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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 30.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-30
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140730011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914073001
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914073001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-30
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Neueilicht -rutsch-ftanzösisthe Verhand lungen über -le Lokallflerung -ee Rrle-s. Pari». 28. Zuli. Der deutsch« Botschafter Frei- Herr v. Schoen hatte heut« uormittng mit de« stell, vertretenden Minister de, «eußern Vie»venu. Martin neuerdings eine Unterredun- über di« Möglichkeiten einer Lokalisierung de» österreichisch, serbischen Konflikt». präsi-ent poincarj auf -er Helmreise. Dünkirchen. 29. Juli. Präsident Poine « rd ist heute früh 7 Uhr 1» Min. hier «ingetr»sfen und so. fort nach Puri» weitergeretst, wo er heut« mittag eintrifst. Pari». 28. Zuli. Präsident Poineartz ist hente mittag 1 Uhr 28 Min. aus dem Nordbahnhof eingetrofsen und von den Ministern und dem russischen Botschafter Iswolski emp, fangen worden. Das Publikum bereitete ihm einen begeisterten Empfang. Der -rutsche Votjchaster im Lon-oner Auswärtigen flmt. London. 29. Juli. Der deutsche Botschaft ter hat heute vormittag im Auswärtigen Amt einen Besuch abgestattet. Englischer Minifterrat. London. 2». Juli. Heute vormittag 11^ Uhr ist der Ministerrat zusammengetreten. das internationale Zrie-ensburea« interpelliert Hraf Serchtol-. Bern, 29. Zuli. An den österreichisch.ungarischen Minister des Aeußern Grasen Berchtokd hat da» International« Friedensbureau fol. gende Depesche gerichtet: Der durch die gegenwär. tigen Ereignisse verursachten schmerzlichen Bewegung Ausdruck gebend, bitten wir Eure Exzellenz dringend, die Möglichkeit einer friedlichen Bei« legung des Konfliktes nichtvonderHandz» weisen und die noch strittigen Punkte dem Ent« scheiden des Internationalen Schiedsgerichts im Haag oder der Großmächte zu unterbreiten. Vorsichtsmaßnahmen -er hollän-lschen Negierung. Amsterdam, 29. Zuli. Da» „Algemeen Handel»blad" meldet: Angesicht» der inter. nationalen Spannung hat di« holländische Regierung bereit» verschiedene Maßnahmen getroffen, di« Grenze zu sichern. Der S«neralstab»chef ist au» Deutschland zuriickberufen worden. Sine Reihe «WM» Offizier« ist au, eigene« Mairied* Hi«he« zurückgekehrt. Die zur Uebung einberusenen Reser. Hven Werden einstweilen unter den Masse« glatten. Ein Uebergang der ältesten Reservejahrgänge zum Landsturm findet im Augenblick nicht statt. Sämt. liche Schlepper in der Rheinmündung und im Hafen von Scheveningen sind von der Regierung mit Be schlag belegt worden. Die Baal-Brücke bei Nimwegen wird von Kolonialtruppen besetzt gr- halten. Weitere Detachements Kolonialtruppen sind nach Gennep und Mook zur Bewachung der Maas, brücken abgegangen. Der Kriegsminister hat den Bürgermeister von Winterswijck angewiesen, etwa 80 Mann Landsturm einzuberusen zur Bewachung der Psselbrücke. Es ist bekanntgegeben worden, daß die Brücken unter Umständen in die Lust gesprengt werden. Die Bevölkerung hat Verhaltungsmaßregeln erhalten. Auch die Pssel» brücke in Zutphen wird militärisch bewacht. Da» Fort Pmuiden ist mobilisiert. Vringen-e Sitzung -es hollän-ljchen Staatsrats. Haag, 28. Zuli. Der Staa 1» rat ist zu einer dringenden Sitzung einbrrusen worden, um eine vor. läge zur Rektifizierung der Maßnahmen zu prüfen, di« bereit» ergriffen worden find, um Miliz und Landwehr unter den Waffen zu halten. Es wird eine weitere außerordentliche Sitzung des Ministerrats erwartet. weitere -sierreichisihe preßsiimmen über -ie Kriegserklärung. Wien, 29. Juli. Die Kriegserklärung und das Manifest de» Kaisers Franz Joseph finden in der ganzen Monarchie begeisterten Widerhall, der in den Blättern aller bürgerlichen Parteien in flammenden Worten zum Ausdruck kommt. Das „Neue Wiener Tagblatt" schreibt: Mit glühenden Lettern graben sich die Sätze de» Manifeste», diese» Dokumente» edelster monarchischer Gesinnung, in aller -erzen. Sie können nie ver- gefien «erden. Al» kostbarstes Vermächtnis sei e» den kommenden Geschlechtern überantwortet. Da» Reich, da» Kaiser Franz Joseph l. regiert, steht einzig da in der Welt, und Ehr«, Macht und Ruhm sind ihm gesichert fü, und für. Kein Opfer ist zu groß für einen solchen Monarchen; er ist der Glanz und die mächtigst« Kraft de» Reich«»; «r ist ein« erhaben« Bürgschaft für da» Wahl uns«r aller. S» lebe der Kaiser! Zn der „Neuen Freien Press«- heißt «»: von sämtlichen Kriegsmanifesten, di« im Lause der Zeiten »erösfentlicht worden sind, hat wohl keines dem Feinde vor der ganzen Welt solch« Anklage in» Gesicht geschleudert, aus daß er für immer unter ge sitteten Mensch«« gekenn^ichnrt ist. Die Worte de» Kaiser» »erden starken Widerhall in der Monarchie haben und tiefen Eindruck in Europa machen. »ie „Reich-past" erklärt: Es ist gut, daß di, Diplomaten zu s»itt kamen; sie hätten un» nicht »en Frieden, sondern nur neue gefährliche ve,Wicklungen dring«, können. Ze rascher Oesterreich.llngar» di» Welt von seiner vollen Vereitfchaft überzeugt und den «üchten zeigt, daß nicht auf Eroberung «u». geht, sondern die Waffen im Namen de. Recht, und der höchste» sittlichen Güter der Welt erhebt, desto mehr wird dadurch für di« Lokalisierung de» Kriege, geschehen sein. Entschiedene» Handeln ist jetzt die größte Gewähr de, Erfolge». Rusche preßsiimmen. Petersburg, 29. Juli. Wie ,, Niets ch" meldet, erklärte das Auswärtige Amt der Presse, daß zur Erfüllung seiner Aufgabe die äußerste Zurück« Haltung der Presse und der öffentlichen Meinung notwendig lei. Fragen der Eigenliebe seien auszuscheiden. Nie habe Rußland vor einer solchen Lage gestanden, es werde aber bis zum End» seine Pflicht tun. Die heutige Presse hat diesen Rar befolgt. — „Nowoje Wremja" schreibt, das Schicksal Europas hänge davon ab, wie die Großmächte die Zeit bis zum militärischen Zu sammenstoß ausnutzten. Rußland habe einen festen Entschluß gefaßt. Die Zeitung hofft, daß die in der äußeren Politik erreichte lieber» einstimmung zwischen Negierung und Volk auch die innere Politik gesunden lasten werde. — „Denj" erfährt vom Auswärtigen Amt. die Kriegs erklärung schließe di« Möglichkeit einer Fortsetzung der Verhandlungen nicht aus. Der Erfolg der diplomatischen Bemühungen zur Vermeidung eines europäischen Krieges werde dadurch beein flußt, ob Deutschland und Italien von der Kriegserklärung überrascht worden seien, oder ob sie vorher von ihr wußten. — „Rjetsch" schreibt, eine Katastrophe wäre unvermeidlich, wenn Rußland sofort in Oesterreich ein marschiere. Augenscheinlich beabsichtige Rußland einen so schnellen Schritt nicht. Eine gewisse Zeit, erklärt da» Blatt, mästen wir Zuschauer der Entwickelung der Ereignisse bleiben. Oesterreich- Ungarns Bemerkungen zu der serbischen Antwort auf die österreichische Note können die Grundlage zu Ver handlungen bilden. Nachdem Oesterreichs Prestige durch die Kriegserklärung gewahrt ist, sind die Bedingungen für die Vermittelung günstiger. Italtenlsihe preßsiimmen. Rom, 29. Zuli. Die Blätter sind im allge- meinen bei Besprechung der Lage der Ansicht, daß die Kriegserklärung nicht da, Scheitern jeg licher diplomatischer Handlung in sich schließe, die dahin strebe, den Konflikt zu lokalisieren. „Mestaggero" schreibt: Die Möglichkeit eines direk, ten Uebrreinkommen» zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland scheine nicht ausgeschlossen. Der mili tärische Vormarsch der österreichischen Truppen könnt« eine Genugtuung für Volk und Heer sein, die ei« Einverständni« erleichtern würde. „Popolo Ro mano- hebt hervor, Oesterreich-Ungarn habe er. klärt, daß ,, sich nur gegen serbisch« Hinterhältigkeit schützen wolle. Folglich sei jede Sebietsveränderung ausgeschlosten. Italien wünsche ebenfall», daß ver. Wicklungen vermieden würden. E» begleit« Oester reich-Ungarn als Bundesgenost« und Freund. Suöapesi km Kriegszustand. Von Paul Schweder. 8. Sc H. Budapest, 28. Juli. Die „Magyar Allam Vafutul" »lins „Königlich Ungarische Staatsbahn" ist au» etwas anderem Holze geschnitzt als ihre K. K. österreichische Kollegin. Nicht nur, daß sie trotz des Kriegszustandes angenehme, breite und bequeme Waggons für den Zug nach Budapest stellte, sie konnte auch sofort einige weitere Wagen einschiebcn, als auf dem Wiener Ostbahn hofe Platzmangel entstand. Und als dann in den durchweg für die erste Klasse bestimmten Abteilen noch einige Plätze frei blieben, stopften die braven madjarisck^en Schaffner unter fröhlichen Scherzworten eine Anzahl schmucker blauer Jäger, brauner Honocd- husaren und rotkäppiger Infanteristen hinein, die, mit Fahrkarten für die 3. Klasse versehen, bescheiden auf den Perfoncnzug gewartet hatten, der hinter unserem Expreßzug abgehen sollte. Auf diese Weise kamen die überraschten Krieger in den sonst fast nur von Exzellenzen und hohen und höchsten Vorgesetzten ungefüllten Zug und langten einen halben Tag früher in Budapest an. — Dor der Abfahrt gab's auch noch eine kleine Sensation. Denn auf dem Nebengleise lief der von Popradfelka kommende Schnellzug ein, der den bisherigen österreichischen Gesandten in Belgrad Baron v. Giesl an Bord hatte. Kaum daß der in seinem Aeußern etwas an den Grafen Zeppelin erinnernde alte Herr den Wagen verlassen hatte, war er von der begeisterten Menge umringt und der Gegenstand rührendster Huldigungen. Schließlich mußte ihn ein Dutzend Geheimpolizisten förmlich aus dem Publikum heraus reißen und in den Gepäckraum schleppen, da ja die Gefahr bestand, daß auch andere Elemente auf dem Bahnhofe anwesend sein konnten. Dann dampfte unser Zug nach der ungarischen Landeshauptstadt, ab. Im Speisewagen herrschte in folge der Mobilmachung bereit» die Fleischnot. Ich hatte mir ein Filetstück bestellt, und ich mußte das Fenster schließen lassen, damit es nicht davonflog. Dafür entschädigte in etwas die wundervolle Aussicht auf die breit und mächtig dahinftrömendc Donau, deren Steilufer bereits dichten und schweren Trauben behang oufwiesen. Und je weiter wir ins ungarische Land hineinkamen, desto gesegnetere Gefilde breite ten sich vor uns aus. Zu hohen Stapeln war das Getreide bereits anfgeschichtet, denn der ungarische Bauer verschmäht die Feldscheune. Der Kukuruz zeigte sich dicht vor der Reife und in unübersehbar grogcn Feldern. Gesegnetes Banat, wo der Boden noch die Schwärze und Schwere des Ukschlamms hat. Doch auch hier der Jammer um die Lcutenot. Und was sott jetzt werden, wo die Söhne des Landes sich auf den Stationen drängen, um rechtzeitig in ihre Garnisonen zu gelangen, und auch der Landsturm allfgebotcn ist. In Preßburg vermiste ich die Kapelle .zerrissener, aber echter Zigeuner, die sonst immer jeden Expreß zug mit einem feurigen Ezardas begrüßte und die aus dem Zuge geworfenen Krcuzerstücke der Wiener und Bester „Magnaten" einsammelte. Sie hat in diesen Tagen gewiß lohnendere Beschäftigung als musika lische Begleitung der Dcmonstrationsumzüge in der Stadt gesunden. — Als der Zug langsam aus der Bahnhofshalle zieht, lese ich tief unten ein Straßen schild „L«nau utza". Und es erinnert mich daran, welche glänzenden Kriegs- und Frcihcitsliedcrdichter diesem durch Freiheitskriege blutgedüngtcn unga rischen Boden entwachsen sind. Aber auch daran, daß dicke so sreiheitlietende Nation aus unserer Fahr strecke aus dem alten deutschen Preßburg ..Pozsony'. ausWartbrrg „Szcniz", aus Neuhäusel ..Ersekujvar" und aus Waitzen „Daicz" gemacht hat, und daß der schwäbische Bauer im Banat, obwohl er der zähe hinüber und herüber. Serben, die sich in Oesterreich nicht wohl fühlen, kommen zurück und Oesterretcher, die für ihr Leben bangen, gehen hinüber. Der Jammer beider Parteien ist unbeschreiblich. Seit gestern nachmittag haben auch dieZeitungen in Belgrad zu erscheinen aufgehört. Man wird ihnen kein« Tränen nachweinen. Denn sie haben mttgeholfen an der falschen Darstellung der Lage. Nun wollen sie in Nisch das Licht der serbischen Welt wiedererblicken. Dort hat sich die Elite der Hofgesellschaft häuslich nieder gelassen, in drangvoll fürchterlicher Enge, versteht sich. Gar viele, die gestern im ersten Schreck vor dem Feinde armen Teufeln Billetts dritter Klasse mit dem Zehn-, Fünfzig-, auch Hundertfachen de» Preises abnahmen, kehrten heut« früh aus Nisch wieder hier- her zurück, da sie dort auch dann keine „Bleibe" fanden, wenn sie für bettlosr Plätze im tiefsten Keller oder auf dem ungeschützten Dache fürstliche Quartier gelder boten, die sonst nur in Atlantiks, Esplanade» und sonstigen Grandhotels gezahlt werben. Der Mut der Serben und ihr Patriotismus in allen Ehren. Aber lange kann beides über das unbe schreibliche Elend des Alltags nicht Hinwegtäuschen. Zerstörung -er warschauer Aita-elle. Wien, 29. Juli. Nachrichten» die aus Warschau hier eingetrofsen sind, stellen zwar die Gerüchte in Abrede, daß in Russisch-Polen eine Revolution ausgebrochen sei, doch ist gestern die ganze Zita delle von Warschau in die Luft geflogen Offiziöse russische Berichte suchen die Explosion durch einen Blitzschlag zu erklären. Die Krakauer „Nowa Reform«" fügt hinzu, daß zuerst das Granatenmagazin explodierte. Die Explosion war dabei so stark, daß Fensterscheiben im Umkreis von zwei Kilometern zersprangen. Zahlreiche andere Explosionen folgten. Feuerwehr und Militär waren bald zur Stelle, doch erwies sich jede Rettung wegen der fortwährend explodierenden Schrapnells und Granaten als un möglich. Der Umfang der Katastrophe konnte noch nicht festgestellt werden, jedenfalls beläuft sich der Schaden auf Hunderttausende von Rubeln. Es ist auch noch nicht bekannt, ob und wieviel Menschen leben der Katastrophe zum Opfer gefallen find. Die Katastrophe soll sich während eines heftigen Gewitter» ereignet haben; da aber, wie die „Voss. Zeitung" meldet, schon vorgestern mehrere Bomben- explostonen zu einer gewitterlosen Zeit im War- schauer Hauptpostamt erfolgten, liegt es nahe, die beiden Vorgänge miteinander in Verbindung zu bringen. Die Warschauer Zitadelle, im Nordwesten der Stadt unmittelbar an der Weichsel gelegen, ist Warschaus verhaßte Zwingburg, die zur Strafe für den Aufstand von 1830 auf Kosten der Stadt selbst in den Jahren 1832 — 35 erbaut wurde. Sie hat für Warschau in politischer Hinsicht die gleiche Bedeutung, wie die Peter Pauls-Festung für St. Petersburg, sie ist der Kerker für politische Verbrecher. Unlängst ist, wie erinnerlich, der Anarchist Eenna Hoy rn dieser Zitadelle ge storben. Der tief« Haß, den das Polentum und vor allem die Arbeiterschaft Russisch-Polens den Russen entgegenbringt, konzentriert sich in Warschau auf dies« Werkzenss der russist^M»rva«yekrM«ft»^tv!e Zitadelle, die den Namen des Kaisers Alexander I. führt, ist das stärkste Befestigungswerk Warschau». Ihr gegenüber, auf dem rechten Weichselufer, ließt das Fort Sltwizkij; außerdem befinden sich im Um kreise von Warschau ungefähr anderthalb Dutzend anderer Fort». Das verlassene öelgraö. (Von unserem Sonderberichterstatter.) Belgrad, den 26. Juli, abends. Die ganze grausige Wahrheit kommt erst jetzt und ganz allmählich an den Tag, nachdem Belgrad seine Negierung, sein Parlament, seine Truppen, seinen Hof, seine Beamtenschaft verloren hat und nunmehr auf -in kleine» Häuflein Soldaten angewiesen ist, die Leben und Eigentum der Zurückgebliebenen schützen sollen. Zur Ehre der letzteren muß ich sagen, daß sie sich bisher gesitteter benommen Haven, als wir erwarteten. Die Nacht ist keines Men schen Freund. Ganz und gar aber nicht in einer großen Stadt, die von den Organen verlassen ist, die für die Sicherheit der Menschen zu sorgen haben. Dem Herannahen dieser Nacht vom Sonn abend zum heutigen Sonntag sah ich mit bänglichen Gefühlen entgegen. Kein Licht wollte am Abend ausflammen. Ich bereute es bereits, daß ich so un- vorsichtig gewesen, Semlin zu besuchen, anstatt mir einen Platz in den nächsten besten Zügen nach Nisch zu erobern. Gashahn, elektrisches Licht, alles war abaesperrt. Wir mußten uns auf den nächtlichen Besuch von allerlei Diebes- gesindel gefaßt machen, an dem es in Belgrad auch an friedlichen Tagen nicht fehlt. Aber unser Wirt versicherte, er übernähme jede Verantwortung, wenn wir ihm das Dreifache unseres Quarticrgelde« zahlten. Er besorgte Sicherhettswachen vor dem Hause. Und wir hätten eigentlich in Gottes Namen schlafen können, wenn jetzt nicht ein anderer East in Gestalt der österreichischen Scheinwerfer zu uns ge kommen wäre. Sie tanzten unaufhörlich vor unteren todmüden Augen hin und her. Bon zehn Uhr abends ab war ganz Belgrad in magt- sches Licht getaucht, das der böse Feind der verlassenen Stadt gratis lieferte. An Schlafen war unter diesen Umständen nicht mehr zu denken. Am Morgen erlebten wir «ine neue Enttäuschung. Wir hatten uns auf den Bahnhof begeben, um die diplomatische Welt verabschieden zu helfen, die geruht hatte, die Nacht bei un« zu ver bringen. Wir konnten nun annehmen, daß jetzt der groß« Moment gekommen wäre, wo die Völker herzhaft aufeinanderschlagen würden. Stille nah und fern! Echte, rechte Sonn tagsruhe. Belgrad wie ausgestorben. Nur der Weg von Belgrad nach Semlin mit Menschen besät. In Droschken, Ochsengespannen, Lastwagen. Auto», kleinen Kinderkarren schiebt man Urväter Hausrat Kulturträger dieser Gegend ist, genau so unter der Unduldsamkeit der Magyaren leidet wie weiter drunten die Kroaten und Ruthenen. Sind da nicht die jetzigen Ereignisse in Berlin und die ganze Stellung des Ne'chsdeutschlands zudem österreilb'fch-ierbischen Konflikt, der ja doch auch der ungarrsch-s«rvischc Konflikt ist, feurige Kohlen auf das Haupt der Machthaber in Budapest? Unter solchen Gedanken fuhren wir am Spätabend in die Landeshauptstadt ein. Das fröhliche lebens lustige Budapest verleugnet auch heute seinen Cha rakter nicht. Zu Tausenden singt und lärmt das Volk auf den Straßen. Und an der Spitze der Pro zessionen, die sich trotz der Verhängung des teilweisen Belagerungszustandes immer wieder bilden, mar schieren die Kapellen der hiesigen Regimenter. Sie müssen Erlaubnis haben, denn nicht nur, daß Begleit mannschaften mit hohen malerischen Wtndlichtern die Kapellen flankieren, singt und tanzt die Truppe zu ihren eigenen Weisen, ungarischen Weisen, die die Menge hypnotisieren. Nach dem Kojsuthlied, dem Rakoezi- und dem Radetzkymarsch erklang auch di« „Wacht am Rhein" und „Heil dir im Siegerkranz", die von den deutsch sprechenden Demonstranten mit gesungen wurden. Eine ungeheure Geschäftigkeit er füllt die ganze Stadt. Durch ihre Lage ist sie der natürliche Mittelpunkt der kriegerischen Aktionen argen den Nachbarstaat geworden, und wenn es sich oewabrheiten sollte, was man hier über die hervor ragende Mitwirkung der ungarischen Regierung, vor allem des Grafen Tisza, an dem Ultimatum er zählt, so erscheint Budapest al» der politische Mittelpunkt der Angelegenheit, deren mili tärische Austragung mit dem heutigen Dienstag ihren Anfang nimmt. Mehr als 10 000 Landsturm pflichtige sind bereits hier versammelt, und von Stunde zu Stunde wächst dis Zahl der Truppen durch den Zuzug aus dem ganzen Lande. Dabei ist es von Interesse, daß auch die serbischen Bewohner des südlichen Banat, die vorzugsweise dem K. und K. In fanterieregiment Nr. 6 in Budapest angehören, be geistert herbeiströmen, obwohl ne die Sprache des Gegners sprechen und wie dieser der ortho doxen Kirche angehören. Es hat eben innerhalb 24 Stunden eine vollständige Umwälzung in Ungarn stattgefunden. Regierung und Oppo sition, die sich länger als ein Jahrzehnt hindurch in den Haaren lagen und bi» aufs Blut bekämpften, haben plötzlich Frieden geschlossen, die von den Magyaren unterjochten Völkerschaften marschieren freudig mit ihnen in den Krieg, und als am gestrigen Abend der Chefredakteur des hiesigen sozialdemo kratischen Zentralorgans „Nephsava" an einige tausend demonstrierende Arbeiter eine Ansprache da mit begann, daß die ungarländische Sozialdemo kratie sich in diesem Augenblick gemeinsam mit der Internationalen für den Weltfrieden einsetzen müsse, unterbrach man ihn mit Hochrufen auf den Krieg und Pereatrufen auf König Peter. Diese Einmütig keit der Gesinnung hält die Massen auch von allen Ausschreitungen ab. So ist die Abreise Putniks ohne jeden Zwischenfall vor sich gegangen und weder der serbische Generalkonsul noch ein mit Serbien in Verbindung stehender Privatmann bisher behelligt worden. Nur dem hiesigen „Hofzahnarzt Sr. Majestät des Königs von Serbien" hatte man gestern „vor übergehend" ein Wappen in den rotweißgrünen Farben Ungarns auf das prunkhafte Hausschild ge klebt. Wenn man bedenkt, wie fanatisch die Ungarn frMs^ MmchE geksSM chaVö,, Mch'intm dVWktzr jetzigen Haltung aufrichtige Freude haben. Vor allsm an ihrer Kriegsbegeistcrung, für . die Oester- reich sonst nicht immer alle Garantien hatte. Denn inzwischen ist das 4. ungarische Korps, das die Avant garde bilden wird, schon vollständig marschbereit. Vielfach sind die Leute sofort nach der Bekanntgabe des Ultimatums abgereist, ohne die Gestcllungsorder abzuwarten, und haben nun Zeit, auch ein paar Tage die schöne Landeshauptstadt zu besichtigen. Denn schön, unsagbar schön ist Budapest, namentlich jetzt, wo ringsum die Rebenhiigel auf eine gute Ernte schließen lassen, wo der breite Donaurücken zu allerhand Lustfahrten stromauf und stromab ein lädt, wo am Abend die elegante lebenslustige Aristo kratie am hellerleuchtcten Kai lustwandelt, von den gegenüberliegenden Höhen die alte und die neue Burg Ofen grüßt, und über dem „Eingang zum Orient", den Budapest für die Völker des Westens bildet, die weiche und lockende Luft des Südens liegt. Aber schon flötet der Hotelportier dem Auto, und während ich zum Ostbahnhof fahre, gibt mir die Volksmenge, die mit einer ungarischen Trikolore bewaffnet, den Vaczi Körat herunterzieht, in einem unwiderstehlichen Rhythmus meine Marschroute „Auf nach Belgrad! Einmarschieren! Eljen Tisza! Auf nach Belgrad!" Deutsches Reich. * Der Herzog und die Herzogin von Braunschweig sind am Mittwoch vormittag gegen 9 Uhr von Gmunden kommend in Blanken bürg eingetroffen und haben im kleinen Schlosse Wohnung genommen. Der Erbprinz verbleibt noch in Gmunden. * Stürmische Szenen bei Beratung des Eisenbahn etats in der bayrischen Kammer der Abgeordneten. Zu heftig erregten Szenen kam es in der Mittwoch sitzung der Kammer der Abgeordneten bei Beratung des Eisen bahne tats, als der Verkehrsminister von Seid lein auf die destruk tiven Tendenzen des Süddeutschen Eisenbahnerver- bandes hinwies und dabei an die Mehrheit des Hauses mit folgenden Worten appellierte: Sollen wir die Herrschaft über das Personal und damit über den Betrieb und das Wohl und Wehe des Vaterlandes den Herren Dr. Süßbeim und Roghaupter überlassen? (Lolch. Unruhe bei den Soz.) Die Angriffe dieser Herren berühren nicht einmal meine Fußsohlen. (Lebh. Bravo! im Zentrum. Stürmische Pfuirufe bei den Soz.) Die Antwort darauf muß seitens aller deutschen Eisenbahnverwaltungen lauten: Niemals! (Lebh. Bravo! im Zentrum, während gleichzeitig auf feiten der Sozialdemokraten ein großer Lärm ent stand und der M i n i st e r mit S ch i m p f w o r t en und Beleidigungen geradezu über häuft wurde.) Der Präsident war machtlos. Der Minister stand während der ganzen Szene ruhig auf seinem Platze. Er betonte, daß die rechtliche Frage, ob dem Eisenbahnpersonal das Streikrecht gewährt werden könne, ganz klar liege. Nach der Rechtslage finde diese Bestimmung auch auf das Straßenbabn- personal Anwendung. So wichtige Betriebe, wie die Armee und die Verkehrsanstalten dürfen durch eine Massenarbeitseinstettling nicht lahmgelegt werden. (Lebh. Bravo! im Zentrum. Unruhe b. d. Soz.) Da» ist der Standpunkt der Negierung, und von dicsekn Standpunkt aus müssen wir das Stretkrechtver- sagen und den Süddeutschen Eisen bahn e r v e r b a n d bekämpfen. (Lebh. Bravo!) — ^in einer persönlichen Bemerkung verteidigte sich der Abg. Dr. Süßheim gegen die Anwürfe des Ministers, indem er unter stürmischem Beifall der Sozialdemokraten schloß: Ein Minister Seidlein kann die Sozialdemokraten überhaupt nicht beleidigen. * Rangerhöhung. Dem Unterstaatssekretär im Ministerium für Handel und Gewerbe Schreiber ist bei seinem Ausscheiden aus dem Staatsdienst der Charakter eines Wirkl. Geh. Rats mit dem Prädikat Exzellenz und dem Präsidenten des König! Eisenoahnzentralamts Sa rre-Berlin der Charakter eines Wirkl. Geh. Oberbaurats mit dem Range der Räte 1. Klasse verliehen worden. Ausland. Maalra. * Rücktritt der holliindischen Offizier«? Der ..Agenzia Stefani" wird au» Dura -»o vom 28. d. M., 10 Uhr vormittag», gemeldet: Heute vormittag begaben sich die Offiziere der holländt- schen Mission zum Fürsten, um ihm di« Un möglichkeit auseinanderzusetzen, ihr Mandat zu er» füllen. Der Fürst behielt sich seine Entscheidung vor. -Hin geht da« Ge/Ücht, daß die holländischen Omttere ibr« EptloNnnLu-Mi«»« d», Kontroll
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