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Seite 2. Nr. 383. Nvenü-Nussade. Leipzig« Lagrdtatt. Dmmersrsg, 30. ^utt 1Sl4. reichen slawischen Bereine Prags und Böhmens nahmen die Staatsanwaltschaften Hau«, suchungen vor. Ueber den Omladinatlub und die Sokoloercine wurde die gerichtliche Bricfsperre ver hängt. uird zwar auf Grund einer Verfügung des Standgerichts in Serajewo wegen Verdachtes der Teilnahme an den großserbischen Hochverratsocrbrechen. Schutz -er Sotschasten in Petersburg. Petersburg, :ro. Juli. Die deutsche und die österreichisch, ungarische Botschaft werden von allen Seiten durch verstärkte Polizei« truppen zu Pferde und zu Fuß bewacht. Es ist auch verboten, sich aus den gegenüberliegenden Bürger steigen auszuhalten. Serbenfteun-liche kun-gebungen. Petersburg. ZV. Zuli. Anläßlich der Ab reise der serbischen Offiziere, die die hie sige Artillerieakadcmie besuchten, sanden aus dem Bahnhofe große Kundgebungen statt. Auch in Moskau fanden stürmische Manifestationen statt, wo bei Hochrufe auf Serbien und Frankreich ausgebracht wurden. Odessa, ZV. Juli. Hier sanden große Kund gebungen siir Serbien, Montenegro, Frankreich und England statt. Russische Maßnahmen gegen veutsihlan-. (Eigene Draht Meldung.) Berlin, ZV. Juli. Die Vorbereitungen Ruß lands an der deutschen Grenze dauern an. Die Eisenbahn drillte bei Mirballen ist durch russisches Militär mit Minen belegt worden. (?) Zn der Rahe oon Wirdallen sind mindestens liv vlltl M annMilitär konzentriert, die eine stetig« Rück- wärtroerbinduug ausrcchterhalten. Dem Vernehmen nach ist auch in dem Militärbezirk von Li bau die M o b i l m a ch u n g angcordnet worden. Sitzung -es französischen Minisierrats. Paris. ZV. Zuli. Der Ministerrat, der gestern nachmittag unter dem Vorsitz des Präsiden- tr» P)inear5 abgehalten wurde, beschäftigt« sich ausschließlich mit der auswärtigen Lage. — Eine V» r uppe von Radikalen und radikalen ' Sozialisten lies; durch eine Abordnung nach mittags dem Ministerpräsidenten eine Erklärung überreifen, in der ausgedrüikt wird, Laß die Gruppe die Festigkeit und Weisheit der Regierung in der gegenwärtigen Lage anerkenne und sich mit ihr in patriotischem Gefühle und Vertrauen aufs engste solidarisch erkläre. Nächtliche Besprechung öer französischen Minisier. P aris, ZU. Zull. Ministerpräsident Piviani hatte gestern uni Ui Uhr abends eine Besprechung im Ministerium des Innern mit mehreren Kollegen. Daraus empfing Präsident Poincarö das Kabinett. widerlegte Gerüchte. Paris, ZV. Zuli. Die „Agence Havas" meldet, daß die Gerüchte, wonach die Negierung die E i n« b c r u s u n g eines oder mehrerer Reservistenjahr, gange beschlossen habe, unrichtig sind. Die Regierung b-schräntte sich lediglich daraus. Sichcrheitsmaszregeln zu tresscn, die durch die Umstände erforderlich ge» werden sind. Dasselbe Blatt ist ermächtigt, das Gerücht zu dementieren, daß das Ministerium des Innern und die Polizeiuräsektnr sich anschickten, Ausweisungsbefehle gegen in Paris woh nende Deutsche und Oesterreicher zu erlassen. Unruhe an -er französischen Gsigrenze. (Eigener D r a h t bc r i ch t.) Paris, ZU. Zuli. Die hiesigen Blätter vcrösjent- lichen heute morgen längere Berichte über die Zu stände an der französischen Ostgrcn.e, aus denen sich ergibt, deß die gesamte Bevölkerung von un geheurer Unruhe ersaszt ist. Einen besonders tr tischen Tag hatte Ranen gestern durcl>zum<ichen. Boni frühen Morgen an drängten sich zahlreiche Men- schenmasscn zu den Banken und Sparkassen und ver- Belgrad bildet wieder einmal den Schauplatz wichtiger Ereignisse. Die befestigte Residenz und Hauptstadt des Königreichs Serbien liegt 7Z Meter ü. M. an der Vereinigung von Donau und Save und an der oon Pest nach Konstantinopel bzw. Saloniki führenden Eisenbahn, so dasz sie die Wasser- und Landverbindungen nach allen vier Him melsrichtungen hin beherrscht. Die gut armierte Festung zerfällt in die obere Festung mit Komman dantur (früher Residenz des Paschas) einigen Ka sernen, Militärhospital und bombenfesten Kase matten, in denen Sträflinge untcrgebracht lind, in die untere Festung mit großen Magazinen und Kasernen. Belgrad wird in sechs Bezirke cingcteilt. Das alte Türkcnviertel Dortschol ist fast ganz ver schwunden; gerade Straßen durchkreuzen es. B. war bis 1802 mit Wällen umgeben, durch die fünf Tore in die eigentliche Stadt führten. Unweit des schönsten dieser Tore, des 1808 niedergcrisscnen Stambul Kapu, steht das 1871 eröffnete Nationalthcater und ihm gegenüber seit 1882 das eherne Denkmal des Fürsten Michael Onrcmowitsch. Außer einer alten Kirche in der oberen Festung hat B. noch 4 griechisch- katholische und 1 evangelische Kirche, 1 katholische Kapelle, 2 Synagogen und 1 Moschee. Die Zahl der Einwohner beträgt etwa 75 000. Die Industrie ist ganz unbedeutend, dagegen ist Belgrad Sitz des Han dels zwischen Serbien und Oesterreich-Ungarn. langten stürmisch dir Auszahlung der eingezahlten Gelder. Es mußte ein regelrechter Ordnungsdienst eingerichtet werden, der auch streng durchgeführt wurde. Es war schließlich unmöglich, noch Gold- oder Silbergcld in Rancy aufzutrciben. In vollständig unerklärlicher Weise weigerten sich die Angestellten der Post und Eisenbahn, französische Banknoten in Zahlung zu uehmen. Alle diejenigen, die abreisen wollten, waren gezwungen, nach der Dank von Frank reich zu gehen, um sich dort die Banknoten umzu- wechcln. Der Handel stockte unterdessen in Nancy vollkommen. Auf dem Bahnhof waren .zahlreiche Ur laubcr erschienen, die stundenlang auf ihre Weiter beförderung warteten. Die Geldknappheit, die gestern in Nancy geherrscht hat, hat den Magistrat auf den Gedanken gebracht, Stadtbonds zu 2, 3 und 5 Franken auszugeben, um so dem Geldmangel ein Ende zu machen. Besprechung -er politischen Lage im englischen Oberhaus. London, ZV. Zuli. (Oberhaus.) In Beant wortung einer Anfrage Lansdowns jagte Morley, er habe sehr wenig über die Lage mit zuteilen. Ganz Europa sei wie aus einem Traum erwacht. Es fei sich der weitreichenden Möglichkeiten, die sich ungesichts der Kriegs ¬ erklärung eröffneten, lebhaft bewußt. Was den besten Weg betreffe, den Krieg von den zunächst nicht unmittelbar betroffenen Gebieten abzuwenden, so seien alle anderen Länder hierüber in Un terhandlungen begriffen. Ueber den Anteil der britischen Regierung an diesen internationalen Verhandlungen sei dem bereits Gesagten nicht» hin- zuzusiigen. Die Regierung werde ihre ernstlichen Be mühungen unablässig fortsetzen, da sie mit allen Kom plikationen und Schwierigkeiten der europäischen Situation wohl vertraut sei. Sie werde nicht von den Anstrengungen ablassen, der Sache des inter nationalen Friedens zu dienen, um eine soungeheureKatastrophezuvermeiden. die Mobilisation in Montenegro. Wien, 30. Zuli. Zn Montenegro sind die Mobilisierungsmaßnahmen im vollen G-ange. Die Einberufungen erfolgen durch Boten von Ort zu Ort. Die Sammlung der montenegrinischen Streitkräfte er folgt längs der Westgrenzc des Königreichs in mehreren Gruppen. In und um Niksic sind starke Truppenkontingente konzentriert worden. Bei Plewljc steht Artillerie. Im Bezirk oon Grabovo und bei Niegoujche westlich der Hauptstadt von Eetinje sollen je eine bis zwei Brigaden versammelt jein. In den montenegrinischen Fortifikationcn am Lowccn herrscht fieberhafte Tätigkeit. Aus allen Teilen des Landes gehen große Tiertransporte nach der Westgrenze ab. König Nikita und die Re gierungsbehörden sollen gestern bereits Eetinje verlassen haben und nach Podgorttza über gesiedelt sein. Die Montenegriner stehen bet Plewlje mit den Serben bis Priboj in enger Fühlung. Die Aufnahme der Kriegserklärung in Durazzo. Pari», 30. Juli. Dem „Matin" wird aus Durazzo gemeldet, die österreichische Kriegs erklärung habS daselbst eine unverkennbare Rück wirkung hervorgerufen. Die Führer der albanesi- schcn Stämme im Kucewogebiet verständigten sich, um eine Erhebung der Albanesen in Neuserbien an zuzetteln. verweigerte Schiffsversicherung. Reu» Port, 3«. Zuli. Di« Bersicherunqsgesell- schäften weigern sich entschieden, ein Schiff zu versichern, das die österreichische Flagge führt. Major vojo Tankovlc in Saloniki. Wien, 29. Zuli. Die „Südslawische Korrrspon- denz" meldet aus Saloniki: Am Sonntag traf hier mit der Bahn ein serbischer Offizier mit seiner Frau ein, der sich im Hotel als Major Bujakooic ausgab und am Montag nach Odessa weiterreiste. Durch Personen, die diesen serbischen Offizier von früher her kennen und die ihn auch während seines Aufenthaltes in Saloniki ansprachen, ist in un zweifelhafter Weise festgestellt, daß der angebliche Bujakovic mit dem Major Vojo Tankovie identisch ist, dessen sofortige Verhaf, tung die österreichisch-ungarische Note von Serbien forderte und mit Bezug auf den die serbische Regierung in ihrer Antwortnote erklärt hatte, daß sie noch am Abend des Tages, an dem ihr die Note zugestellt worden war, seine Verhaftung verfügt hätte. * Sefetzung von Selgraö. (Eigener Drahtbericht.) Wien, 30. Zuli. Nach einer in den Straßen angeschlagenen Kundgebung find bei der Ein nahme von Belgrad durch die Oesterreicher zwei Oberleutnants leicht verletzt worden. Als erste betraten die Znsanterieregimenter t>8 und 44 serbi schen Boden. Bon Amtspersonen war nur der Bürgermeister anwesend, der dem die Truppen befehligenden Oberstleutnant Leben und Vermögen der in der Stadt anwesenden Bürger anempfahl. Der Oberstleutnant versicherte, daß keinem friedlichen Bürger ein Haar gekrümmt werden würde. Bis Mittag waren alle wichtigen Punkte der Stadt oon den Oesterreichern be setzt, worauf die Wirksamkeit der österreichisch ungarischen Kriegsgesetze für Belgrad in Geltung trat. Nie-erlage -er Serben. Wien, 30. Zuli. Hier ist gestern abend die bisher unbestätigte Nachricht von einer schweren Niederlage der Serben eingetrosfen. Bei Foca an der serbischen Grenze sollen zwei ser bische Divisionen die österreichisch-ungarischen Streitkräfte angegriffen haben. Nach heftigem Gefecht gelang es den Oesterreichern, die Serben zurllckzuwerfen. Ein Teil der Serben wurde umzingelt und ihnen die Waffen abgenommen. Die Serben solven 8ÜV, die Oesterreicher 20 0 Tote gehabt haben. Ht- preßsiimmerr. Rom, 30. Juli. „Tribuna" nimmt in einem Leitartikel offen Partei für die Dreibund- SvdrsidMLSvdillsu knrdbüncler n. Loblepaplere, 6rlmm»i«ek« 8tr. 24. Vas stille Leuchten. 7j Roman von Paul Grabein. cn<_cUlein c<>, o. w. > .tt., i.e>i>rIxZ „I, du armer, kleiner Kerl!" Warmherzig dengle sich -vollen rasch nieder nnd drückte seine Lippen ans die Locken des Bübchens. Sonderbar, dabei jlog ihn plötzlich der Gedanke an, ob Fränzls blondes Kranshaar wohl anch so seiden weich sein mochte? „Sic sind sehr kinderlieb." Ruth sah ihn mit ihren klaren, stillen Blicken frcnndlich an. Holten sühlte, wie er plötzlich rot wurde. Lächerlich, wie ein ertappter ^chulbube! Und er beugte sich noch tiefer zu dem kleinen, cS zu verbergen. „Wie heißt dn denn eigentlich, mein Jungchen? Danach hab' ich ja noch gar nicht mal gefragt!" „Klans Stadler." „Klaus'?" (Lin Schatten überflog Hottens Gesicht. „So, so!" Er sagte nichts mehr, und seine Hand glitt von der Schulter des Kleinen. Verwundert nahm Ruth diese ploplicl)e Wandlung in seinem Wesen wahr. Holten fühlte, wie ihre Blicke einen Moment forschend auf sei nen Zügen hasteten, nnd er zwang sich daljer schnell wieder ein Läckzeln ab. „Du hast aber leine Angst, mein Kerlcl-en, vor dem Doktor und seiner großen Schere! Na, das ist brav. Bist ein rechter Junge!" scherzte er ivicdcr mit dem Kleinen. Dann kam Franzt mit ihrem Tänzer zurück. Der plauderte noch ein Weilchen mit ihr; dann verabschiedete sie ihn aber: „Wollen Sie, bitte, nicht auch einmal meine Freundin auffordern'?" mahnte sie leise. „Aber mit Vergnügen! — Auf Wicderschaun, gnä' Fräulein!" Und er ging, Ruth mit ge flissentlicher Artigkeit sein Kompliment zu machen. Fränzl saß nun wieder am alten Platz. „Na, hat er dich brav 'rumgeschwenkt?" lächelte die Mutter. „Ist wohl ein bissel heiß droben?" - ' — - „O — a' Mordshitz!" Fränzl fächelte sich ihre erhitzten Wangen mit einem winzigen Spitzentaschentüchclchen. „'s war scholl nimmer schön mehr." „Aber er tanzt gut, der Herr Praktikant, gelt?" forschte die Mutter weiter. Fränzl schlug gleichgültig mit dem Tuch nach einer Wespe, die sie umsnrrtc. „Aber fad ist er — mordssad!" „Sie scheinen recht anspruchsvoll zu sein, was die Herrenwelt angeht — mein gnädiges Fräulein!" scherzte Holten. (Ls freute ihn aber, daß sie über den Grünrock so kühl urteilte. „O, bitt' schön, Herr Doktor! Sagen's net so zu mir. I kann das net ausstehn: Gnä' Fräulein hinten — gnä' Fräulein vorn — wie der Necheuberger, der fade Süßholzraspler! Bitte, sagens Fräulein Stadler zu mir oder einfach Fräulein Fränzl, gelt'? Das höre ich viel lieber, und so nennen mich alle meine Be kannte." „Wenn Sie erlauben, herzlich gern, Fräu lein Fränzl!" Holten blickte ihr froh in die gro ßen, ehrlichen Kinderauaen. (Lin zu liebes Ge schöpf in ihrer herzerfriscl-cuden natürlichen An mut! Sowie sie unr kam, wurde cs schon licht und warm nm einen. Seinen kleinen „Sonnen strahl" taufte er sie heimlich in dieser Stunde. „So ist's recht," lobte Fränzl. „Scßau'u's, das klingt doch viel netter — gelt, Mutterl?" Die Mama nickte munter. „Ja, ein gnädi- gcs Fräulein haben sic im Jnschtitut in Minga auch wirklich net aus ihr fertig bringen können — aus unsrer wilden Hummel." „Ist mir auch viel lieber so," warf der Vater einmal ein. „Ich kann das Gefchranz' schon nimmer auSstehn. Immer natürlich muß der Mensch sein - das ist die Hauptfach !" Und er tat nach dieser langen Neve einen um so längeren Schluck. Eine gute Stunde war so verronnen in harmlosem Familiengeplauder, da reckte sich Fränzl ungeduldig — sie hatte schon ein paar mal sehnsüchtige Blicke nach den Hellen Berg- zinken geworfen, die.fernher durch das Baum- grün schimmerten. „Ach du, Ruth! Eigentlich ist's doch schade, daß wir hier fcstsitzcn. Wieder ein Wandertag weniger von deinen paar Wochen. Und nur wollten doch diesmal jede Stunde ausnutzen!" Ruth nickte; Fränzl hatte recht. Seit dem Tod der Eltern, die regelmäßig Sommergäste in Stadlers Haus gewesen waren — der In genieur hatte früher während der Saison immer ein paar Zimmer vermietet —, verbrachte Ruth stets ihre großen Ferien bei der Freundin, und dieses Jahr hatten sic sich allerdings fest vor- gcuommeu, täglich tüchtig zu marschieren. Sic wollten sich so auf die Hochtouren trainieren, die sie zum Abschluß von Ruths Besuch geplant hatten. „Ja, es ist schade," bestätigte Ruth, „gerade heute, wo so herrliches Wetter ist!" Frau Stadler erbarmte sich der still Seuf zenden. „Na, Papa, wenn du nichts dawider hast, könnten die Mädels ja schließlich schon immer aufbrcchen und droben über die Soolc- leitung zurückgehen. Der Herr Doktor läuft vielleicht auch lieber." „Mir ist's recht! Wcnn's dem Herrn Doktor so paßt — nachher springt los, Mad'ln!" „Ei herrlich! Du guter Papa!" jubelte Fränzl dankbar; doch dann sah sie zweifelnd auf Holten. Aber Gott sei Dank! — Er winkte ihr mit frohen Augen bejahend zu. „Wenn Sie mir Ihre Damen auvcrtraucn wollen, bin ich mit grötztcm Vergnügen mit von der Partie," wandte er sich au Fränzls Eltern. „Aber bitte! Es wird uns eine große Be ruhigung sein, wenn wir die Mädel in sicherer Hut wissen," versicherte Frau Stadler. „Nach dem tollen Stückchen neulich!" „Ach, Mutterl! Das passiert uns ja nimmer wieder," versicherte überzeugend Fränzl, sck>on aufgesprungen und sich den Hut aufs Haar steckend. „Wir werden uns ja jetzt immer so furchtbar in acht nehmen — gelt, Ruthimaus? Ihr könnt uns wirklich ganz unbesorgt ziehen lassen." „Na, wotlcn'S mal sehen!" scl-erzte die Mut- ber. „Jedenfalls übertragen wir dem Herrn Doktor feierlich unsere elterliche Autorität. Hören Sie, Herr Doktor'? Genieren Sie sich gar nicht, wenn sie net parieren wollen! Sie sind jetzt ihr Vizepapa!" „Vizepapa!" lachte Fränzl IM auf. „Tu, Ruth — wollen wir uns das gefallen lassen'?" Sic blitzte Holten mit ihren Schelmenaugen^au. Doch plötzlich machte sie eine scherzhafte demüAgc Kiudermiue: „Ach ja, lieber Vizepapa, Ruth und Fränzl wollen ganz artig sein. Dann gehst gern mit deinen Töchtern — gelt, Vizepapa!" Ihr lachender Uebcrmut steckte Holten an: „Wenn ihr hübsch brav seid — ja, Kinder!" ver sicherte er würdevoll. „O, er ist zu nett, unser Vizepapa!" lobte Fränzl. Und dann nahmen alle drei scherzend und lachend Abschied von der Familie. — — Der Söldcnkopf, den sic erstiegen hatten, lag hinter ihnen, und nun wanderten sie auf dem bequemen, immer eben an der Bergtehnc entlang führenden Promenadenweg nach Berclf- tcsgadeu zu. Es war in der letzten Stunde vor Sonnenuntergang. Langhin fielen die Schatten der Bäume und Heumaudeln über die golden über gossenen Matten. Die Drossel sang ihr Abend lied aus dem Wipfel, und ycll metallisch klang der Grillen Gezirp vom Wcgrain. Und weiter schritten sie. Die Sonne war versunken, ein milderfrischender Hauch tvehte nach dem warmen Sommertage fächelnd um die Wandernden, die in schwelgendem Dahinschreiten die wohlige Stille der sich zur Ruh rüstenden Natur ge nossen. Der Weg war so schmal, daß nur z>vei nebeneinander gehen konnten. Im Augenblick schritt Holten mit Fränzl vorauf. Da lenkte plötzlich ein Ausruf ihre Aufmerksamkeit nach hinten. „O wie schön — wie einzig schon!" Sie drehten sich nach Ruth um. Sie stand bewegungslos, andachtversunken und wies drü ben nach den Bergen. Da lagen sie, die massigen Bergriesen, in feierlichem Schweigen, und über ihnen thronte der Watzmann, das königliche Haupt im Firncusrhmuck jetzt umwoben von einer rosig glühenden Gloriole, dem Abglanz einer nur jchaucrnd geahnten anderen Welt -- tm Alpenglühen. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)!