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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.05.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140520023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-20
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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EkhHiGT? TsAtdlatt. Sette 2. m. 2S4. Rdenü-Rusgabe Rücktrittsabflchtrn -es franzöMen Minifterpräflöentr«. SchnellsB «tl, man g^xrcht scheinen sich die Wirkungen der Neuwahlen »ur svan-ösischen Kammer etnzustellen. Wir Latten seinerzeit Wer di« durch die Wahlen bewirkten Aentdermrgen in der Zu« faminensetzung der Kammer ausführlich berichtet und daraus hingewiesen, daß das Ministerium Doumergue keine feste Mehrheit mehr btnter sich habe, sondern daß die Sozialisten wahrscheinlich zu seinen Gegnern übergehen würden. Doumergue hat sich deshalb ent schlossen, die Folgerungen aus dieser parlamentari schen Lage zu ziehen und hat dem Präsidenten Poinoar« von seiner Rücktrittsabstcht Mitteilung gemacht. Zwar veranlagt« dieser ihn, di« Verwirk lichung seiner Absicht aufzuschioben, aber man darf trotzdem wohl sicher mit seinem Rücktritt rechnen. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Pari», 20. Mai. In den Wandelgängen der Kammer wird erzählt, Ministerpräsident Dou mergue hab« in einer Unterhaltung mit dem Präsidenten Poincare mit einer gewissen Ein dringlichkeit von der Möglichkeit des Rück tritts des Kabinetts gesprochen. PoincarL habe sich bemüht, ihm abzureden, und ihm vorge stellt, das; er wenigstens ablvarten müsse, welche Richtung die erste Debatte über die allgemeine Politik nehmen werde. Schließlich seien beide über eingekommen, daß Doumergue seinen endgültigem Beschluß später bekanntgebe. Am Dienstag abend herrschte der Eindruck vor, daß der Ministerpräsident sich mehr und mehr mit dem Gedanken des Rücktritts des Kabinetts vertraut mache. Das Beispiel Waldeck-Rousseau». Paris, 20, Mai. Bezüglich des Rücktritts gedankens des Ministerpräsidenten wird erklärt, daß Doumergue dem Präsidenten der Republik be reits vorgestern in Versailles während des Be suches des dänischen Könjgspaares seine schon vor den Wahlen gefaßte Absicht mrtgeteilt habe, beim Zusammentritt der neuen Kammer sein De mi s s i o n s g es u ch zu überreichen. Doumergue soll sich dabei auf das Beispiel Waldeck-Rousseau» berufen haben, der gleichfalls nach den Kammer- lvohlen zurücktrat, obgleich ihm diese eine starke Mehrheit gesichert hatten. In parlamentarischen Kreisen hat die Absicht Doumergues lebhaftes Auf sehen hervorgerufen. Für das Zweijahresgesetz. Paris» 20. Mai. Der Senator und ehemalige Ministerpräsident Eombes erklärte einem Mit arbeiter -es „Radical", er glaube, daß die Mehr heit der Linken in der neuen Kammer 350 bis 3«;o Deputierte umfaßen werde. Er rechne dabei aus die Weisheit seiner radikalen Freunde und auch auf die Sozialisten, die hoffentlich begreifen würden, daß der Fortschritt der Republik und die Verwirklichung der Reformen das wichtigste seien. In erster Reihe handle es sich um die Durchführung der E i n k o m m e n st e u e r mit einer Kontrolle der Einkommens-erklärung. Ferner müße die republi kanische Partei gleich zu Beginn der Parlaments tagung bekunden, daß sie den festen Willen habe, zur Formel des „Volks in Waffen" zurückzukehren. Selbstverständlich handle es sich nicht darum, von heute auf morgen das Zweijahresgesetz wiederherzustellen, aber man müsse unzweideutig die Rückkehr zu diesem Gesetz versprechen und es mit den auf dem Kongreß von Pau befür worteten geeigneten Mitteln vorbereiten. Um diese republikanische Armee vorzubcreiten, bedürfe man auch republikanischer Generale. Deutscher Reich. * Kriegsminister Generaloberst Frhr. v. Hansen wird morgen, Donnerstag, aus seinem Amte scheiden. Sein Nachfolger, Generalleutnant v. Carlowitz, übernimmt am Freitag die Leitung des Kriegs ministeriums. * Der vaterländische Verein Leipzig-Lindenau ver anstaltete am Dienstag abend im Hotel „Deutsches Haus" - Lindenau einen Vortragsnbend, in dem Redakteur Arthur Breitenborn - Eilenburg über: „ M i t te l sta n d s v e r b ä n d e " sprach Einleitend, gab der Redner eine nähere Begriffsbestimmung bes Mittelstandes und wies darauf hin, daß cs innerhalb des Mittelstandes selbst viele Gcacnsätze gebe. Er führte dann im einzelnen die zahlreichen Mittelstandsverbände an und charakterisierte deren Zweck und Bedeutung. Zum Schluß betont« der Redner, daß der Mittelstand durch gesetzliche Maß- nahmen wie durch Selbsthilfe immer mehr gestärkt werden müsse. Lebhafter Beifall dankt« dem Vor tragenden. An den Vortrag schloß sich eine Aussprache. * Zum Reich»tag»schluß. Im Reichsttage ver lautete am Dienstag, daß der Kaiser die Bot schaft, die den Reichstag schließt, bereits unterzeichnet habe. Daß kein« Vertagung ein treten soll, geht auch daraus hervor, daß bis jetzt ein Vertagungsantrag der Regierung im Reichstage nicht eingebracht worden ist. Von bedeutenderen Vor lagen bleiben unerledigt das Petroleum monopolgesetz, das Zugendgerichtsgesetz, das Luft- verkehrvgesctz, das Sonntagsruhegesetz, das Reichs kolonialgerichtsgesetz, die Novellen zur Gewerbeord nung über Wanderlager, Schaufensterauslagen, Gast wirtschaften und Kinos und der aus Initiativ anträgen hervorgegangene Entwurf über die Rege lung des Submission»- und Lirferungswesens. Dazu kommen die Bofoldungsvorlagen mit der Deckungs vorlage. * Dee Reichstagsabgeordnete Held, der bisher der nationalliberalen Fraktion des Reichstages als Hospitant angohörte, ist der Fraktion als Mit glied beigetreten. * Sin neuer Spionagesall. Aus Königsberg in Preußen wird gemeldet: Das Kriegsgericht hat den Vizewachtmeister Emil Dobinsky vom 3. Kürassierregiment wegen Verbrechens gegen die Paragraphen 1 und 2 des Spionagcgesetzes vom 3. Juni 1893, ferner wegen einfachen Ungehorsams und Ungehorsams, wodurch erheblicher Schaden her- beigeführt wurde, sowie wegen passiver militärischer Bestechung zu 15 Jahren Zuchthaus, 10 Jahren Ehrverlust und Ausstoßung aus dem Heere, Stellung unter Polizeiaufsicht, 30 000 -tt Geldstrafe oder weitere 8 Monate Zuchthaus und zum Ersatz des durch sein Verschulden herbeigeführten Schadens ver urteilt. Die Begründung des Urteils fand unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. * Zur Strafbarkeit der Schlägermensur. Die Schlägermensur war bisher von der Mehrzahl der Gerichte, darunter auch vom Reichsgericht, als Zwei kampf mit tödlichen Waffen betrachtet, und darum bestraft worden. Im Gegensatz hierzu hat jetzt die Strafkammer in Marburg, wie von dort gemeldet wird, sich auf den Standpunkt gestellt, daß nach dem heutigen Stande der Wundbehandlung nickt mehr davon die Rede sein könne, daß Schläger- mensuren als Zweikampf mit tödlichen Waffen zu betrachten seien. Die Strafkammer sprach daher zwei Studenten, die eine sogenannte Bestim mungsmensur ausgefochten hatten, frei. * Der „Kaiserdelegierte" Schröder. Der Berg ¬ arbeiter Ludwig Schröder, der 'einerzeit der an den Kaiser abgesandten Deputation der streikenden Ruhrbergleute angehörte, ist im Alter von 65 Jahren gestorben. Wie erinnerlich, war Schröder im Essener Meineidsprozeß zu einer langen Zuchthaus strafe verurteilt, lange Zeit nach ihrer Verbüßung aber im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen worden. Ausland. Zrankrelch- * Französische „Einjährige". Der Eeneralrat des Departements Dordogne hat einen Beschlußantrag gefaßt, wonach jeder 20 Jahre alte Eestetlungsoflich- tige, der kräftig gebaut und imstande sei, 20 Kilo meter mit -em Tornister auf dem Rücken zu mar schieren und auf 200 M e t e r Entfernung auf 10 Schuß 8 Treffer zu erzielen, nur ein Jahr zu dienen haben soll. * Kriegsminister Noulens über seine Reise. Aus Paris wird gemeldet: Der von seiner Besichti gungsreise aus Algerien und dem ostmarokka- nischen Grenzgebiet zuriickgckehrte Kriegsminister Noulens erklärte einem Mitarbeiter des „Petit Puristen", die Besetzung von Ta za hätte nicht hinausgeschoben werden können, da man den dorti gen fanatischen Stämmen nicht hätte Zeit lassen dür fen, sich mit Waffen und Munition auszurüsten. Die Frage, ob die marokkanischen Bcsatzungstruppen neue Verstärkungen aus der Armee des Mutter landes brauchen würden, verneinte der Kriegs minister. Es würde im Gegenteil vielleicht möglich werden, eine Anzahl Mannschaften nach Frankreich z u r ü ckzu r u f e n. Denn für die nötig gewordene Besetzung des Atlasgebietes habe man vortreffliche schwarze Truppen zur Verfügung. Man brauche nur ein neues Bataillon von Senegalschützen zu bil den. Er sei ein Anhänger der Vermehrung der schwarzen Truppen und sei der Ansicht, daß zu diesem Zweck da» Rekrutierungsgebiet derselben erweitert werden müße. * Au»zeichnung für den neuen französischen Genr- ralstaat»anwalt. Der neue Generalflaatsanwalt Her baux hat am Dienstag die Gouverneurs krawatte der Ehrenlegion erhalten. Herbaux hat bekanntlich die Rolle des öffentlichen An klägers rn dem Prozeß gegen die Frau Catlla u x übernommen. Diesen Umstand bringen die regie rungsfeindlichen Blätter in Zusammenhang mit der Auszeichnung, die der Generalstaatsanwalt soeben erhalten hat und begleiten sic mit ironischen Kom mentaren. Velglen. * Der König von Dänemark in Belgien. Aus Brüssel wirb telegraphiert: Auf den Toa st des Königs der Belgier erwiderte der König von Dänemark mit einem Trinkspruch, tn dem er für den herzlichen Empfang und die Be weise der Freundschaft dankte, die das belgische Voll anläßlich Les Todes Friedrichs VIII. gegeben habe. Dänemark empfinde für Belgien Gefühle wahrer Freundschaft. Die freundschaftliche Aufnahme, die der Königin und ihm bereitet worden sei, möge ein Pfand für die wachsenden herzlichen Beziehungen zwischen den beiden Ländern sein. ?nglan-. * Grey über die Presse. Aus London wird ge meldet: Bei einem Diner zu Ehren der Vereini gung der auswärtigen Presse, an dem die Botschafter Frankreichs, Rußland ^Deutsch lands und Oe st erreich-Ungarns teilnahmen und dem die Fürstin Lichnowsky beiwohnte, hielt Staatssekretär Grey eine Rede, in der er der Presse und ihrer Macht Anerkennung zollte. Diese habe oft zu entscheiden gehabt, was in der Politik möglich und was unmöglich sei. In der Zeit der Bal - kankrise habe die europäische Presse den Frie den möglich gemacht. Der französische Bot schafter erwiderte als Doyen des diplomatischen Korps und drückte ebenfalls der Presse seine An erkennung für die Bemühungen aus, den Frieden aufrechtzuerhalten. * Die Trennung von Kirche und Staat in Wales. Der Gesetzentwurf über die Trennung von Kirche und Staat in Wales ist in dritter Lesung mit 328 gegen 251 Stimmen angenommen morden. Der Entwurf, der vom Unterhause nunmehr in drei aufeinanderfolgenden Sessionen angenommen worden ist, geht jetzt an das Oberhaus. Nach der Parlamentsakte wird die Ablehnung durch die Lords nicht verhindern, daß der Gesetzentwurf in kurzer Zeit Gesetz wird. Rußland. * Erklärungen Ssafonows über Rußlands Be ziehungen zu den Mächten. Am kommenden Sonn abend wird der russische Minister des Aeußern in der Duma Erklärungen über die auswärtige Politik Rußlands abgeben. In seiner Rede wird der Minister, wie es heißt, die Beziehungen Ruß lands zu den übrigen Mächten als vorwiegend günstig bezeichnen. Des weiteren werden sich die Auslastungen Ssasonows auch auf die türkisch russischen Verhandlungen in Livadia erstrecken. Türkei. * Aus dem türkischen Parlament. Aus Kon stantinopel meldet der Telegraph: In der De putiertenkammer hielt bei der Uebernahme des Vorsitzes der Präsident Halil Bei eine Rede, in der er an die letzte Kammersitzung, der er prä sidierte, erinnerte und die damalige Regierung tadelte, die verfassungswidrig die Kammer aufgelöst habe, während diese ein Tadelsvotum gegen das Kabinett aussprach. Die Militärliga, führte er aus, wurde Herrin der Pforte, und die Anarchie bemächtigte sich des Landes, und dies in dem Augen blicke, da das Land sich noch im Kriege mit Italien befand. (Lärm und Zwischenrufe.) Die Feinde der Türkei machten sich dies zunutze, um gleichzeitig die Grenzen des Kaiserreiches anzugrcifen. So verlor die Türkei wegen des politischen Ehrgeizes einer Partei das schöne Rumelien. Die türkische Armee wurde nicht geschlagen. Die Armee einer Nation, die vor vier Jahrhunderten Kaiser, Könige und Völker unterjochte, eine Armee, die selbst Napoleon Achtung einflößte, die in Plewna Widerstand leistete und so einen moralischen Sieg errang, konnte nicht besiegt werden. Der türkischen Armee ist Unglück zugestoßen. Mittwoch. 20. Mal lSl4. Man muß aus den Niederlagen die entsprechende Lehre ziehen. Ick empfehle, niemals da» schöne Saloniki, das grüne Monastir, Janina und ganz Rumelien zu vergessen und niemals zu vergessen, daß e» jenseits der Grenzen Brüder gibt, die es zu be- freien gilt. Nur so können wir die Fahler der Ver gangenheit wieder gutmachen. (Lebhafter Beifall.) 0ecvl unck Sericvt. Reichsgericht. rr Mit dem Automobil Jagd auf Tiere zu machen, ist ein ebenso überflüssiger, wie gefährlicher Sport, wie folgender Fall beweist: Der Krastwagenführer Kurt R., der bei einem gewißen H. tn Diensten stand, liebte es, auf seinen Fahrten absichtlich Hunden, Hühnern und Gänsen, die vor ihm auf dem Wege liefen, oder vor ihm flüchteten, mit seinem Wagen nachzujagcn und nach Möglichkeit zu überfahren. Eines Tages aber hatte er damit ein böses Miß geschick; denn als er gerade wieder mit seinem Automobil, in welchem er zwei Fakrgäst- hatte, einigen vor ihm flüchtenden Gänsen nachfuhr, raunte er an einen Chausseestcin an und fuhr in den Thaussee. graben hinunter, wobei die beiden Insassen des Wagens nicht unverletzt blieben. Dieserhalb hatte er sich am 17. Dezember v. I. vor dem Landgericht Breslau zu verantworten, das ihn wegen fahr lästiger Körperverletzung zu 90 .g Geldstrafe ver- urteilte, indem es sagt, der Angeklagte hätte sich sagen müssen, daß sein Verhalten geeignet war, seine Fahrgäste in Gefahr zu bringen, wie diese ja auch schließlich in der Tat bei dem Sturz in den Chaussee graben verletzt worden sind. Gegen das Urteil hatte der Angeklagte Revision eingelegt, mit der Be gründung, ihm sei zu Unrecht ein fahrlästiges Ver schulden zur Last gelegt worden. Das Reichsgericht war jedoch der Ansicht, daß die Verurteilung des An- geklagten auf keinerlei Rechtsirrtum beruhe, und er kannte deshalb auf Verwerfung des Rechts mittels. (4 0108/14.) königliches Landgericht. - . , , ! Leipzig, 20. Mai. Die Leipziger Chemisch-technischen Werke. Nach achttägiger Verhandlung wurde der Prozeß gegen den Rechtsanwalt Dr. Favrean vor der dritten Strafkammer des Landgerichts heute zu Ende ge führt. Das Urteil lautete auf 5 Monate Ge fängnis wegen Betruges. Es wurde ihm auf zwei Jahre die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter genommen. cd. Essen a. R., 19. Akai. Verurteilung eines Raubgesellen. Der berüchtigte Räuber Stratmann, eine Zeit lang der Schrecken des gesamten Jndustriereviers, ist vom hiesigen Schwurgericht für eine lange Zeit unschädlich ge macht worden. Stratmann galt als das Haupt einer Bande von Einbrechern, die ihre Streiszüge auch ins Ausland ausdehnte. Er steht erst in der Mitte der Mer Jahre, hat aber bereits lange Zuchthaus strafen erhalten, von denen er gegen 10 Jahre noch abzusitzen hat. Nach seiner letzten Verurteilung spielte er den wilden Mann, so daß er zur Beobachtung seines Geisteszustandes in eine Irrenanstalt übergeführt wurde. Hier brach er aus und hielt sich eine geraume Zeit un angefochten in verschiedenen Städten des Jndustrie reviers auf. Eine seiner Geliebten hatte ihm Unter schlupf gewährt. Seine letzte Tat war die ver suchte Beraubung desEeldwagens der Möllerschächte, wobei, wenn sie geglückt wäre, den Räubern an 200000 ./ü in die Hände gefallen wären. Der Plan mißlang, weil die Komplizen Stratmanns nicht rechtzeitig zur Stelle waren und er allein gegen die Transporteure des Geldes, die mit Gewehren und Revolvern ausgerüstet waren, nichts ausrichten konnte. Der Staats anwalt setzte auf seine Ergreifung eine Belohnung von 15OO./8 aus, die aber zunächst keine Wirkung ausübte. Schließlich brachte ihn Eifer- sucht ins Verderben. Ein ehemaliger Liebhaber seiner gegenwärtigen Braut verriet der Polizei, daß Stratmann sich in Sterkrade bei einem Mädchen auf halte. Mit Vorsichtsmaßregeln schritten dann die Beamten zur Festnahme des gefährlichen Burschen. Er hatte mehrere Revolver in seinem Besitz. Die medizinischen Sachverständigen bezeichneten den An geklagten als verantwortlich für sein Tun, worauf der Gerichtshof nach dem Spruch der Geschworenen den Angeklagten zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilte. Die Strafe wird mit bereits gegen ihn erkannten auf das zulässige Höchstmaß zusammen- gezogen. ZodudvarvubLus 8por.: I'L'aniViinekVnsvkndv. 'I'vl. 11189. Xrrig kva Maria. 28) Von Margaret, Richter. (Nachdruck verboten) Lein Ton reizte sie: „Lassen wir die Fahrt doch ganz! Es ist ohnehin kein ordentlicher Wind —" „Aha! Las möchten Sie wohl gerne," lachte Steenholt ein bißchen nervös. Er fühlte, wie sie de» Kops aus der Schlinge zu ziehen versuchte. „Nein, durchaus nicht, aber —" „Alle „Abers" sind — verzeihen Sie — faule Ausreden! Wenn es nach mir ginge, wurde ich sagen" — er änderte plötzlich den Ton, nnd fragte entschlossen: „Haben Sic den Mut, sich mir allein anznvertraucn?" lieber Eva kam der Trotz: „O, warum, nicht? Wenn Sic meinen . . ." „Ja, ich meine es. Also ich darf Sie ab holen?" Er jnbelte innerlich. „Ja. Kommen Sie nur. Um drei Uhr späte stens, denn um sechs Uhr muß ich wieder zu Hanse sein. „Sie müssen? Da will ich den Ehcf aber doch gleich um Verlängerung bitten." „Ich muß nicht, aber ich will!" sagte Eva bestimmt. „Schön! Sie sollen Ihren Willen haben. Auf Wiedersehen!" „Ans Wiedersehen!" Als Steenholt das Hörrohr eingehängt hatte, lachte er laut auf. Er mußte lachen. Er wußte nicht warum, aber er mußte laut nnd ausgelassen lachen. Er mußte die Spannung los werden. . . . Aber ebenso plötzlich, wie cd über ihn kam, war es weg. Es war auch nicht zum Lachen. Heute war er allein mit Eva auf dem Was ser. Zum erstenmal ganz allein. . . . wie er sich'S ost ausgedacht hatte in diesen Wochen, wenn er nicht einschlafen konnte. Einmal hatte er davon geträumt. Es war ein wundcrsüßer Traum gc- loesen, in dem er seine Eva Maria, sein Rau- kendeketn, tn den Ur«M Mt und küßte. In nervöser Hast erledigte er seine unter brochene Krankcnvisite und mußte sich zwingen, die Klagen seiner Patienten geduldig anznhörcn. Alles, was er tat, war ihm mit dem Gedanken verk»üpft: Heute mit Eva ganz allein. Heute konnte sie ihm nicht entrinnen, sich nicht mit andern stundenlang unterhalten — lachen — scherzen. Heute gehörte sic ihm. Aber er würde ihr nicht wehe tun, sie nicht wieder ver letzen, beleidigen. Wie lieb sie ihm das damals gesagt hatte! Es war ihm so neu gewesen, daß sich einmal eine dagegen wehrte. Und er freute sich seiner Niederlage: Sie hat ein mutiges Herz — meine Eva! . . . Das dachte er ganz, ganz leise. Ihre (Geradheit gefiel ihm. Er liebte sie. Allen hätte ec das ins Gesicht sagen können: 'Ich liebe sie! Wie er gegessen hatte, nnd was er dann tat, wnßte er später nicht mehr. Es war end lich drei Uhr, und er durfte sie abholeu. Er klingelte. Eva hörte, wie Betth ihn in das Empfangs zimmer führte. Eine dumpfe Ruhe, wie schwüle Stille vor einem Gewitter, war iiber sie ge kommen. Eine träge, heiße Herbstlust draußen — trotz des Windes. — Ihre letzte Hoffnung, daß der Geheimrat etwas dagegen cinwendcn würde, wenn sie allein mit Steenholt segelte, war zu nichte geworden. Gütig hatte er gemeint: „Jeder würde ich'S nicht erlauben tönneu. sich mit dem Schwerenöter aufs Wasser zu begebcu — aber Sie sonnen es ruhig tun, »venu es Ihnen Spas; macht." Eva tonnte ihm ja nicht sage», daß es ihr keinen „Spaß" machte . . . Aber sein Vertrauen ermutigte sic. Der Geheimrat hatte recht. Sic war doch kein Backfisch mehr! Sie griff nach einem Körbchen mit Obst nnd Kuchen — ans dem Wasser bekam man immer Hunger — nnd mit frenndlicher Sicherheit ging sie Dr. Steenholt entgegen, der sie ungeduldig unter der Tür des Empfangszimmers erwartete. „So, da wären wir! Andiamoci! Wie schade, daß von den Herren keiner mitkommen raun. Der kleine Delius ist so amüsant. Ich habe Bille Overbek noch angcrufen, aber sic ist nie zu haben. Aber es wird auch so hübsch wer den! Natürlich. Bei dem famosen Wind — vorläufig wenigstens. Hoffentlich läßt er uns nicht lvieder im Stich. Und Proviant habe ich auch mitgebracht. . . ." Eva plauderte ohne Pause, nur um kein Schweigen zwischen ihm und sich anskommcn zu lasse» — kein Nachdenken. .... Er hörte ihrer Rede zu ivie einem plätschernden, munteren Bach. Ihre gleich mäßige, heitere Stimme gab ihm Ruhe. End lich beteiligte auch er sich an dem harmlosen Geplauder. Sic standen vor der Brücke. * * Sie waren im Boot. Eva half die Segel klar machen. Er kom mandierte, und sie führte seine Befehle aus. „Holet« Sie die Schoten ein!" „Jawoll, Herr Kaptein!" „Verstauen Sie den Klüver wieder, wir brauchen ihn nicht." „Jawoll, Herr Kaptein!" „Doch ja!" verbesserte er sich. „Lassen Sie uns heute mal mit vollem Zeng fahren, damit wir tüchtig weit hinauskominen. Wenn ivir gegen Abend noch Wind genug haben, können wir uns dann mehr Zeit lassen zur Heimfahrt." „Aber nm sechs Uhr will ich zu Hause sein!" beharrte Eva eigensinnig. „Was haben Sie denn vor?" fragte er nn- schuldig. „Nichts!" gab Eva zu. „Aber Sie wissen ja, Herr Geheimrat —" „Das hilft Ihnen schon nicht," meinte er gelassen und triumphierte innerlich, „den Ehcf habe ich nämlich gefragt, ob Sie vor acht zu Hanse sein müßten und er sagte, nein! — Lassen Sie uns doch oen schönen Tag genießen, Frön lein Eva!" Und m seiner Stimme lag eine ein- schmeichelnde zärtliche Bitte. „Ich ltzwc nichts mehr dagegen . . ." sagte sie hilflos, seinem Blick ausweichend. Und dann, nach einer Weile, als ob sie sich gesammelt hätte: „Aber wenn ich umkchren will, dann müssen Sic mir gehorchen!" „Ja," sagte er einfach. „Und nun man to! Alles klar? — Werfen Sie los!" Und Eva machte das Boot von der Boje los. Ihr war, als müsse sie die Kette festhalten, die ihr unerbittlich durch die Finger glitt . . . Aus klatschend versank sic ins Wasser. Langsam steuerte Holger Steenholt an den Wind. Sic setzte sich neben ihn, so daß sie ihm nicht immer ins Gesicht sehen mußte beim Sprechen. Und fröhlich segelte das Boot dahin. . . . „Wind haben wir mehr als genug," sagte Steenholt mit einem prüfenden Blick auf die prallen Segel. „Soll ich den Klüver cinholcn ?" „Haben Sie Angst?" Eva lachte: „Ha, Angst! Meinen Sic, ich wäre auch nur eine Minute besorgt nm das biß chen Leben, das Eva Horn heißt? Pah!" „Trotzdem dürfen Sie das Schwert hcr- nntcrlassen, Eva Horn, denn schließlich habe doch ich Sic auf dem Gewissen, wenn das „bißchen Leben" über Bord fällt." Eva kroch in die niedrige Kajüte und voll zog seinen Befehl: „Nein, wie ist's heiß da drin!" sagte sic, als sic wieder zum Vorschein kam. „Es ist überhaupt heiß heute," bestätigte er und deutete auf den blauen, lcichtbewölkten Him mel. „Die Sonne sticht geradezu. Wir merken s nur nicht ans dem Wasser. So — wir sind nun gesichert gegen das Kentern. Ich nehme volle Fahrt jetzt. Der Wind ist einfach herrlich, wir brauchen nicht einmal zu kreuzen. Wenn Sic sich legen wollen, Fräulein Eva, ich werde ganz gut allein fertig." Eva breitete das lange Kissen aus: „Da! — ans das Ende dürfen Sie sich setzen." „Großmütig ivie immer," spöttelte er. „Nur still! Sonst kriegen Sie gar nichts! — Und jetzt halten Sie hübsch den Mund, — letzt schlaf ich ein . . ." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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