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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140620018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914062001
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914062001
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-20
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 308. Morgen-Nusqave Leipziger Tageblatt. Sonnadenü, 20. 3uni lSl^. und hat stets al» Nebenbuhler Essad Pascha» gegol ten, dessen Platz jetzt für ihn frei geworden ist. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Der betrogen« Fürst. Ismail Kemal, der sich von Brindisi nach Ba. lona einschifste, erklärte einem Korrespondenten der .,Tribuna", er habe die jetzigen Ereignisse in Albanier: vorausgesehen und die Kontrollkommission sowie die Negierungen in Rom und Wien aufmerk sam gemacht, sei jedoch nicht gehört worden, da man glaubte, er spreche in persönlichem Interesse. Den Fürsten treffe keine Schuld. In ein fremdes Land gekommen, sei er irregeführt und betrogen wor den. Die Verantwortlichkeit treffe alle, auch die Holländer, die sich unnütz in die Politik gemischt hät ten. Er werde sich in Dalona um den Frieden b«< mühen. Prenk Bibdodas Marsch aus Durazzo. Skutari, 19. Juni. (Wien. K. K. Tcl.-Korr.-Bur.) Prenk Bibdoda hat erklärt, falls Kroja sich nicht freiwillig ergebe, werde er, um nicht Zeit zu verlieren, die Stadt nicht angreifen, sondern unter Rückendeckung westlich vorrücken, um sich Du razzo zu nähern. — In Durazzo ist gestern nacht wieder ein Lichtsignalwechsel zwischen der Stadt und Rastbul beobachtet worden. poMette Ueberttettt Die Fürsorge bei Unfällen im öffentlichen Dienff. Die Reichsregierung in Uebereinstimmung mit den Regierungen der größeren Bundesstaaten war zu der Ucberzeugung gelangt, daß eine angemessene Fürsorge bei Unfällen im öffentlichen Dienst auf ge setzlichem Wege hcrbcizuführen sei. Rur war man sich dabei nicht völlig über den einzuschlagenden Weg einig, vor allem nicht darüber, ob die Regelung zweck mäßiger reichsrechtlich oder landcsrcchtlich zu erfolgen habe. Denn es ergab sich aus der Eigenart der Materie von selbst, daß sie mindestens ebensosehr in die Zuständigkeit der Einzelstaaten wie in die des Reichs fällt. Zwar ist das Gesetz über die Dienst- unfallfiirsorge als Neichsgesctz im Rcichsamt des Innern ausgearbeitet und den bundesstaatlichen Re gierungen zur Kenntnisnahme übermittelt worden. Weiter als bis zu diesem Punkte sind aber die gesetz geberischen Arbeiten noch nicht gediehen, da die Zü- ständigkeitsfrage erst noch Gegenstand eingehender Beratungen aller beteiligten Ressorts bilden wird. Es entspricht daher in keiner Weise den Tatsachen, daß ein solcher Gesetzentwurf dem Bundesrat bereits zur Beschlußfassung vorlicge. Zrau pankhurff trlumphatrix. Wie wir bereits in der gestrigen Abend ausgabe meldeten, hat es Frau Pankhurst durch- gesetzt, mit einer Abordnung der Wahlwciber von Asquith empfangen zu werden. Damit triumphiert Frau Sylvia Pankhursts Ausdauer über die Hart näckigkeit des Premierministers Asquith. Frau Pankhurst, die am 16. Juni verhaftet wurde, als sie sich auf einer Tragbahre an der Spitze des Suffra- «ettenumzuges nach dem Unterhaus begeben wollte,, mußte am Donnerstag abend nach einem Hunger-' und Dur st streik aus dem Holloway-Gefünanis entlassen werden. Zuerst wurde sie in ein Woh nungsheim im Osten Londons gebracht, aber getreu ihrer Erklärung, sich nach ihrer Freilassung von neuem zum Parlament zu begeben, fuhr sie in einem Auto mobil nach Westminster. Dort hatte sich bereits, nach der„V Z.", eine große Suffragettenmenge eingcfunden, Frau Pankhurst fuhr durch das St. Stephens Portal ins Parlament. Rach kurzer Zeit erschien Mr. Keir Hardy, der ihr erklärte, daß es ihm nicht ge lungen sei, den Premierminister zu bewegen, sie zu empfangen. Frau Pankhurst beichloß hierauf, den Hungerstreik vor W c st m inster fortzusetzen. Sie wurde von ihren Anhängerinnen aus dem Wagen gehoben und in der Rähe des Einganges zum Par lament nicdergelegt. Die Polizei schritt nicht gegen sie ein, sondern drängte nur die übereifrigen Suffragetten, die den Wagen um gaben, zurück. Das Bild einer vor Hunger sterbenden Suffragette vor dem Tore des Parlamentsgebäudes rührte endlich das Herr des Premierministers. In seinem Namen erschien Lans- bury und teilte ihr mit, daß der Premierminister sich bereiterklärt habe, eine Abordnung der Suffra getten zu empfangen. Frau Pankhurst fuhr hierauf im Automobil nach Hause, bejubelt von ihren Frauen und unter dem Indianergekreisch einer zahlreich zu- sammengelaufenen Zuschauermenge. Vie Zrieöensverhan-lungen in Niagara Zalls. Die Verhandlungen zu Buffalo mit den Ver tretern Larranzas über die Wahl eines provi sorischen mexikanischen Präsidenten waren, wie wir bereits meldeten, abgebrochen worden, da die Vertreter Carranzas darauf bestanden, den Präsi denten aus ihren Reihen zu nehmen, während die Vertreter Huertas dies abgelehnt und das Verhalten der Vereiingren Staaten abfällig beurteilt hatten, die ihnen die Annahme dieser Bedingung zugemutet hatten. Die amerikanische Regierung gibt jetzt eine Erklärung heraus, in der sie ihre An sicht wiederholt, daß die Einsetzung eines Präsi denten aus den Reihen der Aufständischen das einzige Riittel sei, das den Feindseligkeiten ein Ziel setzen und weiteres Blutvergießen verhindern könne. Diese Erklärung wird aufgefaßt als Zeichen sllr eine unabänderliche und unnachgiebige Haltung der Vereinigten Staaten in den ferneren Unterhandlungen. Heer und Zlotte. Rivalität und Entwicklung der siidamerikanischen Marinen. Zwischen den drei Hauptstaaten Südamerikas, Argentinien, Brasilien und Chile, besteht seit langer Zeit eine Rivalität im Flotttenbau, die sich durch die Einstellung von neuzeitlichen Linienschiffen und Torpodobootszerstörern vornehmlich äußert. Die an Schisfszahl größte Flotte besitzt Brasilien, das auch den höchsten Personalbestand (9600 Köpfe) aus weist. Dann folgt Argentinien, das aoer jetzt durch die neuen Liiuenschisse „Nioadavia" und „Moreno", die 28 000 Tonnen Wäger verdrängen, 12—30,5-Zentimeter-Geschütze führen und 22 Knoten laufen sollen, Brasilien überflügelt hat, da es noch über vier Panzerkreuzer von je 7000 Tonnen verfügt und zwölf große Torpedoboots zerstörer besitzt, von denen acht durchaus modernen Ansprüchen genügen. Brasilien weist zurzeit zwei Großkampfschrffe auf s„Sao Paolo" und „Minas Geracs", 21 000 Tonnen und 12—30,5-Zentimctcr- Kanonen.) Das in letzter Zeit ost genannte Schlacht schiff „Rio de Janeiro" (28 000 Tonnen und 14- bis :iO>.'»-Zentimeter-Kanonen) soll ja erst Ende 1914 fertig sein, wenn es nicht verkauft wird. Angeblich ist beabsichtigt, ein weiteres Linienjchifs von ähn lichen Dimensionen zu bestellen. Der brasilianischen Flotte fehlen zurzeit im Vergleich mit der argen tinischen deren moderne Torpeoobootszerstörer sowie die Panzerkreuzer. Der Besitz an geschützten Kreuzern (sechs mit zusammen 12 000 Tonnens sowie zwei Küstenpanzerschiffen nebst einer Anzahl Kanonenbooten kann dies Manko nicht wettmachen. Weiter sind drei Unterseeboote in Italien in Bestellung gegeben. Chile besitzt zurzeit noch keine kampfbereiten Linienschiffe. Die beiden in Dau ge gebenen „Almirante Latorre" und „Almirante Cochrane" sollen erst Ende 1914 und Anfang 1015 fertiggestellt sein. Ihr Tonnengohalt soll 28 000 Tonnen betragen, und die 10—35,6-Zenti- meter-Geschiitze sollen wie auf dem englischen „Orion" aufgestellt werden. Zur,zeit besteht die Seemacht Chiles aus zwei Panzerkreuzern von 7100 und 8W0 Tonnen, zwei geschützten Kreuzern, zehn Tor pedoboots,Zerstörern ldrei modernen) und sechs Tor pedobooten. .Von - den sechs im Bau befindlichen Torpedobootszerstörcrn sind im Jahre 1912 zwei an Rumänien verkauft worden, zwei Unterseeboote sind im Bau. Die Personalstärke der Marine beziffert sich auf rund >»000 Köpfe. In Anbetracht der Wir kungen des Panamakanals bereitet die chilenische Negierung einen weiteren Ausbau des militärischen Küstenschutzes vor. Forts und Verteidigungswerke sollen die Linie von Arica bis Talcahuano schützen, und bei einer amerikanischen Firma sind große Be stellungen von Küstengeschützen aufgegeben worden. Die einzige Republik, die weiter einen beschränkten Anspruch einer Art Seegeltung machen kann, ist Peru, das von Frankreich den Panzerkreuzer „Dupuy de Lome" aufgekauft hat. Außerdem sind noch zwei geschützte Kreuzer, ein ungeschützter Kreuzer sowie zwei Unterseeboote vorhanden. Deutsch«» Reich. * Ein erwartetes Dementi. Der Pariser Presse wird offiziell bckanntgegebcn, daß während der Zu sammenkunft des Deutschen Kaisers mit dem Erz herzog-Thronfolger Fran; Ferdinand in Kono pi s ch t von einer Einführung der dreijährigen Dienstzeit in der deutschen und österreichischen Armee nicht die Rede gewesen ist. Weder bei uns noch in Oesterreich bestehe die Absicht einer Ver längerung der Dienstzeit. — Wir bemerkten schon im gestrigen Abendblatte, daß diese Nachricht der Pariser Presse ganz offenbar nur zur Unter stützung der Freunde des französischen Dreijahrs- gesetzes lanciert worden ist. * Veröffentlichung des Konkurrenzklauselgesetzes. Der..Reichsanzeiger" veröffentlicht heute das Gesetz zur Äenderung der 88 74, 75 und 76 Abschn. 1 des Handelsgesetzbuches (Konkurrenzklausel), das nm 1. Januar 191!» in Kraft treten soll. * Anschlag oder Zufall? Auf der Fahrt von Rastede, der Lommerresidenz des Großherzogs von Oldenburg, nach Elsfleth wurde das Auto mobil des Großherzogs am Wagenschlage von einer Teschingkugel getroffen, die der Chauffeur bei einer Reinigung des Wagens vorfand. Die Kugel entstammt einem 9-Millimeter-Gewchr und ist stark verbeult. Im Wagen befanden sich der Großherzog und seine beiden Töchter Jngeborg und Altburg, sowie eine Hofdame und ein Leibjäger. Von den Insassen hat niemand den Schuß gehört. Es herrscht allgemein die Ansicht, daß man es nicht mit einem Anschlag zu tun hat, sondern daß aus einem Garten am Wege, in dem geschaffen wurde, das Ge schoß versehentlich gegen das Gefährt des Groß herzogs geflogen ist. Ausland. Nie-erlan-e. * Beschlüsse der Ersten Kammer. Aus Haag wird gedrahtet: Die Erste Kammer hat folgende Ab kommen angenommen: Das Berliner Abkommen vom 26. Oktober 1912 über Internationale Ausstellungen, das Brüsseler Abkommen vom 21. Dezember 1913 über Internationale Handels statistik und das Haager Opiumabkommen vom 23. Januar 19l2. * Die Opiumkonvention. Aus Haag wird ge meldet: Die Opiumkonferenz hat erklärt, daß, trotz dem einige Mächte sich nicht angeschlossen hätten, die Konvention von 1912 in Kraft treten könne, sobald hie Signatarmächte und die Mächte, die sich anzuschließen wünschten, sie ratifiziert hätten. Frankreich, * Für die Wiedereinführung der zweijährigen Dienstzeit. Jaurvs hat den ersten parlamentari schen Vorstoß geaen das neue Ministerium Viviani unternommen. Von Jaures und 118 Mitgliedern der Minderheitsparteien ist ein Antrag an die Kammer gegangen auf gesetzliche Wiederein führung der zweijährigen Dien st zeit in Frankreich. * Wahlstreitigkeiten. In Marseille ver anstalteten die Sozialist en der Stadt in den Straßen lärmende Kundgebungen, um gegen die Wahl des Gemäßigten Republikaners Pierre zum Bürgermeister zu orotestiercn. In der Cane- bst-re und in mehreren Wirtshäinern kam es zwischen Anhängern und Gegnern Picrres zu argen Naufe- * Der Mordanschlag gegen Scherif Pascha. Aus Paris wird gemeldet: Die Untersuchung in der Lache des Molchanschlages gegen den ehemaligen tür- tisck-en General und Herausgeber des in französischer Sprache erschienenen Antijungtürkenblattes „Meschc- routiette", Scherif Pascha, hat einen Ausgang wie das Hornberger Schießen genommen. Nach einer Dauer von mehreren Monaten hat der Unter suchungsrichter die Untersuchung einge stellt. Er konstatierte, daß der Mordanschlag statt gefunden hat, daß der Täter, der einige Mitverschwo- rene hatte, die Tat planmäßig vorbereitet, daß je doch die beiden Beschuldigten und auch Verhafteten, der Schauspieler Burchan Eddin und der Geheim polizist Iskender Bei, außer Verfolgung gesetzt wer den müßten, da ihre Schuld nicht genügend er weislich sei. * Die Oefinung des Mittelmeers für Rußland. Der Ches des russischen Marinegeneralstabs, Admi ral Russin, dessen Ankunft in Paris wir bereits in der gestrigen Abendausgabe meldeten, wird im Marineministerium mit dem französischen Flotten- Generalstab Zusammenarbeiten, wie es schon seit langem für die Eeneralstabsvorsteher des Heeres und seit zwei Jahren auch sür die der Flotte Brauch geworden ist. Der Besuch des Admirals Russin, der dem seines Vorgängers, des Fürsten Lieven, folgt, ist ein neuer Beweis für die Wichtigkeit, die man in Rußland und Frankreich der Er* Neuerung der russischen Kriegsflotte zu schreibt. Der neue Kredit von 250 Mill. Fr., der für den Ausbau der russischen Flotte bewilligt worden ist, wird außer Vollendung des achten Dreadnoughts für die Ostsee vier Dreadnoughts für da» Schwarze Meer bestreiten. Die Ent- Wicklung der Schwarze-Meer-Flotte zeigt, daß Ruß land planmäßig die Oesfnung der Darda nellen vorbereitet und sich im Einverständnis mit Frankreich einen Platz im Mittel ländischen Meer sichern will. Man glaubt hier, Gewißheit darüber zu haben, daß bei der Zusammenkunft des Deutschen Kaisers mit dem österreichischen Thronfolger in Konopijcht die Frage des Erscheinens der russischen Flotte im Mittel ländischen Meer einer der Gegenstände der Unterhaltung gewesen ist. und es ist nicht zufällig, daß der Besuch des Admirals Russin, der für den 14. d. M. angesagt war, um fünf Tage verschoben wurde. Man wollte jedenfalls, daß den Unterhal tungen zwischen dem russischen und dem französischen Admiral die wahrscheinlichen Gegen maßregeln des Dreibundes im Mittelmeer zur Grundlage dienen. Schmelz. * Für und gegen die Verhältniswahl. Der Na tionalrat in Bei;'. hat mit 166 gegen 62 Stimmen einen Antrag des Bundesrats und der Kommissions mehrheit angenommen, in dem es heißt: Dem Schweizer Volke sei die Verwerfung der Ver fassungsinitiative auf Einführung der Ver, hältntswahl zum Nationalrat zu empfehlen. Die Sozialisten, die Demokraten, das liberale Zen trum sowie die katholisch« konservative Rechte stimm ten für die Verhältniswahl. Bei der letzten Abstim mung hatten hundert Abgeordnete dagegen und 45 dafür gestimmt. Das Volk wird im Herbst über die Initiative entscheiden. RußlanS. Russische» Echo auf die Erklärungen Greys. Aus Petersburg wird gedrahtet: Die Erklärungen im englischen Unterhaus über die persischen Oelkonzes- sionen fanden am Freitag in einigen Blättern ihrer Widerhall. Die „Nowoje Wremja" beschuldig die russische Diplomatie, daß sie im Jahre 190l, als England durch den Burenkrieg geschwächt war. die für Rußland politisch und wir?» schaftlich nachteiligen, für Persien Verhängnis- vollen Konzessionen nicht verhindert habe. Das Blatt sieht voraus, daß die Verstärkung des englischen Einflusses in Persien durch Bahnbauten, durch die zwei Drittel des Landes England unter worfen werden, dem englisch - russischen Abk ommon widerspreche. — Der „Petersburgski Kurier" beklagt den wenig freundschaftlichen Ton der Ver handlungen im Unterhause und fragt, ob nicht die Annäherung an Rumänien außer Bulgarien auch England der russischen Politik entfremde und die englisch.deutsche Annäherung herbeiführen helfe. * Ein amtlicher Bertuschungsversuch ? Aus Peters burg, 19. Juni, wird gemeldet: Die Ursachen der Katastrophe auf der Station Tschudnowo in Wol hynien (die eine Meldung der offiziösen Petersburger Lelegr.-Ag. am Donnerstag auf ein Versagen der Lokomotive Les Personenzuges schieben wollte) ist noch nicht einwandfrei aufgeklärt. Der offi- zichen Darstellung zufolge fuhr der Maschinist des verunglückten Zuges in beschleunigtem Tempo, well die beiden vorher vorüberfahrenden Hofzüge den fahrplanmäßigen Verkehr aufgehalten hatten. In folge der Ueberheizung des Damvfkessels er folgte eine Explosion. Drei Beamte wurden getötei, einer schwer verletzt, mehrere Reisende erlitten leich tere Verletzungen. Dafür daß diese Darstellung nich: einwandfrei sein dürfte, spricht der Umstand, daß der Verkehrsmini st er an der Unfallsstelle weilr. Auch die Entsendung einer Untersuchungs kom Mission wurde vorgesehen. Rumänien. * Ssasonow über die rumänisch-russischen Be ziehungen. Der russische Minister des Aeußern erklärte einem Vertreter der Zeitung „Viitorul" vor seiner Heimkehr nach Rußland, daß in Zukunft nichts die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Rumänien und Rußland trüben werde, die durst, gemeinsame Interessen und eine friedliche Politik verknüpft seien. Ssasonow sprach dann von den Ge rächten über eine eventuelle Revision des Bukarester Friedensvertrages und erklärte, daß davon nicht ein mal die Rede sein könne. Serbien. * Zu dem Zwischenfall auf der Reise des bulga rischen König», über den wir bereits in der gestrigen Saumfrevel im Volksglauben. Von Karl G. Friedrich. lAachdruck vcrbolkn.) „Die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön!" — rüst Mattmas Claudius begeistert aus: und wirk lich, freut sich nicht jeder gemütvolle Mensch beim Anblick der im bunten Feierklcide prangenden Erde'? Zwar ist ja echte Naturempfindung heute so selten wie wahre Frömmigkeit, doch fehlt cs Gott sei Dank nicht allzusehr an Leuten, die dem frischen Grün in Garten, Feld und Wald eine geradezu rührende Ach tung und warme Teilnahme cntgegcnbringen. Sie alle sollten aber auch nach Kräften dafür sorgen, daß „Gras, Baum, Laub und Kraut" vor jeder rollen Verunalimvfung bewahrt und eine dauernde „Schön heitspflege in der herrlich« Gottesnatur beobachtet wird. Keineswegs sollte cs jemand verwehrt werden, einen srischgrünen Strauß mit hcimzunehmen, aber man lasse sich genügen am cntbehrlick^cn llebersluffe der neubelebten Baumwelt. Auch möge jeder Ver ehrer des jungen Birken-, Buchen- oder Eichenlaubes nur so viel „botanisieren", als er wirklich braucht, um sein Heim zu schmücken. Niemals dars er aber erbarmungslos die duftigen Schößlinge einknickcn oder ungestüm hcrabreißen — leider geschieht das noch zu häufig! —, um sic im nächsten Wirtshause oder Eisenbahnwagen achtlos liegen zu lassen, ja, sie wohl gar auf dem ersten besten Wege von sich zu werfen. Glücklicherweise spielt der grüne Wald im deut schen Volksbewußtsein eine hochbcdeutsamc Rolle, und sein Name hat noch recht poetischen Klang. Zahlreiche Sagen erzählen, daß jegliche unvernünf tige Beschädigung desselben den gerechten Zorn höherer Mächte heraufbeschwöre. So erzählt G. List- mann von einem verwegenen Knaben, der sich in die höheren Regionen des forstbedeckten Fcldbergs bc- geben, um „den stillen Wald mit blanker Axt zu schrecken". Und wirklich, am stärksten Riesen macht er halt. Die Axt, sic dröhnet Schlag für Schlag, Bis der Stamm danicderbrach Nun werden Aest« und Reiser auf den mitgedrachten Schlitten g«lad«n und talwSrt» gefahren. Plötzlich verlor jedoch der tollkühne, bergab sauserrde Junge die Gewalt über sein schweres Gefährt und — In eines Abgrunds sinsterm Schlund, Da liegt er sterbend auf dem Grund. — Vielfach wurden herzlose Baumsreoler noch recht zeitig durch eine warnende Stimme von ihrem sün digen Tun abgehalten. Als einst ei» badisst)er Bauer von dem ehrwürdigen Kirschbaume neben der Barbarakirche zu Langensteinbach einen stärkeren Sprössling abschnitt, um sich eine „Flegelrute" daraus zu machen, rief cs beim ersten und zweiten Messer streiche laut: „An weih!" Da der erschrockene Mann „weit und breit niemand sah, machte er sich mit Grauen davon." Aehnlich erging es einem Breis- gauer Küfer, der eine saftige Birke schälen wollte und dreimal nacheinander den schmerzlichen Ruf: „O Jesus!" aus ihrem rissigen Stamme vernehmen mußte. Vermeidet man cs doch heute noch bei den siebenburgischen Sachsen, einen Holunderbaum „ohne Not" zu stillen; ja, in manchen Orten dürfen nicht einmal die trockenen Aeste desselben zum Osenheizen verwandt werden. Wer cs trotzdem wider besseres Wissen tut, „würde das ganze Jahr von Zahn schmerzen geplagt werden." Auch auf reichsdcutschem Boden galt der „Hollcrbusch" als guter Schutzgcist des Hauses, und war es je nicht zu umgehen, seine wuchernden Aeste zu stutzen, so kniete man entblößten Hauptes vor ihm nieder und betete: „Frau Ellerhorn, gib mir was von deinem Holz, dann will ich dir auch was von meinem geben, wenn es wächst im Walde." Nicht minder heilig und schutzträftig galt auch der düstere Wacholder, und nach süddeutschen Volks- überlieserungrn ist so manckn-l gcmütlose „Knecht", der ihn zu fällen wagte, abgeschreckl worden durch eine laute Stimme, die warnend ries: „Ich sage dir, hau' Len Baum nicht um!" Aehnliche Berichte liegen auch aus Skandinavien, Dänemark und Holland vor, uns davon überzeugend, daß germanische Völker den Bäumen ein höheres Leben zuschrieben. Ja, diese zeigten ebenso wie Tiere und Menschen alle Er scheinungen des Lebens und Todes, der Gesundheit und Krankheit. Kein Wunder denn, daß man schon in den ältesten Zeiten die ganze Pflanzenwelt für „beseelt" hielt, in erster Linie die kräftigen Bäume, unter deren harter Borke die vermeintlichen Lebens geister wohnend gedacht wurden. Natürlich galten wieder gewisse Vertreter des buntscheckigen Pflanzen reiches sür besonder» bevorzugt — ebenso wie im großen Tierstaat« —, in erster Linie solche, die in ihrer Gesamtheit einen „heiligen Hain" bildeten, in dem nach uraltem Völkerglauben das unmitteloare Walten lebenspendender Gottheiten zu verspüren war. Soweit der Schatten eines solchen gott geweihten Kultwaldes reichte, brachen ' slawische Volksstämme kein Blatt, ja, nicht einmal die ab gefallenen Aeste wurden weggetragen. Das werden auch unsere germanischen Urvettern so gehalten haben, denn Plinius und Tacituo berichten, daß sie meinten, „in des Waldes rauschenden Zweigen berge die Gottheit ihr Antlitz". Das ist auch erklärlich, denn die Annehmlichkeit des Aufenthaltes im schatti gen Hain, der unmittelbare Ausdruck seiner Er habenheit und Lieblichkeit sowie das leise Flüstern und Wispern in seinen himmelwärts strebenden Wipfeln wirkt auf religiös gestimmte Gemüter noch beute sehr eindrucksvoll. Den altprcußischen Hain vci Romowe durften Uneingeweihte gar nicht be treten, und wehe dem, der es gewagt hätte, auch nur einen Ast von einem seiner Stämme zu trennen! Wer einen heiligen Baum zu Falle brachte, wurde nach friesischem Rechte den Göttern geopfert, also mit dem Tode bestraft. Eine frühdcutsche Strafbestimmung lautete nicht minder streng: „Wer einen Baum köpft, der soll auch geköpft werden." Dieses scharfe Gebot knüpfte sich auch an einzelnstehende Gerichts- und Grcnzbänme: denn auch sic standen unter viel vermögendem Götterschutze. Im hessischen Orte Frnucnstein stand eine alte Linde, an deren dichtem Geäst keine Hand sich frevelnd zu vergreifen wagte. Noch im Jahre 1855 wurde bei Nauders eine stets ehrfurchtsvoll betrachtete, hochbctagte Lärche zur Strecke gebracht, von der niemand der Umgegend trockenes, geschweige denn grünes Gezweige an sich zu nehmen wagte. Unbotmäßiges Lärmen und Schreien in ihrer unmittelbaren Nähe galt für groben Unfug, ja herzloses Fluchen und Schelten so gar als himmeljchrcie.cdc Sünde. Üvenn Wilhelm Müller singt: „Ich schnitt es gern in alle Rinden ein", ja, wenn er wirklich in den alten Lindenbaum am Brunnen vor dem Tore be reits „so manches liebe Wort schnitt", so würde ihm das im früheren Mittelalter übel bekommen sein, weil er nach urgermanijchem Volksglauben die unter dem schützenden Bast sitzenden Baumgeister empfind lich verletzt hätte. Altdeutsche Bauern- und Land rechte, Feldgcsetze und Holzgerichte setzen auf tief gehende, absichtliche Verletzungen oder gar gewalt sames Beseitigen der schützenden Baumrinde eine unmenschliche Strafe: die Entdärmung. Sie bestand darin, daß dem Schuldigen bei lebendigem Leibe der Darm herausgerissen und sodann um die beschädigte Baumstelle gewunden wurde. Dieser herzlose Brauch war einstens auch bei den Finnen, Litauern und Slawen üblich: ja er soll auf irländischem Boden bis ins 11. Jahrhundert und angeblich in Preußen trotz kirchlicher Gegenwirkung sogar noch um 1250 an der Tagesordnung gewesen sein. So heißt es z. B. im Oberurseler Weistum: „Item, es soll niemand Bäume in der Mark schälen; wer das täte, dem soll man seinen Nabel aus seinem Bauch schneiden und ihn mit demselben an den Baum nageln und denselben Baumschäler um den Baum führen, so lange, bis seine Gedärme alle aus dem Bauch auf den Baum gewunden sein." Welch brutale Strafe! Wenn jedoch noch eine diesbezügliche Bestimmung des Holz gerichts zu Harenberg — bei Hannover — unterm 13. November 1720 in Hinsicht auf gewaltsames Schälen eines jungen Eichen- oder Buchenstammes („Heisters") vorschreibt: „Man soll dem Täter die Eingeweide aus dem Leibe schneiden und ihn so lange um den Heister jagen, bis dieser wieder bewunden wird", so darf man wohl ««nehmen, daß es sich nur um eine abschreckende Drohung handelte. Weil eben urgermanischer Volksmeinung zufolge die unter dem Bastgewebe sitzenden Seelen — im klassischen Griechenland nannte man sic „Dryaden" sWald- elfinnen)— gleichsam durch die entfernte Borke ihres schützenden Körpers beraubt wurden, so rufen nach unzähligen Sagen Mitteldeutschlands die ge spenstischen Wald- oder Moosfräuletn dem eifrigen Holzhauer warnend zu: „Schäl' keinen Baum!" Auch wer nach vogtländischer Volksvorstellung ein junges Bäumchen gewaltsam aus dem Boden reißt oder es so sehr umdreht, daß die weiche Rinde springt und zerschlitzt, übt unverzeihlichen Baumfrevel und wird von waldbewohnenden Dämonen empfindlich an Haut und Haar gestraft.
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