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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 11.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140611018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914061101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914061101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-11
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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veile 2. Nr. 291. Morgen«Nusqavr Leipziger Tageblatt. vierhun-erttaufen- Mark für öen fl-elstitel. Reichstagsabgeordneter Erzberger schreibt der „Märkischen Volkszeitung": „Bor mir die Abschrift eine» Briese», datiert vom 5. Juni 1914 (also aus der aller« jüngsten Zeit! D. Red.) und gerichtet an eine mir bekannte hochachtbare Persönlichkeit. Der Brief hat jolgenden Wortlaut: „Ich gestatte mir mit Gegenwärtigem. Ihnen die ergebene Mitteilung zu machen, das; der erb liche Adel, verbunden mit Höheren preu ßischen Orden, für Stiftung eines Denkmals Kaiser Wilhelms 1. in Det mold zu haben ist für einen Preis von zirka 400Mille. Für den Hall, das, Sie sich hierfür interessieren würden, wurde ich Ihnen weitere Details gern kommen lassen. Ich bemerke noch, das; dieses ein direkter seriöser Auftrag ist, welcher naturgemäß streng diskret behandelt werden muß und auch auf streng diskrete Weise direkt durck>gcsiihrt wird. Ich sehe daher Ihren angenehmen Rachrichten gern entgegen, ob die An gelegenheit Interesse sür Sic hat und zeichne hochachtungsvoll." Das Original des Brieses ist bereits dem zu ständigen S t aa tsanwalt unterbreitet worden. Es ist zu erwarten, daß nunmehr gegen alle solcl)« Titel- und Ordensschacherer rücksichtslos vor- gegangen wird, auch wenn der Austrag ein „di rekter" ist. Die weitere Untersuchung wird seststellen, wer diesen direkten Auftrag erteilt hat. Nach meinen Informationen ist es ganz ausgeschlossen, daß der Auftrag aus Berlin kommt. In den Resi denzen einiger kleiner Fürstenhöfe scheinen sich aber Zentralen für Ordenssck-acherer gebildet zu haben." Deutsches Aeieh. * Der Rat'.onalliberalc Verein für Regis und Umiegend hielt am K Juni im Gasthof Franke (Negis) seine erste Mitgliederversammlung ad. Der Vorsitzende des Vereins, Kaufmann Thomas, Regis, begrüßte die zahlreich erschienenen Partei freunde und erstattete dann Bericht über die bis- herige Tätigkeit des Vorstandes, woraus zu ent nehmen ist, baß der an» 4. März 1911 von 29 Partei freunden gegründete Verein heute dank der Werbe tätigkeit einzelner Herren 4» Mitglieder zählt. Im Mittelpunkte des Abends stand ein Vortrag des Realgymnasiallehrers Oskar Schmid- Borna über: „Stellung der Weltmächte zueinander". Der Redner charakterisierte in großzügiger Weise die Politik der Vereinigten Staaten von Amerika, Japan, China, England, Frankreich, Rußland, Italien, Oesterreich-Ungarn und Deutschland und bemerkte zum Schluß: Deutschland muß infolge seiner ungünstigen Lage ein mächtiges Heer und eine starte Flotte haben, um einst, wenn die Würfel rollen, eine gewichtiges Wort mit in die Wagschale werfen zu können. Für beides, Heer und Flotte, hat die natio- nallibcrale Partei stets das richtige Verständnis gehabt, wie sie auch immer bei allen nationalen Fragen nur des Reiches Wohlfahrt im Auge gehabt hat. — Wohlverdienter Beifall wurde dein Redner von allen Seiten zuteil. Der Erfolg des Abends bestand in einer großen Anzahl von Beitritts erklärungen. H . i ,r * Reichskanzler Dr. v. Bethmann Hollrveg hat am Mittwoch den Gesandten von Lucius, den künf tigen diplomatischen Vertreter Deutschlands in Albanien, empfangen. * Der Bundesrat wird in drn ersten Tagen des Juli in die Ferien gehen. Unter den Vorlagen, die bis dahin noch erledigt werden sollen, befindet sich auch noch die Versetzung einer größeren Anzahl Städte in eine höhere Servisklasse. Zu diesen Städten gehören Hamburg, Leipzig und Dresden. Die zuständigen Behörden, die ham burgische und sächsische Regierung, haben die Versetzung in die Klass: schon seit längerer Zeit beantragt. Die Versetzung Hamburgs in Klasse wird nach einer Blättcrmeldung weitere Verhand lungen nicht Hervorrufen, dagegen soll die Frage, ob auch Leipzig und Dresden in die Klasse X zu versetzen wären, noch lange Auseinandersetzungen veranlasicn. * Wir«. Geheimer Rat v. Nostitz, früher Vizevräsi- dent der preußischen Oberrechnungskammer, ist im Alter von 80 Jahren gestorben. * Kleinhandelsumfrage. Am Dienstag fand, wie bereits kurz gemeldet wurde, im Reichsrags- gebäude eine Vorbesprechung über die Frage der Ver anstaltung einer Kleinhandelsumsrage statt. Auf Einladung des Staatssekretärs Dr. Delbrück waren eine große Zahl von Kommissaren der verbündeten Regierungen, mehrere Mitglieder des Reichstages und des Preußischen Abgeordnetenhauses, Vertreter des Deutschen Handelstages und einiger großer Detaillistenverbändc sowie sonstige Sachverständige erschienen. Den Vorsitz führte in Vertretung des Staatssekretärs, der durch die gleichzeitige Sitzung der Rüstungslieserungskominission am Erscheinen ver hindert war, der Direktor im Reichsamt des Innern Caspar. An den einleitenden Vortrag des Re ferenten des Rcichsamts des Innern schloß sich eine lebhafte Debatte, wobei alle einschlägigen Gesichts punkte eingehend erörtert wurden. Die Besprechung dauerte nacy einer Mittagspause bis in die Abend stunden fort. Am Mittwoch wurde, wie uns mit geteilt wird, die Beratung im engeren Kreise der Re gierungsvertreter fortgesetzt. * Zur Neuregelung des psandfreien Einkommens. In weiten Kreisen der Privatangcstellten sind Wünsche laut geworden, das pfandfrcie Einkommen, das jetzt 1500 .K beträgt, nach oben zu erhöhen und auf 2000, wenigstens aber auf 1800 .4t zu erhöhen. Begründet wird die Forderung mit der Entwertung des Geldes, der Mietssteigerung und der Lrbeus- mittelteuerung. Eine Summe von 150 .4t pro Mo nat müsse heutzutage, namentlich in der Grossstadt, als äußerstes Existenzminimum für einen Angestell ten gelten. Ueber eine Abänderung des Lohn beschlagnahmegesetzes l-abcn zwischen den zuständigen Ressorts jüngst Verhandlungen stattgefunden, die zu der Hoffnung berechtigen, daß eine teilweise Berück sichtigung der Wünsch: in Aussicht steht. * Neichstaqsabgeordncter Leser gestorben. Am Mittwock) früh ist in Neuhausen auf den Fildern der Reichstagsabgeordncte Dekan Leser (Ztr.) nach chwerem Leiden im Alter von 68 Jahren an Niercn- chrumpfung gestorben. Er gehörte dem Neichs- ag seit 1903 an und vertrat den 17. wiirttembergi schen Wahlkreis Ravensburg-Saulgau. Der Wahl kreis ist sicherer Besitz des Zentrums. * Falsche Nachricht. Freisinnige Blätter hatten in den letzten Tagen berichtet, bei den kommenden Neichstagswahlcn würde in Schwarzburg-Sondrrs- tzausen an Stelle d:o Abg. Bärwinkel Herr Fuhr mann kandidieren. Wie wir aus bester Quelle erfahren, ist an den Meldungen nichts Wahres. Im übrigen trennen uns ja auch noch 2^ Jahre von den Wahlen. * Vertagung des preußischen Landtag». Dem preußischen Abgeordnetenhause ist seitens der Regie rung der Antrag zugeqangen, zuzustimmen, daß der Landtag vom 16. Juni bis 10. November mit der Maßgabe vertagt wird, daß die zur Vor beratung eines Grundteilungsgesetzes, eines Gesetzes über Familienfideikommisse, Familienstiftungen, eines Fischereigesetzes, eines Gesetzes zur Abänderung des Kommunalabgabengesetzes und eines kreis- und Provinzialabgabengeietzes gewühlten Kommissionen des Abgeordnetenhauses ermächtigt werden, während der Vertagung ihre Arbeiten sortzusetzcn. * Die Europäische Fahrplankonferenz sür den Winterdienst 1914/15, verbunden mit einer Wagen- beistellungskonferenz, ist am Mittwoch in Bern eröffnet worden. Es sind die Eisenbahnverwaltungen von neunzehn Staaten vertreten. Ausland. Oesterreich-Ungarn. * Ein neuer Wiener Polizeipräsident. Polizei präsident Ritter v. B r ze s o w s k» ist in den Ruhe stand getreten. Der Kaiser hat ihn in den Frei herrn st and erhoben. Der bisherige Stellver treter des Polizeipräsidenten Hofrat Frhr. v. Eorup ist zum Polizeipräsidenten ernannt worden. England. * Die bewaffneten Parteien Irlands. Den Ulsterfreiwilligen steht im übrigen Irland eine numerisch mindestens gleichstarke Menge bewaff neter Nationalisten gegenüber, die täglich noch znnimmt. Schätzungsweise zählen die unionistischen Freiwilligen 10Ü000 Mann, von denen 38 000 mit modernen Gewehren ausgerüstet sind. Die nationa listischen Freiwilligen sollen 129 000 Mann zählen, sind aber nur mit Flinten älteren Systems und Re- volvcrn ausgerüstet und ohne kriegsmäßige Orga nisation. Die Nationalisten bemühen sich nach Kräften, moderne Waffen zu erhalten. Diese Bewe gung hat nunmehr die offene Unterstützung des irländischen Führers John Redmond gefunden, der gestern in der irländischen Presse ein Manifest veröffentlichte, worin er schreibt: „Bis vor zwei Monaten war ich der Meinung, daß die Bewegung noch etwas verfrüht ist, aber die Wirkungen von Sir Edward Carsons Drohungen auf die öffentliche Mei nung in England, die Vorfälle in Lurraghung, der erfolgreiche Waffenschmuggel, haben die Lage ge ändert. Vor sechs Wochen teilte die irländische Partei ihren Freunden mit, daß es wünschenswert sei, die Freiwilligenbewegung zu unterstützen. Der Erfolg war, daß die Bewegung wie eine Flamme um sich griff, und daß in kurzer Zeit die irländischen Na tionalisten bewaffnet dastchen werden." Weiter kündigt Redmond an, daß das Provinzkomitee der Freiwilligen aus 15 Mitgliedern besteht, die alle in Dublin wohnhaft sind. Er regt an, weitere 25 Mit glieder in Len verschiednen Teilen des Landes zu wählen. Vulgarien. * Die Eriechenverfolgungen in Bulgarien. Die „Agence d'Atyimes" meldet aus Sofia: Der griechische Geschäftsträger fordert einen Schaden ersatz und Herausgave aller von der Bevölkerung in Besitz genommenen griechischen Kirchen und Schulen. Am Dienstag wurde hier sowie in Burgas das Haus eines griechischen Untertans geplündert. In Burgas wurden einige private Schulen geschlossen. Manifestanten warfen von einem griechijchen Cafö die Fenster ein, wobei die Polizei mehrere Verhaftungen vornahm. * Die gescheiterte Anleihe in Deutschland. Aus Wien wird gemeldet: Das Scheitern der in Deutsch land geführten bulgarischen Anleiheverhand» lungen wird hier in allen diplomatischen und politischen Kreisen lebhaft erörtert. Sollten die deutschen Banken nicht doch schließlich einen Weg fin den, der ihnen die Uebernahme der Anleihe ermög licht, so würde Bulgarien gezwungen sein, sein An- leihcbcdürfnis bei den West machten zu befriedi gen. Aus diesem Anlaß wird darauf hingewiesen, daß seit dem Jahre 1897 zwischen Rußland und Frankreich eine finanzielle Abmachung besteht, wo- nach Frankreich nur mit Zustimmung der rus- fischen Regierung einem Balkanstaate eine An- leihe gewähren darf. Rußland arbeitet gegenwärtig in Belgrad sehr stark daran, eine serbisch-bul garische Annäherung herbeizuführen. Es besteht nun die Ansicht, daß man in Petersburg den Geldbedarf Bulgariens dazu benutzen will, in Sofia eine Lage zu schqfsen, die den Bestrebungen Ruß lands zur Erneuerung des Balkanbundes günstiger werden soll, als. die gegenwärtige es ist. Thüringen und Provinz Sachsen. * Merseburg, 10. Juni. Die Verwüstung der Zuckerrübenfelder durch Engerlinge nimmt von Jahr zu Jahr zu. In diesem Frühjahre zeigen sich die gefährlichen Maikäferlaroen in so großer Zahl, daß sie auf einzelnen Ackerstllcken zu Tausenden ge sammelt worden sind. Die Hauptfetnde des Enger lings, die Maulwürfe, sucht man jetzt allerdings ver gebens auf den Aeckern; sie sind fast gänzlich aus Donnerstag, N. Hum 1914. gerottet worden, obgleich der Schaden, den sie durch Lockerung mancher Pflänzckjen anrichten, im Verhält nis zu dem Unheil, das die Engerlinge verursachen, äußerst gering ist. Vielleicht wird man durch den Schaden klug und stellt die Verfolgung des Maul wurfes ein, der seinen guten Zweck im Haushalte der Natur hat und als eifrigster Gehilfe des Landmanns den weitesten Schutz verdient. * Jena, 10. Juni. Für die Bienenzüchter ist die jetzige kühle Witterung nicht vorteilhaft. Prächtig ist zwar der Blumenflor auf den Wiesen und an den Rändern, und die Esparsette hat seit Jahren nicht so reichlich geblüht wie Heuer. Sie ist eine der besten Bienenpflanzen unserer Gegend. Aber bei kühlem Wetter sondert sie ebenso wie die anderen Pflanzen nur wenig Honig ab. Jeder zur Tracht ungeeignete Tag bedeutet aber einen Verlust an Wintervorrat für die Bienenvölker und einen Minderertrag an Honig für den Imker. Denn die Bienenpflanzen verblühen, und dann kommt die Mähmaschine, der Schrecken aller Bienenvölker; sie legt in wenigen Stunden ein weites Feld purpurner Esparsette um und raubt so Tausenden kleiner, fleißi ger Arbeiter Arbeitsgelegenheit und Brot. * Zeitz, 10. Juni. Die privaten Wach- und Schließgese-'ljchafken geraten in Thüringen immer mehr in Mißkredit. Wenigstens geben die Er fahrungen, die in der letzten Zeit mit solchen Gesell schaften gemacht wurden, zu berechtigtem Mißtrauen Anlaß. Wie wir berichteten, hatte man es vor kurzer Zeit in Salzungen, Lichtensels und anderen Städten in der Person des Direktors einer Wach- und Schließgesellschaft mit einem abgefeimten Schwindler zu tun. In Sonneberg war in dem Wächter Schulz insofern „der Bock zum Gärtner" ge macht worden, als dieser sich in acht Fällen als Brandstifter entpuppte. Jetzt wurden auch in Zeitz schlechte Erfahrungen mit der Wach- und Schließ gesellschaft gemacht. Wie eine Blättermeldung be sagt, wurden bei der Firma Ozel K Kühne wieder holt größere Matcrialdieb stähle verübt. In Verdacht gerieten vorerst einige Arbeiter des Be triebes. Jetzt stellte sich heraus, daß ein Beamter der Zeitzer Wach- und Schließgescllschaft der Dieb ist. Eine Haussuchung in feiner Wohnung förderte für etwa 800 .44 Waren zutage. * Schnepsenthal, 10. Juni. Vom Mittwoch bis Freitag wurde das 130. Stiftungsfest der Salz man nsch en Erziehungsanstalt begangen, wozu sich etwa fünfzig ehemalige Zöglinge und Freunde der Anstalt eingefunden hatten. Kurz vorher war ein „Verein alter Schnepfcnthäler" zustande gekommen, dem gleich 200 Mitglieder beitraten. Die Anstalt besitzt eine ähnliche Vereinigung bereits in der „Scynepfenthal-Jubiläumsstiftung", die anläßlich des 100. Stiftungstages 1883 ins Leben gerufen wurde und die Lösung der Pensionsfrage der Lehrer und ihrer Witwen sich Hauptsächlich zur Aufgabe gemacht hat. Der „Verein alter Schnepfenthäler" will den Zusammenschluß der ehemaligen Zöglinge pflegen, wie es bei vielen anderen Anstalten und Schulen bereits gehandhabt wird. Jährlich nach Pfingsten soll eine mehrtägige Zusammenkunft stattfinden, eine Zeitschrift herausgegeben und auch das Ziel der „Jubilaumsstiftung" befolgt werden. — Die diesjährige erstmalige Zusammenkunft alter Duttas Mütlmor, Laleerl. aoä Lvvtpl. Nok-I?1»uokort«k»drlll»llt IntmstNei »li »k »nlli sstllluMiimnI»»», «Itiil Ii Lrüissel 1910 wir äsw „Oranä krlx" Leipriss 1913 (lutoro. Lnatavbnusstellung) siönixl. 8äek8.8tiist8prei8 Richard Strauß. lZum 50. Eeburtota g.) Non Eugen Segnitz. Es gibt eine Kunst, die allen Forderungen der Zeit entspricht, in welcher man lebt; cs gibt aber auch eine andere, welche in allen Zeiten dauern wird Ein nachdcnklicl)es Motto für eine Geburtstags epistel an den großen Künstler, der heute 50 Jahre alt wird. Geraume Zeit erhitzten sich die Meinungen sür und gegen Richard Strauß. Die einen riefen ihm ein Hosianna entgegen als dem kommenden Retter und Führer aus jener Sackgasse, die Berlioz, Liszt und Wagner bewachten. Und sie prophezeiten, das kommende Säkulum werde vom Stempel seines Geistes gezeichnet werden. Dagegen wehrten sich nickst allein die klassizisten, sondern auch die Ortho doxen von Neu-Weimar und Bayreuth. „Richard II." nannten sie ihn, zürnten ihm ob seines schnellen Auf stiegs und warfen ihm schließlich noch die hohen Tantiemen vor, völlig vergeßend, daß doch schließlich die Kunst, Tantiemen zu erringen auch eine sei. Also geschah's, daß Strauß in einem Atem ein kühner Neuerer und nachzügelnder Epigone genannt ward. Allmählich legten sich die Wogen der Pancgyrik wie der Verkleinerunassucht. Und die da ein wenig abseits standen von jenem breiten Weg, darauf in peripatetischem Reigen die Lobredner und die Spötter wandelten, — die erinnerten sich der Pilatus frage, wie es denn wohl bestellt ei um die Wahrheit. Sie in diesem Falle zu finden, chon jetzt die Frage restlos zu lösen, ist kaum wohl schon die Zeit. Denn noch immer ist ein jeglicher Hei iae erst nach seinem Tode heiliggesprochen worden. Aber jene Wakr- heitssucher stellten sich doch wenigstens das Bild jenes, den di« anderen einen neuen Gott nannten, zu sammen au» den Hauptgrundzügen der Erscheinungs formen der menschlichen Leben» und studierten die Zeit. Ein jeglicher ist das Produkt der Zeit, deren Kind er ist. Und ist er schassender Künstler, so ist er's nur im Sinne der Persönlichkeit, lebendigen Auf fassung und Tatkraft. Also auch Richard Strauß. Wie cs Goethe einmal ausdrückt, daß nämlich der Mensch nicht, insofern er etwas zurücklüßt, sondern insofern er wirkt und andere zu wirken und genießen anrege, von Bedeutung sei. Und diese Bedeutung können auch die verbissensten Gegner dem Künstler nicht absprechen. Strauß ist innerhalb seiner Zeit die größte musikalische Persönlichkeit, von der "!'übnc herab wirkte er am meisten und nachhaltigsten, ihc verdankt er erst den internationalen Ruhm seine» Namens. Es siel einst das scharfe Wort, der Ton dichter habe die Konjunktur der Zeit immer auch tünstlerischerseit, wohl zu nutzen gewußt. Da, läßt sich liebenswürdiger dahin formulieren, daß er sich von der Zett und der Strömung ihrer ßln- schaumigen und Empfindungen tragen ließ und zu dem sein glückhaftes Schifflein in dem Wiener Hof mannsthal einen geschickten Piloten fand. Es konnte gar nicht anders sein, als daß ein so geist- und kennt- nisvoller Mann wie Strauß das zeitliche Gesamt kunstwerk in seiner Totalität auf sich wirken ließ und sein Schaffen von ihm bestimmende Anregung und Richtung empfing. Genau vor zwei Dezennien bc« schritt Strauß zum ersten Male die Bühne. Er hatte Bayreuther Luft geatmet und von Frau Cosima ein bewunderndes Lob empfangen, daß er in jungen Jahren „schon so" den „Tannhäuser" dirigierte. Parsifals Geist war mit ihm, als er die Dichtung und Musik des „Guntram" schrieb. Ein neues Erlösungs drama war geschaffen und das Wort von der be freienden Kraft der Liebe und Humanität nochmals nach Wagner gesprochen und gesungen worden. Des Werkes Wirkung beschränkte sich der Hauptsache nach auf die Kunde, daß Strauß „auch eine Oper" ge schrieben und sich auf Wagncrscyem Grund und Boden angebaut habe. Aber dem Künstler gebührt das Recht der Freizügigkeit, und immer findet er dort ein neues Vaterland, wo ihm neue Stoffe winken. Aus dem Zuchthause von Reading hatte Oskar Wilde sein ergreifendes ,,Dc profundi/' gesungen und eine Welt damit erschüttert, vor der ungefähr ein Jahr zehnt zuvor die „Salome" getanzt hatte. Strauß ward erfaßt von Wildes Leidenschaft und Sprache, für die er in seinem neuen, 1905 erschienenen Drama die musikalische Terminologie fand. Auf Guntrams Pathos und weithin gezogenen, melodischen Vogen folgte Salomes Unrast und neurasthenische Nuance; dort ein Bild von strengster Linienführung, hier eine Skizze mit pointierten Lichtern im Stil eines La- tour-Lautrec. Nochmals fesselte den Tonpoeten das Altertum. Er beschwor die Gestalten einer Elektra, Klytämnestra und eines Orest herauf und schuf au» den Typen des alten die Individuen des neuen Dramas. Aber vorher hatte er eine scharfe künst lerische Abrechnung gehalten mit der eigenen Vater stadt und in der „Feuersnot" den bajuvarischcn Ncsidenzlern einen Spiegel vorgehalten, in den hineinschauen zu müssen manchen weißwurstessenden Pfahlbürger baß ergrimmen machte. Simplizissi- muswitz und Stimmung gab der Feuersnotmusik Untergrund, und so entstand auf höherem Niveau eine Stilisierung des ins Dramatische übersetzten Wolzogcnschcn Uebcrbrettls. Strauß' Mitarbeiter Hofmannsthal sand ein neues Sujet im Zeitalter der Maria Theresia. Di« Komödie vom „Roscnkavalier" entstand, in deren buntverfängliches Treiben -in- ein der ernste und zur Besinnung mahnende Ton klingt von der Tragödie der einst vergötterten, nun aber alternden Fran, eine gar feine und empfind sam: Note inmitten oft platt materialistischer Wirk lichkeit. In der „Salmnc" batte Strauß seinen Stil gefunden, aber der lose „Roscnkavalier" lockerte ihn und sang di« Walzermelodirn eines Gunal, Lanner und Iah. Strauß. Noch einen Schritt zurück tat da» Wort- und Tondichterpaar au» dem prosaischen Lcbenslärm des Barons Ochs und der poetischen Einsamkeit der Feldmarschallin. Sie gerieten, viel leicht nicht eben zu ihrem Heil, in das Zeitalter Ludwigs XIV. und huldigten einem porzellanenen Idealismus. Glich der „Rosenkavalier" etwa einer dramatisierten Novelle der Lobensbeobachtung, so fand sich in dem neuen Werke Ariadne auf Naxos" ein Stück von ästhetischem Purismus, eine beabsich tigte Reaktion, die sich u. a. im Stil des Ganzen, teilweise der melodischen Bildung wie auch der eng sten instrumentalen Beschränkung kundgab, wie sie z. B. die große, durch die Rückkehr zu dem Altmeister Johann Sebastian Bach heroorgerufene Renaissance bewegung von neuem gelehrt hatte. Und vor kurzem erscholl von der Seine her noch einmal die Nachricht von Strauß' neuestem Triumph der „Josephslegende". Ein Deutscher komponierte dieses Tanzpoem von Potiphars schönem Weib, Russen tanzten es und Franzosen musizierten dazu vor einem internatio nalen Publikum, das sich in Paris zusammengefun- den hatte. Und darob erklangen aus dem Sprach rohr der Presse gar scharf dissonierende Töne, die sich je nach Lob oder Tadel zu übermäßigen oder ver minderten Intervallen verbanden. Kompositionen sollen die Diktate der Seele sein und nehmen demgemäß, je nach deren stärkeren oder minderen Schwankungen in dauerndem Wechsel Ge- statt und Inhalt an. So auch bei Richard Strauß, dessen erste Werke ihn als Klassizisten ausweisen. Des Münchener Waldhornisten Sohn schrieb als Gymnasiast bereits kleinere und größere Werke und befleißigte sich zunächst der Kammermusik, in der ihm u. a. Brahms der freundliche Pfadfinder ward. Sein Name ward ganz langsam bekannt. Ein Streich- und Klavierquartett erscheint mit einigen Sonaten für verschiedene Instrumente, Hofkapcllmeister Levi führt in München die sungedruckt gebliebenes D- Moll-Sinfonie auf, Radecke macht die Berliner mit der C-Moll-Ouvertüre und der Bläserserenade be- kannt und Carl Reinecke überläßt dem jungen Kom- ponistcn den Taktstock, als er im Leipziger Gewand hause seine F-Moll-Sinfonie diriaiert. In ähnlichen Bahnen bewegen sich das Violinkonzert, „Wanderers Sturmtted^. „Taillefer", eine Waldhorn- und eine Klaviersonutc. In der Orchcstcrsuite „Aus Italien" tritt die Wandelung hervor, sowohl betreffs der in dividuelleren melodischen Bildung, der Rhythmik und Harmonik wie vornehmlich des Instrumental kolorits. Die Zeit ist erfüllt für die sinfonischen Dichtungen, darin sich Strauß bekennt zur Gefolgschaft von Berlioz und Liszt. Aufgegeben ist die gebundene Marschroute, die Wechselwirkung zwischen Indi viduum und Zeitgeist aufs neue dargetan. Was jene begannen, setzt dieser mit neuen und erstaun lichen Mitteln fort. Poetische Intention, durch „das Programm" gestärkt, verbindet sich mit scharfem Wirklichkcttssinn. Die mikroskopisch« Kleinmalerei der modernen Partitur wird Ingredienz und Bil« I dungefoktor zugleich, und mit der durchbrochenen Ar- t beit des Partiturbildes stimmt völlig überein die kürzere Fassung der Themata. Dem Außenstehenden fällt es immer schwerer zu erkennen, wo unmittelbar ursprüngliches Schaffen aufhört und ausklügelnde orchestrale Virtuosität beginnt und auch Gewöhn liches etwa nur mit Aufwand von ebenso eminenten wie raffinierten Mitteln gesagt wird. Immer wird der Grundgedanke verfolgt, aber oft fchcint das Ganze aufzugehen in der Fülle des Details. Sinn- liches und Geistiges zieht Strauß in das Bereich der von unverkennbar dramatischem Puls jederzeit vor- und aufwärts getriebenen sinfonischen Darstellung. Traumhafte Jdealistik folgt auf derbe Realistik, Don Juan, der Idealist der Sünde, schreitet dem ernsten Zarathustra voran, das eigene Leben wird in „Tod und Verklärung", in der „Sinfonia Domestica" und im „Heldenleben" Quell des kompositorischen Schaf, fens, Macbeths Leidenschaft findet nur schwer Ver söhnung, Don Quichotte und Sancho Pansa müssen jeder auf seine Art im Weibe das reizende Unheil erkennen lernen, und über alle hinweg schwingt Till Eulenspiegel laut lachend die klingende Schellen kappe. Also findet eine jegliche Gestalt ihre eigene Atmosphäre. Die .^tlrmiva", die gewisse Gabe anzuziehen und den einmal für sich Gewonnenen aus seinem Ideen kreise nicht leicht wieder freizugeben, besitzt auch der Lyriker Strauß. Seine Lieder und Gesänge sind musi kalische Jndividualpoefie, sie geben die Andeutung des stimmungerweckenven Moments und die Stim mung selbst und werden zu Zustandsbildern, an denen Musik und Poesie zu gleicher Zeit Anteil hat. Dem Tonpoeten ist auch jenes zarte Verschiebungsgefühl zu eigen, das oft ein und derselben Seelenstimmung ganz leise einen neuen Ton und eine überraschende Notö verleiht. Ein Meister der Schilderung seelischer Wandelungsfähigkeit, ist Richard Strauß zugleich ein feiner Untermaler der Zustände, wobei ihm das Klavier zu neuen Ausdrucksmitteln verhilft. In diesen Schöpfungen gibt sich alles leicht und unmittel bar verständlich, weil es aus der Tiefe der Emp findung frei hervorging und sich ebenso unmittelbar an das empfangende Gefühl wendet, oft auch durch überaus feine Klang-und Sangnuance, wie sie einst Goethe unbedingt vom Lyriker forderte, von außer ordentlicher Wirkung ist. Vielfach ist Strauß die positive, starke Erfindung in relativ nur gerinacrem Maße zuerkannt, von vielen auch abgcsprochen worden. Wieweit der Künstler noch der aufsteigenden Linie des Schaffens folgen wird, entzieht sich der Beurteilung. Wohl aber ist zu betonen, daß sein Wirken den Reiz neuer Horizonte für sich hat. Er ist der Repräsentant einer gärenden, suchenden und begehrenden Zeit. Ob er dereinst als Pfadfinder und Prophet einer neuen Epoche zu verehren sein wird, vermag erst die Ge schichte festzustellen und zu lehren.
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