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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 17.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-17
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140617024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914061702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914061702
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-17
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Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Vie griechijih^türkifihe Spannung Wie wir bereits meldeten, sind die Großmächte sowohl in Athen als auch in Konstantinopel vor stellig geworden, um die beiden Regierungen zum Einlenken zu bewegen, und es darf angesichts dieser übereinstimmenden diplomatischen BeruyiMngsver- suche gehofft werden, daß der Krieg vermieden wird. Inzwischen fährt Talaat Bei in Kleinasien fort, Ordnung und Ruhe zu schaffen. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Vorstellungen der serbischen Regierung. Konstantinopel, 17. Juni. Von unterrichteter «eite wird erklärt, daß der serbische Geschäfts träger im Auftrage seiner Negierung dem Groß- wesicr den freundschaftlichen Rat erteilt habe, die Verfolgungen der Griechen einzustellen, da deren Fortsetzung die gegenwärtigen ausgezeichneten ser bisch-türkischen Beziehungen beeinflussen könne. — Die Antwort soll beruhigend gewesen sein. Die Beruhigungsreise Talaats. Konstantinopel, 17. Juni. Der Minister des In nern teilte telegraphisch mit, daß er sich am Dienstag morgen nach Burla begeben habe, um die Auswan derungsbewegung einzudämmcn. Nachmittags begab er sich mit dem griechischen Metropoliten nach G u n y e. Die Bevölkerung war zur Auswanderung bereits auf der Bahnstation, ließ sich aber, da Trup pen zu ihrem «chutze bereits entsandt und vierzig Exzedenten verhaftet worden waren, von ihrem Vorhaben ab bringe». Am Montag wurden etwa hundert Exzedenten festgenommen. — Am Montag kam in einem kleinen Orte l>ei Aiwali ein Brand aus, wobei vier Häuser eingeäschert wurden. Auch dort wollten die Bewohner auswan dern, ließen aber aus die Ratschläge Talaats von ihrem Vorhaben ab. Bestrafung türkischer Beamter. Konstantinopel, 17. Juni. Der Minister des In ner» Talaat Bei hat hierher telegraphiert, daß er den Gouverneur der Dardanellen und des «anoschals wegen Nachlässigkeit fi, der Frage der Auswanderung der Grieche» sowie Len Stellvertreter des Gouverneurs von Aiwali wegen eigenmäch tigen Verlassens seines Postens ab gesetzt habe. Vertagung der griechischen Kammer. Athen, 17. Juni. Die Kammer hat wegen der Unsicherheit der gegenwärtigen Lage ihre Arbeiten für einige Zeit vertagt. Freilassung des Ingenieurs Tack. Konstantinopel, 17. Juni. Der belgische Land- mirtschaftsingenieur Tack, der von Räubern ent führt worden war, ist wieder frcigelassen worden. polttilette Ueberliettt Die bulgarische Anleihe in Deutschland. Das „Echo de Paris" veröffentlicht nacljstehende Information aus privater Quelle: „Wir erfahren, daß zwischen der bulgari schen Negierung und den deutschen Finanz leuten, die seit einiger Zeit wegen einer 500 M i l l i o n e n - A n l e i h c mit Bulgarien ver handeln, ein Abkommen zustande gekommen ist. Es erstreckt sich einstweilen allerdings nur auf einen Vorschuß von »0 Millionen Mark, es ist aber wahrscheinlich, daß der Abschluß der voll ständigen Anleihe nicht mehr lange auf sich ivarten lassen wird. Ilm diese 80 Millionen zu erlangen, hat die bulgarische Negierung folgende Verpflich tungen einzugehen: 1. der Hasen von Lagos ist von einer deutschen Gruppe zu erbauen; 2. die Konzession für die den Hafen bedienende Eisenbahnlinie wird ebenfalls einer deutschen Gruppe erteilt; 3. eine deutsche Gruppe erhält die Konzession auf eine weitere Eisenbahnlinie, deren Straße noch näher zu bestimmen ist; gegebenenfalls kommt an Stelle dieser Konzession diejenige eines Bergwerks in Be tracht. Das Tabakmonopol figuriert also einst weilen nicht unter den Deutschland angebotenen Garantien, da die Negierung den Widerspruch der Sobranje fürchtet. Es erscheint aber nicht zweifel haft, daß schließlich auch das Tabakmonopol den Darleihern zugestanden wird. Die Schaffung eines Hafens in Lagos, in aller nächster Nähe der Dardanellen, läßt natürlich die Frage auftanchen, welcher Flotte cs gegebenen falls gestattet sein wird, diesenHafenalsBer- provtanticrungsort zu besuchen. In deut- schen Kreisen versichert man zwar, daß Deutschland seit dem ersten Balkankriege jede politische Erobe rung am Balkan aufgegeben habe, dagegen müssen wir aber feststcllcn, daß Deutschland überall Ver bündete gegen die russische Politik sucht und daß es nicht an das Bestehen des öfters reichischen Kaisertums glaubt, als dessen Haupterben es sich betrachtet. Deutschland legt einen Hauptwcrt an diesen Interessen in Klein asien, und für jeden, der in Kleinasien gegen den russischen Einfluß kämpfen will, ist es von Wichtig keit, einen Stützpunkt am Balkan zu haben." Die Mitteilungen des Pariser Blattes über die Anlciheoerhandlungen sind im wesentlichen richtig. Wir hatten schon im Laufe der vorigen Woche in unserer Handelszeitung darüber Näheres veröffent licht. Die daran geknüpften politischen Fol gerungen sind — gelinde gesagt — eine arge Unfreundlichkeit, weil sie darauf berechnet sind, zwischen Deutschland und Oesterreich Mißtrauen zu erzeugen. Das plumpe Mittel d-es „Echo de Paris" wird indes seinen Zweck nicht erfüllen, denn man weiß in Oesterreich ganz genau, daß Deutschland der artige Pläne, wie sie ihm in Paris «»gedichtet wer den, nicht hegt. Vas erste Auftreten -es Kabinetts Viviani Nach dem amtlichen Bericht umfaßt die Mehrheit von 362 Stimmen, die dem Mini sterium Biviani ihr Vertrauen aussprach, 142 geeinigte Radikale, 11 sozialistische Radikale, 20 republikanische Sozialisten, 64 Mitglieder der radikalen Linken, 56 Linksrepublikaner, 34 Mit glieder der demokratischen Linken, 4 unabhängige sozialistische . Republikaner, 3 gemäßigte Re publikaner und 25 Wilde. — liegen das Ministerium stimmten sämtliche 101 Mitglieder der Gruppe der geeinigten Sozia listen, 1 revolutionärer Sozialist, 18 geeinigte Radikale, 1 gemäßigter Republikaner, 14 .Kon servative und 4 Wilde. Der Abstimmung ent hielten sich 93 Abgeordnete, der Mehrzahl nach gemäßigte Republikaner und Konservative. Die g c m ä ßi g t-re p nb l i ka n i s ch c n und konservativen Blätter äußern zwar lebhaft ihre Befriedigung darüber, daß nunmehr die Durchführung des Dreif ahrsö ge setze s gesichert erscheine, machen jedoch aus ihren Bedenken wegen des sonstigen Programms des neuen Ministeriums kein Hehl. — Der „Figaro" schreibt: Vivianl war einen Augenblick lang der Dolmetsch aller Pa trioten, und das soll ihm hoch ungerechnet werden. Aber betreffs seiner übrigen Pläne sind alle Besorgnisse gerechtfertigt. Er hat wieder einmal die „Reichen" denunziert, als ob sie in der Nation eine Klasse für sich bildeten. Er hat unter der Näaske steuerpoliti scher Gerechtigkeit für die Zukunft Gewalttätig keit und Haß gesät. Eines der letzten Bollwerke gegen die'vorwürtsstürmendc Demokratie bildet noch das Dreijahrcsgesep, und deshalb wird es von allen echten Franzosen instinktiv verteidigt. Wie gestern in der Kammer, richtet Iaurds heute in der „Humanitö" scharfe Angriffe gegen die Regierung, indem er u. a. schreibt: Es ivar ein böser Lag für das Ministerium, das sich zugleich rückschrittlich und zweideutig gezeigt hat. Was die Stellung des Muistcriums unhaltbar macht, ist der Umstand, daß cS sicb anscheinend auf die republikanische Mehrheit und die Kräfte der Linken stützen will und dabei durch irgendwelche dem Elnsee gegenüber ein gegangene Versprechungen gezwungen ist, für das Drcijahresgcsctz eine Formel anzuwenden, die von der Mehrheit der Republikaner be kämpft wird. Der „Radikal" stellt mit Bedauern fest, daß sich der Block gestern gelockert habe, spricht jedoch die Hoffnung ans, daß er sich bald von neuem befestigen werde und daß die Regierung das ihrige dazu beitragen werde. Heer un- Zlotte. * Völliger Neubau des Militärluftschifses Z. I. Die Untersuchung des bei Diedenhofen zerstörten Militärluftschiffes Z. I. hat ergeben, daß der Luft- kreuzer so stark beschädigt ist, daß ein voll« ständiger Neuaufbau in der Zeppelinwerft notwendig ist. Die erhaltenen Teile de» Luft schiffe» sind nicht zahlreich. Soweit amtliche Er mittelungen bisher an Ort und Stelle vorltegen, ist die Ursache der neuen Zeppelinkatastrophe nur in höherer Gewalt zu suchen. Deutsches Reich. * Teilnahme de» österreichischen Thronfolgers an den deutschen Manöver». Erzherzog Franz Ferdinand begibt sich am 12. September in Begleitung des Chefs des Generalstabes, Freiherrn v. Conrad, und des stellvertretenden Chefs des Eeneralstabes, Gene rals Höfer, sowie des Vorstandes der Militärkanzlei des Erzherzogs, Obersten v. Bardold, zu den deutschen Kaisermcrnövern, die vom 14. bis 18. September bei Gießen und Wetzlar stattfinden. * Der Bundesrat wird am Freitag nächster Woche seine letzte Sitzung vor der Sommerpause abhalten. Mit diesen Tagen erreichen auch die Be ratungen der Ausschüsse ihr Ende. * Der bayrische Ministerpräsident Graf -ertling ist in Kö In eingetroffen und hat die Werkbund- Ausstellung eingehend besichtigt. * Das Fideilommißgejetz in der Kommission des preußischen Abgeordnetenhauses. In der Kommission zur Erledigung der ersten Lesung des F id e i k o in m i ßg e setze s gab der Justiz minister zugleich im Namen Les Landwirt- jchaftsministers zur Frage der gesetzlichen Regelung und entsprechenden Bindung des bäuerlichen Besitzes die Erklärung ab, die Staatsregierung sei bereit, das Fit-eikommißgesetz und eine entsprechende Festigung des bäuerlichen Be sitzes mit allen Kräften zu fördern. Im Rahmen dieses Gesetzes sei indessen die Lösung praktisch un ausführbar, es müsse vielmehr an die Anerbengesetz gebung angeknüpft werden. Es handle sich also dar um, ein gebundenes Ancrbenrecht zu scl-affen. Das Material dazu solle sofort mit allen Kräften beschafft werden. Wenn möglich, solle die Vorbereitung dazu dienen, eine Vorlage zustande zu bringen, die als neuer Abschnitt dem Gesetz noch eingcfügt werden könne. f Strafverfahren gegen polnische Zeitungen. Die Staatsanwaltschaft in Posen hat gegen den „Dzicnnik" und den „Kuryer" ein Strafverfahren wegen Verletzung des Urheberrechts, begangen durch die Veröffentlichung von Dokumenten des Ost- markenvercins, eingeleitet. Wie erinnerlich, sind diese Dokumente auf unlauterem Wege in den Besitz der polnischen Presse glanzt. * Der erste Vorstoß gegen das neue Spionagegesetz. Das Landgericht Würzburg beschlagnahmte die von einem Kinematographenbesitzer gemachten Aufnahmen von militärischen Hebungen auf dem Exerzierplatz wegen Vergehens gegen das neue Spionagegesetz. Der verhaftete Operateur wurde inzwischen wieder aus der Haft entlassen, die Freigabe des Films jedoch abgclehnt. * Der Verein Münchener Berufsjournalisten be schloß „infolge der Erfahrungen und Eindrücke auf dem Leipziger Verbandstage der deutschen Journa listen- und Schriftstellervereine" einstimmig seinen Austritt aus dem alten Verbände. * Ter Prozeß des Abbö Wetterls gegen General Keim wird am 24. Juni d. I. vor der Straf kammer II in Kolmar seine Fortsetzung finden in der Berufungsinstanz. General Keim hatte s. Z. den Abbö Wetterlö in einem Artikel im „Tag" sehr scharf angegriffen, worauf der Abbö den General wegen Beleidigung verklagte. Das Amtsgericht hat den General Keim wegen Beleidigung zu 200 Mark Geldstrafe verurteilt. Man wird dem Ausgang der Verhandlung vor der Strafkammer in Kolmar wohl allgemein mit großem Interesse entgegensehen. Ausland. Zrankreich« * Wegen Spionage verhaftet. Nach einer Mel dung aus To ul hat die Untersuchung ergeben, daß der Zeichner Piltz französischer Staatsangehöriger ist nnd sich der Militärpflicht entzogen hatte. Piltz, der bereits frcigelassen worden war, ist von neuem verhaftet worden und wird als M i l i 1 ä r f l ü ch t - ling vor ein Kriegsgericht gestellt werden. Norwegen. * Eröffnung der Spitzbergenkonferenz. Am Diens tag ist in Thristiania die Spitzbergenkon ferenz eröffnet worden. Vertreten sind Dänemark. Schweden, Norwegen, Großbritannien, die Vereinig ten Staaten, Frankreich, Holland, Rußland und Deutschland. Der Minister des Aeußern Ihlen entbot der Konferenz im Namen der Regierung Will komm und sprach die Hoffnung aus, daß die Arbeiten des Kongresses güte Ergebnisse zeigen mögen. Der norwegische Gesandte in Kopenhagen, Hagerup, wurde zum Vorsitzenden der Konferenz gewühlt. RuKIanS. * Versuchter Bombenanschlag? In Odessa wurde kurz vor der Ankunft des Zarenpaares ein Anarchist verhaftet, nachdem in dem Hotel, in dem er abge stiegen war, ein b o in b e n a r t i g e r Eegenstanv ge» -sunoen worden war. Rumänien. * Ergebnis'der Wahlen. Nach dem endgültigen Ergebnis der S e n a t s wa h l e n für die kon stituierende Versammlung sind gewählt: 81 Liberale, 22 Konservative, 12 konservative Demokraten und 3 Unabhängige. * Der Besuch Ssasonows. Minister Ssasonow ist Montag abend in Bukarest eingetrosfcn. Ihm zu Ehren fand auf der russischen Gesandtschaft ein großes Diner statt und daran anschließend ein Empfang. Am Dienstag vormittag reiste Ssasonow in Begleitung des Ministerpräsidenten Bra- tianu, des russischen Gesandten und des Personals der Gesandtschaft nach Sina ja. Von dort machten sie mit zahlreichem Gefolge von der Grenzstation Predoal aus einen Ausflug in das sehr romantische ungarische Gebiet bis in die Nähe von Kronstadt. Abends kehrten die Herren nach Bukarest zurück. Minister Ssasonow nahm sodann an einem Diner im Ministerium des Aeußern teil. Seine Abreise nach Rußland erfolgte um 11 Uhr nachts. Vereinigte Staaten. * Verhandlungen mit Earranza» Vertretern. Die amerikanischen Delegierten der Friedenskonfe renz sind nach Buffalo gegangen, um mit den Vertretern des Generals Carranza zu konferie ren. Wie man erfährt, erwarten sie die Liste der Mexikaner zu erhalten, unter denen die Konstitu tionalisten einen provisorischen Präsidenten zu wählen bereit wären. Koloniales. * Maßregelung eines Rechtsanwalts in Kamerun Im „Deutschen Kolonialblatt" findet sich die Mit teilung, daß die Zulassung des Rechtsanwalts Friker in Duala zur Ausübung der Rechts anwaltschaft bei den Bezirksgerichten in Duala und Kribi und dem Obergericht in Buea widerrufen wor den ist. Rechtsanwalt Friker soll nach den „Berl. Reuest. Nachr." die Neger in ihren Treibereien gegen die deutsche Regierung beraten und unterstützt haben. ttecht unck Bericht. * Frankfurt a. M., 16. Juni. Freigefprochen. Vor der hiesigen Strafkammer standen heute als Angeklagte der Rechtsanwalt Karl Fehl und der Gefanaenaufseher Helfrich. Fehl gab zu, dem Aufseher Helfrich vom Preungesheimer Gefängnis kleinere Beträge, im ganzen etwa 130.L daiür gegeben zu haben, daß er Untersuchungs gefangenen den Rechtsanwalt Fehl als Vertei diger empfahl. Die Sache kam zur Kenntnis der Behörden durch eine Anzeige des Bureauvorstehers von Fehls Bruder, des Rechtsanwalts Otto Fehl. Vom Ehrengericht der Anwaltskammer wurden in zwischen beide Brüder, der eigentliche Urkeber der LennnziationOttoFehl sowohl als auch der Angeklagte Karl Fehl vom Anwaltsstande ausgeschlossen. Das Gericht erkannte gegen Karl Fehl wie gegen den Gesangenaufjeher Helfrich auf Freisprechung, da sich die Behauvtung der beiden Angeklagten, daß es sich nur um Trinkgelder gehandelt habe, nicht widerlegen ließ. Lpc? : I*roi»v»:i<Ivi»80knke. Tel. 11189. kei Vas glück cler anckrrrn. 36j Noman von Fritz Stüber-Gunther. «Lopxr>t;l>t NN4 OrotUIsin L Oo. li. m. b. tl. l-oiprizx.» Die Botin verschwand jetzt mit Zittern und Zagen im Innern der Wohnung, von wo die Iammerrnfe heranstonten, nnd an ihrer Statt erschien ein ernster fremder Mann, der Arzt, der, mit Mühe seine gewohnte berufliche Ge messenheit wahrend, schnell nnd eindringlich zu dem Revisor sagte: „Ich danke Ihnen, daß Sie meinem Rufe folgten, im Namen Ihres Kollegen. Der darf in seinem gegenwärtigen Zustande keine Minute sich selbst überlassen werden. Ich weiß, er ist jetzt nicht bei Sinnen. . . . Was gcschel-en ist, fragen Sie? Ein Verbrechen ist begangen worden, ein Verbrechen gegen Natur und Menschheit — ein in unserer unnatürlichen Zeit leider längst nicht mehr unerhörtes. Die arme Frau hat cs ver übt, hat es gesühnt und ist, denke ich, allein dafür verantwortlich. Aber cs könnte sein, daß der Mann schließlich von jemandem gehört wird, der von seiner Unzurechnungsfähigkeit, von der Grundlosigkeit seiner wütenden Sclbstanklagen, nicht so fest überzeugt ist. . . Sollen die zwei armen Würmer dort hinten im Winkel an dem Tage, der ihnen die Mutter geraubt hat, auch noch den Baler verlieren?" Der Arzt empfahl sich mit stummem Hände druck. Mit zwei Schritten war Anton Gottsmann in der istubtz, wo sein Amtsgcnosse Rock vor dem erkalteten Leichnam seiner Gattin auf den Knien lag, sich die Haare raufend, die ver krampften Finger ins Gesicht schlagend und immer wieder schauerlich aufschreiend: „Ich bin der Schuldige! Ich habe dich ge- tötet, Martha! Schuld an deinem Tode bin im!" Den Eintritt Gottsmanns merkte er nicht. Dieser schickte die Magd, die sich voll Grauen «an die Wand gedrückt hatte, aus dem Zimmer, tzr den yvstMen Aychyn. Dqnn legte er in un säglichem Erbarmen die Hand ans des Knien- den Schulter: „Lieber, lieber Freund. . Hans Rock zuckte empor und sah den Stö rer leeren, fremden Blickes an. Und begann von neuem hohl und heiser: „Nein, keine Rücksicht mit mir! Rücksicht verdien' ich nicht! Strafe will ich, härteste Strafe!" Plötzlich aber, als erkenne er nun mit einem Male den Freund, in verändertem Tone: „Sehen Sic sic an, die Arme! Der Schmerz, der fürchterliche schmerz auf ihrem Gesicht!. Bis zum letzten Augenblick hat sic ihn geleugnet, erst der Tod hat ihn gcoffenbart. Bis zum letzten Augenblicke hat sie nicht an sich gedacht, nur an mich Elenden, nnd ihre zwei schuldlosen, hilflosen Kinder . . . ." Schnell sich au diese letzten Worte klam mernd und an die weichere Stimmung, die ans ihnen sprach, trat Anton Gottsmann zwischen Hans Rock nnd das Bett, ans dem die Leiche hin- acstrcckt war. Und faßte Rocks Hände und hielt sie, da dieser sie ihm entwinden wollte, mit schier übermenschlicher Kraft fest. „Hans!" rief er ihn an, zum allerersten Male bei seinem Taufnamen. „Hans! Denken aber auch Sic an die, die Sie soeben genannt haben — an Ihre Kinder? Hilflos sind sie nicht, solang' sie einen Vaetr haben — bitstos werden sic erst, wenn der sie im Stiche läßt!" Hans Rocks Haupt sank tiefer herab. Ein peinvollcs Stöhnen kam aus seiner Brust, seine Hände wurden schlaff. Nach einer Weile aber hob er von neuem an: „Meine Schuld . . . Meine Schuld .. ." Gottsmaun legte deu Arm um seine Schul tern und suchte ihn emporzuzichcn. Siehe, es gelang. Daun mühte er sich, ihn vom Sterbe lager wegzuführcn. Wohl sträubte sich der Wit wer, doch gab er schließlich nach. Gebroctien, wil lenlos, ließ er sich tzum Tische geleiten und sank dort auf einen Stuhl. Gottsmann aber holte das Licht herbei, das neben der Toten flackernd gestanden hatte, nnd zog das Linnen, das sic bis zum Halse bedeckte, sanft über ihr wächsernes Antlitz. Dabei schlug ihm das Herz bis zur Kehle hinauf. Aber tapfer kämpfte er seine Schwäche nieder und setzte sich neben den Freund, und redete zu ihm mit leiser, fester stimme: „Eine Schuld, Hans, und ein Geheimnis werden leichter, wenn man sie beichtet. Zeigen Sie mir die Last, die ans Ihrem Herzen liegt, vielleicht doch, daß ich Ihnen tragen helfen kann." „Ich habe sic in den Tod getrieben!" unter brach ihn Rock, und fast schien es, als ob er neuerlich in seinen Verzwciflnngskamps fallen sollte. „Sie war mein Opfer! Ihr Mörder bin ich!" Den Revisor überlies cs kalt. „Hans," sagte er mit bebenden Lippen, „denken Sie um alles in der Welt jetzt an die Lebenden, nicht an die Tote! Bei allem, was Ihnen heilig ist, bei dem Andenken der teuren Geschiedenen dort beschwör' ich Sie, Hans: Schauen Sie mir ins Gesicht — sie war Ihr Opfer? Sie haben sie gemordet?" Hans Rock nickte schwer: „Meine ungerechten Vorwürfe, stille und laute, meine mürrischen Blicke, meine Verdroßen- heil und Verzagtheit haben sic in den Tod ge- trieben. Heimlich hat sie geduldet, heimlich mit sich gerungen. Nichts sollt' ich wissen von ihren Kümmernissen, von den Leiden ihrer Seele nnd ihres Leibes, damit meine Ruhe nicht gestört tverde. Aber ich war die Ursache, bin der Ur heber." Anton Gottsmann, der mit nicht mehr zu steigernder Erregung an des Redenden Lippen gehangen hatte, salteie jetzt die Hände wie zu einem Dankgebcte. Und förmlich jubelnd tam cs aus seinem Munde: „Gott sei gelobt — wenn das Ihre ganze Schuld ist!" Darauf der andere mit krassem Blickt „Ist sie Ihnen nicht schwer genug? Preisen Sie Ihren Schöpfer, sag' ich Ihnen, daß Sie nicht daran zu tragen haben!" „Lieber, teurer, armer Freund," flüsterte Gottsmann heiß, „wie sehr ermess' ich Ihren Schmerz! Wie ganz fühl' ich Ihre Pein! Aber trotzdem, trotzdem ist mir jetzt ein Zcntncrblock von der Brust gewälzt." Finster, feindselig wollte Rock sich erheben. Anton Gottsmann drückte ihn mit sanfter Ge walt in den Stuhl zurück: „Hören Sie mich an, Hans! Geschehenes ist jfi'schehcn, Getanes nimmer ungetan zu machen. Ob Sie auch Ihre Schuld, das eigene Herz zer fleischend, noch so vergrößern — Ihre Kinder dürfen dafür nicht büßen. Und darum, Hans, Hütte ich Sie, — der Herrgott verzeih' mir's — sogar kniefällig gebeten, Ihr Verbrechen still bei sich zu tragen, wenn Sie wirklich ein solches begangen Hütten. Ja, das Hütt' ich getan und vor meinem Gewissen verantwortet. Aber wei nen nnd lachen mocht ich zugleich, weit ich mich grundlos geängstigt habe. Nicht init Absicht haben Sie Ihre arme Martha von Ihrer Seite gedrängt, sondern unfreiwillig und, ja, unbe wußt. Ihr eigenes Leben hätten Sic geboten für das ihrige. So kenn' ich Sie, Hans — und, nicht wahr, ich kenne Sic recht?" Hans Rock stöhnte nicht mehr, er schluchzte laut. „Gegen schwarze Gedanken, düstere Stim mungen", fuhr Anton Gottsmann fort und legte seine schmale, magere .Hand auf des anderen gcbeuatc breite Schulter, „ist keiner von uns ge feit. Aber wenn Ihr flüchtiges Denken schaurige Gestalt gewann, io ist es nicht durch Sie ge schehen, ein unergründliches und unbesiegbares Schicksal nat dies vollbracht." Hans Rocks starker Leib schüttelte sich in wehem Schmerze, er hatte das Haupt tief in den Händen vergraben. (Fortsetzung in der Morgenan-vabe.)»
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