treten wird. Ls besteht das Bestreben, daß neue Strafgesetzbuch in 4—8 Monaten sertigzustellen. Als wesentliche Grundziigs für das neue Strafrecht nannte Dr. Frank: Es steht im Mittelpunkt dieschutzbedürstigeEesell« schäft, nicht etwa der Verbrecher. Ziel der Rechtssindigung ist der Schutz des gesunden und fähigen Volksteilo vor dem llntermenschentum und der Dekadenz. Die Identität von Moral und Recht soll ihre Verwirklichung finden. Gemeingefährliche Elemente werden, ohne daß man ihnen die Möglichkeit zur Be tätigung überhaupt erst gibt, in Sicherheitsverwahrung genom men. Di« rassische Sicherung soll mit der Sterilisierung von Ge wohnheitsverbrechern und anderen minderwertigen Elementen gegeben sein. Verbrechen gegen den Staat, die Wirtschaft, vt« Rechtssicherheit und di« Wehrhohelt werde« schärfstens geahndet werden. Das gleiche gilt für Landesverrat. Ein weiteres Ziel wird sein, die Gesellschaft ohne kleinliche Prilderin gegen ««- sittiiche Vergiftung in Schutz zu nehmen. Der Ausschuß wkG auch die Strafprozcßresorm behandeln. Die Reform des Zivilprozesses soll sich, wie Dr. Frank weiter hervorhob, nach rechtlichen und wirtschaftlichen Bedürf nissen vollziehen. Sie zu gestalten, ist Ausgabe eines weiteren Ausschußes, der unter dem Vorsitz von Geheimrat Prof. Dr. Kisch von der Münchener Universität arbeitet. Der Zivil prozeß soll eine Angelegenheit der Rechts- und der Lebenspraxis sein. Sicherheit, Beschleunigung und Autorität der Rechts findung würden die großen Gesichtspunkte sein, ihnen sollen die Freiheit der Anwaltschaft, die Freiheit der Rechtserklärungen her Parteien und die Beseitigung überflüssigen Formelkrams dienen. Ein dritter Ausschuß hat sich mit der Reform des gesam ten Bürgerlichen Rechts zu befaßen. Dieser Ausschuß wird sofort in Unterabteilungen gegliedert werden. Dabei wird sestzustellen sein, was am Eigentumsrecht, am Familienrecht und am Erbrecht zu ändern ist. Aufgabe eines weiteren Ausschußes ist di« Vorbereitung der Reform des Wirtschafts- und Handelsrechte». Das neue deutsche Recht Ausbau der unmittelbaren Zuständigkeit des Reiches - RelchSjustizkommiffar kündigt Gesamttesorm an Das Alberttheater wieder eröffnet Erstausführung: „Die große Chane«". Das Dresdner Alberttheater hat sehr schwere Zeiten hin ter sich. Immer und immer wieder seit vielen Jahren wußte man am Schluß der Spielzeit nicht, ob sich eine neue würde anreihen können. Wie ost tauchten da die abenteuerlichsten Pläne auf, von einem grotzen Kina, von Operette, von einem „erstklassigen Revuetheater" handelten sie, nur aus dem ur sprünglich gleichfalls von jeder der vielen neuen Direktionen angckiindigtem „Volkstheater" wurde nach schwachen Ver suchen regelmäßig nichts. Auch heute taucht dieser Volks theatergedanke wieder auf und die neuen Herren scheinen durch den Zeitgeist wirksckner unterstützt zu werden, diesen Gedanken verwirklichen zu können. Möchte cs ihnen gelingen! Die Altstadt hat eine große Zahl Theater, die Neustadt nur das eine. Der Anfang war in jeder Beziehung glücklich. Man hatte eine „gute Nase" gezeigt und, wie es im Berliner Theater argon hcitzt, „sooo'n Stück" gewählt, als melck)«s sich das dcut- ,che Volkslustspiel „Die große Chance" präsentierte. Mit »»sehnlichem Geschick haben die neuen Autoren Alfred Möller ind Hans Lorenz nicht nur einen mit brennenden Gegenwarts- notiven geladenen Stof zu meistern gewußt, es ist ihnen auch -ine so famose Szenenstcigerung gelungen, beides im besten wlkstiimlichen Sinne, daß der Erfolg nicht ausbleiben konnte. Die Autoren geißeln In ihrem Stück die Zustände vergangener md In einzelnen Rückständen noch verbliebener Zeiten, die llnem aufwärtsstrebenden Menschen nur durch „Beziehungen" «in Vorwärtskommen ermöglichten. Hier ist es ein Schlosser, -er seine ganz grotze Erfindung nicht an den Mann bringen iann und der auch an dem Versuch, auf nicht ganz einwand freie Art In die maßgebenden Kreise hineinzugelangen, beinahe ,'ck)«Itert, wenn nicht die Liebe mal vernünftigerweise dazwi- chenftthre. Natürlich geht es zu, wie es In einem richtigen üolksstiick zugehen muß: das Gute siegt, und die Liebenden oerden vereint trotz Intrigenspiel und trotzdem der Vater des Helden nur Glockentiirmer war. Es hat feder seinen Wunsch erfüllt, und wenn er dabei ein bissel etwas von den Forde rungen unserer Zeit lernt und an praktische Volksgemeinschaft zu denken gezwungen wird, so Ist die Moral von der De- Ichicht' erfüllt und lfer Titel eines „Volkslustspiels" aufs aller- veste gerechtfertigt. Unter dem neuen Direktor Rainer, der uns ja kein Fremder ist, wurde sehr anständig gespielt. Man sah einige Kräfte wieder, die dem Dresdner jahrelang lieb waren und die ihm erhalten zu haben, ein Verdienst der neuen Leitung ist. Vor allem Kersten und Willi sind hier zu nennen. Beide in Rollen, die ihnen auf den Leih geschrieben scheinen. Kersten als der Held, der den reinen Toren vor der angeschimmelten Gesellschaft znm Siege führt und darin einfach unwiderstehlich ist und Albert Willi, der einen seiner biederen „Kleinbürger" mit liebenswürdigem Humor kraftvoll umreißt. Beide Künst ler hatten starken Szcnenbeifall. Else Degiin gibt das ver wöhnte, reiche Mädel, das von unserem Schlosser in derbe Fäuste genommen, aber in seiner Schule zur wirklichen Frau wird. Sie macht das sehr nett. Charakteristisch mit warmem Unterton zeichnet Betty Olden die „Heldcnmuttcr". Alice Wcymuth, der man das zweifelhafte Kompliment machen muß, daß sie zwar trefflich agiert, aber viel zu jung und hübsch aussieht im Vergleich zu ihrem intrigierenden Sohn (von Rudolf Reday mit bemerkenswertem Gestaltungsvermögen gespielt), Hans Girnth als Ingenieur und Max Iähnigs sastvolle, behäbige Komikertm-e sind noch ruhmvoll zu nennen. Und Hermann Alberti, der die geschmackvollen Bühnen bilder entwarf, nicht minder. Das bis auf den letzten Platz gefüllte Haus mar in fröhlichster Stimmung und kargte nicht mit Szenenbeifall.' Es gab früher ivenig solche Ersolgsabende in der Neustadt. Franz Zickler. MiläumSkonzert der Orchesterschule der Sächsischen Staatokapelle In einer Morgenfeier im Juni konnte die Orchester schule der Sächsischen Staatskapelle auf ihr zehnjähriges Bestehen zuriickblicken. Eine große Reil)« von Schülern und Schülerinnen fand innerhalb dieser Zeit Anstellung an den verschiedenen Landes- und Stadttheatern und tn anderen Orchestern, auch in der Sächsischen Staatskapelle. Im Dresdner Musikleben erfreut sich die Orchesterschule eines ganz besonderen Ansehens. Sie gilt tn jeder Beziehung als ideale Pslegstätte einer edlen Musik und Kunst. Das ist tn erster Ltnte da» Verdienst von Operndtrektor Hermann Kutz sch bach, dein hervorragenden künstlerischen Leiter dieses Musikinstitutes. Er hat die Konzerte der Orchestcrschule zu einer derartig künstlerischen Höhe geführt, datz sie sich den besten musikalischen Veranstaltungen in unsrer Stadt gleich wertig an die Seite steilen können. Dabei mutz noch als be- ondcrs wertvoll hervorgehoben werden, datz die Werke be- -eutender deutscher Meister Berücksichtigung finden und datz ich Kutzschbach gern für Uraufführungen zeitgenössischer Ton- etzer uneigennützig einseht. In Otto Schömbach besitzt er eine ausgezeichnete Stütze für die geschäftliche Leitung. Das I u b i l ä u m s k o n z e r t am Mittwochabend brachte im dichtgcfülltcn Gcwcrbchanssaalc Werke von Joseph Lederer, Robert Schumann und Richard Strauß. Von Lederer lernte man als Uraufführung ein Concerto grosso in F-Dur (Werk 41) kennen. Schon immer schätzte man diesen Dresdner Kom ponisten, der weiten Kreisen als Kammervirtuos in der Staatskapclle und als Lehrer für Komposition in der Orchester schule bekannt ist, als fcinmujikalischen, in der Kontrapunktik trefflich beschlagenen und die neuzeitliche Orchestcrtechnik sicher auswertendcn Komponisten, der musikalisch wirklich etwas zu sagen hat, da er über reiche Ersindung verfügt und seine Partituren nicht mit rechnerisch kühlem Verstände, sondern mit innerem Empfinden schreibt. Wenn ihm in seiner neuesten Schöpfung die Formenlehre auch scharfe, fcstgelegte Grenzen vorschrcibt — Passacaglia und Fuge — so besitzt Lederer doch Farbe genug, um auch der strengen Form ein bestechendes Ge wand zu geben. Alles bleibt in Fluß. Die gut erfundenen Themen sind temperamentvoll ineinandcrgeflochten und sicher gesteigert. Die Varlationensorm der Passacaglia bleibt immer interessant, und die Fuge findet in dem krönenden Choraiab- schlutz „Freu dich sehr, o meine Seele" in den Blechbläsern einen packenden Ausklang. Tiefe der Empfindung durchzieht den langsamen Satz. Der Orck)«sterklang ist vorzüglich ausge nutzt. Das Werk fand lebhaften Beifall, so datz Lederer per sönlich danken konnte. Johannes Schneider-Marfels spielte das Klavierkonzert in A-Moll von Robert Schumann mit feinpolierter Technik, reifem Verständnis und ansdrucks- reichem Empfinden. Die Wiedergabe dieser Schöpfung, die außerdem das Gepräge starker Ueberlcgcnhcit trug, sicherte dem Interpreten lauten Beifall. Richard Strauß' Tondichtung „Tod und Verklärung" brachte dem fast hundertköpsigen Orck)ester zu folge eines klangrauschenden, packenden Musizierens einen
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