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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140602025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914060202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914060202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-02
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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ISI4. / »ttS. Uch««. oUerK. in»». rwtnksl. wüa««» Laelt«. lfram. xlr. rlut. ree >> Men--Ausgabe für Leipzig UN» Vorort» durch unser» TrSaer v*AU . und Spediteure LmaltTgUch in» Hou» gebracht» monatlich 1.23 M., vlertrijührlich S.7S M. Set der SeschäfiosteU», unfern Ziltalra und hu»gab»ft»ll»n abgeholt! monatlich 1 M„ vlertehührUch 3 M. Durch dl» postr innerhalb Deutschland» und -er deutsche« Kolonien monatlich 1.S4 M., virrtrllährlich «.3d M., ausschließlich postdestrUgrld. Da» Leipziger Tageblatt erscheint «erktag» Lmal, Sonn» u. Zrtrrtago tmal. sn Leipzig, den Nachbarorten und den Srten mit eigenen Zilialen wird di« hbenüouogab« noch am fldend de« Erschein«»» in» Hau» geliesert. Serliner RedoNion: 3n den Zeiten 17, rernspeech-Nnschluft: Moabit Nr. «47. HarrdelsSeLtung Amtsblatt des Rates und des potlzeuuntes der Stadt Lewzrg Nodaktion und S»schSft»st»U«: Zohaaniogaff« Nr. d. a Zernsprech-sinschluy Nr. 14442, 14643 und I4b44. ISS. Jahrgang ktir Inserat« au» Leipzig und Umgebung die /INAeigeNpreis e. 1 fpoltig» petitzeiler» Pf., »I« Kettam»,eil. 1 m., oon au»wärt» 34 ps., Neklamen 1.24 M., Klein» flnzeigen diepetitzeil» nui 24 ps.d.wlederhoi.Nad.,Inserat« von Sehörüen im amtUchenTeil die Petit zeile S4ps. SrschSstoanzeigen mit plabvorslbrist im Preise »rhdht. Nadott nach Tarts. Seilagen: Selamtausl.SM.SaoTaufenü au»schl.p»stg«biihr. hnzeigen-stnnahm«: ^ohanniogafse», bei sämtlichen 5>lialen -»« Leipziger Tageblatt»» und allen flnnoneen-Lxpeditionen de» 3n- und huslandr». Seschäftosielle für Serlin ».die pr.Srandendurg: Direktion Walter Zliegel, Serlln w. >4, Mor^arethenstraS« S. Zernsprech-sinschluZ: Lühow S47I. M. 275 VIenswg, Len 2. Juni. 1914. »lqu« zweiter Wohn- >»le. Uhr. ch nach ldort. xrd. hüffel». räu- LNi !N st. »r. L» , Vas wichtigste. * Bei Ausschreitungen streikender Arbeiter in ?Porto Cmpedoele auf Sizilien wurden die dortigen Schwefel Hal len und einige an dere Gebäude zerstört. (S. Pol. Nebers.) * Nach Londoner Zeitungsineldungen aus New ?)ork soll sich Car ran za zum provi sorischen Präsidenten von Mexiko haben ausrufen lassen. (S. Ausl.) * Die amtliche Untersuchung über das Unglück der „Cmprcs; of Ire land" wird am 9. Juni in Quebec beginnen. (S. bes. Art.) der neue Kampf um -as drei- fahresgesetz in Frankreich. Der heute morgen gemeldete Rücktritt d e s M i n i st e r p r ä s i d e n t e n D o u m e r g n e ist der Anfang des neuen Kampfes um das Drei- < jahrsgesetz. Doumergue gesteht damit ein, das; er sich diesem Kampfe nicht gewachsen fühlt. Die Zzrzialisteu, weit entfernt, ihm eine Schonzeit zu bewillige», haben mit dem Beginn der Kammer sitzungen bereits ihre Crklärungen erlassen, wo nach sic den Abbau des Drcijahrsgesetzes ver langen. Neber diese Unbengsamkeit war Dou mergue selbstverständlich unterrichtet, und sie er klärt seinen Entschluß. Weiter fordern die so zialistischen Gruppen, daß sie jetzt bei der Neu bildung des Ministeriums mitreden wollen. Das richtet sich an den Präsidenten Po inearü, der soeben voll einer Reise, die er mit politischen Reden schmückte, nach Paris zurückkehrte. Gerade diese Reden haben die Spannung sichtlich ver schärft. Wir haben neulich, als wir an dieser Stelle den Rücktritt Doumergues als unvermeidlich an- iündigten, bereits darauf yingcwiesen, daß die Nationalisten und insbesondere das militaristische Frankreich mit denselben Mitteln arbeiten wür den, die bei der Wiedereinführung des Dreijahrs gesetzes herhalten mußten: Die Angst vor dem Ueberfall! Das deutsche Gespenst! Aber so sehr die Wiederkehr dieser Wahngebilde dem augen blicklichen Zweck angepaßt sein mag, so ein leuchtend es ist, daß man damit aufs neue die Möglichkeit gewinnt, den Borstos; der Sozialisten abzuschlagen und das Gesetz über die dreijährige Dienstzeit vor dem Ansturm zu retten — was uns dennoch überrascht, ist die Tatsache, daß nun der Präsident selbst, das Oberhaupt der Republik, ohne Scheu zu dem gleichen Mittel, zu der Verdächtigung der dcuts ch enPo- litik greift. „Keiner von Ihnen", so sagte er in St. Brie ne, „wird cinwilligen wollen, das; die Armee geschwächt oder die nationale Verteidigung geschädigt wird. Gerade dieses Ein innerlicher Mensch ist bald wie der bei sich selbst, weil er sich in äußer lichen Dingen nie gänzlich verliert und ausgießt. Thomas a Kempis. Große Kunstausstellung Stuttgart 1-14. Stuttgart, 1. Juni. Die am Pfingstsonntag im neuen Kunst gebäude in Anwesenheit unseres Königspaars und des Großherzogs und der Großherzogin von Hessen eröffnete, bis Oktober dauernde Kunst ausstellung ist vom „Verband der Kunst freunde in den Ländern am Rhein" veranstaltet; die Schweiz, Elsaß - Lothringen, Baden, Württemberg, Hessen-Darmstadt, die Rheinpfalz, Hessen-Nassau, die Rheinproviuz und Westfalen sind darin vertreten. Die in 22 Sälen ausgestellten Werke (Gemälde, pla stische und graphische Arbeiten) bieten einen in teressanten Ueberblick über das moderne Kunst schaffen in den genannten Ländern. Im großen Kuppelsaal, dem „Ehrensaal", sind Gemälde und Skulpturen hervorragender Künstler aus den ver schiedenen Ländern (Till, Trübner nnd Müller- Karlsruhe, Würtenberger-Zurich, Dick-Basel, Dcußer, Oberbörsch und Copher - Düsseldorf, Brandis-Aachcn, pölzet, Pankok und Pötzcl- berger-Stuttgart, ^tarkie-Ltraßburg u. a. m.) vereinigt; auch die sogenannten Expressionisten, Maler der jüngsten Richtung ans dem Vcr- bandsgebict, sind gemeinsam in einem Saale untergebracht, etlick;e dieser Arbeiten der Aller modernsten erregen allgemeines Schütteln des Kopfes. Im übrigen sind die zur Schau ge brachten Werke landsmannschafrlich geordnet: Darmstadt, Karlsruhe, Düsseldorf, Frankfurt, Straßburg und die Schweiz haben je ihren be sonderen Saal; den Württembergern sind die drei Gartensäle cingeräumk. Besonders vorteil haft präsentieren sich die Karlsruher (Schön leber, Trübner, Dill und Eonz mit Landschafts bildern, Hofsäß: „Wilderer" usw.), die Düssel dorfer Tc Pccrdt, Klaus Meyer, Lchrcucr, Ritzenhofen, Hardt u. a.) und die Darmstädter «Eimer, Hölscher, Althciin, Kcmpin, Eauer usw.). Der erste Preis, gestiftet vom Großhcrzoa von Hessen (Ernst-Ludwig-Preis) wurde dem Stillt- Land der Seeleute und Soldaten wird am we nigsten die Ehren der Vergangenheit vergessen wollen." Aber schärfer noch äußerte er sich iu Rennes, wo er auf einem Feste der Turn vereine nicht nur vor dem „Ernschläfcrn" und dem „Erwachen iu Niederlagen" warnte, sondern folgendes ansführte: „Frankreich will aber nicht der Gefahr ausgesetzt sein, von einer frem- d e n Ni acht abhängig zu werden. (!) Es ist durchaus friedliebend, aber cs ist auch ent schlossen, seine Unabhängigkeit, seine Rechte und seine Ehre zu schützen. Um diese zu verteidigen, braucht es eine Armee, die sich aus großen Effektivstärken zuiammensctzt nnd rasch mobilisierungsfühig ist. ES braucht auch Trup pen, die gut ausgebildet, erzogen und trainiert sind. Er halte dem Lande die Lehren der (Vergangenheit vor, nicht um seine Blicke bei den schweren Verlusten nnd tödlicher Ent mutigung festzuhalten, sondern um es an Ver trauen und Hoffnungen zu gewöhnen und ihm ein Beispiel von Willenskraft und beharrlicher Verfolgung seiner Ziele zu geben." Die Schluß sätze wurden, nach einem Berichte des „Tag", mit starkem Beifall ausgenommen; die Menge sang die Marseillaise, darauf spielte die Musik die russische und die englische Hymne, die stehend angehört und beklatscht wurden. Was bedeutet dies alles? Die Frage ist wahrhaftig überflüssig. Wir erinnern uns kaum, daß jemals ein Präsident sich in solcher Weise an den Chauvinismus des Landes gewandt hätte. Es ist ja klar erkennbar, was er zunächst bezweckt: er setzr sich mit seinem ganzen Ansehen für die Erhaltung der militärischen Stärke Frankreichs ein, um die Bewegung gegen das Dreijahrs gesetz zum Stillstand zu bringen. Er tuk es auf die Gefahr hin, selbst in den neuen Kampf hineingerissen zu werden und unterzugehen. Tas zeigt aber auch, wie sehr er sich über die Macht der Gegner im klaren ist. Wäre noch Aussicht, ihr Gekriebe auf andere Weise lahmzulcgen, so würde er es gewiß nicht aus sich nehmen, mit der Verfassung, die ihm Zurückhaltung auf erlegt, in Zwiespalt zu geraten und gleichzeitig die Beziehungen..zu Deutschland in so schroffer' Form zu verschärfen. Ein gewagtes Spiel! Vl Viani, der seitherige Unterrichts minister, soll die Ministerpräjidentschaft über nehmen. Er ist ein Freund Poinearss; aber — er stimmte seinerzeit gegen die Wiedereinführung der dreijährigen Dienstzeit. Wie wird er cs anfangen, dem persönlichen Willen des Präsi denten und gleichzeitig den ungebärdigen So- zialistengruppen gerecht zu werden?! * * * Es liegen noch folgende D r a h t inc l d un - gen vor: Paris, 1. Juni. Präsident Poincarö hat die Reise nach oer Bretagne aufgegeben und ist nach Paris zurückgekehrt. Paris, 2. Juni. Die Erörterungen der Presse über die Ereignisse des gestrigen Tages gartcr Kunstbildhauer Alfred Lörchcr für seine „Weibliche liegende Figur" zuerkannt: den zweiten Preis, gestiftet von der Stadt Stutt gart, verlieh die Jury dem Stuttgarter Maler Heinrich Eberhard für sein eigenartiges Oel- gemälde „Kreuzigung . Vom Verband angc- kauft wurden u. a. „Interieur" von Stärkte- Munzingcr in Straßburg, „Aller Winkel" von Ernst Eimer in Großeichen, „Büßerin" von Höl- zel in Stuttgart und eine Komposition <Ocl- gemälde) von Ida Kerkvwius in Stuttgart. Den Rundgang des Kuppelsaals schmücken außer plastischen Arbeiten kostbare Gobelins aus dem Besitze des Königs von Württemberg. zVilbc-lm VViällnilM. Kunst ua- Wissenschaft. * Die neue „Franziska". Unser Berliner Schau spielreferent schreibt: ^uon-jguv tamlem wirst Du, o Wedekind, Deine „Franziska" umarbeiten und die Leute von der Gilde zwingen, tiefsinnig der Frage nachzuhänaen: Mysterium oder Mystifikation? Mit dem kuriosen Ungeheuer l„in vollständig neuer Form") wurde am Pfingstsonntag der Wedekind-Zyklus in den Kammerspielen eröffnet. Man müßte Buch neben Buch legen, um genau sagen zu können, worin die vorläufig jüngste „Franziska" von der älteren sich unterscheidet Es ist ihr keine jener ausschweifenden Exzentrizitäten, die die Grenzen der Eeschlechter und der Natur sprengen, genommen worden; es ist ihr keine reine Vernunft geschenkt worden. Verse hat sie erkalten; freilich Wedekindsche Verse, die sich, wenn sie nicht gerade harte Kaustik im Klapphorn oder Bänkel spritzen, zumeist wie Prosa anhören. Immerhin: daß man hie und da den Rhythmus eines Gedichtes fühlt, kommt diesem dramatischen Teufelsbraten doch sehr zustatten. Der Vers zieht unwillkürlich Distanz zwischen der Wirk lichkeit und der Phantasie, und das ist zweckmäßig für eine Dichtung, die Wahrheit geben will und auf (realistische) Wahrscheinlichkeit verzichtet. Es lag indessen nicht bloß an den Versen, daß das zweite Erleben der,,Franziska" stärkere Eindrücke hinter ließ. Man könnte von einem wirklichen Mysterium auch nicht verlangen, daß es sich auf den ersten Anhieb völlig erschlösse. Wedekind hat nun allerdings ein solches nicht eigent lich geschrieben (sein Witz holte die Bezeichnung!), sich vielmehr nur mit dem Sexualmysterium mit paradoxem Humor beschäftigt. Seine Philosophie rufen vielfach den Eindruck hervor, daß die inner- polltische Lage keineswegs so geklärt sei, wie es nach den Ergebnissen der Kuinmerwahlen den An schein hatte. Die radikale „La n ter ne" schreibt: Der Rück tritt des Ministeriums Doumergue rechtfertigt alle unsere Besorgnisse; denn gerade in diesem Augenblick, wo man wünscht, daß das Staatsruder in einer festen Hand bleibt, geraten wir in jenes Spiel der Ränke, von welchen ;edc Kabinettsbildung begleitet ist. Der „R adica l", das Blatt der geeinigten Radi kalen, führt aus: „Wenn auch Herr Doumergue geh!, so bleibt doch die durch die Wahlen gegebene R.ch tung bestehen. Die Kammer besitzt eine homogene und geschlossene republikanische Mehrheit, deren Richtschnur das Programm von Pau bildet. Die „Humanita" erklärt: Der gestrige Tag war ziemlich verworren. Er begann mit einer sehr unzweideutigen und festen Erklärung der drei Grup pen der Linken und der äußersten Linken und mit der Zersplitterung der republikanischen Stimmen bei der Wahl der Vizepräsidenten der Kammer, bei der schließlich die Rechte den Ausschlag gab. Die Briand nahestehenden Blätter tragen un verhohlene Befriedigung zur Schau. Sie erblicken in der Wabl Llemcntels und Messimys und in der Niederlage Augagnenrs einen Beweis dafür, daß die Gegner des die republikanische Versöhnung anstreben den Verbandes der Linken durckaus nicht die Mehr heit bilden. — Die „Action" weist insbesondere daraus hin. daß Clemente! als Mitglied des Kabi netts Barthou die dreijährige Dienstzeit vorgeschlagen habe und daß Messimy, wenn er auch den dreißig monatigen Militärdienst beantragt habe, schließlich doch für das Dreijahrsgesetz gestimmt habe. . Clemenceau schreibt im „L'h omme libre": Man unternimmt gegenwärtig große Anstrengungen, um das Dreijahrgesetz abzuändern. Man könnte keinen größeren Fehler begehen, gerade jetzt, wo Deutschland für den Herbst eine neue mili tärische Kraftanstrengung unter nimmt. (?!) Die Hauptgcsahr für das kommende, zweifellos sozialistisch-radikale Kabinett besteht darin, daß es sich in dieser Hinsicht von der sozialistisch republikanischen Partei ins Schlepptau nehmen lassen könnte. Ich würde zu irgendeiner Verringerung un serer Militärmacht meine Zustimmung nicht geben. Paris,- 2. Juni. Die Rede des Präsidenten Poincarö wird oon den Anhängern des Drcijahrsgesetzes mit außerordentlicher Be friedigung erörtert. Der „Figaro" schreibt: Nach dieser Kundgebung kann Biviani, den man als den kommenden Minister des Aeußern bezeichnet, nicht mehr daran zweifeln, daß ein Zugeständnis an die Sozialisten in der Frage des dreijährigen Militär dienstes gegenwärtig ein wahrer Verrat wäre. Präsident Poincarc würde diesen Verrat nicht er lauben. s!). Iaurös schreibt in der „Humanit ö": Wie kann Präsident Poincarc nach dieser Rede noch den Willen der Linken be rücksichtigen? In welcher Lage wird stch der neue Ministerpräsident befinden, wenn er den Ge- des Geschlechtslebens hat zwei Leitsätze. Der eine: „Das Weib mit seinen Trieben ist das Mächtigste auf Erden" — kehrt in fast allen seinen Schauspielen wieder; der andere wird speziell in den tollen Szenen der „Franziska" exemplifiziert und lautet: „Nur die Frau erlangt Vollkommenheit als Ge- schlechtswesen lsogar als Hausfrau und Mutter!), der nichts Menschliches fremd geblieben ist, die alles am eigenen Leibe erfahren hat." Mag man über die Aus- .gebürten der sogenannten Perversität und des Zynis mus in „Franziska" noch so erschrecken, das Wirrsal der Begebenheiten noch so absurd finden: Wedekinds Genialität verleugnet sich nicht. Sie sprüht Feuer garben in der Bohemeszene, in der Liebesnacht unterm Sternenhimmel und besonders in dem Inter mezzo, das den Dichter selbst als bankrotten Eeorgs- ritter der freien schönenSinnlichkeit, im Kampfmitdem „Schweinehund", im Kampf init der Banausenmoral vorführt. Die Aufführung bes wüsten Speitakulums reizte, von einer ironiichen Kundgebung des Publi kums abgesehen, diesmal nicht zu lautem Widerspruch; eine warme Zustimmung der Verblüfften ließ sie begreif licherweise auch nicht auikommen. Frank Wedekind selbst spielte wieder den Veit Kunz, oen vom Weibe übertölpelten Hexenmeister, und «eine geistig uno körperlich so biegiame und einfühlsame Gattin, Frau Tilly Wedetind, die Experimentier-Franziska. Bon den Reinhardtschen Schauspielern sind manche rühmend hervorzuheben, voraus Alfred Breid er hoff (der hünenhafte Schauspieler, der „zweite Vater" von Franziskas Kind), Ernst Dumcke (der kontemplative Herzog» und Paul Rievsfeld 1 (der typische Polizeipräsident). Hermann ILienrl. * „Marys großes Herz" von K Holm. Am Sonnabend wurde zum ersten Male im Dresdner Interimstheater unter der Spielleitung Maxime RenL-s Korfiz Holms Lustspiel „Marys großes Hrrz" aufgeführt, eine von den vielen Komödien, welche nur dem Spielen mit erotischen Dingen ihren Erfolg verdanken, während die Handlung ziemlich dürftig ist und dein Dialog altes Geistvolle und Sprühende fehlt. Bei der guten Aufführung ver mißte man Reichtum und Eleganz in der Ausstattung — die unter den gegebenen Verhältnissen natürlich unmöglich sind —, und Grazie und Leichtigkeit im Spiel. Wo aber beides fehlt, wird man sich kaum über die Leere und Belanglosigkeit dieses Lustspieles Hinwegtäuschen können. Vr. b'. .Väter. * Professor Dr. Hugo Schramm Macdonald ist in der Nacht zum Montag in Dresden, seiner Heimat stadt, nach langen, schweren Leiden im Alter von 77 Jahren gestorben. Professor Schramm-Macdonald war ein bekannter und beliebter Schriftsteller. danken der republikanischen Parteien Rechnung trägt? Wird Viviani die Livree des Elysöes an ziehen wollen.' Diese brutale Erklärung les Präsi denten der Republik ist in diesem Augenblick offen kundig verfassungswidrig. Die Drohungen der Rückschrittler waren nicht vergeblich; sie wissen, wie man den Präsidenten zur Unterwerfung zwingt. Präsident Poincarc- hat die korrekten republikanischen Worte in Lyon nur gesagt, um seine Unterwerfung decken zu können. Das „Echo de Paris" behauptet, Delcassv habe in den Wandelgängen der Kammer erklärt, er werde keinem Kabinett angehörcn, oon dem man sagen würde, daß es in kürzester Frist das Dreijahrs gesetz ab schaffen werde? Ein völkerrechtlicher Rückschritt? Man schreibt uns In Nummer 1l der „Deutschen Iuristen-Zeitung" (1. Juni 19(4) macht Professor Beer-Leiozig aus die beoauerliche Tatsache aufmerksam, daß die fran zösische Republik die drei Haager Konventionen vom 12. Juli 1902 gekündigt hat: das Eheschließungs-, Ehescheidungs- und Bormundschafts-Abkommen. Da mit ist Frankreich mit dem 1. Juni 1914 aus dem Kreise der Vertragsslaaten ausgeschieden. Auf die Gründe, die Frankreich zu diesem Schritte geführt haben — sie liegen wohl im wesentlichen auf dem Gebiete dcr Ehehinderniße —, und auf die rechtlichen Wir tungen der Kündigung kann an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden. Das ist schließlich Aus gabe der Fachpresse und es handelt sich hier um Fragen, die selbst für den zünftigen Juristen außer ordentlich schwierig sind. Die Tätigkeit verdeutschen Rechtspflegeorgane wird übrigens deswegen nicht all- zuties berüyrt werden, weil der Hauptgrundsatz der Konvention, nämlich die Maßgeblichkeit des Hei matsrechtes, in Deutschland positives innerstaatliches Recht ist. Dasselbe dürfte übrigens für den Bereich des Vormundschaftsrechtes gelten. Daher liegt die Bedeutung der französischen Kündigung mehr darin, daß sie in das jetzige und künltige Schicksal des sog. internationalen Vrivatrechts eingreift und hier leider einen Rückschlag bringt Das Haager Privatrechts abkommen war ein wichtiger Schritt auf dem Wege, der zur internationalen Harmonie der Rechtsver hältnisse führen sollte Ost ist in diesen Blättern darauf hingcwiesen worden, daß die gemeinsamen Interessen der Kulturstaatcn solche Harmonie geradezu gebieterisch fordern und daß alle derartigen völker rechtlichen Verträge ein neues Friedensband um die Völker schlingen, die sich sonst in Rüstungen über bieten. Zweierlei ist hier möglich. Entweder man jucht das materielle Recht auf internationaler Grundlage einheitlich zu gestalten, und diese Be strebungen waren es, die in der Haager Wechsel ordnung einen, wie man weiß, großen Triumph gefeiert hatten. Oder die Völker verständigen sich über gleiche Grundsätze des internationalen Privatrechts: diesen Weg gingen die sogenannten Haager Familienrechtskonventionen. Die gerade an sie geknüpfien Hoffnungen haben durch die Kündigung Frankreichs, wie Proiessor Beer mit Recht hervorhebt, eine bittere Enttäuschung er- * Henry Roujon f. In Paris ist einer der „Unsterblichen" der Academie fran^aise, Henry Roujon, gestorben. Er hat den grünen Frack mit oen Palmen nicht lange getragen, da er erst im Jahre 1911 in die Akademie ausgenommen worden war. Roujon war ein guter Plauderer, hatte mehrere Bücher und zai,(reiche asthemche Artikel geschrieben. Bei der Eröffnung der französischen Kunstausstellung in Berlin vertrar er die ^«inlemio ckes Oenux-.Vrt« und wurde auch dem Kaiser vorgestellt. * Graf Bernstorfs — Ehrendoktor der Universität Baltimore. Der deutsche Botschafter Graf Bern stor s s wohnte der Semesterschlußfeier an dcr Uni versität Baltimore bei. Gras Bernstorff wurde zum Ehrendoktor der Rechte ernannt. * Ein Meisterwerk Wilhelm Leibls erregt zurzeit auf der Baltischen Ausstellung in Malmö das größte Interesse. Wie wir bereits mitteilten, erwarb die Nationalgalerie in Stockholm dieses Bild, das einen intimen Freund des Malers, den Chemiker Ja is, darstellt, ans dem Besitz der Gemäldegalerie Karl Haberstück in Berlin. Das Bild wurde 1885 gemalt, in« gleichen Jahre also, als Leibl die letzte Hand an sein berühmtes Wildschützeniild legte. Diezes Jais- Portiät ist künstlerisch auf der Höhe der „Wild schützen". Dcr echt germanische Typ des Freundes, ein fester Bayernkopf aus den Vorbergen, „lag" dein Maler. Menschen mit diesen ruhigen Gesichtern und derben Zügen hat auch Holbein gern gcinalt. Und an den denkt man auch zuerst vor dem Bildnisse oon Jais; aber die malerische Behandlung ist freier und breiter als in den Schöpfungen Leibls, die die Erinnerung an Holbein sonst wachrufcn. Der Dargestellte, ein Mann in den dreißiger Jahren mit dunkelblondem Haar und Bart, blickt mit einer leich ten Wendung des Kopfes nach der rechten Schulter mit ruhigem Ausdruck vor sich hin. Prachtvoll ist die reiche Nüancierung des lebhaften Inkarnats und die Behandlung des Bartes, dcr von einer weißen Heindbrust und einer grauen Weste sich absetzt. Der Kopf des lebensgroßen Brustbildes steht ebenso lebendig wie körperhaft gegen einen dunklen Hinter grund. — Es ist das erst« Bild Wilhelm Leibls, das in einem Museum des Auslandes seinen Platz findet. Die Erwerbung desselben ist nwhl als Zeichen dafür anzu'ehen, daß die ganz überragende Bedeutung dieses Meisters, der in der deutschen Kunstgeschichte nur die Namen oon Dürer, Holbein und van Dyck an die Seite gestellt werden können, nunmehr auch im Ausland anerkannt wird.
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