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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140617024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914061702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914061702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-17
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Erster deutscher kirr-ersthrrtz-Tas 8. L L. -alle a. S., 16. 2uni. Unter zahlreicher Beteiligung von Vertretern der Behörden und interessierter Vereine fand hier, wie wir bereits im Depeschenteile der gestrigen Abendausgabe berichteten, der Erste Deutsche Kinderschuh-Tag statt, den der Deutsche Kin derschutz-Verband veranstaltet hatte Dieser Verband setzt sich zusammen aus dem Deutschen Verein zum Schutze der Kinder in Berlin, dem Schlesischen und Sächsischen Provinzialver ein in Breslau bzw. Magdeburg und den Orts- vereinen in Altona, Chemnitz, Dresden, Hamburg, Hannover, Leipzig, Spandau und Pforzheim. — Den Vorsitz in der Versammlung führte IustUrat Dr. Becherer (Berlin). 2m Namen des Ober präsidenten begrützte Oberpräsidialrat Breyer (Magdeburg) die Tagung. Es sprachen noch Ver treter des Regierungspräsidenten und des Magistrats der Stadt Halle. Den Hauptvortrag über: „Kinderschutz und Fürsorgeerziehung" hielt der erste Schriftführer des Verbandes General sekretär Dr. Recke (Breslau). — Er ging davon aus, daß die mannigfachen behördlichen und privaten Maßnahmen zugunsten gefährdeter Kinder nicht ausreichen. Sie kommen meist zu spät und erfassen das Kind erst, wenn es schon erheblich verbrecherisch oder verdorben ist. Sie zerreißen die Familie, statt sie zu stärken und die Eltern in den Stand zu sehen, ihre Pflichten den Kindern gegenüber zu erfüllen. Daher ist der Kinderschutz, der so frühzeitig als möglich vorbeugend wirken muß, wenn er seine Hauptarbeit in die Familie legt und dort hilft, wo niemand helfen kann, notwendig und segensreich, zumal wenn er Kindern ohne behördliche Maß nahmen zu einer neuen Heimat verhelfen kann, wie es von den meisten Vereinen mit Erfolg geschieht. Diese segensreiche Arbeit erfordere neben guter Organisation und warmherzigen Menschen auch reichliche Geldmittel, weil fetzt bei allen Erfolgen doch nur Anfänge vorhanden sind und die Tätigkeit der bestehenden oder neuen Kinder- schutzvereine, die der Deutsche Verband umfassen will, erhebliche Aufwendungen erfordert. Wichtig sei auch eine klare Stellung des privaten Kinderschutzes zu der staatlichen Fürsorgeerziehung, die in Preußen nach der vorliegenden Gesetzesänderung mehr vor- beugend als bisher wirken und auch gute Kinder aus schlechten Verhältnissen erfassen will. Hier zu will der Kinderschutzverband, falls sonst keine Hilfe möglich ist, frühzeitig die Anregung geben. Er hofft, so dazu deizutragen. das jetzt doch zum Teil noch oft recht schlechte Material oer Fürsorgeerziehung zu bessern, ihren Ruf zu heben und den noch vielfach ihr anhaftenden Makel zu be seitigen. Andererseits wünschen die Kinderschutz- oereine, die selber Einrichtungen zur Unterbringung von Kindern haben, bei der Durchführung der Für sorgeerziehung so beteiligt zu werden, daß die von ihnen gemeldeten Kinder ihnen auch zur Unterbringung tunlichst in guten Familien überlassen werden. An den mit lebhaften! Beifall aufgenommenen Vor trag schloß sich eine längere anregende Aussprache. Pastor Vackhausen, der Vorsitzende des Allge- meinen Fürsorgetages, mit dem der Kinderschutz, verband zusammen tagte, gab seiner lebhaften Be friedigung über die der Fürsorgeerziehung in Aus sicht gestellte Unterstützung Ausdruck und versprach, der geäußerten Kritik gern nachzukommen, wie er auch seinerseits Wünsche an die Organisation der Kinderschutzvereine richtete. Lehrer Agahd (Neukölln) verlangte für die vor beugende Kinderschutzarbeit ganz erheblich reichere Unterstützung seitens des Staates, als das bisher geschehen sei. Den Schwerpunkt legte er mit dem Referenten auf die Familienfürsorge. „Schafft gute Mütter, dann dient ihr den Kindern am allerbesten!" Pastor Bahnson (Hamburg) unterstrich die For derung des Referenten nach weitgehender vorbeugen der Arbeit und tatkräftiger Hilfe auch für schlechte Kinder guter Eltern, für die oft schwer zu sorgen sei, während Frau Amtsgerichtsrat Neuhaus (Dortmund» ein enges Zusammenwirken zwischen dem von ihr geleiteten, ähnliche Ziele verfolgenden katho lischen Fürsorgeverein für Mädchen. Frauen und Kinder mit dem Deutschen Kindcrschutzverband wünschte. Zn seinem Schlußwort stellte der Referent Dr. Recke fest, daß in der Versammlung die einhellige Anerkennung des segensreichen Wirkens -er Kinder schutzvereine zutage getreten sei. Am hilfsreichsten und am wertvollsten werden naturgemäß immer die hilfsbereiten warmherzigen Menschen sein, die den unwissenden, schlecht beratenen Müttern beistehen. Der Vorsitzende schloß hierauf die Tagung mit Dankesworten an den Referenten und die Diskussions redner. Im Anschluß an den Kinderschutztag fand in Halle der diesjährige Allgemeine Zürforgeerziehungstag statt, über dessen ersten Verhandlungstag uns von unserem Hallenser Mitarbeiter folgendes berichtet wird: v. Halle, 16. Zuni. Am Dienstag fand die zweite Tagung des Allgemeinen Fürsorge-Erziehungs- tages statt. Vorsitzender Pastor Backhausen begrüßte die überaus zahlreich Erschienenen und gab seiner Freude Ausdruck, den Oberpräsidenten der Provinz wachsen o. Hegel willkommen heißen zu können. Der Versammlung wohnten ferner noch folgende Vertreter der Staatsbehörden bei, die der Tagung ihre Grüße entboten: Landeshauptmann v. Wil- mowski, in Vertretung des Ministers des Innern Geheimrat Schlosser, namens der Stadt Halle Stadtrat Dr. Te pelma n n , in Vertretung der Halleschen Universität Geh. Justizrat Finger, namens des Konsistoriums für die Provinz Sachsen Konststorialrat Martins- Madcburg, für den Re gierungspräsidenten von Merseburg Regierunzs assessor Freiherr o. Franste. Vertreter hatten ferner entsendet: die Minister des Innern in Mün chen, Karlsruhe, Schwerin, Gotha, der Odcrpräsident von Brandenburg, Posen, der Rheinprooinz, der Polizeipräsident von Magdeburg, der Oberlandes gerichtspräsident, der Erzbischof von Köln, die Bischöfe von Freiburg, Paderborn, Osnabrück und Trier. Am Allgemeinen Fürsorgc-Erziohungstag sind alle Konfessionen gleichermaßen beteiligt. Neben den Protestanten und Katholiken nehmen auch die Israeliten daran teil. Rabbiner Dr. A. Kahlocrg- Halle ist Mitglied des Landesausichusses der Provinz Sachsen. Nach der Begrüßungsansprache ergriff Professor Dr. F. W. Förster- München das Wort zu seinem Thema „Autorität und Selbstrrgierung bei der Leitung der Jugendlichen", das sich in tiefgründiger Weise in das ewige Problem von jung und alt, demokratischer und aristokratischer Weltanschauung zuspitzte. Zn den folgenden Leit sätzen ist der Kern der gehaltvollen Ausführungen Prof. F. W. Försters enthalten: ' Die «Sechste Hesanziehung der Jugendlichen zur Selbstregierung und Selbstverwaltung empfiehlt sich aus folgenden Gründen: 1. Als notwendige Anpassung an die psychologi schen Bedingungen hochentwickelter wirtschaft- licher Kulturarbeit. (Qualitätsarbeit verlangt moralische Selbsttätigkeit.j 2. Als eine wichtige Methode moralischer und staatsbürgerlicher Erziehung. (Entwickelung von Selbstkontrolle, Gemelnfinn, Gerechtig keitsgefühl.) » 3. Al» allgemeine pädagogische Notwendigkeit. (Erst durch praktische Mitarbeit und Verant wortlichkeit für geordnete Zustände werden junge Leute innerlich für die «ache der Ord nung gewonnen und für freiwilligen Gehorsam erzogen. Die einseitige Autoritätzpädagogik niacht einen wirklich autoritativen Einfluß auf die Zungen unmöglich.) 4. Als notwendige Anpassung an den besonderen psychologischen Zustand der modernen Zugend. (Die antiautoritative Stimmung der modernen fungen Leute macht einen möglichst geringen Gebrauch repressiver Methoden und eine mög lichst große disziplinarische Verwertung gerade der zur Rebellion tendierenden Charaiterkräfte (Ehrgefühl, Bandeninstinkte, Tätigkeitsdrang) sehr ratsam.) 5. Als hellpädagogische Notwendigkeit gegenüber Abnormen und Verwahrlosten. (Die abnorm Jndiszioliniertcn sind ganz besonders explosiv gegenüber aller bloß repressiv-autoritativen Leitung. Gegenüber ihrer großen Suggestibili tät bedürfen sie einer besonderen Stärkung ihrer Selbständigkeit. Zhr Lewissensleben be darf des kollektiven Halles durch Hebung in gemeinsamen sittlichen Entscheidungen und Verantwortlichkeiten.) E-zieherdisziplin und Selöstregierung sind beide gleich wichtige Faktoren der Zugendbildung, die Zugend muß lernen, eine von höheren Instanzen aus gehend« Ordnung willig und exakt anzunehmcn, und sie muß lernen, selber Ordnung hervorzubringen. Wo einer dieser beiden Faktoren fehlt, ist ein Mißlingen der Erziehung zweifellos. Zm Anschluß an die Ausführungen Prof. Dr. F. W. Försters-München kam mit Anstaltsdirektor N e m p p i s - Wabern ein Praktiker zu Wort, der aus dem reichen Schatz seiner Erfahrungen den Vor trag Prof. Dr. F. W. Försters ergänzte und zeigte, wie in England und Nordamerika die Selbstbetäti gung und maßvolle Selbstregicrung der Jugendlichen die schönsten Resultate gezeitigt haben. Das Thema des Vortragenden: „Die praktischen Versuche mit der Selbstbetätigung der Anstaltszöglinge" unter Bezugnahme auf Ergebnisse einer Studienreise in England ugd Nordamerika bot Gelegenheit, die zahlreichen pädagogischen Versuche in diesen Ländern (wie jugendliche Gerichtshöfe, Haus- und Spiel gemeinschaften usw.) kritisch zu beleuchten. Allen diesen Bestrebungen ist gemeinsam, dem Selbständig keitsdrang der Zugend, besonders der Anstaltszög- linge, in weitestgehender Weise entgegenzukommen, um so das Verantwortlichkeit-;- und Ehrgefühl, die freie Selbstbestimmung der Zugendlichen zu fördern und zu entwickeln. Die folgenden Leitsätze zeigen die Hauptgedanken des Vortrages: 1. Zn der Anstaltserziehung liegt die Gefahr der Unselbständigkeit und Verkümmerung be rechtigter Triebe. Um dies zu vermeiden, sind die Zöglinge zux selbsttätigen Mitarbeit heran- zuziehen. 2. Zn den Vereinigten Staaten von Nordamerika wird in den Reform Schools das Cottage- System unter Aufwendung großer Mittel in weitgehendem Maße durchgcführt, woraus sich die Heranziehung der einzelnen Zöglinge zur Mitwirkung im Familienleben, ein Verant- wortlichkeitsgesühl für den Geist des Hauses und Verständnis für die Bedingungen des wirtschaftlichen Lebens von selbst ergeben. Außerdem bieten der eifrigst gepflegte Sport und häufige militärische Hebungen ein reiches Feld der Kraftentsaltung. 3. Zn den Reformator!) Schools Englands, die im Unterschied von Amerika wesentlich ein facher eingerichtet sind, tritt das Familienleben zurück hinter dem gemeinsamen Änstaltsleben; durch die Uebertragung von Aufsicht-;- und Ehrenämtern, z. T. mit militärischen Rang- stufen, besonderen Abzeichen und Belohnungen, sowie durch intensive Pflege des Sports wird der „soUrcspoct" in wirksamer Weise belebt. 1. Mit der Uebertragung staatlicher Formen auf das gesamte Anstaltsleben und der Einrichtung non jugendlichen Gerichtshöfen mit Straf gewalt wird erzieherisch wenig erreicht. Es fehlen im jugendlichen Alter die lebendigen Voraussetzungen hierfür. Zn kleinerem Kreise kann jedoch in zwang loser Weise der Sinn für die Notwenigkeit und den Zweck solcher Formen und Einrichtungen durch praktische Beispiele und Ucbungen ge weckt und betätigt werden. ö. Zn jeder Anstalt ergibt sich aus dem jewei ligen Bedürfnis heraus die Notwendigkeit, einzelnen Zöglingen verantwortliche Ver trauensämter in der Hausgemeinschaft, Arbeitsgemeinschaft und Spielgcmeinschast zu übertragen. Die Uebertragung solcher Ehren ämter kann auch durch Wahl erfolgen. 6. Um das innere Zntercsse und tiefere Verständ nis für das Änstaltsleben zu fördern, empfiehlt sich zwanglose Heranziehung älterer Zöglinge zu Besprechungen über äußere Anstaltsange- legenheiten, über die Ausgestaltung der Haus ordnung sowie über Erzichungsproblcme, wo bei es sich besonders um Weckung des gegen seitigen Verantwortlichkeitsgcfühls handelt. 7. Reiche Gelegenheit zur Entfaltung der freien Selbstbetätigung bieten die verschiedenen Ver eine zur Pflege der körperlichen Ausbildung oder zur Belebung der Anstaltsfcste: ihre Selbständigkeit richtet sich nach der Reife und Intelligenz der jeweiligen Zöglinge. Es ist jedoch darauf zu achten, daß durch das Vereins wesen das übrige Änstaltsleben nicht beein trächtigt wird. 8. Es lassen sich auf diesein Gebiete nur An regungen geben. Die Art und» der Grad der Selbstbetätigung müssen als etwas selbständig Gewordenes ans dem Geist des Hauses heraus wachsen. Beide Vorträge entfesselten einen lebhaften Meinungsaustausch. Direktor Pfeiffer-Berlin führte aus, daß die so neuartig scheinend«» Gedanken den Anstaltsleitern durchaus nicht unbekannt sind. Er warf ferner die Frage auf, warum die Methode der Selbstbetätigung nicht in Gymnasien und anderen Lehranstalten angewendct werde, bevor man in Für- jorgeanflalten diese gewagten Versuche unternimmt. Man müßte erst Erfahrungen sammeln, ehe man die neuen Gedanken in die Fiirsorgeanstalten trägt. Zn der Bildung l».s Gemüts und des Intellekts aller Zöglinge, nicht in der Erziehung der Befähigten zu .Führernaturen", sieht Redner die erstrebenswerte Erziehungsmethode. — Anstaltsdirektor Blnnck (Olsdorf bet Hamburg) schildert, wie aut sich Selbst betätigung und Selbstregierung der Zöglinge seiner Anstalt bewährt haben. — Geheimrat Anton- Halle erklärte sich im großen und ganzen mit den Ausführungen Professor F. W. Försters einverstan den, erkennt aber die Bedeutung de» autoritativen Einflusses, wo zersetzend« Elemente an der Arbeit sind Sodann trat Mittagspause ein. Der Nachmittag war der Besichtigung der einzig- artigen Franckeschen Stiftungen gewidmet. Die Kongreßteilnehmer versammelten sich in dem schönen, altehrwürdigen Versammlungssaal, wo, nachdem die Orgelklänge und die Hellen, klingenden Stimmen der Zugendchöre verklungen waren, Ge heimer Regierungsrat Prof. v. Dr. Fries einen Vortrag über „August Hermann Franck es Bedeutung für die Pädagogik" hielt. — Mit warmen Worten dankte der Vorsitzende Herr Pastor Backhausen für den lehrreichen Vortrag, worauf man zur Besichtigung der Stiftungen und An stalten schritt. ßehteUachrichten Vom sächsischen Hofe. Dresden, 17. Zuni. Der König kam heute von Wachwitz ins Residenzschloß, um daselbst militäri sche Meldungen sowie die Vorträge der Staats minister und des König!. Kabinettssekretärs ent gegenzunehmen. Eröffnung des Grotzschiffahrtsweges Berlin—Stettin. (Eigener Drahtbericht.) Berlin, 17. Juni. Der Großschiffahrts weg Berlin —Stettin ist heute in Anwesen heit des Kaisers eröffnet worden. Der Kaiser fuhr von Potzdam aus kurz vor 8 Uhr im Automobil durch den Oderbruch über Freienwalde, Lderburg nach Niederfinow. Um 11 Uhr traf der Monarch an der Schleuse Nr. 3 in Hohenfinow, vor der ein Festplatz hergerichtct worden war, ein. Der Minister der öffentlichen Arbeiten v. Breitenbach hielt eine Ansprache, an die sich eine Besichtigung der Kanalakbeiten und Erläuterung der Pläne anschlossen. Als man auf den Festplatz zurückgekehrt war, erklärte -er Kaiser, an dessen Seite sich Prinz August Wil helm befand, den Kanal für eröffnet, mit großem Dank an alle, die das große Werk, daz den Namen Hohenzollernkanal erhalten soll, vollenden halfen. Niederfinow, 17. Zuni. Die Rede des Ministers o. Breitenbach lautete: Zu allen Zeiten ist in Preußen der Schaffung und Ausgestaltung der Ver kehrswege und ihrer Anpassunc^an die jeweiligen Bedürfnisse des Landes die ganze «arge des Staates zugewendet worden. Jahrhunderte vor der Inbetrieb nahme von Eisenbahnen haben die Herrscher des Hohenzollernhauses diese Sorge durch die Anlage von Wasserstraßen mit zäher Tatkraft weitschauend getätigt. Schon vor dem drejßigjähriaen Kriege, im Jahre 160ö, ist unter dem Kuriürstcn Joachim Fried rich mit dem Ausbau einer die Spree und Havel mit der Oder verbindenden Wasserstraße, dem heutigen Finow-Kanal, begonnen worden. Die Schrecken des 30jährigen Krieges haben den Finow-Kanal bald nach seiner im Jahre 1620 erfolgten Inbetriebnahme verfallen lassen. Erst Friedrich 11. war es Vorbehal ten, auch dieses Kulturwerk wieder zu beleben, um dann später das zweite große Friedens werk in dieser Landschaft, die Urbar machung des Oderbruches, anzuschließen. Die Erkenntnis der Unzulänglichkeit für den ge waltig gestiegenen neuzeitlichen Verkehr der Reichs hauptstadt sowie ihres weiten Hinterlandes, der Wunsch, den blühenden Ostseehafen Stettin in ge steigertem Maße zum Vermittler dieses Verkehrs zu machen und gleichzeitig die Interessen der Landes kultur in den Provinzen Brandenburg und Pommern zu fördern, führten zur Erbauung dieses neuen Schifsahrtsweges in wesentlich vollkommenerer Aus gestaltung mit weit geringerer Schleusenzahl und in Abmessungen, die den Bedürfnissen des Verkehrs lange Zeit Rechnung tragen werden, gleichzeitig aber zum Ausbau der Oder bis Stettin. Unter des Kaisers lebhaftester Anteilnahme und Förderung ist das große Verkehrswerk im Einvernehmen mit den ge setzgebenden Körperschaften und nach Übernahme der geforderten Garantien von Seiten der Städte Berlin und Stettin sowie unter Beteiligung anderer Interessenten, insbesondere der Provinz Pommern und der Stadt Charlottenburg, vorbereitet und voll endet worden. Seine Weihe vollzieht sich heute an gesichts der vierstufigen Schleusentreppe, des hervorragendsten Bauwerkes der neuen Wasser straße, die das Herz der Mark mit den Fluten der Ostsee kraftvoller als bisher verbinden wird: sie er folgt angesichts des alten dem Verkehr verbleibenden Wasserweges, des Finowkanals, und angesichts der frohblühcndcn Fluren des einstigen Oderbruches. Wenn ich mit Eurer Majestät Ermächtigung dieser Schisfahrtsstraße zwischen der Haupt- und Residenz stadt des Reiches und dem Lderstromc den Namen „H o h e n zo l l c r n - Ka n a l" beilege, so geschieht dies in Dankbarkeit und zur bleibenden Erinnerung an die friedlichen Großtaten unseres angestammten, geliebten Fürstenhauses, denen sich dieses jüngste Werk des Verkehrs zum Segen unseres Preußenlon des ruhmvoll anschließt. — Die Rede des Ministers schloß mit einem dreifachen Hoch auf den Kaiser. Ein Vortrag Roosevelt». (Eigener Drahtbericht.) London, 17. Juni. Der Expräsident Roosevelt hat gestern abend vor den Mitgliedern der Geo graphischen Gesellschaft einen Vortrag über seine Forschungsreise nach Brasilien gehalten. Einberufung türkischer Offizier«. Berlin, 17. Juni. (P r i v a t m e l d u ng.) Wie wir zuverlässigst erfahren, haben die Mächte ein Ein gehen auf den türkischen Protest gegen die Ein verleibung der türkischen Mittelmeerinscln in Griechenland abgelehnt. — Auch die Türkei hat in den letzten Tagen ihre in Berlin beurlaubten Offiziere telegraphisch einberufen. Die griechischen Einberufungsbefehl« sind bisher nur für drei Reservejahrgäng« erlassen worden. An amtlicher Berliner Stelle hält die ruhige Beurteilung der griechisch-türkischen Spannung an. Oer Kampf um Vurazzo. Durazzo, 17. Juni. Durch Zunkspruch wird vom Kreuzer „Szigetvar" mitgeteilt: Das Gefecht in der Nacht zum 16. Juni hatte nur kurze Zeit ge dauert und sich auf rin erfolgloses gegenseitiges Feuer beschränkt, welche» nach einer Hülben Stunde auf der ganzen Linie völlig verstummte. Die übrig» Nacht verlief ohne Zwischenfall. Der Feind räumte die Höhen nördlich von Durazzo und zog sich in der Richtung auf Rasbul hinter die Hügelkette zurück. Dort stehen starke Posten der Aufständischen. Der gestrige Vormittag verstrich, ohne daß das Gewehr feuer wieder eröffnet wurde. Immerhin wurden die Anhöhen von Durazzo zeitweilig mit Geschütz- feuer bestrichen. Das eigene sowie feindliche Ge lände wurde nach Toten und Verwundeten abgesucht, deren Anzahl zwar nicht genau bekannt ist, aber Hundert« von Personen betragen muß. Während des ganzen Vormittags wurden die aufgefundcnen Toten beerdigt. Die Leiche des Obersten Thomson wurde in das im Palais eingerichtete Hospital gebracht und dort aufgebahrt. Sie soll aus Mangel an Kon servierungsmitteln hier bestattet und später nach der Heimat übergeführt werden. Der Fürst drückte der Familie des Gefallenen sein herzlichstes Beileid aus. Für gestern abend war ein Vormarsch der Re gierungstruppen mit den vorgestern hier ange- kommenen 1200 Malissoren gegen das Rebellenlager bei Schiak geplant. Da der Fürst aber einen Rast tag angeordnet hatte, wurde d«r Vorstoß um einen Tag verschoben. In das Palais sind Nachrichten aus Kawaja gelangt, daß dort gestern nacht Kämpfe der Regicrungstrupen mit Rebellen stattgcfunden haben. Dio Rebellen sollen sich ergeben und erklärt haben, keine eigenmächtigen Ziele zu verfolgen, sondern zum Kampfe ausgehetzt worden zu sein. Das Begräbnis des Obersten Thomson. Durazzo, 17. Juni. Gestern sand hier das Begräb nis des Obersten Thomson statt. Auf Befehl des Bürgermeisters blieben die Läden geschlossen. Zn der Stadt lvaren Trauerfahnen gehißt. Die Fürstin legte am Sarge einen Lorbeerkranz nieder, ebenso der Für st, dessen Kranz mit der höchsten alba nischen Auszeichnung geschmückt war. Zwei Abteilungen österreichische und italienische Matrosen erwiesen die militärischen Ehren. Dem Trauerzugc folgten das diplomatische Korps, drei Admirale, die städtischen Behörden sowie eine große Menschen menge. Voraus schritten Mirditen und Gendarmerie. Der Handel mit Kriegsschiffen. Buenos Aires, 17. Zuni. Die argentinische Regie rung darf die beiden Kriegsschiffe „Rivadavia" und „Moreno", die in den Vereinigten Staaten gebaut wurden, nicht verkaufen, da auf ihnen verschie dene Steuerungen angebracht sind, die amerikanische M i l i t ä r g c h e i m n i s s e bergen. Laut einem mit den Vereinigten Staaten abgeschlossenen Vertrage sollen nun die Schiffe an die amerikanische Regierung zurückverkauft werden. Wegen Brandstiftung verurteilt. Zittau, 17. Zuni. Aus Rache schon zweimal zum Brandstifter geworden ist der 20 Zahre alte Schweizer Preiß von hier. Er wurde erst im März d. Z. nach Verbüßung einer wegen Brandstiftung ihm auf erlegten Gefängnisstrafe aus der Strafanstalt ent lassen und zündete kurz darauf das Schuppengebäude seines früheren Dienstherrn, des Gutsbesitzers Körner in Königswalde, an. Das Schwur gericht verurteilte ihn dafür zu zwei Jahren iteun Monaten Zuchthaus und fün; Jahren Ehrenrechtsverlust. Schwere Wolkenbrüche. Kassel, 17. Juni. In einem großen Teile Kur hessens und» auf dem angrenzenden Eichsfelde haben wolke ii bruchartige Gewitter regen schwere Schäden angerichtet. An vielen Orten sind die Feld- und Eartenfrüchte durch Hagel schläge vernichtet oder durch die Fluten der aus den Ufern getretenen Wasserläufe mitsamt d«r Mutter erde weggeschwemmt worden. Kleine Brücken, leichte Baulichkeiten, Geräte und Materialien sowie frisch gemähtes Heu wurden fortgerissen. Mehrfach mußten Wohnhäuser geräumt werden. In der Homberger Gegend lag der Hagel fünf Zentimeter hoch. Der Blitz äscherte an mehreren Orten Anwesen ein. In Baumdach schlug der Blitz in das Stations gebäude ein und tötete ein Kind des Vorstehers; ein zweites Kind wurde verletzt. In Binsfoerth erschlug der Blitz zwei italienische Arbeiter. In Kuellstedt wurde die 13jährige Tochter des Gast wirts Wehenkcl aus dem Heimwege vom Felde, in Solz bet Bebra der 20jährige Sohn des Tischler meisters Schmauch durch Blitzschlag getötet. Der Fernsprechverkehr war unterbrochen. Au» Furcht vor Strafe erschossen. (Eigener Drahtbericht.) Stettin, 17. Juni. Heute hat sich der Husar Proninski von der 1. Eskadron der Stolper Husaren aus Furcht vor Strafe erschossen. Vom Hitzschlag getroffen. (Eigener Drahtbericht.) Posen, 17. Juni. Auf dem Truppenübungsplatz Warthelager wurde heute ein Soldat des 16. Ulanenregiments vom Hitzschlag getroffen. Er starb bald darauf im Lazarett. Telegraphischer Witterungsbericht vom 16. Zuni. I j I«m- ! !«!»»«»- k o» Uvfiti«« üokü<!«lc»> o,«„« »p»d«fg lii-mmlr »,(,p -i-" 4IN -l-'S -tis 0»«fHIüpft Sf»p»»pdufz a»«s»>ü0ft S»,f>ie» Lxtlpfx, l i»a Iplr <ol>!zf»d i S»»»pn 470-17S0>S»i1 üplpkppk»« L41-1570 soS-ILVS «sr-inü Suv-ISLZ 7,1-15'0 705-10-4 k«ö-ib40. (47-tr^! jpplopte» 84,-7114 724-0,4 201-,»7 ... r». -1(>-157d <»«»»> S„-70! td«p»,,x» pf. i pf. »oOipp«. >V«tt«f, -mitNl" ! pf. «p»!«p>. wptlif, pf. >.,tt»f, «I,», pf, «Mei». »,N,f. lM«, d ««»»<>, U»f»«f ligp», «mONOI , «!*»» d««pl«t, »m» «>*»« »Mtl»!, I «lrfk«f ftsppp, «I-rr »mtUM «e»«»s»»f »i-e it»»»f * Friedrichshafen (Bodensee), 16.2unt, 7 Uhr vorm. Bericht der K. Drachenstation. 1. Auf dem Bodensee »Mitte): Witterung: bedeckt. Aussicht: beschränkt. Wassertemperatur: 15° C (am Ufer höher 2—3"). Luft temperatur 1V" T. Windrichtung und-stärk«: Leichter Westwind. 2. 1000 m über dem Bodensee: Luft temperatur 9° E. Windrichtung und -stärk: Mäßig starker Nordwind. Die vorliezeM A»--abe »»saßt 8 Seiten
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