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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140609020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914060902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914060902
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-09
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 288. Nvenü-Nussave. Leipziger Tageblatt. Die Verjannnlung erklärte sich mit dielen Leit sätzen einverstanden. Das folgende Thema betraf die Frage „Durch welche Massnahmen ist die Bodenpoli tik der Kleinstädte zu fördern? Der Be richterstatter Smdtrat Dr. Laue sZoppot) schlug folgende Leitsätze vor: 1. Die planmäßig« Erwerbung, Aufteilung und Besiedlung geeigneten Baugeländes bildet für die kleineren und mittleren Städte den Kernpunkt städti scher Bodenpolitik. 2. Das städtische Ladengeschäft hat gesondert von der übrigen städtischen Verwaltung, insbesondere der Fumnzverwoltung. durch Einrichtung sogenannter Grunderwerbssonds, zu erfolgen. Zu jeder Art Siedlunostätigkeit gehört ein fachmännisch ausgearbeiteter Bcbauungs- und Auf teilungsplan, der auf eine wirtschaftsgemäße, allen berechtigten Interessen genügende Erschliessung unter Trennung von Wohn-, Gkichäfts- und Industrievier teln Bedacht nimmt. -1. Die Herabminderung der Straßenbaukosten auf das tatsächlich erforderliche Mass sowie die Erleichte rung und Verbesserung der baupolizeilichen Vor schriften bilden eine wesentliche Vorbedingung für eine durchgreifende Gesundung unseres Wohnungs und Tiedelungswcscns. 5. Die Verwertung des städtischen Grundbesitzes hat grundsätzlich unter Bedingungen zu erfolgen, die eine Spekulation und eine ungesunde Steigerung des Baugrundwertes ousschUeßen. Welche Ncchtssorm m diesem Zwecke anmwend-'n ist. lässt sich nicht ein für allemal bestimmen, sondern hat sich nach den jeweilig vorliegenden örtlichen Verhältnissen zu richten. Zur Unterstützung der Siedelungstätigkeit der Städte sind zweckmässig besondere Siedelungsunter- nehmen wie gemeinnützige Bauvereine, Gesellschaften oder Genossenschaften ins Leben zu rufen, die die Aufteilung des städtischen Baugeländes an Einzelper sonen an Stelle oder neben der Stadtgcmeinde unter den zu Ziffer n erwähnten Bedingungen in die Hand nehmen. Das folgende Thema betraf den Bau von Ar tz < i t e r w o h ir u n g c n durchdie Städte. Der Berichterstatter Bürgermeister Dr. Herbst fOsterodc O.-Pr.j befürwortete folgende Leitsätze: t. Nach Erschöpfung aller anderen direktem und in direkten Mittel, insbesondere nach dem Versagen der privaten Bautätigkeit wird es zur Pflicht auch der kreisangehörigen Gemeinden, den Bau von Arbeiter- woknnngcn selbst in die Hand zu nehmen. 2. Da die Städte daanit nicht nur ein gemeind liches, sondern noch viel mehr ein allgemeines staat liches Interesse wahrnehmen, daß der Staat ihnen im Falle des Bedürfnisses in erheblich größerem Um fange als bisher zu diesem Zweck ausreichende Mittel mindestens zu denselben Bedingungen zur Verfügung stellt, wie dies gegenüber den gemeinnützigen Bau genossenschaften und ähnlichen Organisationen ge schieht. Gegen die Leitsätze erhob sich kein Widcrsvruch. Die nächste Versammlung soll im Jahre 191.., zmn ersten M"le außerhalb der Rcichschaupt- stadt, in Leipzig abgehalten werden, um auch nach auße» bin zum Ausdruck zu bringen, das; der Ver band ein Neichsvcrband sei. Wirren in Albanien. Die Wünsche der mohammedanischen Albanier, an Stelle des Fürsten Wilhelm einen Glaubensgenossen zum Fürsten zu erhalten, stoßen nicht nur bei den Groszmächten, sondern auch bei den Nachbarstaaten Albaniens auf Widerstand. Das ist eigentlich selbst verständlich. denn ein mohammedanischer Fürst würde in der jetzigen Lage einen Erfolg und eine Stärkung des Einflusses der Türkei bedeuten. Wie schon seinerzeit bei dem beabsichtigten Kampfe gegen die Epiroten, so macht die albanische Be nölkerung auch jetzt, wo es die Verteidigung von Dnrazzo gilt, bei der Aushebung grosse Schwierig keitcn. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Protest Serbiens und Griechenlands. Wien, 9. Juni. Der „Neuen Freien Presse" wird von besonderer Seite aus B e l g r a d gemeldet: Hier geht das Gerücht, das; die griechische und die serbische Negierung den Grossmächten mit geteilt hätten, das; sie unter kei nen Um ständen zulassen werden, das; ein mohammed a- nischer Prinz den albanischen Thron besteige. Widerstand gegen die Mobilisierung. Valona, 9. Juni. Als gestern siebzehn Einwohner von Ficri, dessen Bevölkerung dem nach den Ereignissen von Durazzo ergangenen Mobilisierungsbcfehl Widerstand entgegen setzte, verhaftet wurden und nach Berat trans portiert werten sollten, nahmen die Einwohner gegen die Gendarmen Partei und suchten die Ge fangenen zu befreien. In dem sich entspinnenden Handgemeirge wurden vier Personen ge« tötet. Vie Griechenverfolgungen. Für die Mohammedaner, die aus den ver lorenen türkischen Gebieten auswandern oder vertrieben werden, mns; in Kleinasien Platz ge schafft und folglich müssen die dort wohnenden Griechen vertrieben werden. Das ist der Sinn der jüngsten Griechenverfolgungcn in Aivali. (.fe ist eine Art Völkerwanderung, die sich als fast selbstverständliche Folge der letzten politischen Ereignisse darstelll. Wir verzeichnen folgende Meldungen: Die Fürsorge für die muselmanischen Flüchtlinge. Athen, !>. Juni. Nach Meldungen, die der „Aaence d'Atlst-ucs" ans Kleinasien zngegangen sind, haben sieh sechshundert Griechen aus dem Dorfe Naiv an Bord des englischen Dampfers „Citi) of Malaga" nach Rodvato eingeschifft, nm sich von dort nach Saloniki zu begeben. Da-" Komitee zur Fürsorge für die m nsel m a n c f ch e n Flüchtlinge forderte die griechischen Bewohner von Lntsate ans, ihre Häuser zu verlassen, damit iie den geflüch teten Mohammedanern a!S Wohnstätten zuge- wiesen werden können. In der Ortschaft Altchai bei Eudremid wurden die griechischen Einwohner gleichfalls vertrieben. Gleichzeitig wurde der Belagerungszustand über den Ort verhängt. Die N o k der griechischen Bevölkerung ist unbe schreiblich. Die türliichcn Behörden von Aivali haben die Versorgung der Stadt mit Mehl und anderen Nahrungsmitteln verboten. Infolge dessen droht eine Hungersnot, die um so drückender wird, als die Bevölkerung durch ver triebene griechische Flüchtlinge vom platten Lande noch vermehrt worden ist. Das Erstaunen der türkischen Regierung. Konstautiiropcl, !>. Juni. Der Minister des Innern erklärt, das; die Negierung über den Entsetzlich des Patriarchats erstaunt sei, die griechischen Kirchen und Schulen in dem Augen blick zu schlichen, wo der Eintritt der Nutze begonnen tzabe. Trotzdem werde er die notwen digen Befehle geben und er hoffe, daß die An gelegenheit sich regeln lassen werde. Der Mi nister unternimmt heute eine Inspektionsreise nach Aivali, um sich persönlich von dem Staude der Dinge zu überzeugen. Der Streit um die griechischen Kirchen in Bulgarien. Athen, 9. Juni. Der griechische Ge schäftsträger in Sofia hat bei der bulgarischen Negierung entschiedenen Einspruch dagegen erhoben, das; die bulgarische Bevölkerung drei griechische Kirchen in Stenimachos und die griechische Kirche in Schnmla in Besitz genommen habe. Der Geschäftsträger verlangte die Rückgabe der Kirchen. politische Liederlich! Wacker auf -em Jnöex. Die Zentrumsprcsse hat verhältnismäßig lange Zeit gebraucht, ehe sie ein Wort zu dem Beschlug der Indcxkongoogation vom 1. Juni fand, die Schrift des streitbaren lmdischon Zentrumsführers Wacker, „Zentrum und Kirchliche Autorität", auf den Index zu setzen. Der klerikale „Badische Beobachter" erschien — wir machten kurz bereits im heutigen Morgenblatte darauf aufmerksam — zuerst auf dem Plan und kündigte die Möglichkeit einer Korrektur der kirchlicherseits beanstandeten Stellen an. Im übrigen suchte er seine erschrockenen Leser mit dem Hinweis zu trösten, das; der Index nicht eigentlich zur Strafe der Schriftsteller, sondern zum Schutze der Gläubigen eingerichtet sei, und daß selbst eine graste Anzahl von Jesuiten diesem Sckstcksal nicht entgangen seien. Die „Ger- m a n i a" müht sich heut« in einem zwei Spalten langen Artikel ab, die Indizierung jeder Bedeutung zu entkleiden. Auch sie erläutert die Einrichtung des Index in ähnlicher Weise wie der „Bad. Beobachter". Die Autoren verbotener Bücher würden, auch wenn sie der Aufforderung zur Unterwerfung nicht nach kämen, nicht rveiter belästigt. Die Verbote seien in erster Linie direkt an die Gläubigen gerich tete Warnungsrufe der um das Heil ihrer Kinder besorgten Kirche. Die „Germania" macht dann sehr spitzfindige Unterscheidungen zwischen dem „korrekt-kirchlichen Standpunkt der Person Wackers" und den Irrtümern in seiner Schrift, um schließlich mit einem außerordentlich kühnen Gedan- kensprung zu erklären: „Das Zentrum und der badische Zentrumsführer Wacker haben mit dieser rein kirchlichen Angelegenheit, die nur eine rein s a ch- liche Angelegenheit Ist, direkt nichts zu tun?' Ueber die höchst fatale Tatsache, daß die katholisckzen Gläubigen vor Wackers Schrift „geschützt" werden müssen, vermag aber auch diese künstliche Auslegung der „Germania" nicht hinwegzuhelfen. Die integralen Quertreiber, die zweifellos das Eingreifen der Index kongregation veranlasst haben, sind über Wacker Sieger geblieben, und es wird sich ja nun bald zeigen, ob dieser Sieg durch eine Unterwerfung Wackers, d. h. durch die Korrektur der von der Kurie beanstandeten Stellen seiner Schrift noch vergrößert wird. Hauptversammlung üer Reichspost- un- Telegraphenbeamten. 8. L U. Hannover, 8. Juni. Unter zahlreicher Beteiligung von Delegier ten aus dem ganzen Reiche trat hier der Ver band mittlerer Reichspost- und Telegraphen beamten zn seinem diesjährigen (Kautage zu sammen. Eingeleitct wurde die Tagung mit einem Begrüßungsabcnd im Kaisersaale des Kriegerheims, an "der anch Vertreter der städti schen Behörden teilnatzmen. In der Mit gliederversammlung referierte der erste Vorsitzende, Obcrtelcgraphenassistent Gott- s ch alt- Berlin über das Thema „Staudes bestrebungen und Verbandsarbeit. Der Redner führte u. a. aus: Die wiederholten Aendernngcn der Besoldungsordnung seien nicht geeignet ge wesen, Ruhe nud Zufriedenheit nntcr den mitt leren Postbeamten herbeizuführen. Namentlich die jüngste Besoldungsnovelle sei für die mitt leren Postbeamten eine herbe Enttäuschung ge wesen. Es sei nachgerade an der Zeit, eine gründliche Reform der Besoldungsordnung in die Wege zu leiten. Zufriedenheit unter den mittleren Postbeamten sei nur durch eine um fassende Pcrsonalreform zu schaffen. Die große Frage der Gegenwart und vielleicht noch mehr der Zukunft sei eine zeitgemäße Reform des BeamtcnrechtS. Nach einer eingehenden Schilde rung der Wünsche der Postbeamten und der so zialen Wirksamkeit des Verbandes schloß der Redner mit einem Appell an die Versammlung, auf hem bisherigen bewährten Wege weiterzu arbeiten. (Stürmischer Beifall.) An den Vor trag schloß sich eine lebhafte Aussprache. — In der Nachmittagsversammlnng in der neuen Stadl Halle sprach zunächst der zweite Vorsitzende, Postsekretär D o m s ch e i t - Berlin über das Gleichstellungsprinzip und die Stellung der mittleren Postbeamten in der Beamtenschaft. Redner wies nach, welche Stellung den Post- beamten nach ihrem dienstlichen Werdegang und nach den an sic gestellten Anforderungen ge bühre. Nach dieser mit Beifall aufgcnommcnen Rede sprach der Landtagsabgcvrdnetc Obcrpost- assistent De lins-Halle a. S. über die wirt schaftliche Entwicklung Deutschlands und dec Beamtenschaft. Die prozentuale Erhöhung der Gehälter sei hinter der Preissteigerung aller Lebensmittel nsw. wesentlich zurückgeblieben. Redner mahnte zum Zusammenschluß der Be amten entsprechend dem Beispiele der übrigen Berufsstände. Der erste Bezirksvorsitzcnde schloß dann den Gauverbandstag mit der Aufforderung zur Einigkeit aller mittleren Postbeamten. — Im Rahmen der Tagung fanden verschiedene gesellige Veranstaltungen statt. Vas glück üer anderen. 21s Roman von Fritz Stüber-Eunther. cvüp^ri^kt NN4 dx Orstkl.ill <r Oo. o. ll>. d. ü. Iislprlz-.I „Ich hab' ich doch letzten sechs lebendige Kinder, halbes Dutzend graoaus," sagte er nach Schluß dec Amtsstuuden beim Gartentore zum AmtSdieuer Pfingstl, „aber wenn ich mir nur so kleines bißl vorstell', daß einem davon, Bübl oder Mädl, Jüngstem oder Acltestem oder Mitt lerem, möcht' solches Malheur passieren, dann möcht' ich gleich weinen. Meiner Seel', ja. . . lind jetzt wann man hat einzigen Buben, wie unser Herr Vorstand! Wem nufer Herrgott nicht mehr Kinder schenkt als wie eines, dein sollt er schon lieber gleich gar keins süzenken." Der AmtSdiener sah den Gärtner ein wenig spöttisch von der Seite an, schien etwas sagen zu wollen, sagte aber nichts und wendete sich zum Geyen. 9. Kapitel. 'Das Jahr hatte seinen Höhepunkt erreicht und wieder überschritten. Und als wäre es in voller Wirklichkeit eine steile Höhe mühsam hin- angeNettert, nm nun den anderen Abhang mühe los hinabzugleiten, so sehr schien jetzt die Zeit in ihrem Lause sich zu beeilen, mehr und mehr, je «eiter sie sich von der glanzvollen Glut des Mittsommers entfernte, je näher sie dem abendblcichen Herbste kam. Längst war BatdurS flammcnlodcrndcv Totenfest verrauscht, längst in den Wäldern des Kuckucks kecker Ruf verstummt. Zwar die Rosen in den Gärten blühten noch üppig und dufteten schwer, neben ihnen aber öffneten sich bereits die riesigen, gelbschwarzen Rädcrstcrne der Sonnen blume, und zwischen dem Gras der Wiesen schim merte gar hie und da auf wachswcißem Stengel ein blaßvioletter Kelch auf, die wehmütig mah nende Zeitlose: „Bald vorbei. . Die Menschen aber achteten nicht auf solchen ernsten Wink, sondern genossen des Spätsommers Freuden sorglos, al- müßten st« ewig dauern. Hoch immer waren die eilenden Stsenbahnzüge überfüllt von Grvßstadtflüchtigcn, noch immer ivarcu schroffe Bergzinncn und weite, kühle Flut unwiderstehliche Lockungen für wiedererwachten Natursinn und freihcitstrunkene Waghalsigkeit. Und noch immer war auch die schöne alte Mozartstadt, die berühmte Fremdenstadt am Rande der deutschen Hochalpcn, das Ziel ge waltiger Heerscharen von Gästen ans allen Län dern, allen Weltgegenden. Das Ziel'? Natürlich nicht. Nein, ein willkommener Durchgang bloß, eine dürftige Raststation. Denn nur solche kennt der moderne Mensch. Denn wie sein Leben so ist anch sein Reiseweg keine anmutig verlaufende Linie, sondern im Kreis oder Zickzack ein wildes, keuchendes Rennen Die altersgraue Festung ans tannenzackigem Berghügel, das klingelnde Glockenspiel, das bischöfliche Lustschloß mit naiv gespenstischen Wasserkünsten, dann der berühmte Wein- und der beliebte Bier-Klosterkeller — „Eindrücke" sind es von geringer Dauer und noch geringerer Tiefe, nach iurzer Frist sich ver flüchtigend wie Actherdampf oder zu einem scha len, trüben Brei ineinnnderslietzend. Wer da selber mittnt im allgemeinen Wahn und lärmenden Getümmel, der merkt freilich nicht die Tragikomik solcher törichter Kraftver geudung. Der Zuschauer aber in behaglicher Ruhe muß sich glücklich preisen und die an dern belächeln. Einem ungeheuren Bahnhöfe glich die kir- ckumrcicl-e, palästcrciche, in ihrer landschaftlichen wie in ihrer architektonischen Eigenart die Strenge der nördlichen Schroffen und Firne mit der süßen Weichheit deö blauen Südens ver einigende alte Bischossstadt. Den erbgcsesfenen Stammkunden einer Bahnhofshcrberge, die sich ihr Schöpplein und ihren Braten durch keines Schaffners drängenden Ruf, kein letztes und allerletztes Abfahrtssignal vergällen lassen, konnten sich ihre Einwohner vergleicknni und jene wenigen Fremden, die sich zu längerem Aufenthalte in ihr niedergelassen hatten. Zu diesen Dauergästen gehörte Heuer der Revisor Anton GottSmann vom Statistischen Amte. Wie rasch doch der Mensch vergessen kann, wenn die Umstände dem Vergessen günstig sind, wie rasch sich in den gründlichsten Wechsel fügen, so nur dieser Wechsel ein erwünschter ist! Vor nicht viel mehr als zwei Monaten hatte der Herr Revisor zum letztenmal an seinem Schreibtisch im AmtShause „Zum scharfe,; Eck" gesessen, vor nicht viel mehr als zwei Monaten noch hatte seine rechnende Feder die notwen digen ziffernmäßigen Grundlagen für die poli tischen, volkswirtschaftlichen und kulturellen Hypothesen retrospektiver Statistik unverdrossen geliefert — und nun schon gab cs nicht nur stunden, nein, ganze Tage, an denen ihn; seine gewohnte amtliche Tätigkeit nicht einmal mehr in den Sinn kam. lind anch der peinlichen Um stünde, die seine UrlanbSwerbnng begleiteten, hatte er nahezu vergessen. Der Herr Kalknlationsrat Ernst Lockcnhans zwar hatte ihn; keinerlei Hindernisse mehr in den Weg gelegt. Seit dem'schrecklichn Unfälle seines einzigen Sohnes, der diesen an den Rand des Grabes brachte und für Lebensdauer zum hilflosen Krüppel stempelte, war er selbst ein gebrochener Mann, mußte er selbst, nm. seine arg zerrütteten Nerven wieder halbwegs in'Orb- nung zu bringen, dem Amte fern bleiben. Im hohen Ministerium jedoch war man von den; Urlaubsgesuch des Herrn Revisors durchaus nicht erbaut. Beim Ehrgeiz« suchte der mit der Rege lung aller Pcrsonalangelegcnhcitcn betraute Mi nisterialrat den Revisor zu fassen, indem er ihm vorstcllte, daß er als rangältestcr Subaltern beamter der retrospektiven Abteilung Anspruch erheben könne, als stellvertretender Vorstand zn walten, und daß er diese Gelegenhit zur Aus zeichnung, die später wohl auch greifbare Vor teile nach sich zichn dürfte, doch nicht leicht fertig fahren lassen werde. Allein der Herr Revisor Anton Gottsmann erinnerte sich deut lich, daß er während seiner dreißigjährigen Dienstzeit die verschiedensten und merkwürdig sten Wahrnehmungen gemacht hatte, nur die «ine nicht, daß stilles Verdienst plötzlich ans Licht gefördert und hoch geehrt worden wäre. Dienstag, 9. Jun! 1914. flntiultramontaner Reichsverbanü. Am Sonntag, den 7. Juni, sand in EtI« nach die jährliche Tagung des Verjreterausschusses Les Antiultramontanen Reichsverbandes unter dem Vor sitz des Admirals von Knorr statt. Aus allen Teilen de» Reiches waren die Abgeordneten der Ver bünde erschienen und konnten über da» wachsende Interesse berichten, das dem Antiultramontanen ReichsverbaNde überall entgegengebracht wird. Es erfolgte die Neugründung eines Landesverbandes Thüringen und ferner wurde beschlossen, wegen des gewaltigen Wachstums des Antiultramontanen Reichsverbandes in der Pfalz für Viesen Landesver band einen besonderen Generalsekretär anzustellen. Im Mittelpunkt der Tagung stand der Vortrag von Herrn Dr. K ö r l e r-Dresden Uber die politische Lage. In packenden Ausführungen wies der Redner nach, wie heute das Zentrum dank der Möglichkeit mit verschiedenen Parteien eine Mehrheit bitden zu können, im Reichstage wieder zu einer ausschlag gebenden Stellung gekommen ist, und wie es diese Lage auch ausnutzt. Am Verhalten des Zentrums bei der Militärvorlage, bei dem Gesetz über die Er höhung del Gehälter eer Beamten gemischtsprachiger Gegenden und an anderen Beispielen wurde gezeigt, wie beim Zentrum von einer Konsequenz in seinem politischen Verhalten keine Rede sein kann, wie es sich nur von konfessionellen Gesichtspunkten und Rück sichten ans seine Wähler, nicht aber von nationalen Gedanken leiten laßt. Wegen seiner Internationali tät steht cs im Osten mit den Polen, im Westen mit der französischen Bevölkerung in näherer Beziehung. Demgegenüber ist ein enger Zusammenschluß aller antiultramontan gesinnten Bevölkerungskreise, gleichgültig, welcher Partei sie angehören, im In- tcrresse der Wahrung unserer großen nationalen unv kulturellen Werte ein dringendes Erfordernis. Die gegebene Organisation für diesen Zweck ist der Antl- ultramontane Reichsverband, der heute schon Tau sende von Gleichgesinnten aller Parteien zu einheit lichem Kampf zu)ammensaßt. Der Standpunkt des Verbandes in der gegenwärtigen politischen Lage wurde durch folgende Entschließung zum Aus druck gebracht: „Der zu Eisenach versammelte Vertreterausschuß des Antiultramontanen Rcichsvcrbandes erklärt nach wie vor den im Zentrum verkörperten Ultra- montanismus als di« für unser kulturelles und politisches Leben schwerste Gefahr. Er be dauert die Lässigkeit leitender Kreise gegenüber dieser nationalen Gefahr. Er begrüßt die in allen Schichten der Bevölkerung, auch unter Katholiken, sich ausbrcitende Erkenntnis von der Notwendigkeit des Antiultramontancn Kampfes. Er erklärt aufs neue es für Pflicht aller national gesinnten Männer und Frauen, gleichviel welchen religiösen Bekenntnissen und welcher politischen Partei, sich an diesem Kampfe entschlossen und opfer willig zu beteiligen, und er fordert vor allem eie Lehrerschaft Deutschlands auf, zielbewußt in diesen Kampf cinzutreten. Er warnt eindringlich davor, wegen vorübergehender taktischer Vorteile Wahl bündnisse mit dem Zentrum abzuschlicßen." Koloniales. - Daressalam peftverseucht. Der „Amtliche Anz für Deutsch Ostafrika" gibt unter dem 11. Mai be kannt, daß Stadt und Hafen von Daressalam für pestvcrseucht erklärt worden sind, nachdem in ver schiedenen Fällen Mcnschcnpest einwandfrei fest gestellt worden ist. Der Gouvernementsrat von Deutsch-Ostafrika hat im Januar 1919, als Dares salam von der auf Sansibar wütenden Cholera be droht war, sich eingehend mit den einfach unhaltbaren sanitären Zuständen der i'muptstadt der Kolonie befaßt und angesichts der Dringlichkeit der Sanierung auf Vorschlag des Gouverneurs dah Reichskolonialamt einstimmig ersucht, in einem besonderen Nachtrags etat schleunigst die notwendigen Mittel anzufordern. Im Neichskolonialamt hat man es damals nicht für notwendig erachtet, den vom Gouverneur Dr. Schnee bis ins einzelne ausgearbeitetcn Nachtragsctat dem Reichstage vorzulegen. steh wlg Leg ..'2t „Ar der Fo Per >ögl stu Dir !va -tis Fra für Pro Bor Fo lehr vori stra Kas vsyc sorg v e i Arb Für Kai der den 11. Ge; erst Na ledi Pa Da Zei wck Bö Eil Bei Va 'Pe stat wei ners Auf Mä Fra Tifc stur Ta, und Bei den ein W Oe t i i Co! Zöf wu voi üb To r«i gu, Fi; Deutscher Resch. * Die Rüstungskommiffion, die am Montag Im Neistagsgebäud« ihre Verhandlungen begann, be sprach die Fragen der Fabrikation, der Auftrags erteilung und der Lieferung von den verschiedensten Gesichtspunkten aus. Heut« mittag sollen die Staats werkstätten in Spandau besucht werden. teil 2 i el-' A, zu ei wu Trotzdem hätte er vielleicht auch dieses Mal seine Festigkeit eingebüßt — wenn er sich nicht vor seinem neugewonnenen Freunde Stefan Khautz geschämt hätte, der In der schönen Mozart stadt ans ihn wartete und von dem er sich doch nicht der Wortbrüchigkcit zeihen lassen konnte. Und in kluger Selbstbeherrschung war er nun ebenfalls schon so weit gekommen, daß er, da der Herr Ministerialrat wie vorher der Kal- kulatiousrat die Drohung aussprach, man werde, falls sich der erbetene lange Urlaub aus Ge sundheitsrücksichten wirklich als unumgänglich hcransstelle, eben die vorzeitige Pensionierung des Herrn Revisors in ernstliche Erwägung ziehe;; müssen, diese willkommene Drohung nur mit ergebener Miene und hochachtuugsvollcm Achselzucken htnnahm. Endlich waren die Schwierigkeiten besiegt, endlich erhielt Gottsmanu zwar nicht den ge wünschten halbjährigen, aber doch einen viertel jährigen Urlaub, endlich konnte der Revisor sei nen Amtstisch räumen, seine Koffer packen, seine Haushälterin, die liudergesegnete Witwe Kienast, nachdem er sie vorausbczahlt, ebenfalls beur lauben, seine Wohnung abspcrrcn und — ab reisen . . . Und jetzt waren mehr als zwei Drittel sei nes Urlaubes bereits wieder vorüber und kaum ein Drittel lag noch vor ihm. . „Ich möcht' an deiner Stell' um nachträg liche Verlängerung ansuchen," meinte sein Freund, der Tondichter und Musikdirektor Ste- fau Khautz: sic hatte;; Bruderschaft getrunken. „Oder, noch besser, ich möcht' überhaupt nicht mehr in den Amtskäfig zurückkehren. Ich iverde übrigens, wie ich dir versprochen hab', ein hohes Tier, einen Feldmarschaileutnant in voller Gala uniform oder so tvaS, ins hohe Mntsterium hinaufschicken, damit er ein gutes Wörtlein für dich einlegt. Auf diese Weise ersparst du dir nach dem bekannten, auSnahmSwcis vollkommen un anfechtbaren Sprichwortc: „Weit davon ist gut vor'm Schuß" alle persönlick-en Unannehmlich keiten." (Fortsetzung in der Mor-enauZgaLe.) Hai B< Ko gei Z n fü, ral hä K- gri P bc do sta na ge A; fuc Lo vo M ha ui! ds- di, jek sin ha du ve nu
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