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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 16.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140616011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914061601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914061601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-16
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Morgen - Ausgabe für Leipzig und Vorort« durch unser« Lrdarr V»AUAVpr«I^k. undSpesiteurermaltiigltchinohauogedrachtr monatlich I.S5 M., vierteljährlich S.75 M. Sri -er V«schüft»strUe, unser» Zilialen und siuogadesieUen adgeholt: monatlich IM., vierteljährlich SM. durch die Post: lnnrrhalb vrutschlands und der deutsch«« Kolonien monatlich t.so M., vierteljährlich «.so M., auoschlieftiich postdesteUgelü. da« Leipzigerrageblatt erscheint werktags »mal, Sonn» u. Zrlertagolmal. In Leipzig, Sen Nachbarorten und -en chrten mit eigenen Malen wird Sie fldeodauogad« «och am stben» dea «rscheinen» »n« Hau» geliesert. ocrl-ne» N-dakrioorInüenLeUentt, Zernsprech.^iojchluh: Moabit Nr.«47. hmrdelsSeituns /lmtsbloü des Rates und des pollseüuntes der Stadt Leipzig Nedaktio« und SeschdstosteU«: lohannlogaff« Nr.«» * F«r«sprrch»->aschluA Nr. 14S4L, >«t»r und 14044. ISS. Jahrgang ^r Inserat« au» Leipzig und Umgebung dl« /INAeigeNpreifr. Ispalttgepetttzetteupf., die N«N°m»„iI»I m.. von auowdrt«so ps., Neklamen l.ro M., Klein« Anzeigen diepetitzeiie n« bops.d.wtrüerhol.Nab.,Inserat» vonSebdrden lm amtltchenLeil Sir Petit» zeil« S» Pf. Seschdftoanzrigen mit plahvorschrist im Preis« erhöh«. Nobatt nach Lartl- dellagen: Sesamtausl. S M. da» Lausend auoschl. postgedUh». Nnzeigen-sinnahm«: lohanniogajse«, bei sämtlichen Zilialen de» Leipziger Lagedlatte» und alle» finnoneen-Expeditionrn de» Sn» und fluolonSe». SeschästofteUesürderiln u.di« pr.draaSendurg: dirrktionwalterZliegel, Serlia w. 1», Margarethrnstrag« «. Z«rnfpr«ch»f>njchluKr Lüho« »47l. Nr. 300 vienstsg, den lö. Juni. 1914. Das wichtigste. * Der Deutsche Städtetag trat am Montag in Köln zu seiner 4. ordentlichen Hauptversamm lung zusammen. (S. Ber.). * Die englische Polizei hat für das heute be ginnende Ascot-Meeting ausgedehnte Schutz mahregeln gegen Anschläge der Wahlweiber getroffen. (S. bes. Art.) * Fürst Wilhelm von Albanien leitet die Verteidigung von Durazzo persönlich. (S. bes. Art.) * Die Stadtverordneten wählen in Mailand haben eine sozialdemokratische Mehrheit ergeben. (S. Ausl.) * Das dänische Landsthing wurde am Montag aufgelöst. (S. Ausl.) * Bei dem Leipziger Tennisturnier gewann Logic wieder die Meisterschaft von Sachsen. (S. Letzte Sportn. S. 3.) das zweite Ministerium Viviani. Am heutigen Dienstag wird sich das zweite Ministerinm Biviani der Deputicrtenkanuncr in Paris vorstellen. Nach den Vorgängen der letz ten Tage ist zu erwarten, das; diesem Kabinett ein frenndticheres Geschick als dem Kabinett Ribot beschieden ist. Das kommt auch in folgen dem Briefe unseres Pariser ^.-Mit arbeiters zum Ausdruck: Paris, 14. Juni. Rens Vivianis zweites Ministerium, das dem ersten im Keime erstickten „wie ein Ei dem andern gleicht", hat das Glück, sofort auf der Rechten wie auf der Linken angegriffen zu werden. Nach dem völlig mißratenen Versuche des Präsidenten Poin- cars, ein reaktionäres Regiment unter Nibot durch zuführen, waren nur noch zwei Möglichkeiten ge geben. Entweder muhte der „geistige Chef" des wahren Blocks, der, 306 Mann hoch, Ribot stürzte, be rufen werden: Emile Co mb es. Oder aber, es konnte nochmals ein „Konzentrations- Ministerium" erprobt werden, das allerdings stark nach links überwiegen und den Gegnern des Militärgesctzes einige Zugeständnisse machen muhte. Kaum nachdem Viviani von Poincarö Len neuen Auftrag erhalten hatte, entstand eine Schwierigkeit, die größten Eindruck hervorrief: Viviani war zwar entschlossen, nicht mehr Jean Dupuy als Wachtmeister des Elysees und Behüter der „integralen" dreijäh- i 'gen Dienstzeit hinzunehmen; aber er verzichtete auch aus die Mitarbeit der Geeinigten Radikalen Go- dart und Ponsot, die sein erstes Kabinett zu Fall ge bracht hatten, weil sie die von Poincarö als ein Mi nimum betrachtete Formel der Regierungserklärung über das Militärgesetz nicht unterschreiben wollten. Dafür suchte sich Viviani die Mitwirkung von Emile Combes zu sichern und erhielt eine Ab lehnung, mehr noch, eine gehörige Zurecht weisung. Der alte Begründer des Blocks sandte selbst folgende Mitteilung an die Presse: „Viviani stattete Emile Combes einen Besuch ab und bot ihm an, in sein Kabinett einzutreten. Der frühere Mi nisterpräsident glaubte, nicht annehmen zu können wegen seiner Meinungsverschiedenheit mit Viviani in der Militärfrage. Emile Combes bleibt in der Tat, was die Verminderung der militärischen Dienst dauer anbelangt, dem Programm von Pau treu." "Die einen legten diese motivierte Ablehnung dahin aus, daß der 78jährige Senator selbst ein Ministerium zu gründen wünsche, die andern wollten darin nur ein Zwangsmittel sehen, daß Viviani, um auf der sinken keinen zu großen Widerstand zu finden, sich in neue Zugeständnisse an die Gegner der drei Jahre schicke. Zur allgemeinen Ueberraschung verhinderte das Combesjche Veto kein Mitglied der geeinigten radikalen Partei, weder Maloy noch Dalimier, und auch nicht den republikanischen Sozialisten Augagneur, die am meisten zum Sturze Ribots beigetragen harten, von Viviani Portefeuilles an zunehmen. Innerhalb weniger Stunden waren jämtliche Posten besetzt, und es wären wohl leicht noch hundert andere mit strammen Antimilitaristen besetzt worden, die glücklich gewesen wären, auch ein mal Minister zu sein. Von den Männern, die bereits dem Kabinett Doumergue angehörten, verblieben: Senator Bienvenu-Martin als Justiz minister, Malvy als Minister des Innern und Gauthier als Marinsminister sowie No ule ns als Finanzminister (statt des Kriegs), Rens Re nault als Minister der Öffentlichen Arbeiten (statt der Finanzen), Raynaud als Kolonialminister (statt der Landwirtschaft) und Fernand David als Landwirtschaftsminister (statt der Öffent lichen Arbeiten). Hinzu kommen: der fünfund vierzigjährige Mcjslmy, vormals Hauptmann im Generalstab und dann radikaler Deputierter, im Kabinett Monis Kolonial-, später Kriegsminister. Während der Debatte über das Militärgesetz hatte Meffimy einen Vermittlungsvorschlag versucht und erklärt, die 30monatige Dienstzeit werde als Gegen maßregel gegen die deutschen Rüstungen genügen. Da ja jetzt schon vier Monate Urlaub gewährt werden, ryutd mqn oielleicht diesen Messimyschen Plan wieder aufnehmen, damit sich im Radikalismus Ver teidiger und Eogner des Militärgesetzes aussöhnen können. Denn Augagncur, dem in Lyon seine republikanisch-sozialistischen Wähler ein Bankett gaben, vermochte nur auf Grund gewisser Garantien von feiten Vivianis telephonisch das angetragene Portefeuille des Unterrichts anzunehmen. Er hat während der letzten Wahlkampagne in deutlichster Weise den Arbeitern die Rückkehr zur zweijährigen Dienstzeit versprechen müssen, um wiedcrgewählt zu werden. Augagneur, 59 Jahre alt, war früher Arzt, sozialistischer Bürgermeister, dann Deputierter von Lyon und Gouverneur von Madagaskar; Caillaux übertrug ihm die öffentlichen Arbeiten. Er ist ein schneidiger Redner, wurde aber sehr kritisiert, als er wegen angeblicher „Invalidität" die hohe Pension der Kolonialgouverneure forderte. Thomson, der neue Handelsminister, steht dem Zentrum nahe, ist Chef der sog. demokratischen Linken, 66 Jahre alt, seit 1877 ununterbrochen Abgeordneter von Constan tine und einstiger Marineminrster unter Rouvier, Sarnen und Clemenceau. Im allgemeinen ist das Kabinett stark nach links orientiert, da ihin zwei republikanische Sozialisten und acht geeinigte Radikale angehören. In der Regierungserklärung wird — wir wiesen be reits daraus hin — auf den Passus: „wenn eine Aenderung der auswärtigen Umstünde es erlaub:", verzichtet, und nur in seinen freien Ausführungen wird Viviani es ablehnen, jetzt schon den dienenden Hceresklassen eine Verkürzung der Dienstzeit zu ver sprechen. So werden zwar wahrscheinlich die Sozia listen und einige Radikale gegen ihn stimmen, aber dank der Unterstützung der Linksrepublikaner wird er eine Mehrheitvon rund 350 Stimmen er halten können. Daß er selbst das Portefeuille des Auswärtigen übernahm, dünkt uns eine Sicherheit für friedliche Politik. Sein Unterstaatssckretär Abel Fcrry ist der Neffe von Jules Ferry, der bekanntlich einer praktischen Annähe rung an Deutschland zu getan war: möge dies ein gutes Omen für die fernere Politik des Quai d'Orsay bedeuten! Zur Trauerseier für -en verstorbenen Sroßherzog von Mecklenburg-Strelch. Wie die „Landcszcittmg für beide Mecklen burg" amtlich meldet, trifft der Kaiser am Dienstag mittag 12^ Uhr in Neustrelitz zur Teilnahme au der Trauerseier für den verstorbeueu Gr ost Herzog ein. Die Abfahrt des Kaisers ist aus 2 Uhr nachmittags festgesetzt. Am Montag nachmittag trafen Prinz Gduard von Anhalt, Prinz Aribert von Anhalt, Erbprinz Viktor von Hohenzollern als Vertreter des Fürsten und abends der Herzog von An halt, der Fürst zu Schaumburg-Lippe, Herzog Karl Michael zu Mecklcnburg-Strelitz, Prinz Friedrich zu Schaumburg-Lippe und Prinz Lizzo zu Schwarzbucg in Neustrelitz ein. Am Diens tag vormittag kommen dort an Prinz Adalbert von Bahern als Vertreter des Königs, Herzog Robert von Württemberg als Vertreter des Königs, Prinz Johann Georg von Sach s' e n als Vertreter des Königs, Prinz Heinrich der Niederlande, der Herzog von Teck als Ver treter des Königs von England, der Kronprinz Danilo von Montenegro, der Schwiegersohn des verstorbenen Grostherzogs, Prinz Peter von Montenegro als Vertreter des Königspaarcs, der Grostherzog von Mecklenburg-Schwerin mit dem Staatsminister Dr. Langfcld, Prinz Maxi milian von Baden als Vertreter des Grosthcr- zvgs, > Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen, die Hcrzoginwitwc Marie von Mecklenburg- Schwerin, Herzog Adolf Friedrich zu Mecklen burg, Prinz Heinrich XXXV. von Reust ). L., Prinz Heinrich XXXVIIl. von Reust j. L. und der Erbprinz von Ratibor. Bereits eingetrosscn ist Prinz Julius Ernst zur Lippe. Ausserdem treffen im Laufe des Dienstags zahlreiche Diplo maten als Vertreter ihrer Regierungen zur Teil nahme an der Beisetzungsfcicrlichkcit ein. Sturm auf Durazzo. Die von uns bereits im gestrigen Abendblatt veröffentlichte Nachricht, daß die Aufständischen Durazzo angegriffen haben, kommt nach den Meldungen der letzten Tage sehr überraschend. Klang doch die Mitteilung, daß die Bauern von Schiak nach Haufe zurückgekehrt seien, durchaus glaubwürdig und schien damit doch der Aufstand dem Erlöschen nahe. Aber die Hoffnungen, die oaran geknüpft wurden, daß Fürst Wilhelm auf friedlichem Wege zu einer Beruhigung des Landes gelangen würde, sind nun vor der Gewalt der Ereignisse ge scheitert. Fürst Wilhelm muß jetzt um Krone und Leben kämpfen. Neben ihm ist — wie wir gestern abend bereits meldeten — schon sein mili tärischer Berater, Oberst Thomson, gefallen, dessen Tod der Tragik nicht entbehrt. Er, der holländische Offizier, starb fern der Heimat für eine fremde Sache und machte dadurch zugleich den künstlich aufgebauschten Streit über seine Entschuldigung gegenstandslos, der die italienischen und albanischen Diplomaten erhitzte. Den Angreifern ist es bisher nicht ge lungen, einen Vorteil zu erzielen, und was ihnen in der ersten Ueberraschung nicht geglückt ist, werden sie jetzt kaum noch erreichen, da Durazzo verhältnis mäßig leicht zu verteidigen ist. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Durazzo, 15. Juni. sEegen Mittag.) Seit vier Uhr morgens tobt ununterbrochen Ge wehr- und Eeschützfeuer. Der Fürst leitet die Verteidigung der Stadt. Die Angreifer kamen von Rastbul und Kawaja. Der Streit um Thomsons Entschuldigung. Rom, 15. Juni. Oberst Thomson (der in zwischen gefallen ist. Die Red.) verweigerte am 13. d. M. kategorisch die nach dem Zwischenfall Moricchio Chinigo von dem italienischen Gesandten in Durazzo Baron Aliotti geforderte Entichul - digung. Darauf begab sich Aliotti am 11. d. M. mit dem italienischen Admiral in den alba- nesischen Ministerrat und forderte, da» ent weder Thomson gemäß dem schriftliches» Ver sprechen Turkhan Paschas sich entschuldige oder daß Thomson vor dem 3. Juli abberufen und Hauptmann Fabius sofort abberufen werde. Aliotti forderte eine entscheidende Antwort vor dem 15. d. M. mittags, indem er hervorhob, daß seine Forderung nicht den Charakter eines Ultimatums habe. Aliotti zeigte sich besonders bemüht, die militärischen Operationen in Albanien nicht zu stören, indem er für alle Fälle darin einwilligte, daß Thomson bis zum 3. Juli bleibe, da der Kriegsminister Nogga ihm er klärte. daß dies notwendig sei, um ihn ohne Gefahr für die Stadt zu ersetzen. Turthan Pascha begab sich am 14. d. M. 11 Uhr abends zu Aliotti, um ihm mit zuteilen. daß er keinen Ausweg wisse, da, wenn Thomson Albanien verließe, die Expedition gegen die Aufständischen scheitern würde. Er bat den italienischen Gesandten, sich noch einige Stunden zu gedulden, da er dann versuchen wurde, Thomson zu überreden, das Entschuldigungs schreiben zu unterzeichnen. Auf diese Nachrichten hin telegraphierte Ministerpräsident di San Giuliano an Aliotti k a tc g o r i s ch e Anweisungen, um voll- kommens unverzügliche Genugtuung zu fordern, bis dann Nachrichten von Durazzo kamen, die die Lage änderten. Die Bestätigung vom Tode des Oberst Thomson. Rom, 15. Juni. Die Agenzia Stefani meldet aus Durazzo, 4 Uhr 26 Min. nachmittags: Der Kampf dauert an» Oberst T h o m so n wurde heute morgen durch mehrere Gewehrschüsse getötet, als er bei den Borposten weilte. Neue Herausforderungen Ser Wahlweiber. Kein Tag vergeht, ohne daß über eine neue Schandtat dec Wahlweiber zu berichten wäre. Rück sichtslos fassen die Wahlweiber den Engländer dort, wo sie ihn am empfindlichsten treffen: an seinem Frömmigkeitsgefühl und an seiner Sportleidenschaft. Kirchen und Sportplätze sind die Schauplätze ihrer Taten. Ueber den Bombenanschlag in der Lon doner St. Eeorgskirche, den wir bereits in der gestrigen Abendausgabe meldeten, wird ergänzend berichtet: Die Bombe, bestehend aus einer mit Pulver gefüllten Blechbüchse, explodierte nahe der Kanzel in der zweiten Sitzreihe. Vier Sitzreihen wurden beschädigt, drei gemalte Glasfenster, wovon eines wegen seiner Schönheit berühmt war, wurden zertrümmert. Unbeschädigt blieb dagegen das be rühmte Altargemälde „Das Abendmahl" von James Thornhill. Ein Schreiben mit einem Protest gegen die Zwangsernährung der Suffragetten in den Gefängnissen wurde am Tatort gefunden. In der St. Eeorgskirche pflegen die Ehen der vor» nehmsten Kreise Londons geschlossen zu werden. Dort vermählten sich u. a. Roosevelt im Jahre 1886 und Asquith im Jahre 1894. In der St. Paulskirche rief während des Gottesdienstes eine vertrauen: „Gottes Segen auf Frau Pan khu rst. tMites Fluch auf die Richter, die Negierung und die Gefängnisärzte!" Die Frau hatte sich mit Eisenketten an den Sitz angeschlosfen und mußte herausgesägt werden. Mit dem Holzsitz auf dem Rücken wurde sie auf die Strahe gesetzt. Auch fünf andere wurden zum Teil mit erheblicher Brutalität aus der Kirche ent fernt. Der Lordmayor und die Sheriffs von Lonoon waren in der Kirche anwesenv. Aehnliche Szenen ereigneten sich in der W e st - minsterabtei. Hier griff die Polizei schützend ein. da die Menge die Frauen mit Lynchjustiz be drohte. In verschiedenen Parkanlagen verhinderte die Polizei Versuche. Versammlungen abzuhalten Auf Hampstead Heath griff der Mob ein Paar Suffragetten auf, schleppte sie nebst ihren» Plattformwagen zu einem nahen Teich und wollte sie ins Wasser werfen; rechtzeitige Polizeihilfe rettete die Frauen davor. 2m Zeichen der Angst vor den Anschlägen der Wahlweiber wird das Ascot-Meeting, das am Dienstag beginnt, abgehalten werden. Die von der Polizei getroffenen Maßregeln haben nach der „Voss. Ztg." das berühmte und der fashionablen Welt Englands heilige Royal Heath in ein zweites Port Arthur verwandelt. Schutzleute und Detektive bewachen die Rennbahn seit einer Woche Tag und Nacht, und an allen Ecken und Enden stößt man auf den Mann des Gesetzes, besten Autorität bloß von seiner Ungläubigkeit Über boten wird. Nachts werden überdies Polizei- Hunde in Verwendung gebracht, die Gebüsche und andere Schlupfwinkel abiuchen, während Potizeipa- trouillen beständig auf der Runde sind. An vielen Stetten wurden Drähte versteckt gespannt, deren Berührung durch einen Unkundigen elektrische Glocken in Bewegung setzt over Alarmschüsse abfeuert, und die Bande der geraden Linie wurde verdoppelt, mit einer Hürde dazwischen, so daß wenigstens dort ein unvorhergesehener Angriff unmöglich erscheint. Die größte Gefahr droht jedoch den Tribünen, deren Inbrandsetzung den Lieblingsplan der Suffragetten bildet. Dieselben werden nicht bloß auf da strengste bewacht, sondern sie wurden auch derartig umgebaut, daß jedes Stück Holz aus ihnen entfernt und durch Stein- und Eisenkonstruktion er setzt wurde. Um für den Fall eines Brandes doch vorbereitet zu sein, wurde jür einen bedeutend stär keren Wasserzufluß gesorgt. 2n dreier Um gebung werden die neuesten Londoner und Pariser Moden, die kostbarsten Juwelen zur Schau getragen werden, während der Schutz des Königspaares und des Prince of Wales an rujjische Verhältnisse erinnern dürfte. Angesichts dieser Maßregeln erhebt sich immer dringender die Frage, wie lange die Polizei sich noch nur auf die Abwehr beschränken und wie lange die Regierung noch untätig zusehen will. Zur Reorganisation Ser sächsischen Staatseisenvahnverisallimg. In den letzten Tagen des am 19. Mai gcjchlosse- nen Landtages ist sowohl in der Zweiten als auch in der Ersten Kammer eine so gewaltige Menge bedeu tender Gegeiii.cnve beraten worden, daß cs kaum den Abgeordneten, geschweige weiteren Kreisen möglich gewesen ist. die Tragweite und die Folgen der ein zelnen Beschlüsse nach allen Richtungen zu erfassen. Nachdem nun die stenographischen Mitteilungen über die Verhandlungen vorliegen, ist cs natur gemäß und richtig, jetzt noch die wichtigsten der mit so großer Eile behandelten Fragen im einzelnen der Oeffentlichkeit zu unterbreiten. E>n Dresdner kon servatives Blatt hat als erste dieser Fragen — bei ihrer großen Bedeutung mit vollem Rechte — die Frage der Organisation der sächsischen S t ä a t s e i s e n b a h n v e r w a l t n n g behanoelt, freilich in recht einseitiger Weise. Wer den Aufsatz im ganzen auf sich wirken läßt, wird sich des Ein- drucis nicht erwehr .i tonnen, als soue dargeicgt werden, daß mit dem Antrag D r. Nietham mer u. Gen., d. h. dem Antrag der national liberalen Fraktion, nichts Rechtes erreicht worden sei. Wozu solche den Tatsachen wenig ent sprechende Färbung'? Wie schon früher, hat auch nach dem neuesten Bericht (521 vom 11. Mai 1914) die Staatsregierung den Nutzen des Antrages uno seiner Erörterung anerkannt: „Er lder Herr Finanz Minister) wolle auch heute gern wiederholen, daß aus dem früheren Antrag Niethammer wert volle Anregungen von bleibendem Nutzen hervorgegangen seien. A»ch bedürfe es keiner Ausführung, daß die Negierung sich fortgesetzt bemühen werde, im Rahmen der jetzigen Organisa tion Verbesserungen und Vereinfachungen des Dien stes. auch größere Kompetcnzrrweiterungcn der unteren Stellen, soweit es mit der nötigen Einheit lichkeit ter Verwaltung zu vereinbaren sei, durchzu führen." Der Antragsteller Dr. Niethammer konnte in seinem Schlußwort «cm 15. Mai 1914 in der Zwei ten Kammer ausdrücklich fcststcllen. daß wir doch einen wesentlichen Schritt vorwärts ge kommen seien. Die Finanzdeputation v, der diesmal der Antrag Dr. Niethammer überwiesen war, ist nach Ausweis des umfänglichen Berichtes 521 vom 14. Mai 1914 nicht zu einhelligen Anträgen gekommen. In den Hauptfragen schlossen sich die konservati- v e n Mitglieder der Deputation aus und brachten M i n d e r h e i t s a n t r ä g e ein. Der Bericht erstatter. Abg. Gl eis berg (Natl.), führte hier über cus: „Aus dem Berichte ersehen Sie am Ende, daß über die Anträge eine Einigkeit nicht hat erzielt werden können. Es ist das bedauerlich, aber auch verwunderlich, da sich bei der Beratung in den beiden Deputationen herausgestcllt hat, daß man all gemein mit der Tendenz des Antrages einverstan den war. Diejenigen Herren, die erklärten, zwar dem Mehrheitsbeschlüsse nicht bcitreten zu können, aber mit der Tendenz des Antrages einverstanden zu sein, begründeten das damit, daß sic sagten, sie könnten die Tragweite der Anträge nicht ermessen." Der konservative Abg. H o f f m a n n sprach auch sein Bedauern über die Trennung aus. ja er ging noch weiter: „Ich mußte allerdings sagen, daß mich die Anträge der Mehrheit und der Minderheit betrübt haben. Ich hatte allerdings erhofft und erwartet, daß vicsmal nach den vielen, vielen Verhandlungen, die der Antrag Niethammer die Stände und die Regierung bereits gekostet hat. die Finanzdeputa tion li mit der Königl. Staatsregierung zu einem Einverständnis kommen würde. Meine Herren, ich habe mich darin geirrt, und ich fürchte, daß die Folge sein wird, daß a»ch in der nächsten Session der An trag Niethammer und der Kampf um die Reorgani sation unserer Eisenbahnocrwaltung wledcrkehrcn wird. Dann wird in allen beteiligten Kreisen, so wohl der Regierung als auch der Interessenten und der Antragsteller die fortgesetzte Beunruhigung bleiben, und die Abteilungen unserer Eisenbahnoer waltung werden darunter leiden." Dazu hat nun der Berichterstatter in seinem Schlußwort be merkt: „Ich kann mich eigentlich nur darüber freuen, daß Kollege Hoffmann auch heute wieder, wie schon neulich in der Finanzdeputation ousgesührt hat, daß er im Grunde seines Herzens vollständig mit uns übereinstimme. Er bedauerte aber, daß sich die De putation nicht in Einklang mit der Regierung habe setzen können. Woran aber hat es denn gelegen, daß wir nicht in Uebcreinstimmung mit der Regierung kamen? Das lag gerade an den Mitgliedern der konservativen Fraktion. Wenn sic unseren Anträgen beigctrcten wären, hätte das aus die Regierung jedenfalls einen viel größeren Einfluß gehabt." Wer die Ausführungen des Abgeordneten Hoff mann und die von Exzellenz Dr. Mehnert in der ErstenKammcr über die Organisation der Eisen bahnverwaltung und über das, was sie daran aus zusetzen haben, liest, kann sicher die Notwendigkeit
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