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Lette 2. Nr. 29S. Morgcn»Nusnsde Leipziger Tageblatt. mächtig. Die Explosion verursachte starte Rauch- und Staubwolken. Der Mörtel fiel von der Decke und den Wänden. Polizei war schnell zur Stelle und hielt einige Anwesende zurück, um sie zu vernehmen. Sodann wurde da» Gebäude vom Publikum geleert, und Vic Polizei besetzte den Ausgang. Ueber den Umsang des angerichtetcn Schadens fehlen vorläufig noch authentische Angaben. Der historisch« Krö- iiungsstuhl scheint nur unbedeutend beschädigt zu sein, ebenso der sagenhafte Stein von Scone, ein großer Eranitblock unter dem Sessel. Aus diesem Stein waren die schottischen Könige von Kenneth l_l. bis zu Charles 11. zu Scone kniend ge tränt worden. Bon ihm, dem „Pikten- oder Schicksals stein', dem „Lia Fail" der Schotten, geht die Sage, Latz er der Stein wäre, auf welchem das Haupt Ja kobs ruhte, als ihm der Engel des Herrn im Traum erschien. Seit der „Union" von Schottland und England im Jahre 1707 ist dieser Krö nungsstein nach der Wcstminstcrabtei verlegt, wo er in dem Krönungsstuhl, der in reinem gotischen Baustil gehalten ist, und sich Lurch reiche und feine Schnitzereien auszeichnet, eingelassen ist. Der amtliche Bericht der Polizei über den An schlag lautet: Eine klein eBombe explodierte in der unmittelbaren Nähe des Krönungsstuhl.-s. Es wird angenommen, Latz die Bombe von seinand, der mit einer grotzcn Gruppe von Besuchern in das Innere gelangte, dort hingelegt wurde. Der Schaden ist unbedeutend. Die Holzschnitzerei am Rücken des Stuhles ist teilweise abgebrochen: ferner ist das Steinmetzwcrk an der Wand dahinter anscheinend durch Eisenteile, die die Bombe enthielt, beschädigt. Diese bestand aus einer dünnen Nickel hülle und wurde durch eine Zündschnur entzündet. Bei dem Stuhl wurden eine Federboa, ein Fremdenführer und eine kleine schwarze Seidentasche gefunden. Die polizeiliche Untersuchung ist im Gange. Der Polizeibericht fügt hinzu, Latz der Schaden zu reparieren ist. Im Unterhaus gab der Staatssekretär des Innern M ac Ke n n a eine bedeutsame Erklärung dahin ab, datz die Negierung den Unterzeichnern der Sammluugsaufruse für den Agitationsfonds der Wahlweibcr den Prozeß machen und die Geld geber persönlich für allen Schaden zur Verant wortung ziehen würde. Mit diesem Vorgehen erklären sich die meisten Zeitungen einverstanden. Selbst die „Times", die erst vor einigen Tagen empfahl, datz man die Suffragetten im Gefängnis einfach zu Tode hungern lasse, schliesst sich dem Vorschläge au. Nur der „Daily Erpreß" tritt für noch entscheidendere Matzuahmen ein. Ob Mac Kennas Plan sich ver wirklichen lässt, wird erst die Erfahrung lehren. Eine gerichtliche Handhabe zu einem Vorgehen gegen die Geldgeber ist in England, wo das Privat eigentum so energisch geschützt ist, nicht so leicht zu finden. Heer und Zlotte. * Ersatz des Kreuzers „Gazelle". Der bei der Atliengesellschaft Astser in Bremen in Bau gegeben« Kleine Kreuzer ist „Ersatz Gazelle 1814"- Der Kleine Kreuzer „Ersatz Niobe 1914" wird auf der Kaiserlichen Werst in Kiel gebaut. Drutfches Reich. * Der deutsche Kronprinz ist von seiner Eeneral- stabsresie am Freitag mittag in Berlin wieder ein- getroffen. * Kronprinz Rupprecht von Bayern machte nm Donnerstag nachmittag in Berlin dem Reichs kanzler einen Besuch. * Diplomatenwcchjel? Zur Abwechslung wird wieder einmal ein Wechsel im Auswärtigen Amt an gekündigt: Unterstaatssekretär Zimmermann soll Botscbaster in Tokio werden und durch den Gesandten in Argentinien Freiherr von dem Bussche-Hatten Hausen ersetzt werden. Wir glauben, datz die Nach richt jetzt ebensowenig richtig wie unrichtig ist wie in früheren Fällen. * Heeresverwaltung und Duellfrage. Die „Nordd. Alla. Ztg." schreibt: „2n der Presse ist mehrfach er wähnt worden, datz bei einzelnen Bezirkskommandos den Offizieren des Beurlaudtenstandes eine Ab handlung zugängig gemacht worden ist, die sich mit den Pflichten der Offiziere beiEhren- Händeln besaht und die u. a. folgenden Satz ent hält: „Allgemein satisfaktionsunfähig sind nur die Personen, welche durch ehrengerichtlichen Spruch aus dem Offiziersstande entfernt oder durch richterlichen Spruch ihrer bürgerlichen Ehrenrechte verlustig gegangen sind oder welche durch notorische Verletzung der Ehrenpflicht (Ablehnung de» Duells usw.) der allgemeinen Achtung verlustig gegangen sind." Die Pressemeldung ist, wie nunmehr fest gestellt worden ist, richti g. Es wird aber gleich, zeitig daraus hingewiesen, datz es sich lediglich um eine Privatarvett handelt und datz deren In halt in mehreren wichtigen Punkten, insbesondere in bezug auf den angeführten Satz, nicht der Auf fassung der in ahgebenden Stellen ent spricht. Die Heeresverwaltung wird, wie wir hören, eine Erklärung veranlassen. * Die nationalliberale Landtagssraktion in Preußen veranstaltete am Donnerstag im Verein mit einigen Gästen, unter denen sich auch die Ver treter der gröberen nationallideralenBlätter befanden, eine Motorbootfahrt aus dem Havelsee. Zum Schlub kehrte man im Schwedischen Pavillon ein, wo ein gemeinsames Mahl eingenommen wurde. Herr Fuhrmann toastete auf den Fraktionsvorfitzenden Geheimrat Friedberg,und dieser antwortete sehr sein und beziehnngsreich. Er führte u. a. aus: Es käme darauf an, gegen sich selbst und auch gegen andere gerecht zu »ein. Eine Partei, die das vergesse und sich nur zu einer reinen Interessen vertretung machen wollte, würde sich bald ihr eigenes Grab graben. * Herr Erzberger hatte dieser Tage berichtet, datz für die Stiftung eines Kaiservenkmals in Detmold der erbliche Adel,zu haben sei. Dazu teilt das Fürstlich Lippischc Hofmarphallamt der „Kreuz-Ztg." mit, dem angeblichen Angebot des Adels für Geld steht die fürstlich« Hofverwaltung selbstver ständlich absolut fern. Di« hier völlig unver ständliche Angelegenheit wird, wie dies mit anderen neulichen Schwindelmanövern und Verleumdungen bereits vorgesehen ist, ohne Verzug -er Staatsanwalt schaft übergeben werden. * Die deutsche Rheinmündung. Am 17,. Juni wird der „Verein deutsche Rheinmündung" seine dies jährige Hauptversammlung zu Frankfurt a. M. im Hotel „Frankfurter Hof" avhalten. Nutzer ge schäftlichen Vereinsangclegcnheiten steht unter Zu lassung der Ocffentlichkeit ein Referat des Professors Dr. P. Arndt, Frankfurt a. M., das sich mit der Ver kehrs- und wirtschaftspolitischen Seite der natio nalen Forderung einer deutschen Rhcinmllndung bc- sckstiftigcn wird, sowie ein Lichtbildervortrag des Ge schäftsführers Dr. Coppius über „Vergangenes und Gegenwärtiges über die deutscl>en Rhcinmündungs- bestrebungen" aus der Tagesordnung. Diese Ver anstaltung des Vereins wird in weiten Kreisen Interesse erregen, um so mehr, als voraussichtlich auch neue erhebliche Mitteilungen über die Förde rung des Vereins namentlich in bezug auf die Ab sichten der preutzischcn Staatsregierung in Aussicht stehen. * Die Einlagen der Sparkassen in Preutzen. Nach der letzten Sparkassenstatistil besatzen die preussischen Sparkassen einen Einlagebestanü von 12 258 347123 Mark, hiervon entfielen aus Vereins- und Privat sparkassen 646 608 904 .« Von den Gesamteinlagen entfielen auf Schuldscheine ohne Bürgschaft 17343 422 Mark, auf Schuldscheine mit Bürgschaft 177 978 016./», auf Anlegung gegen Wechsel 89869 515 auf An ¬ legung gegen Kaufpfand 106 208 223 Die Spar kassen entwickeln sich immer mehr zu Bankinstituten. Ausland. Gesterrekch-Ungarn. * Die ungarische Lerwaltungsresorm. Der Minister des Innern Johann Sandor hat dem Abgeordnetenhaus,: drei Gesetz entwürfe über die Verwaltungsreform unter breitet. Danach sollen die Vcrwaltungsbeamtcn, die bisher durch die Komitate gewählt wurden, von der Negierung ernannt werden. Dagegen erhält die Komitatsversammlung die Kontrolle und das Disziplinarrecht über die staatlich ernannten Verwal tungsbeamten. Der Komitatsausschutz, der eigent lichc Sclbstverwaltungskörper, wird durch zahlreiche gewählte Elemente verstärkt. Dänemark. * Internationaler Pretzkongrrtz. Am Freitag vormittag wurde in Kopenhagen der 16. In- ternationalc Prctzkongrctz im Fcstsaal der Universität feierlich eröffnet. Nußlanö. * Strategische Straßen im Osten. Die Wegebau kommission der Neichsduma Hut eine Gesetzes vorlage über Kreditanweisung für strategische Chausseen im fernen Osten angenommen. * Ueber die geheimen russischen Rüstungen wird aus Petersburg gemeldet: Das Kadettenorgan „Retsch" schreibt zur Bewilligung der Kredite für autzerordentliche Rüstungen durch die Budgetkom mission der Reichsduma: Einzelheiten über die in Aussicht genommenen Rüstungen sind infolge d«r Ge heimhaltung der Vorlage nur einem beschränkten Kreise von Personen bekannt geworden, di« die Mög lichkeit hatten, in die amtlichen Begründungen Ein sicht zu nehmen. Aus der Höhe des in diesem Jahre bewilligten Rekrutcnkontingents ist aber ersichtlich, datz es sich um ganz autzerordentliche Opfer an Men schen und Geld handelt. Die oppositionellen Parteien haben gegen die Bewilligung der Kredit« gestimmt. Die Verantwortung dafür tragen daher die Regie rung und die Mehrheitsparteten. Zur Aufrecht erhaltung des Gleichgewichts im Budget werden ent weder neue Anleihen abgeschlossen oder neue Steuern eingcführt werden müssen. Rumänien. * Der Besuch de» Zaren. In Constanze ist alles für den Empfang L«s Zaren vorbereitet. Die er griffenen polizeilichen Massnahmen sind ganz außer- ordentlich. Di« hier verbliebenen ehemaligen Ma trosen des russischen Kriegsschiffs „Potemkin" werden streng bewacht und dürfen während des Zarenaufent halts ihre Häuser nicht verlassen. Während des Passierens des Kaisers darf sich auf d«n Straßen, die zur Kathedrale und zum Palais führen, niemand aufhalten. Gewisse Ströhen dürfen nur mit polizei lichem Erlaubnisschein betreten werden. Auf fallend ist, datz die hierher beorderte russische Geheim polizei zumeist Franzosen sind. * Sozialdemokratischer Protest. Die sozial demokratische Partei hat wegen des Zaren besuchs in Constanza im ganzen Lande Protest- versammlungen «inberufen. Die unter den Arbeitern und Bürgern verteilten Ausrufe enthalten heftige Ausfälle gegen die Person des Zaren und schließen mit den Worten: „Nieder mit dem Zaris mus! Es lebe die russische Revolution!" Mexiko. * Ein Vertreter Carranzas. Ein Telegramm aus Saltillo berichtet, datz Carranza den Vermitt lern mitgeteilt hätte, er werde einen Vertreter für die Niagara-Falls-Kommission ernennen. Süüafrika. * Die Regierung bleibt im Amte. Aus Kapstadt wird gemeldet: Weder die Zeitung „Cape Times" noch „South African News" meinen, datz die Regierung nach ihrer Niederlage im Ab geordnetenhause zurllcktreten müsse. Beide, Blätter sprechen sich scharf gegen einen solchen Rücktritt aus. Wenn auch das Kabinett infolge der Ver minderung seiner Majorität und der Meinungs verschiedenheiten mit einigen seiner Parteigänger in -er Frage der Steuermatznahmen, die es als wesent lich ansieht, die Lage als sehr schwierig betrachtet, wird cs doch im Amte bleiben. Es begründet sein Verbleiben im Amte damit, datz, wenn es auch die schwere Niederlage nicht verkenne, im Falle seines Rücktritts zum Nachteil für das Land viel wichtige Gesetzesarbeit unerledigt bleiben müßte. preußisches fibgeorönetenhaus. Sitzungsbericht. Präsident Graf von Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um 11 llhr 15 Min. Auf der Tagesordnung steht zunächst die dritte Beratung der Besoldungsvorlage. Nach kurzen Ausführungen des Abg. Bartscher sZtr.) wird die Vorlage in dritter Lesung an genommen. Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs bctr. Abänderung des 8 109 des Zuständig- keitsgesctzes. Nach der Vorlage soll für An lagen zur Bereitung von Braunkohlenteer, Stein kohlenteer und Koks sowie Schnellbleichen, Stärke fabriken usw. in erster Instanz der Bezirksaus schuß als Gcnehmigungsbehördc gelten und in zweiter Instanz das Landeswasseramt. Nach kurzen Bemerkungen des Abg. Lieber (Natl.) wird der Entwurf in zweiter und dritter Lesung an genommen. Es folgt die erste Beratung des Fideikommitzgesetzes. Justizminister Dr. Beseler: Der Gesetzentwurf be zweckt die B e s ei ti g u n g der bei der Bildung von Fideikommissen hervorgetretenen Mißstände. Her großen Ausdehnung, die die Fideikommisse in den letzten Jahren genommen haben, muß vorgc- beugt werden. Infolge der verschiedenartigen Ge setzgebung in einzelnen Landcstcilcn trat eine ge Emil Strohals Persönlichkeit. Don Hermann Kienzl, Berlin. Der Stern, der am 6. Juni erloschen ist, leuchtete nicht bloß über der Universität Leipzig. Strohal galt in der Rechtswissenschaft seit dem Tode der Wind scheid und Jhering als der bedeutendste lebende Ncchtssorscher, Rechtschöpfcr und Rechlslehrer dcut- sck)er Zunge. Am Rechtsdau zweier großer Staats gebilde, Oesterreichs und des Deutschen Reiches, l)at er wie kaum ein zweiter mitgewirkt, und seine Ver dienste um Las neue deutsche bürgerliche Gesetz allein schon sick)<rn ihm «in ewiges Denkmal. Was Emil Strohal für die Wissenschaft gewesen, würdigen die Mitbürger seines besonderen Reiches. Hier seien ihm Erinnerungen eines Autzenstchers gewidmet. Der (belehrte alten Schlages ist der Mann mit der grotzcn Brille, der gefurchten Stirn, dem welt abgewandten, in sich gekehrten Aug«: Faust vor d«m Verjüngungstrank, umgeben von wurmigen Schar teken, atmend im Dunst der Lampe. Eine ganz andere Erscheinung war Strohal! In dem Manne, -er in seiner Jugend die durck>geistigte Schönheit eines Künstlers hatte, pulste das frische, lebhafte Blut des Deutschösterreichers. Ich weiß nicht, ob er noch im hohen Alter das Helle, freudige Lachen hatte, mit dem er einst die Herzen wärmte und erobert«: doch schwerlich konnte ihm j« verloren gehen der sonnige Humor und im Verkehr die bescheidene Un befangenheit, die wahrhaft großen Menschen so sicher eigen ist. wie sie frei sind von Dünkel und Klüngel stolz. Was man sonst, was besonders Schopenhauer den Mitgliedern der akademischen Hierarchie zum Vorwurf macht: datz sie in unnahbarer Gottähnlich- kcit vor allem ihrer Würde bedacht sind, da» lag ganz und gar fern dem Manne, der sich ni« als Sohn der freien Berge verleugnete. Strohal war eine ge sellige Natur, ein treuer Freund und Genosse, rasch in jedem Augenblick zu tatkräftiger Hilfe bereit. Seine Lust war das Wandern in den heimischen Alpen, seine Liebe hielt auch an Gräbern treu« Upcht «ch umfing mtt größer Zärtlichkeit di« Kinder. Sein Blick war ins Leben ge richtet. Und das vor allem unterschied ihn gründ lich von dem Typus des trockenen Gelehrten. Es kam auch seinen großen juristischen Schöpfungen zugute, vor allem dem Bürgerlichen Gesetzbuch, das, als Strohal von der Grazer Universität als Nachfolger Jherings nach Göttingen berufen worden war, durch ihn wesentliche Neugestaltungen auch in jenen Teilen erfuhr, die vor seinem Eingreifen im Ent wurf bereits festgelegt worden waren. . . Die immer währende Fühlung, die dieser epochale Jurist mit der Wirklichkeit und den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen hatte, gab seinen Werken den modernen und den persönlichen Charakter. Er selbst ließ darüber zwei Worte stillen in seinem Beitrag zum Leipziger Universitätsjubiläum. „Ohne klare Vor stellung von der praktischen Funktion der Rechts sätze", schrieb er, „gibt cs keine fruchtbare Juris prudenz. Di« Ermittlung von Rechts wahrheiten für den luftleeren Raum bringt uns nicht weiter." Professor Emil Strohal war, das ist bemerkens wert, von der praktischen Juristerei zum Katheder gekommen. Zu Beginn der siebziger Jahre arbeitete er mehrere Jahr« lang als „Advokaturs-Konzipient" in der Grazer Rechtsanwaltskanzlei meines Vaters. Eine nicht gewöhnliche Aufgabe war ihm schon da mals beschiedcn als Mitarbeiter meines Vaters an einem vieljährigcn großen „Jesuitenprozetz", der die Gerichte mehrerer Staaten beschäftigte und den Grazer Rechtsanwalt nötigte, in den Gesetzbück)ern dieser Staaten wohlbejchlagen zu sein. Dieser Pro zeß erlangt: eine gewisse rechtshistorischc Bedeutung. Zur Zeit, als Strohal dem freien Beruf« eines Rechtsanwalts zustrebte, beschäftigte er sich leiden schaftlich mit Politik. Der Drang nach politischer Betätigung war. wie Strokal noch vor kurzem be kannte, die eine von seinen zwei Seelen: behielt später die andere, die der W'sienjchait gel)örte, das Ucdcrgewicht, so blieb doch Strol)al bis zum Ende ein treuer Genoß der Deutschen in Oesterreich, ein För derer ihrer Ziel«, «in Waffenbruder. Es ist mir aus sicherer Quelle bekannt, datz der Leipziger Professor und Geheime Hofrat Gelegenheiten, die ihm sein An sehen bot, nicht ungenutzt ließ, hochstehende Persön lichkeiten in Deutschland über das Wesen und Wollen der deutschösterreichischen Politik besser zu unter richten, als es dir offiziellen Mittelsmänner zu tun verstanden. In den Nachrufen auf Strohal wurde kurz er wähnt, datz er einst einer der Gründer der deutsch nationalen Partei in Oesterreich gewesen ist. Das .ist richtig: doch es mutz, um irrtümliche Vorstellungen zu verhüten, bcigefügt werden, datz jene alten Deutsch nationalen Oesterreichs aus den Reihen der radikalen Freiheitskämpfer -ervorgegangen sind und sehr geringe Wesensverwandtschaft hatten mit den konservativen Parteien in Deutschland, die sich vornehmlich des nationalen Titels bedienen. Strohal war der eigentliche Schöpfer des neuen Programms der Deutschösterreicher. Noch ehe in Oesterreich der deutjchliberale Zentralismus, der erschöpfte Nach- komme des Josephinismus, Bankrott ansagtc und dem seudal-slau'sichen Regime Taafse Platz machte, hatte Strohal die drohenden Zeichen der Zeit richtig ge- deutet und in einer historisch gewordenen Grazer Versammlung jene Grundsätze der nationalen Selbst vereidigung ausgestellt, hinter die sich ein gesichertes Deutschöstcrreich zurückziehcn sollte. Der Traum von der deutsch regierten Gesamtmonarchie war im Jahre 1863 zerschlagen worden. Strohal bezeichnete cs als verhängnisvollsten Fehler, vor den Dingen der Wirk lichkeit die Augen zu schließen und einer Utopie nach- zuhängen, während Stück für Stück deutschen Besitzes in Gefahr geriet. Seine realpolitische Forderung lautete: Verwaltungspolitischc Selbständigkeit der alten deutschen Erblonde Oesterreichs, jener Teile der Monarchie also, die «Inst deutsch« Bundesländer gewesen. Erreicht werden sollte diese Abmarkung . durch die administrative Sonderstellung Galiziens, der Bukowina und Dalmatiens. Man bunte mit der Mitwirkung der polnischen Wünsche rechnen, da ja die Polen dis zum heutigen Tage ihre galizische Landesautonomie zu erweitern trachten. Allerdings Sonnadenü, 13. Juni 1914. wisse Rechtsunsicherheit Zutage. Es ist daher not« wendig, einen einheitlichen Rechtszustand zu schaffen. Wir müssen die Selbständigkeit der Fideikommisse wahren. Die Fideikommisse sollen sich hauptsächlich auf den ländlichen Besitz erstrecken. Reine Geld fideikommisse würden den Zwecken des Staates ni'cht dienen. Durch die Fideikommihbildung wird insbesondere eine Hebung ver wirtschaftlichen Stel lung der Familie bezweckt und aus eine angemessene Versorgung der Familienmitglieder Rücksicht genom men. Die Acnderungen des Herrenhauses an der Vorlage sind unwesentlich. Die Regierung bittet um Annahme der Vorlage nach den Beschlüssen des Herrenhauses. Abg. v. Gescher (Kons.): Die Vorlage, die eine geeignete Grundlage für die Neuregelung des Fidei« kommitzweiens bietet, ist vom Herrenhause meisterhaft überarbeitet worden. Die wirtschaftliche Bedeutung der Fideikommisse steht außer Zweifel. Indessen bedeutete eine allzu- grotzc Ausdehnung der fideikommissarischen Besitzer eine Gefahr für die Volkswirtschaft. Wlr ver missen leider in der Vorlage die Regelung der Bildung bäuerlicher Fideikommisse. Wir sind einverstanden, daß auch die Bestimmungen über Familienstiftungen neugeregelt werden. Wir beantragen, «die Vorlage an eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen. Abg. Bitta (Ztr.) wünscht, datz di« Kommission beauftragt wird, die Fideikommitzvildung auch auf den bäuerlichen Besitz auszudehnen. Betreffs der Nachfolge hatte der Entwurf vorgesehen, datz der Besitzer eine Auswahl unter seinen Söhnen treffen kann. Das Herrenhaus beseitigt diese Bestimmung. Auch wir halten die Nachfolge des Erstgeborenen für richtiger. Avg. Lohmann (Natl.): Eine intensivere Bewirtschaftung wird durch die Fideikommisse nicht erreicht und die Landflucht dadurch nicht beseitigt. Wir sind entschieden gegen eine zu große Ausdehnung der fideikommissarischen Bindung. Wir ver urteilen die Latifundienbildung. Wo aber ein« weitere Bindung eintreten soll, sollen nur Familien zugelassen werden, die eine Gewähr bieten, daß der Besitz in der Familie bleibt. Wir fordern eine gewisse Rcsidenzpflicht für den Fidei- kommitzbesitzer und lehnen Eeldfideikommisse ab. Abg. Schrock (Freikons.): Wir wünschen ebenfalls die Bindung des bäuerlichen Besitzes, wodurch der jetzigen Güterjpetulation, besonders mit bäuerlichen Grundstücken, entgogengewirkt würde. Abg. Wuldstein (Fortschr. Npt.): Die Regelung des Fideikommitzrechts wäre zweckmäßiger vom Reiche vorgenommen worden. Die Rechte glaubt aber, datz die Materie bei ihrem ausgesprochen partei politisch konservativen Interessen besser in diesem Hause aufgehoben ist. Das Fideikommitzwesen ist ein Ausnahmerccht zugunsten einer bestimmten Be- völkerungsklasse. Das vorliegende Gesetz ist nicht geeignet, die Bindung des Grundbesitzes zu ver ringern. Durch die Bindung eines großen Teiles des Grundbesitzes wird eine gewaltige Preissteigerung des übrigen Grund und Bodens herbeigeführt. Abg. Hofer (Soz.): Wir sind gegen das Gesetz, weil cs ein Vorrecht für einen einzelnen Stand bedeutet. Die Herrenhausmitglieder sind alles andere eher als di« geborenen Führer Les Volkes. Auf das Kommando der Herren parieren die Richter wie die Unteroffizier«. Das hat sich in dem Charlottenburger Denkmalsschändungsprozetz gezeigt, wo feile, gewissenlos« Richter ein Blut urteil gefällt haben. (Große Unruhe rechts.) Präsident Graf von Schwerin-Löwitz ruft den Redner wegen der Herabwürdigung der Richter und der Herrenhausmitglieder zweimal zur Ord nung. Darauf wird die Weiterberatung aus Sonnabend 10 Uhr vertagt. Außerdem kleinere Vorlagen. Schluß 5 Uhr. Julias SLütlmer, Kaiser). unck Könixl. Uyt-klnnokorlerndrlkallt riüLvI M kiLllill08. tiMkikdiki mit M ml» VelliullMIiMNlui, ulrlil ii Lrüssel 1910 mir ävm „OranÄ k>Dix" I-eiprig 1S13 (Intern. Lnukaoknusitollung) iiöiiixi. 8iieii8. istastMM hätte die Selbstverwaltung der altöstvrreichischrn Länder den polnischen Einfluß auf die Zentralregie rung beträchtlich gemindert. Den zähesten Widerstand fand die Bewegung der Jungen bei den österreichi schen Altliberalen,-Len „Herbstzeitlosen", wie sie Bis marck nannte; die wollten ihre sinkende Scheinmacht nicht fahren lassen und sich nicht hinter den Festungs gürtel der nationalen Autonomie begeben. Das rächte sich bald genug, als die slawischen Völker, voran die Tschechen, stetig neuen Boden gewannen für ihre autonomen Bestrebungen. Strohal mutzte der politischen Agitation entsagen, um einen Lehrstuhl auf der Universität zu erhalten. Jeden Schritt nach Canossa jedoch hatte er als un würdige Zumutung abgelehnt. Und er blieb auch als Gelehrter ein immer bereiter Berater und Freund der Deutschen in Oesterreich. Als ihm bei seinem Scheiden von Graz im März 1893 die Universität, die Stadt, die Studentenschaft autzerordentliche Ehrungen bereiteten, ergriff er das Wort und sagte u. a.: „Ich habe niemals Bedenken getragen zu sagen, datz ich ein wahrhaft deutschnational gesinnter Mann bin und bleibe. Die Krankheit des Deutschen ist, seine Nation preiszugebcn. Wir müssen mit allen Kräften arbei ten, um d«r deutschen Kulturgemeinschaft würdig zu sein; damit uns nicht das schlimmste Los, das ein Volk treffen kann, beschieden sei: bloßer Kulturdünger zu sein für andere Völker. Die Phrase, datz die Deut schen in Oesterreich doch noch berufen seien, einmal wieder die gesamtstaatliche Führung zu über nehmen, kann ihnen nicht Helsen. Sie müssen dem Gewordenen Rechnung tragen und auf dieser Grund lage ihr neues Haus bauen. Nur ein starkes öster reichisches Deutschtum kann den Völkerkampf zu ge deihlichem Ende führen." Seinem Stammesgefühl nach war und blieb Strohal auch im Sachsenlande «in Deutschösterr«ich«r. Doch dieses Gefühl kannte keinen trennenden Parti- kularismus: es strömte der großen deutschen Kultur gemeinschaft zu. Emil Strohal war ein Deutscher frankwea - und unter den Weltbürgern eine Zierde sein«» Volker.