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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140618016
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914061801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914061801
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-18
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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oonuerstas, 18. Juni 1914. Leipziger Tageblatt. Nr. 304. Morgrn-Nusgave. Srtrr 7. WWwSLW kunsl uncj wissensekaft SZSNVV E. Mertens als East: Valeska im Veilchenfresser. Die Valeska in Mosers Lustspiel bietet keine besonderen Schwierigkeiten. Sic gehört zu jeuen Rollen, oie sich von selbst spielen, wenn nur natürliche Mittel uuo ungezwungenes Emp finden da sind. Die Dame, die wir gestern im Gemäldeausstellung im Haufe -er -rutschen Kolonien. Das Haus der Kolonien birgt die Ausstellung von Gemälden Ernst Vollbehrs, die der Beachtung weitester Kreise wert ist. Der Maler hat sich bereits einen geachteten Namen erworben. In England nennt man ihn den „deutschen Turner", — ein Ehrentitel, den Vollbehrs vorzügliche Wiedergabe der Licht- und Luftperspektioe nahelegt. Deutsche Kritiker haben ihn mit Hildebrandt verglichen —, sehr mit Unrecht. (Will man sich assoziativ für die atmosphärischen Farbenphänomene, die sein Pinsel festhäit, eine Vorstellung schaffen, so wäre entfernt an die alten Venezianer zu denken, stofflich auch an Gauguin.) Man muß sich stets gegenwärtig hatten, daß es Werke eines Künstlers sino, der sich oie male rischen Errungenschaften der letzten Jahrzehnte in hohem Matze zu eigen machte. Vollbehrs Bilder sind mit Tempera gema t, be dingt durch die klimatischen Verhältnisse. (Oelfarben ziehen Schwärme von Insekten an, und Wasserfarben werden von Thermiten zerfressen.) Die kurzlebigen, tropischen Naturstimmungen fordern naturgemätz einen „fliegenden Pinsel", und so zeigen denn auch die Gemälde die flotte Mache eines technisch unge heuer sicheren und anschauungsstarken Künstlers, der die flüchtigsten Erscheinungen auf die Leinwand bannt. Nein stofflich genommen, stehen Vollbehrs Werke überhaupt in Deutschland allein. Draußen in unse ren Kolonien, vor der lebendigen Natur sind sie ent standen. Was wir bisher an farbigen Darstellungen unserer afrikanischen Besitzungen Ersätzen, waren ne-b Farbenangabe des Forschungsrsisenden kolo rierte Photographien. Nun wird uns von Künstler, ouge und -Hand ein unmittelbarer Eindruck unserer Kolonien vermittelt. Das ist ein Gewinn, der von uns Deutschen bei der stofflichen Wertung dieser Bilder hoch veranschlagt werden mutz. Die ausgestellten Werke zeichnen sich durch reichen Stimmungswechsel aus. Schönheit und Ueppigkeit dieser Landschaften sehen wir in tropischen Licht erscheinungen, die in Europa märchenhaft anmuten müssen, daneben aber auch ihre Oeden und Trostlosig keiten. Künstlerisch am höchsten steht zweifellos ein Bild aus Deutsch-Südwest: „Monolith im Orongo-Eebirge". Es ist ein Sonnenuntergang bei Kewitterstimmung. Zn ungeheurer Intensität der Farbe leuchten die goldgelben Steinmassen unter den letzten Strahlen auf, werfen auf das vorgelagerte Geröll violette Schatten, und das tiefe Himmelsblau darüber hellt sich gegen den Horizont in lichtgrllnen Wolkenstreifen auf: ein farblich und kompositorisch hervorragendes Werk. Bilder wie der „Sandsturm in den Diamantfeldern", „Wüstenglühen am Fisch- flutz" (ausgezeichnet durch seine mächtige, rein hori zontale Liniensprache und selten feine Farbübergänge), „Sonnenaufgang im Oelpalmenwald", die Farben symphonien in Blau : „Am Aeqnator" (wundervoll mit seiner dunstig-leichten und doch wuchtigen Wolken bildung) und der „Sonnenaufgang bei Harmattan- nebel" zeigen Vollbehrs hohe, künstlerische Gestaltungs kraft wie sein technisches Können. Am „Palast des Häuptlings Njojas" stört mich die lineare Durch brechung durch die Götzentrommel im Vordergrund. Hervorgehoben seien ferner „Die Panganifälle, die wie viele andere Bilder mit Obensicht gemalte „Massaisteppe", „Steine am Orongo-Gcbirge" und der farbenprächtige „Abendfrieden in Südwest". Zeigten diese Bilder Vollbehr als hervorragen den Landschafter, so finden wir ebenso viele Zeugnisse seiner hohen Porträtkunst. Ich möchte neben dem Bildnis des Njoja vor allem die Farbskizze eines Zwerges und Hofnarren nennen. Sie verrät ein Eharaktcrisierungsvermögen, daß man sie gern neben einem Velasquez sehen würde, vr. kaul Stoiümann. Alten Theater sahen, verfügt über beides. Sie sah sehr sympathisch aus und fand einen freien und frischen, zu Herzen sprechenden Ton. Ihr Spiel ist lebhaft, und ihre Svrachtechnik hat eme natürliche Durchbildung. Mehr läßt die Rolle nicht erkennen. Ein Urteil über die Weite ihrer Befähigung ist noch nicht möglich Was sie bot, war empfehlend. Die Rolle ist eine typisch naive; und das Wesen der Gastm schien nach dieser Richtung hin zu liegen. Ob sie auch charakteristische Fähig keiten besitzt, ist indessen abzuwarten. Die mit bester Laune gespielte Aufführung ist im übri gen schon besprochen worden. vr. bUsärieb Lebrocdt. * Eine neue Erklärung von Dr. Artur Dinter wird uns zugesandt. Sie enthält folgende Feststellung: „Die Blätter verbreiten die Nachricht, ich hätte be stritten, irgendwelche Aeutzerungen getan zu haben, ln denen das Wort Jude vorkommt. Das ist unwahr. Ich habe eine telephonische Anfrage der Schriftleitung eines der größten Berliner Blätter: „Haben Sie in Ihrer Ansprache an das Publikum derartige Be merkungen gemacht?" wahrheitsgemäß mit „N e i n" beantwortet. Die Anfrage bezog sich klipp und klar darauf, ob ich in meiner Ansprache derartige Be merkungen getan habe, und nicht darauf, ob ich überhaupt derartige Aeutzerungen getan habe." Im übrigen bringt sie sachlich wenig Neues und ver stimmt durch eine b ind antisemitische Tendenz: In unserer deutschen Ahnungslosigkeit haben wir, das Herrenoolk, einem fremdolütrgen Volke Gastfreund schaft gewährt, und werden von ihm zum Danke dafür nunmehr erdrosselt (!) Es handelt sich hier um die fundamentale Frage, ob in Deutschland ari scher oderiemitischerGeist siegen wird. — Die Tatsache, daß die beiden Verfasser des „Mira kel" keine Juden sind, ist ein unumstößlicher Beweis dafür, wie sehr der semitische Geist bereits den arischen Geist infiziert hat. Nur kritiklose Vor eingenommenheit kann behaupten, daß das „Mi- rakel"-Spiel bet aller Anerkenntnis für Reinhards sonstige Regieleistungen irgendetwas mit Kunst zu tun habe." * Deutsche Dichter - Gedächtnis - Stiftung. In Leipzig bestehen seit Jahren zwei Ortsgruppen der Deutschen Dichter-Eedächtnis-Stiftung unter der Leitung der Herren Dr MarMendheim, Löß- niger Straße 9, und Lehrer A. Kratzer» Leipzig- Gohlis, Wiederitzscher Straße 20. Die Herren sind jederzeit gern bereit, nähere Auskunft über die Be strebungen der Stiftungen zu erteilen und Mitglieder anmeldungen entgegenzunehmen. Der Mindestjahres beitrag beträgt 2 wofür den Mitgliedern ein Band der Hausbücherei nach freier Wahl zur Ver fügung steht. * Das Berliner Wilhelm-oon-Humboldt-Denkmal. An den Reliefs am Denkmal Wilhelms von Humboldt vor dem Universitätsgebäude in Berlin sind im vorigen Jahre erhebliche Beschädigungen vorgekommen. Auch hatten viele, ohne Rücksicht auf das Material, sehr frei gearbeitete Teile durch Wit- terungseinflüsse Schaden genommen, so daß eine Er neuerung an den Händen, Beinen und Zehen not. wendig wurde. Professor Ernst Herler hatte es übernommen, die Ergänzungen zunächst zu model lieren. dann in Stein auszuführen und anzusetzen. Jetzt ist die Arbeit soweit gediehen daß die Reliefs in einigen Tagen wieder intakt sein werden. * Verein für sächsische Volkskunst. Die am 13. d. M. im Beratungszimmer des Landesmuseums für säch sische Volkskunst, Dresden-Neustadt, unter Vorsitz des Hofrats Prof. Seyffert abgehaltene Vorstands sitzung war von Vertretern aus allen Teilen Sachsens zahlreich besucht. Oberlehrer Bürckner konnte über den Erfolg des Wettbewerbes an den höheren Schulen, Pros. Dr. Reuschel über den guten Stand der Arbeiten im Ausschuß zur Sammlung von Volks liedern, Hofrat Prof. Sey ffert über den regen Besuch und die eifrige Benutzung des Museums zu Studienzwecken berichten. Mit besonderer Befriedi gung nahm nun Prof. Dr. Curt Müller-Leipzig die Mitteilung entgegen, daß das Erscheinen des ersten Bandes der von ihm in langjähriger Arber vorbereiteten Kinderlieber gesichert sei. Von den für dieses Jahr geplanten Veranstaltungen des Vereins wurden die Hauptversammlung in Hainichen im Herbst und ein großer volkstümlicher Abend in Dresden be sprochen. Endlich wurde der Wiedereintritt in den Verband deutscher Vereine für Volkskunde ein stimmig beschlossen. * Internationale Mustkgrsellschaft in Pari». Die offiziellen musikalischen uno gesellschaftlichen Ereig nisse desKongressesderZnternationalen Musikgesellschaft fanden, wie uns aus Paris gemeldet wird, einen glänzenden Abschluß mit dem großen, unter Leitung von Paul Vrdal veran stalteten Orchesterkonzert, zu dem die kunstfreundliche FürstinPolignac die prächtigen Räume ihres Palastes in der Avenue Henri Martin zur Ver fügung stellte. Eine erlesene Gesellschaft, oie einen fesselnden Ueberblick über das mondäne Paris bot, hatte sich eingefunden und verweilte noch lange nach Schluß des Konzertes plaudernd in den gastlichen Räumen, wo eine zahlreiche Dienerschar Erfrischungen auf massiv-goloenen Tellern darbot. Das Konzert selbst erhielt eine besondere Weihe durch die Mit wirkung des greisen Altmeisters Saint-Saöns, der nach dem Programm die Ouvertüre zu „Zais" von Rameau (dessen Werke er mit herausgab), Hütte dirigieren sollen, es indes vorzog, eine Suite des gleichen Meisters am Klavier stilvoll vorzuführen. Neben Saint-Saöns stand im Mittelpunkt des Inter esses Wanda Landowika. Ihre oft gewürdigte, einzigartige Kunst des Cembalospiels stellte die polnische Pianistin wiederum in den Dienst jener entzückenden Kleinmeister vom Schlage Fr. Couperins; von dem sie neben zwei charakteristischen Rodeaus eine Chaconne „La Favorite" (aus den 1713 erschienenen „kiseen äs eliivecin") und das reizende Rondo „1- 8 t!li>okiv8 et Ik8 ealotini.8 ov la piöev ä treto»«" (1722) spielt». Gleichfalls mit hoher Auszeichnung zu nennen ist der hervorragende Geiger Jacques Thibaud, dessen edle breite Bogenführung einem Konzert in B-Moll (1744) von I. M. Lahair (1697 dis 1764) und einer Romanze aus dem A-Moll-Konzert von P Gaviniös (1726—1806) zugute kam. Eine Reihe von Orchestervorträgen vervollständigte das etwas sehr lange Programm. Besonderes In teresse erweckten ein von Dr. Escheville bear beitetes anonymes „Grand Braule" vom Jahre 1668 (nach einem Kasseler Manuskript) und das vonJ.Tiersot bearbeitete Andantino aus der „Pygmalion"-Ouver- türe von I. I. Rousseau, dem auch in der Musik geschichte epochalen Philosophen. * Entdeckung eines unbekannten Evangelien- texte». In Washington befindet sich eine vor einiger Zeit aufgefundene Evangelienhandschrift, der eme ganz einzigartige wissenschaftliche Bedeutung zu gesprochen werden muß. Sie wurde an der Stätte des alten PanopoNs ans Licht des Tages ge- fördert und von einem Herrn Freer in Kairo käuf lich erworben. Was dieser Evangelienhandschrift ihren unschätzbaren Wert sichert, ist der Umstand, daß in ihr der Text des 16. Kapitels des Markus-Evan geliums nach Vers 14 einen Passus von 16 Zeilen enthält, der in keiner anderen Evangelienhand schrift wieder vorkommt. Die überaus interessante Stelle behandelt die „Macht des Teufels" in unserer zeitlichen Welt und weist auf die Sünder hin, die Zerben möchten den geistigen und unvergänglichen Ruhm der Gerechtigkeit im Himmel". An diese Stell» schließt sich dann die allerseits bekannte Aus sendung der Jünger zur Weltbekehrung. In wissen schaftlichen Kreisen bat man die Ueberzeugung gewonnen, daß es sich hier um einen Fund von weitreichendster Bedeutung handelt, wie er wohl seit den letzten großen Papyrus - Funden der Doktoren Erenfell und Hunt in Oxyrhynchus während der Jahre 1898 — 1902 auf den ägyptischen Ruinenstätten nicht wieder gelungen ist. Das Original dieses bisher unbekannten Evan- gelientextes befindet sich glücklicherweise im Zustande bester Erhaltung. Man hat dies dem Umstande zu verdanken, daß das Manuskript auf Pergament ge schrieben, während ein Deckel aus Holz, der mit den Bildnissen der vier Evangelisten geziert ist, die kost baren Blätter schützt. Nach eingehender Prüfung haben theologische Sachverständige die Zeit der Ent stehung der Handschrift in das 5. Jahrhundert ver legt. Vielfach neigt man allerdings dazu, die un bekannte Stelle des Enangelientextes als eine Interpolation aufzufassen, doch ist der be stimmte Nachweis dafür noch keineswegs erbracht, so daß immerhin die Möglichkeit einer selbständigen originalen Evangelienhandschrift bestehen bleibt. * Das letzte Notizbuch Friedrich Hebbels. Mit einer eigenartigen und wertvollen Gabe wurden un- längst die Mitglieder der Wiener Biblio- philen-Eesellschaft erfreut Die eine der diesjährigen Jahresgaben bestand nämlich in einem Faksimiledruck von Hebbels letztem Notiz buch, das der Dichter von seinem 50. Geburtstag bis zum Tode benutzt hatte. Die von der Kunst anstalt Löwy besorgte Wiedergabe ist vortrefflich ge lungen und könnte wohl einen Nichteingeweihten veranlassen, die Nachbildung für das Ori ginal zu halten. Mit Rührung liest man die Widmung Christinens: „Meinem umigstgeliebten Nux seinem 50. Geburtstag mit dem Wunsch, daß er reden Tag wenigstens fünfzig schöne Gedanken hineinschreiben möge." Minder optrmistisch schrieb der beschenkte Dichter darunter: „Völlig m- frieden. wenn mir nur noch einer täglich vom Himmel fällt." Die Originalbrieftasche, die zahl- reiche Gedichte, Fragmente von Gedichten. Epi gramme und einzelne Notizen enthält, war von der Witwe des Dichters dem Herausgeber der ersten großen Hebbelausgabe, Hofrat Richard Maria Werner, geschenkt worden. Dieser bestimmte sie testamentarisch dem Hebbelmuseum in Wesselburen. Dr. Hans Halm besorgte nun die Herausgabe für die Bibliophilen-Gesellfchaft und hat in der Ent zifferung der oft schwer lesbaren Schriftzüge des kranken Dichters das möglichste geleistet. * Eine neue Veröffentlichung des Deutschen Ber, eins für Kunstwissenschaft. In den vom Deutschen Vereine für Kunstwissenschaft begonnenen „Denk mälern deutscher Kunst" wird, wie jetzt an- gekündigt wird, in Jahresfrist, eine neue, sehr be deutende Veröffentlichung erscheinen. Es ist dies ein auf fünf Bände berechnetes Werk Uber die vor karolingischen Miniaturen, das unter der Leitung des Wiener Kunsthistorikers Prof. Max Dvorak Dr. G. Heinrich Zimmermann heraus gibt. In diesem Werke wird zum ersten Male das gesamte erhaltene Material an illustrierten Hand schriften des 7. und 8. Jahrhunderts in wissenschaft licher Bearbeitung vereinigt werden, wobei zahl reiche, bisher noch unveröffentlichte Handschriften zur Mitteilung gelangen werden. Abgesehen von den wichtigen kunstgeschtchtlichen Aufschlüssen, die man von der Veröffentlichung zu erwarten hat, wird sie auch weiteren Kreisen von Kunstfreunden, Künstlern und Kunsthandwerkern besonders reiche Anregung bieten, da gerade die illustrierten Handschriften dieser Zeit auf dem Gebiete der ornamentalen Erfindung un übertroffen sind. Nicht weniger als 320 Lichtdruck tafeln werden eine treue Anschauung von den köst lichen Erfindungen vermitteln, die der Kunstfleiß der Mönche jener Jahrhunderte in diesen prachtvollen Handschriften niedergelegt hat. * Wissenschaftliche Mitteilungen. Die Reichs, duma bewilligte, wie uns drahtlich aus Peters burg gemeldet wird, für die Expositionen zu Nach forschungen nach den verschollenen Polarforschern Sjedow, Brussilow und Russanow 480 000 Rubel. — Professor Gast, der Vorsitzende des Deutsch-Südamerianischcn Instituts, hat laut eigenem Drahtbcricht aus Aachen von der chilenischen Nationaluniversität in Santiago eine Einladung zur Abhaltung von Vorträgen Wer deutsche Kultur erhalten. Professor Gast wird im August über Panama nach Chile reisen. * Das Zentralkomitee für das ärztliche For^ bilSungswejen in Preußen hielt unter zahlreicher Beteiligung am IS. d. M. seine 14. Generalvev-' sammlung ab. Nach Eröffnung der Sitzung ge dachte der Vorsitzende. Geh. Ober-Med.-Rat Waldeyer der im letzten Geschäftsjahr verstorbenen Mitglieder und Förderer des ärztlichen Fortbildungswesens Exzellenz von Bitter-Berlin, Prof. Kutner- Berlin. Geheimrat Bardenheuer-Köln und Geheimrat Eichhof - Elberfeld. Den Jahresbericht erstattete Professor Adam, dem die provisorische Geschäftsführung seit Anfang des Jahres über tragen war. Einen besonderen Punkt bildete die Veranstaltung von Fortbildungskursen über soziale Medizin durch besondere Provinzialkomitees. Das Referat über dieses Thema er tattete Geheim- rat S. Alexander Der Vorstand wurde beauf tragt, sich mit dem Ausschuß der preußischen Aerzte- kammern betreffs Ausgestaltung der Provinzial vereinigungen für das ärztliche Fortbildungswesen ins Einvernehmen zu setzen. Die Wahlen hatten folgendes Ergebnis: Generalsekretär wurde Professor A dam, als Vertreter des Zentralkomitees an der Düsseldorfer Akademie für praktische Medizin wurde Geheimrat Fleischhauer wiedergewählt, für die Kölner Akademie wurde Geheimrat Tilmann gewählt. Vas glück cler anüepen. 37) Roman von Fritz Stüber-Gunther. UU4 d? Lrotklviu » Co. w. d. ll. Den sonst so scheuen, wortarmen Lippen des Revisors aber verlieh ein gütiges Walten immer neue Beredtsamkeit. Und schließlich brachte er Hans Rock dahin, daß er, seine Herzensnot niederzwingcnd, das Sterbegemach verneß und nach seinen beiden Kindern sah. Der jüngere Michel war, sobald Lärm und Geschrei aufgehört hatten, voll glück licher Einfalt in seinem Wägelchen fest cingc- schlafen. Der ältere Hans, nicht mehr ganz so ahnungslos, lag auf dem Schoße der über müdeten, trunken nickenden Dicnsrmagd und fuhr von Zeit zu Zeit aus unruhigem Schlummer empor. Nun nahm ihn Hans behutsam in seine Arme und trug ihn auf das Sofa des Speise zimmers, wo er, anfänglich noch die Hand des Vaters ängstlich festhaltend, bald ruhiger atmete und träumte. Den Wagen schob er neben ihn, die Magd hieß er zu Bette gehen, den Herrn Revisor bat er, nun auch nicht länger zu ver weilen. Der aber wehrte ab: „Ich bleibe bei Ihnen. Ich lasse Sie nicht allein heut nacht. Gute Beiannte waren wir ja längst, Hans Rock, aber heute, mein' ich, sind wir uns doch mehr geworden Soll der Freund dem Freunde nichl eine Nacht opfern können? Wenn Sic dort im Stuhle ein Stünd chen zu schlummern vermögen, so tun Sie's, bitte. Sie müssen Kraft behalten, Sie werden noch Kraft brauchen. Ich werde das gleiche vcriuchen — aber in meinem Alter läßt sich der Schlasgott oft vergebens bitten." Hans Rock folgte dem Rate mit trübem Kopfschütteln. Und siehe, endlich sanken ihm die müden, brennenden Lider. Tie beiden Knaben, Hans und Michel, schlie fen jetzt so fest und selig, als ob noch an ihrer Seite treu und warm das Mutterherz pochte. Draußen in ihrer Kammer schnarchte die junge Magd, deren Teilnahme und Anhänglick)- kcit ihre natürlichen Grenzen hatte. Im Nebcngemache aber schlief Martha Nock den festesten Schlaf, aus dem sie nicht einmal mehr die schmerzliche Vereinsamung ihres Gat ten, die hilflose Verlassenheit ihrer Kinder zu wecken vermochte. Keiner wachte, als in seinem unbequemen Stuhle der alte Hagestolz Anton Gottsmann. In dem nächtlichen Gemache wurde es kalt und kälter, je mehr der trübe Wintermorgen nähte. Manchmal fröstelte des Revisors schwacher alter Leib. Aber Hans Nock aus dem Schlafe zu rütteln, ihn um eine warme Decke zu bitten, das brachte er nicht über sich. 14. Kapitel. In der kleinen und bescheidenen, kaum ein Jahrhundert alten, doch schon verwitterten und ergrauten Pfarrkirche des kleinen Seedorfes am Höllengebirge brannten am frühen Nachmittage Kerzen wie zu einem hohen Feste. Ein Fest ward begangen, aber ein Fest der Trauer. Ein Menschenkind, das hier seinen Lauf begonnen hatte, nahm auch hier seinen Abschied. In der niedrigaewölbten Torhalle stand das ungefüge steinerne Becken mit dem grünspanigen Mctalldeckel und der kleinen Holzstatue Iol;annis des Täufers, aus dessen geweihten! Wasser einst das Menschenkind sein Ehristentum empfangen hatte. Unter den braunen, wachsbctropften Bän ken im Schiff war auch jene Bank, in der es so oft, zwischen den Eltern zuerst, dann, da diese kurz nacheinander hinübergegangen waren in das weite, unbekannte Reich, allein gesessen und gekniet hatte, um seines irrenden, sehnenden Herzens geheimste Wünsche und Nöte dem nie- geschauten Schöpfer, dem die unbegrenzte Fülle der Welt gleich einem Taulröpflein am Finger hängt und den sie doch in dies enge, dunkle Haus gebannt wähnten, in uralt überlieferten Gebetsformeln vorzutragen. An den Wanden hingen die kunstlosen Bilder dec Kreuzweg stationen, an denen das Menschenkind der Lehrer, ihre melancholisch tröstliche Bedeutung erläu ternd, zu voröstcrlichcn Zeit entlang geführt hatte und die es in späteren Jahren, herangcrcift I und nun selbst die Jugend zn lehren berufen, dem ! nachkommenden Dörflergeschlechte erklärend mies. Und über dem Hochaltäre thronte, von einem Strahlenkränze umgeben, mit Perlen und Ge schmeide geziert, durch Weihrauch und Kerzen dampf nachgeduntelt, die Madonna, von der als dem Sinnbilde seiner Heimat das Men schenkind mit übervoller Brüst Urlaub genom men, da es der Heimat Frieden verließ, um dem Rufe der Lieve zu folgen, da es für die stillen Freuden und kleinen Leiden des Geburts ortes den rauschenden Lärm und die tosende Qual der Großstadt eintauschte. Alles, alles war wie einst und damals. Nur das arme Menschenkind sah es nicht mehr. Kei nen Wunsch und keine Bitte hatte es mehr, kein Fürchten und kein Hoffen. Aber noch ein mal erschien es an dieser Stätte, ehe es der Erde Boden verließ und hinabtauchte Hl ihr dunkles Inneres. Und wie beim ersten Male, so war es auch dieses letztemal nicht auf den eigenen Füßen herbeigekommen, sondern auf fremden Händen hereingetragcn worden . . . Was Martha Rocks Seele erstrebt und er sehnt, gekänipft und gelitten und geirrt hatte, das wog und prüfte nun, so ihr Glaube kein eitler Aberglaube gewesen, ein allwissender, un fehlbarer Richter. Martha Rocks Körper aber tag kalt und starr und ohnmächtig in dem schim mernden Schreine, der quer vor dem Altar der kleinen, ärmlichen Dorskirche stand, dessen Deck tuch halb zurückgeschlagen war und den der Priester jetzt mit einem Häufelchcn heimatlicher Erde und dem Wunsche" ewigwührender Ruhe segnete. Martha Rocks ehemalige Schülerinnen, zu Jungfrauen heranwachsend, hatten sich auf dem Orgelchor versammelt. Marthel Nocks einstige Schulkameradinnen, Ehefrauen und Mütter, doch glücklicher in ihrer Mutterschaft als sie, füllten in nachdenklicher Ergriffenheit, vielleicht zum Teil auch nur in gedankenarmer Neugier das Kirchenschiff. Martha Rocks Gatte kniete allein in der vordersten Bank, und sein blondlockiges, blond- , bärtiges Haupt war tief auf das Brett gesunken, j Martha Rocks und Hans Rocks treuester Freund aber stand neben dieser Bank im Schat ten eines Pfeilers, und unablässig wanderte sein trauriges, sorgenvolles Auge von dem gebroche nen Manne nach dem entblößten Sarge, nach der armen Toten hin und wiederum zurück zu dem viel ärmeren Lebenden. An dem Morgen, der auf jene creignis- und entsetzensreiche Nacht im Hause Rock gefolgt war, batte der Revisor Anton Gottsmann sich des Versprechens erinnert, das er in herrlicher Spät sommernacht auf dem stillen Dorsfriedhofe, an gesichts des silbernen Sees und mondbeglänzten Felscngebirges einer schönen, blühenden jungen Fran gegeben. Er konnte sich nicht entschließen, das Versprechen unerwähnt zu lassen. Und wenn ihn noch irgendein Zweifel beschlich, ob er damit recht getan, so nahm ihm diesen der Witwer, der die gebotene Gelegenheit, der teu ren Tahingeschiedenen nach dem Tode noch einen Wunsch zu erfüllen, mit heißer Begier ergriff und zu dessen Verwirklichung des Geldes so wenig achtete, als wäre er ein Krösus oder ein Fürst gewesen, der alle Hemmnisse nicht achtend beiseite schob. Die beiden Knaben hatte Rock, da er sie doch nicht auf die beschwerliche Winter reise mitnehmen konnte, in der Hauptstadt aber niemand Verwandten oder Befreundeten wußte, dem er sie anvertrauen mochte, notgedrungen der nicht allzu sicheren Obhut der jugendlich unerfahrenen und obendrein noch ganz verwirr ten und erschütterten Dienstmagd überlassen wollen. Anton Gottsmann war es, der nach einem besseren Ausweg gesucht und ihn schließ lich auch gefunden hatte: seine Haushälterin, Frau Kienast, die Witwe und dreifache Mutter, übernahm die Betreuung der Waisen während der Abwesenheit des Vaters. Anton Gottsmann hatte sich, ebenso wie Hans Rock, vom Herrn Amtsvorstande Baumberg einen paartägiaen Ur laub erbeten und ging dem Freunde bei dec Bestellung des Leichenbegängnisses an die Hand und begleitete ihn auch auf der traurigen Fahrt nach der Geburts- und Ruhestätte Marthas. Und wich kaum einen Augenblick lang von seiner Seite. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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