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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140521019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-21
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Kunst unä wissenseticift Varmstä-trr Ausstellung -rutsch« Kunst. Originalbericht nnsere» Darm^ städter Sorrespvndeaten. Nun ist an diesem Dienstag in Darmstadt auch die -weite der beiden Ausstellungen, die der deutschen Kunst von 16Ü0—1800, im alten Residenzschloß eröffnet worden. Während man, dem leichteren Gepräge der Künstlerkolonie-AuS- stellung gemäß, deren Eröffnung durch Fest spiel und Dan- im Freien mehr den Charakter eines kleinen FrühlrngsfesteS verliehen hatte, fand jene zweite Eröffnung in einfacher und ernsterer Wct statt. Nach dem Erscheinen des Groß herzoglichen HofeS hielt der Leiter der Aus stellung, Prof. Dr. Georg Biermann, eine Red«, in welcher er insbesondere die Ent stehungsgeschichte und die Ziele der Ausstellung darstellte. An dies« Red« schloß sich der übliche Rund gang an. Unter den Teilnehmern der Feier befand sich insbesondere Prinz August Wilhelm von Preußen. Daneben waren aus allen Teilen Deutschlands die Vertreter der Kunst wissenschaft und zahlreich« bekannte Kunstfreunde erschienen, so daß die Versammlung fast den Ein druck eines Kongresses der Kunsthistoriker machte. Di« Ausstellung ist unbedingt für die kunst geschichtliche Forschung ein Ereignis von hoher Bedeutung. Unter den heute herrschenden ver änderten Gesichtspunkten der kunstwissenschaft lichen Betrachtung ergab schon die Berliner Jahr- l-undert-Ausstellung des Jahres 1906 für die deutsche Kunst des 19. Jahrhunderts ein neues Bild; cs ist aber mit Sicherheit zu erwarten, daß sich die .Erkenntnis der künstlerischen Werte des 17. und 18. Jahrhundert- durch die jetzige Ausstellung in weit höherem Maße verändern und klären wird. D«nn da- deutsche Barock und Rokoko, um die «S sich hier vorwiegend handelt, sind die Stiefkinder der kritischen und wertenden Forschung gewesen da man in den Formen der Renaissance die idealen Normen sah, galten deren Abkömmlinge Barock und Rokoko als Ent artungserscheinungen. Zumal Deutschlands Lei stungen in diesen Perioden standen in argem Mißkredit, so daß deren eingehende und zu sammenfassende Erkenntnis, wenigstens soweit Plastik und Malerei in Frage stehen, niemals unternommen wurde. Für die Architektur hat freilich schon Cornelius Gurlitt hier auf klärend gewirkt, aber die bildende Kunst blieb im großen und ganzen ununtersucht. GS ist je doch kerne Frage, daß die Gegenwart mit ihrer malerisch gerichteten Anschauungsweise gerade für die nicht weniger malerisch gewandte Barock- und Rokokokunst ein höheres Interesse und ge rechtere Würdigung bereit hat. Schon rein äußerlich, der Quantität und der Seltenheit der gezeigten Kunstschätze nach, liegt in der Ausstellung eine ungewöhnliche Darbietung vor. Aus den Sammlungen und Schlössern der deutschen Fürsten, aus den Kir chen, Museen, Bibliotheken und Akademien, aus nichtfürstlichem Privatbesitz, aus den .Schlössern des österreichischen Kaisers und Adels sind tue Bildwerke nach Darmstadt geschafft worden, und allein die schweizerische Ab teilung zählt fast hundert Stücke. Mancher Künstler, den schon die Geschichte verzeichnet, wird da in ganz anderem Lichte erscheinen, und neue Namen tauchen auf, die «S verdienen, den bekannten angereiht zu werden. Die Malerei der Zeit ist einschließlich der Aquarelle, Pastelle, Zeichnungen und Miniaturen am reichsten ver treten. Der Katalog zählt allein 903 Num mern von Gemälden und Pastellen, 258 Aqua relle und Handzeichnungen und 208 Miniaturen. Demgegenüber ist die Bildhauerei nur mit 164 Stücken vertreten, und da hier jene Zeiten für das von der Architektur unabhängige Einzelwerk die Kleinplastik bevorzugten, so nimmt diese den breitesten Raum ein. Die Luxuskunst, auch ein charakteristischer Zweig des damaligen Schaf fen», wird in zahlreichen Gold-, Silber- und Elfenbeinarbeiten vorgeführt. Eine Silhouetten- Sammlung sowie eine Porträt-Galerie der füh renden künstlerischen und geistigen Persönlich keiten gliedern sich diesen Abteilungen an. Literarhistorisch interessant ist der Ge- mäldesalvn des Reichsgrafen Franc vis de Thoranc, des Gvetheschcn Königsleut- nantS, der bekanntlich während der französischen Besetzung Frankfurts (1759—1763) im Goethe- Hause einquartiert war. Durch die Gemälde sammlung von Goethes Vater angeregt, ließ er sich für sein und seines Bruders Haus durch Frankfurter Maler Bilder anfertigen. Davon ist nun die Ausstattung eines Gartensalons, die dem Frankfurter Goethe-Museum angehört, auf der Ausstellung zu sehen. Eine solche großzügige Unternehmung war tatsächlich nur dadurch möglich, daß sich der hessische Großherzog als der Veranstalter dafür einsetzte, und daß Kronprinz Rupprecht von Bayern, Prinz August Wilhelm von Preußen und Herzog zu Sachsen Jo hann Georg das Patronat übernahmen. Nur so konnte es ja erreicht werden, daß alle in Betracht kommenden Besitzer ihre Schätze willig hergaben. Es gehörte aber dazu nicht weniger die große Arbeitskraft und Sachkunde des ober sten Leiters der Ausstellung, des Professors Bier mann, und die Tätigkeit seiner Mitarbeiter und eines Ausschusses, der sich über das ganze in Betracht kommende Gebiet Deutschlands, Oester reichs und der Schweiz verteilt. Or. Loellen. »Jeanette» Dunkelkammer.- Unser Berliner Schauspielreserent schreibt: Wer guten Willen und Verständnis hat, hat nicht die Macht, wer die Macht hat, hat da» andere nicht! Da ist Einer Konzessionär eine» Berliner Theater», eines Theaters, da» einst unter Richard Alexanders Direktron auf dem sehr begrenzten Gebiet der Pariser Boulevardposse immer- hin den Ruf einer hervorragenden Spezialität sich erwarb und erhielt. Auch, wenn der gegenwärtige Direktor des Residenztheaterr außerhalb des glitschigen Bodens der Entkleidungskomödie nicht selig werden wollte, Sanskulotten- Stücke zum Lachen, Stücke mit einigem Kulissenverstand gibt es immer noch. Sanskulotten? Die Unterhöschen pflegen die Damen in diesen Stücken gerade noch anzubehalten. Wenn ein Preis ausgeschrieben worden wäre für die Auswahl der seist- und witzlosesten Unanständigkeit, Direktor Sikla hätte ihn im Schweiße seines Angesichts verdient. Der Schwank „Jeanettes Dunkelkammer" von Benedict Lachmann, besten „Uraufführung" die Freunde (aber nicht die Freunde des guten Ge schmacks!) feierten, schlägt den Rekord an Talentlosig, kett, ist beleidigend schlecht. Pfuscherhafte» Nach, zeichnen von Pariser Mustern. Anrüchig doppel, deutig der Name des Stücks, grob eindeutig säst jedes Wort, das die Rollenautomaten sprechen. Merkwürdig waren nur die Leute, die applaudierten. U. L. * Städtische Theater: Im Neuen Theater wird morgen Freitag „Parfisal" zum letzten Mal gegeben, rn der Besetzung: Käse, Jean Müller (als East), Urlus, Postony, Nrgrini. Operndirektor Lohse dirigiert. — Im Operettentheater gelangt am Sonn- abend als letzte Neuheit vor den Ferien die drei aktige Operette „Der keusche Josef" erstmalig zur Aufführung, inszeniert von Regisseur Haas; Kapellmeister Fmdeisen hat die musikalische Leitung. * Krisis am Naumburger Stadttheater. Eine schwere Krisis ist über das Naumburg er Stadt- theater hereingebrochen. Den ganzen Winter schon hatte das Theater, das unter Direktor Neu gebauer steht, unter schwachem Besuch zu leiden. In vergangenen Wochen, als in Naumburg ein Zirkus gastierte, war das Theater jeden Abend so gut wie leer, und der Direktor sah sich gezwungen, die Gagen zahlungen einzustellen. Die Theatermitglieder haben sich nun beschwerdeführend an die Regierung gewandt, die den Direktor zwang, seinen Posten aufzugeben. Mit Unterstützung derBühnengenossenschast werden die Schauspieler da» Naumburger Stadt theater auf eigene Rechnung weiterführen. * „ylddische Oper- in London. Während in Amertka das „Piddische" Theater außerordentlich blüht, haben die mannigfachen Versuch», die in den letzten Jahren unternommen wurden, es auch in der englischen Hauptstadt «inzubürgern. bisher keinen Erfolg gehabt. Ein schöne» neue» Theater, da» kürzlich für qiddische Aufführungen eröffnet wurde, ist jetzt in ein Kino verwandelt worden. Bessere Erfolge wurden indessen mit einer yiddischen Oper erzielt. Die eben abgeschlossene Spielzeit hat mit einem guten finanziellen Erfolge geendet, und die Unternehmer glauben, daß das Paoillion-Theater, das Heim der yiddischen Oper, noch zu einer wichtigen Rolle im geistigen Leben der yiddisch sprechenden Bevölkerung von East-London berufen ist. * Bom Allgemeinen Deutschen Musikverein. „Ratcliff", eine Oper in vier Bildern von Volkmar Andreä lauf den bekannten Text von Heine) gelangt am 25. d.M. in Duisbura anläß lich des 49. Tonkünstlerfestes, das der Allgemeine Deutsche Musitverein vom 22. bis 27. d. M. rn Esten begeht, zur Uraufführung. Im Essener Stadttheater geht bei der gleichen Gelegenheit (23. d. M.) die hei tere Oper „Herr Dandolo" von Rudolf Siegel zum erstenmal in Szene. * Line sensationelle Klavierreform. Die moderne Musik, deren fortgeschrittenste Vertreter ihr Aus- drucksmaterial erheblich erweitert haben, hat schon seit langem das Bedürfnis empfunden, zur Ver feinerung der ihr zur Verfügung stehenden Har monien und Tonstufen Instrumente mit Viertel tönen zu handhaben. Aus Streich- und einigen Blasinstrumenten sind Vierteltöne zumeist ohne be sondere Vorrichtungen zu erzeugen, dagegen war es natürlich ein besonderer Mangel, Laß man auf dem Klavier Vierteltüne nicht hervordringen könnte. Das wird nun anders werden. Der bekannte Musik sachmann Willy Möllendorff hat soeben das Patent für ein Bierteltonklavier xur Anmeldung ge- bracht, besten Prinzipien er gleichzetna in einem Buche „Perspektiven der Viertelmustk erläutert. Das Möllendorffsche Patent läßt sich auch auf die Orgel übertragen, und bis zu Viertelton-Konzerten ist nun nicht mehr weit. * Manuel Garcias Manuskriptsammlung im Pa- riser Konservatorium. Durch eine hochherzige Stif- tung der Töchter Manuel Garcias ist jetzt die kost bare Sammlung musikalischer Manuskripte aus dem Besitz des Bogründers der berühmten Musikorfamilie in die Bibliothek des Pariser Konservatoriums ge langt. Die Sammlung enthält eine große Anzahl von Noten und Partituren von Meistern des 19. Jahrhunderts, darunter verschiedene kostbare Autographen. Pauline Diardot-Garcia schenkte der Bibliothek schon früher das Mozartscho „Don Iuan"- Manufkript. * Da» Nationalmuseum in Stockholm hat das für die baltische Ausstellung geschickte Porträt des Chemikers Jais von Wilhelm Lei bl für 85000 angekauft. - Die Leo Frobeniussche Atlantik-Expedition, die von Algier aus die Sahara durchqueren und zunächst den Tsadsee und dann das südliche Kamerun auf- suchen wollte, ist der unerträglichen Hitze wegen vom südlichen Algier in die Gegend von Tunis zurück gekehrt, um dort einstweilen das Gebiet zu durch forschen und besonders die Gräberanlagen in Augen schein zu nehmen Die Expedition wird erst nach Ablauf einiger Monate, sobald die Periode der großen Hitze vorüber ist, ihren Marsch nach dem Tsadsee wieder aufnehmen. * Oie neuen Austauschprofestoren. Die dies jährigen amerikanischen Austauschprofestoren, die im November ihre Vorlesungen an der Berliner Uni versität aufnrhmen werden, sind der Historiker Pro fessor Elbert Bushnell Hart von der Harvard- Universität und Professor Henry W. Farm an von Pale, der über Wirtschaftspolitik lesen wird. Für die Rooseoelt-Profestur in Berlin in der Saison 1915—16 ist bereits von dem Verwaltungskörper der Columbia - Universität Professor Thomas Cuming Hall, eine Autorität in Fragen christlicher Ethik, Mitglied der Fakultät des New Parker Union Theo logischen Seminars ernannt worden. - Eine ärztlich« Studienreise nach Wien. Anläß- lich des diesjährigen Balneoloaentaae» hat das Deutsche Zentralkomitee für ärztliche Studienreisen beschlossen, im Oktober dieses Jahres eine Reise nach Wien zum Studium der dortigen hygienischen und klinischen Einrichtungen zu machen. * Sin« vnchnzesse in London. In England ist zurzeit eine Bewegung im Gange, um nach dem Vorbild» Leipzig» eine Buchmesse in» Leben zu rufen. Es wird beabsichtigt, im Laute des Monat» Mai in der Londoner Agricultural Hall eine solche, vorläufig nur in kleinem Maß stabe. zu veranstalten. Die Zeit ist, wie wir in der Zeitschrift für Bücherfreunde lesen, insofern günstig, als dorr zu derselben Zeit eine Ausstellung des Druckgewerbes und der verwandten Zweige statt findet. - Der Film im Dienste der Chirurgie. Die Ver wendungsmöglichkeiten des Films wachsen immer mehr. Es gibt bald kein Gebiet irgendwelcher mensch licher Betätigung mehr, in dessen Dienst sich der Film nicht zu stellen vermag. Daß die Chirurgie, wie über haupt die gesamte Medizin, sich ebenfalls die Kine matographie, und -war in erster Linie zu Lehr zwecken, nutzbar machen kann, ist längst kein Geheim nis mehr. Schon vor sechs Jahren hatte der Pariser Chirurg Doyen zu diesem Zweck die verschiedensten Operationen kinvmaiographisch aufnehmen lasten, und hat so im Laufe der Zeit eine Filmsammlung zusam- mengebracht, die für Len Unterricht von großem Wert ist. Im „Prometheus" schreibt nun der Gelehrte über die Bedeutung solcher Filmvorführungen nicht nur für die Lernenden, sondern auch für die Lehrer. „Seit ich auf der Leinwand", so heißt es dort, „meine eigenen Operationen erblicke, habe ich eingesehen, daß kein Chirurg sich selbst kennt. Ich halbe hier erst Ge legenheit gehabt, mein« Handgriffe und die meiner Assistenten kritisch zu beurteilen, und habe auf Grund dieses Urteils wichtige Aenderungen in den techni schen Einzelheiten getroffen. Was diese» Studium des chirurgischen Films für den Anfänger und den minder geübten Operateur bedeutet, bedarf nicht erst besonderer Erörterung. Unbedingt notwendig aber ist es, daß bei Aufnahmen der operativen Lichtbilder die normale Schnelligkeit keine Aenderung erfährt, damit der Beschauer ein scharfes, verläßliches Wirk- lichkeitsbild zu sehen bekommt." Der Film wird al» Lehrmeister noch eine bedeutungsvolle Mission er füllen! - Behring über sein Diphtherieschutzmittel. Das neue Diphtlierieschutzinittel, das Ernst von Behring seinem erfolgreichen Diphtherieheilserum jetzt an die Seite gestellt hat, und das der Gelehrte auch auf dem diesjährigen Wiesbadener Kongreß behandelte, dürste in kurzem al» Immunisierungs mittel gegen die Diphtherie zu allgemeinem Ge brauche kommen. Während seit der Anwendung des Heilserums die jährliche Sterbeziffer an der Krank heit von 60 000 bis auf etwa 11000 zurückgegangen ist, ist die Zahl der Dtphtherteerkrankungen vielerorts nicht unerheblich gestiegen, in Berlin z. B. von etwa 3000 im Jahre 1906 auf mehr al» 11000 seit 1911. Hier könnte, wie Behring jetzt in der „Berliner Klinischen Wochenschrift" ausführt, das neue Schutzmittel Wandel schaffen. Denn das Behringsch« Serum bewährt sich für die vorbeugende Immunisierung wegen verschiedener Mängel nicht. So beruht denn der Wert Les neuen Schutzmittels auf aktiver Immunisierung, der Ein führung eigenartiger, nicht fremdartiger Antikörper in die Blutbahn. Das Schutzmittel besteht aus einer Mischung von Toxin und Antitoxin, deren Wirkung im letzten Jahre in ausgedehntem Maße erprobt worden ist. Behring empfiehlt Ein spritzungen in die Haut für Mastenimpfungen. Er sieht die Behandlung nicht als ausreichend zur Immunisierung an, wenn nicht mindestens zweinial mit einem Zeitintervall von 10 bis 14 Tagen geimpft worden ist, und wenn nicht durch die Impfung un verkennbar spezifische, nicht sehr starke Lokal rcaktionen erfolgen. Der Gelehrte erklärt aber, daß noch weitere Erfahrungen gesammelt werden müssen, ehe er zu einem abschließenden Urteil über die end gültigen Impfvorschriftcu kommen und dann sein Schutzmittel für den geschäftliä>en Vertrieb frei geben kann. 29) ans eva Maria. Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) Sie lag mit dem Kopf nahe an seiner Hüfte. Wenn er wollte, konnte er ihr von seinem Sitz aus mit dem Ellenbogen die Stirn berühren, von der die Mütze nach hinten geglitten war. Aber er wollte nicht. Vertrauensvoll lag sie neben ihm, ihr Vertrauen auf sein Zartgefühl würde er nicht enttäuschen. Aber er hatte eine ganz un sinnige Sehnsucht, laife — ganz leise — über ihre Mütze zu streifen. .. . Eva fühlte es und schob sich ein bißchen nach unten. Sie nahm ihr Taschentuch und deckte es über die Augen. „Der Helle Himmel blendet mich!" sagte sie zur Entschuldigung. Aber er wußte es ganz ge nau, sie wollte nur nicht, daß er sie ansah. Lautlos fuhr das Boot hinaus ins Menschen leere. Und lautlos überließen sich Eva und Hol ger Steenholt ihren Gedanken — in die Weite — in eine grenzenlose Weite . .. Ab und zu flogen kreischend ein paar Möwen hinter dem Boot her — dann war eS wieder still. Unendlich still und friedlich . . . Eva hatte die Augen unter ihrem Taschen tuch geschlossen: Wenn ich schlafen könnte! dachte sie. Ich bin so müde — todmüde! Und langsam perlte ein.' Träne nach der andern unter ihren Augenlidern hc«vor — unwillkürlich. Sie ivußte es gar nicht. Aber das dünne Taschentuch zeigte verräte risch die Spuren. Holger Steenholt bemerkte sie. Er konnte sich nicht mehr bezwingen. Er beugte sich über ihr Gesicht, schob ihr leise, mit weicher Hand, das Tuch von den Augen, und: „Weinst du, Eva?" fragte er. Eva schlug die Augen auf: Ein friedlich inni ges Lächeln strahlte ihm entgegen: „Nein, jetzt iveine ich schon nicht mehr," sagte sie, mit dem Tuch über die Augen fahrend. „Maria!" sagte er und strich ihr sanft über die Stirn. schlug sie _ ... „Komm, Eva — setze dich her zu mir. will dich ganz, ganz nahe haben!" Und sie stand auf und setzte sich zu ihm Steuer — wie unter einem süßen Bann. „Hier! ganz nahe —! Ich nehme das Segel und du das Ruder, und meinen freien Arm lege ich um dich. So! — Und nun wehre dich, wenn du kannst! Jetzt habe ich dich endlich gefangen, mein Rautendelein!" Er jauchzte leise. Eva zog sich zusammen unter seiner Berüh rung. Es war ihr wie ein Traum gewesen —, wie ein süßer, seliger Traum. Sie war erwacht! Sie bäumte sich auf gegen den Arm, den er um ihre Hüfte gelegt hatte — gegen den Willen, mit dem er sie niederdrückte. Er hielt sie fest — nicht heftig, aber be stimmt: „Nun weiß ich, daß du mich lieb hast, Eva! Nun lasse ich dich nicht mehr!" Und seine Stimme bezwang ihren letzten Widerstand, ihre letzte Kraft. Sie lehnte sich an ihn in müder Wonne . . . Nun lvar es wahr, was sie beide geträumt, mit offenen Augen in schlaflosen Nächten. „Eva!" sagte Holger, und zog sie au sich und küßte sie auf die sehnenden Lippen — einmal und noch einmal und immer wieder .... Bis er genug hatte. „Mein wilder Bub!" jubelte Eva ganz atem los unter seinen Küssen. „Hab ich endlich dein Herz bezwungen, meine Eva Maria," lachte er glücklich auf. Und sie widersprach ihm nicht mehr. Sie gab sich ganz der Seligkeit des Augenblicks hin. Willenlos lehnte sie an seiner Schulter, wunschlos — und Eva schloß die Augen wieder. Sie war so glücklich — so wonnig glücklich. Er konnte nicht anders. Er mußte sie küssen — küssen auf die klare, reine Stirn. Eva fühlte, daß er sich ihr näherte. Aber sie rührte sich nicht. Ein süßer, seliger Schauer rieselte ihr langsam durch die Glieder, als er zaghaft ihre Stirn berührte, und lähmte ihre Willenskraft. Sie wehrte sich nicht. „Eva!" sagte er noch einmal zärtlich. Da schlug sie die Augen voll zu ihm auf. . ... Ich ließ sich küssen und küßte wieder, mit heißer Lei- denschaft, wenn es über sie kam . . . ,Jetzt wenden wir!" sagte Eva endlich. Und er machte keinen Versuch, sie umzustimmen. Es war Zeit. „Noch einmal laß mich dich furchtbar küssen, du Liebste, ehe wir wieder unter Menschen kom men," bat Holger. „Ja. Noch einmal . . ." wiederholte sie langsam, schlang ihre beiden Arme um seinen Nacken, sah ihm in die crnstfrohcn Augen und küßte ihn heftig lange, lange, auf den Mund, mit aller Hingabe und mit aller Leidenschaft ihrer Weibnatur . . . Endlich gab sie ihn frei: „Und jetzt mußt du diese Stunde vergessen für immer. Für immer streichen aus deinem Gedächtnis, Holger. — Nein! jetzt nicht mehr, und sie stieß ihn sanft zurück. Verständnislos starrte er ihr ins Gesicht: „Wie meist du das, Eva?" fragte er un gläubig. In ihren Zügen stand ein harter Entschluß: „Es ist mein Ernst, Holger. — Es muß so sein. Hör mir zu!" Sie setzten sich beide wieder nebeneinander ans Steuer, nur nicht mehr so nahe wie vorhin, und nachdrücklich schob sie seinen Arm zurück, als er ihn wieder um ihren weichen Körper legen wollte: „Nein! nun nicht mehr . . . Nun ist alles aus. Alles zu Ende! — Das ganze Spiel!" Er schnellte auf: „Ein Spiel — Eva?!!" Es war ihm unmöglich, zu begreifen. „Ja, Herr Doktor. Ihr Spiel und mein Spiel!" „Mein Sprel!? — Eva! glaubst du denn, daß das Spiel >var?" Eva erblaßte jäh „Haben Sie etlvas an deres gedacht, Herr Doktor?" „Aber Eva, hältst du mich denn für so namenlos schlecht . . . Eva! ich kann das ja gar nicht fassen —. Weißt du denn nicht, daß ich dich liebe — daß ich dich liebe seit unserer ersten Begegnung, daß ich nahe daran lvar, ver rückt zu werden, als du dich zurückzogft, daß ich — daß ich erst jetzt wieder Ruhe hab« und Frieden, seit dieser Stunde? Daß ich nur eine Sehnsucht habe — dich mein zu nennen, mein Weib . . . Eva!! um Gottes willen, warum schweigst du?!" Ein tvilder Sturm tobte in ihrem Innern. Unmöglich! Er liebte sie! Und Sie? Liebte auch sie ihn? Liebt sie ihn denn . .. Unmög lich! Es war ja unmöglich! ... Sie warf sich über das Steuer und schlug die Hände vors Gesicht. Fast wild riß er sie zurück: „Du mußt mir antworten, Eva! Hast du mit mir gespielt??" Eva schüttelte den Kopf: „Frag' mich nicht, Holger, ich iveiß es nicht. Ich weiß nicht, wie cs ist. Ich weiß nicht, ob ich dich lieb habe oder nicht — ich weiß nur das eine, ich kann dich nicht heiraten. Nie!" „Das kann ich nicht verstehen. Du mußt mir einen Grund angeben!" „Laß mich besinnen, Holger ... Ich muß mich erst besinnen." Er wartete. Sie legte ihre Hand auf sein Knie, und er deckte die seine darüber und strich ihr über die kalten, bebenden Finger. Sie sah an ihm vorbei ... ins Weite. „Siehst du, Holger, ich glaub«, es ist so." Ihre Stimme zitterte, und sie mußte einen Augenblick innehalten. „Ich hab' dich furchtbar lieb — seit eben jetzt erst, glaube ich. Aber es ist etwas da, was sich nicht überbrücken läßt. Ich weiß das ganz bestimmt. Ich weiß es. Mein innerstes Gefühl sagt es mir: es ist nur ein Rausch —" Er zuckte auf, aber sie hielt ihn mit einem leisen Druck ihrer Hand nieder. „. . . nichts, lvas uns innerlich auf die Dauer verbinden kann. Siehst du, lvtr haben nie, fast nie über unser Inneres gesprochen, und doch weiß ich cs: du bist ganz anders als ich — viel, viel zu jung! Es ist einer — ich sage es dir in der Stunde, in der ich selbst mir'S zum erstenmal offen eingestehe — es ist einer .,« den habe ich lieb — (Fortsetzung in d»r Mmy»»a»i»tzaai.)
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