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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140603011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914060301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914060301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-03
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Morgen-Ausgabe lür Letp-I» und Vorort, »orch unser, LrSaer un-Spe-iteur«rmalt-slich in» hau» gebracht: monatlich t.rr M.. vierteyährlich Z.7S M. Sri ürr S,schiifi,stell,, unsren Molen und fluogadrstrllrn obgeholt: monatlich IM., virrtrlsührlich r M. Durch dir Post: innerhalb veutschlan-, unü ürr 0»utschrn tloloairn monatlich 1.S» M.» vierteljährlich 4.L4 M., ouoschlirAlich postdestrU-rl». Va« LetpzigerLagedlatt »rschrtnt Werktag, »mal, Sonn. u.Zrirrtagolmal. In Leipzig, -en Nachbarorten unü -en «Vrten mit rigrnrn Filialen wlr- -le stbrnSauogad« noch am flbeaü -«» Erscheinens in» hau» geliefert, kerlinr, «rüaktivnr In-rnLrltra 17, Zrrnsprrch.stnschlust: Moadit Nr.»»7. Nr. 27S. handelsSeikurs /lrntsblockk des Rates und des pokreuuntes der Stadt Leipzig Nr-aktion uu- SrschästsstrU«: Zohannlsgass« Nr. » Zrrnsprrch.stnschlust Nr. 14-42, 14043 un- 14-44. ISS. Jahrgang kür Inserat« au» Leipzig un- Umgebung ->, /«NAeigeNpreif e. 1 spaltig« petitzetle« Pf., Sie ««Name,eilet m., von ou»wart» 30 ps., Reklamen 1.20 M., Klein« flnzeigrn Sirprtttzrll« u« 20pf.b.Wle-erhol.Nab.,Inserat« »onSrhör-en lm omtlichenLeil -ir Petit zeil« SS ps. S«sch«ist»anzeigrn mlt plaNoorschrist im Preis« «rh-ht. Rabatt nach Laris. Seilagen: Srsamtausl. S M. -a» Lausen- au»schl. Postgebühr, stnzrlgen.slnnahm«: ^ohonnl»ga<se», bei s-mtllchen Filialen -«. Leipzig« Lagrdlatte» un- allen Annoncen.Exp«-iti»n«n -es In» un- stuolan-e». Geschäftsstelle für Serlin u.Si« pr.Sran-rnburg: VirektionwalterZliegrl, Serlin w. 1». MargarethenstraA« ». Zrrnsprech-stnschlust: Lüyow »»l. Mittwoch, -rn S. Juni. ISl4. Vas wichtigste. - * Der IX. Deutsche Esperanto -K on - greß in Leipzig 1914 wurde gestern ge schlossen. (S. Ber.) * In der ersten Hauptversammlung des Deut s ch en Lehrerverein s in Kiel sprach am Dienstag Reichstagsadgeordueter Dr. Ker sch en stein er über die nationale Einheits schule. Eine Resolution, die diese Schule for dert, fand einstimmige Annahme. (S. Ber.) * Der deutsche Militärattache in Paris, Oberstleutnant v. Winterfeldt, ist zum Abteilungschef im Großen General stab ernannt worden. (S. Letzte Dcp.) * Die „Agence Havas" verbreitet eine amt ¬ liche Note über die G r ü n de des Rü ck t r i t t s des französischen Kabinetts. (S. Pol. Uebers.) * Bor Durazzv ist ein österreichi ¬ sches Geschwader eingetroffen. (S. bes. Art.) * Ter Dreieckflug brachte gestern die Leipziger Flugzeug-Parade; heute wird die dritte Tagesstrecke über Dresden nach Berlin ge flogen. (S. Sp. u. Sp.) * Das Große Jagdrennen in K a r l S- h o r st wurde von Mons. Descazeaux' M ontag- nard gewonnen. (S. Sp. u. Sp.) Geschäfts- un- Zinanzlage in Sapern. Von Dr. Friedrich Thoma, Mitglied des Reichstages und des Bayrischen Landtages. Seit dem 27. September 1913 tagt der Bayrische Landtag. Die deutsche Öffentlichkeit ist längst daran gewöhnt, daß die Sessionen dieses Parlaments ganz ungewöhnliche Zeiträume in Anspruch nehmen und Latz es den parlamentarischen Bankerott in Bayern bedeuten würde, wenn heute dem sozial demokratischen Verlangen nachgegeben und an die Stelle der jetzt zweijährigen die einjährige Budget periode gesetzt würde. Die gegenwärtige Tagung hat aber in bezug auf ihren Inhalt und ihre Dauer noch ihre Besonderheiten. Nach achtmonatiger Tätigkeit ist so ziemlich noch alles, was die Session fruchtbar machen soll, unerledigt. Die wichtigen verfassungsrechtlichen Aenderungen, die mit der Auf hebung der Regentschaft und der Erhöhung der Zivilliste verbunden waren, haben bereits im No vember 1913 die Zustimmung beider Kammern ge funden. Seitdem ist nichts Wesentliches mehr ge schehen, wenigstens nichts, was nicht längst früher hätte geschehen können und müssen. Dazu gehört die endliche Annahme des Regierungspostulats betr. den Bau des Walchensee-Kraftwerkes. Man hat sich dazu auf allen Seiten nachgerade genug Zeit ge lassen. Lm übrigen haben die acht Monate nichts gebracht, als die gewöhnliche Etatsbcratung, bei der seit Jahren beim gleichen Kapitel die gleichen rheto rischen Hebungen stattfinden. Zwei der wichtigsten Etats, derjenige der Eisenbahnen und der Post- und Telegraphenoerwaltung, stehen noch aus. Sie mußten auf die lange Bank geschoben werden, um teils umgearbeitet, teils sonst im Einklang mit der allgemeinen geschäftlichen Konjunktur beraten zu werden. Von den noch unerledigten kleineren Etats brauchte man nicht zu reden, wenn sie nicht erfah rungsgemäß ebenfalls reichlich Zeit in Anspruch nähmen. Der Landtag ist zurzeit bis zum 31. Juli verlängert. Er wird die ihm noch zur Verfügung stehende Zeit in der Hauptsache zur Verabschiedung des Etats und des dazu gehörigen Finanzgesetzes nötig haben. Denn dazu gehört u. a. auch die Be ratung und Erledigung dreier Steuervorlagen, auf deren mutmaßlichen Erträgnissen der Landeshaus halt von vornherein aufgebaut wurde. Es sind dies die Gesetzentwürfe, die die Erhebung 25prozentiger bundesstaatlicher Zuschläge zur Reichserbschaftssteuer non 1906, die Ilebertragung des .'»Oprozentrgcn, ab 1. Juli 1913 fallen gelassenen Reichsanteile an der Grundwertzuwachssteuer auf Bayern sowie ein neues Kosten- und Stempelgesetz zum Gegenstände haben. Um diese Steuervorlagen, von denen nur die erste Aussicht auf glatte Annahme hat, werden sich noch die lebhaftesten Kämpfe entspinnen. nach deren Aus tragung jedoch der Staatshaushalt pro 1914/16 immer noch nicht abgeglichen sein wird. Denn der Streit geht leider nur darum, wie groß das Defizit sein wird, das auch nach etwaiger Annahme sämt licher Steuergesetzentwürse sich einstellen muß. Neben diesen Schwierigkeiten, die dem bayrischen Landtag noch des Kopfzerbrechens genug verursachen werden, ist eine Menge gesetzgeberischer Arbeit un erledigt, die der ganzen Session erst ihren Stempel aufdrucken soll. Zu der nicht aufschiebbaren Aufbessc rung der Landlehrer ist letzt — Ende Mai — noch nicht einmal die längst angekündigte Denkschrift der Regierung erschienen. Der Entwurf des Gcmeindc- beamtengesetzes, von welchem viele Tausende kom munaler Angestellten die Unwiderruflichkeit ihrer Stellung, ein angemessenes Diensteinkommen und I eine Pensions- und Hinterbliebenenversorgung er- I hoffen, ist in 19 Kommissionssitzungen bis zum Ar tikel 26 gediehen (von 262), wobei man noch nm die kritischen Artikel 12 und 16, die gegen die Sozial demokratie gerichtete Bestimmungen enthalten, her umging. Der Entwurf eines Armengesetzes, der ge mäß reichsgesctzlicher Vorschrift die Einführung des Reichs-Untekstützungswohnsiygesetzes in Bayern bringen soll, ist in der Kommission überhaupt noch nicht in Angriff genommen. Um das von der Regie rung eingebrachte Aufforderungsgesctz )um Schutze landwirtschaftlicher Besitzer gegen forstliche Umzinge lung durch Großgrund- und Fideikommißbesitzer hat sich überhaupt noch niemand ernstlich gekümmert; seine Verabschiedung noch in dieser Session erscheint höchst unwahrscheinlich. Eine umfangreiche Novelle zum bayrischen Polizeistrafgesetzbuch wird jetzt dem gleichen Schicksal verfallen. Eine solche Geschäftslage darf mit Fug und Recht als traurig bezeichnet werden. Die Finanzlage kann sich ihr ebenbürtig an die Seite stellen. Der Etat bilanziert pro 1914/15 mit 745 Millionen; die allgemeine Reserve dazu beträgt 619 000 M! der Fehlbetrag berechnet sich auf 737000 Mark unter der Voraussetzung, daß die eben er wähnten drei Steuervorlagen unverändert nach den Rcgierungsentwürfen angenommen werden. Davon kann jedoch keine Rede sein. Die zu erwartende Ent fernung der Stempel und Gebühren auf Mietsoer- träge, Vollmachten und privatschriftliche Urkunden aus dem neuen Kosten- und Stempelgesetz wird ein weiteres Manko von 2,5 Millionen bringen. Dabei ist noch keine Rede oon einer etwas ausgiebigeren Aufbesserung der Landlehrer als sie die Regierungs vorlage mit ihren minimalen, nach dem Dienstalter abgeftuften Sätzen vorsieht. Reguläre Mehreinnah men können nicht mehr beschafft werden, im Gegen teil: die Malzsteuer und die Eebührenerträgnlsse, namentlich aus dem Erundstllcksverkehr, zeigen rück läufige Bewegung, wie denn überhaupt die Gesamt signatur des bayrischen Staatshaushalts zusammen gefaßt werden kann in die Formel: sinkende Einnah men, steigende Ausgaben. Die berechtigten Ansprüche der Altpensionäre und die längst notwendige Ueber- prüfung der Gehaltsordnung der Staatsdiener kön nen unter solchen Umständen keinerlei Berücksichti gung finden. Zur Behebung des Defizits — mag es nun, wie Optimisten erwarten, nur 3 Millionen oder nach pessimistischer Auffassung 5 und mehr Mil lionen betragen.-- gibt es nur zwei Wege: Erhöhung der erst seit 1. Januar 1912 in Kraft befindlichen direkten Steuern oder Reduktion, bzw. Streichung des für die reguläre Schuldentilgung vorgesehenen Be trags. Die letztere Maßregel erscheint vom Stand punkt einer gesunden Finanzwirtschaft unzulässig und in Bayern um so bedenklicher, als es nicht das erste Mal wäre, daß schwierige Etats auf diese Weise ab geglichen werden. Eine Anziehung der Steuerschraube begegnet dem ernstesten Bedenken, weil die letzte Steuerreform ohnehin bis an die Grenze der Be- lastungsmöglichkeit gegangen ist. Eine Erhöhung, insbesondere der Einkommen- und Gewerbesteuer, mußte in Ansehung neuer gewerblicher und indu strieller Unternehmungen wie ein Prohibitivzoll wir ken und auch nach Ansicht des Finanzministers ge radezu eine Flucht steuerkräftiger Leute aus Bayern ,zur Folge haben. Der Schwierigkeiten sind es also genug! Sie wären noch zu ertragen, wenn sie sich nur auf den jetzt zur Beratung stehenden Staatshaushalt bezögen. Es steht aber heute schon fest, daß das nächste Budget für 1916/17 mit 12 bis 15 Millionen im voraus belastet sein wird, und zwar mit Aus gaben, die entweder schon gemacht oder die selbst verständliche und unvermeidliche Folge früherer Etats sind. Daher das trübe Prognostikon einer 20prozenti- gen Stcuererhöhung ab 1. Januar 1916, nicht zu denken an die natürliche Steigerung des allgemeinen Staatsbrdarss, an die zu erwartenden Mehraus gaben für Zwecke des Reichs, an die Folgen einer höheren als von der Regierung vorgesehenen Lehrer aufbesserung, an die stets wachsenden Kreis-, Di strikts-, Kommunal- und Kirchenumlagen usw. Die Finanzlage ist demnach ebensowenig wie die derzeitige parlamentarische Geschäftslage rosig. Die Tatsachen vertragen keine Verschleierung; es sei denn, daß man sich selbst über unangenehme Situationen Hinwegtäuschen wollte. Vielleicht wird sich die bayrische Regierung doch noch dazu bequemen müssen, die Stimme der Minderheit zu hören und darauf be dacht zu sein, durch eine entsprechende Verkehrs- und Wirtschaftspolitik dieStaatsbedürfnisse nicht bloß durch neue Stenern, sondern auch durch neue Steuerzahler zu decken zu suchen. Die gegenwärtige Gesamtlage darf angesprochen werden als das Fazit einer 15jährigen ununterbrochenen Zentrumsreglerung, die ohne Rücksicht auf die Minderheiten schaltet und wal tet und die dementsprechend auch die Verantwortung für die Lage des von ihr beherrschten Staates nicht ablehnen darf. Zur Zrie-enskun-gebung von Sasel. „Der gute Willen ist zu loben, aber —" So ungefähr wird wohl das Urteil der meisten Deutschen über die Friedenskundgebung der in Basel am ersten Pfmgstfeicrtage versammelten französischen und deutschen Abgeordneten ge wesen sein. Wir haben die wesentlichen Be schlüsse, die sich ihrem sachlichen Inhalte nach zunächst nicht sehr bedeutsam ausnehmen, mit geteilt. Die Hauptsache: man will sich nicht entmutigen lassen. Das „Aber" rechtfertigt sich auf unserer Seite durch die Umstände, unter welchen das „Ständige deutsch-französische interparlamenta rische Komitee" diesmal zusammentrat. Kann man darüber streiten? Sie sind ungünstig. Wenn die einstimmig beschlossene Erklärung von einer „günstigen Stunde" spricht, die eine lohnende Arbeit für die Wiederannäherung der beiden Völker verheiße, so geht sie eben von dem Gedanken aus, daß der gegenwärtige Span nungszustand für beide Teile immer lästiger werde und das Verlangen nach einer Beseitigung hüben und drüben steigere. Gleichwohl läßt sich wohl nicht leugnen, daß die Vorgänge wie die Stimmung in Frankreich zurzeit wenigstens nicht viel Gutes im Sinne der Baseler Kund gebung verheißen. Wir haben erst gestern an dieser Stelle das Auftreten des Präsidenten Poincarö besprochen. Nehmen sich seine letz ten Reden nicht wie ein Hohn ans auf das Be- müheu des feiusinuigen französischen Friedens freundes Baron d'E st o u r n e l le s de Eo li st an t, der nicht müde wird, als Vorbedingung einer Annäherung gegenseitiges Vertrauen zu fordern! Der Präsident der Republik ja warnt vor diesem Vertrauen. Er ruft alle Franzosen auf, mißtrauisch zu sein, unentwegt an die „Gefahr" zu denken. Er schiebt unver hohlen dem Nachbarvolke die Absicht zu, das stolze Frankreich nm seine Unabhängigkeit zu bringen! Gewiß, er wie alle anderen Beschützer des an gegriffenen Gesetzes über die dreijährige Dienst zeit brauchen dieses Mißtrauen. Es dient einem augenblicklichen politischen Zwecke. Allein, hat man das Mißtrauen glücklich belebt, hat es seinen Dienst getan — wer hat die Macht, es wieder auszutilgen? Wir sind im Rechte, wenn wir angesichts dieser Vorgänge von ungünstigen Umständen sprechen, was durchaus nicht die Männer herabsetzt, die sich trotz alledem nicht entmutigen lassen und an die Zukunft ihrer Sache glauben. Wenn wir noch im Zweifel sind — die fran zösische Presse belehrt uns. Die französischen Abgeordneten, die in Basel mit den deutschen tagten, werden durchweg unfreundlich behandelt. Selbst der „Radical", der sonst für ihre Be mühungen eingenommen ist, hält es für richtig, sehr vorsichtig von der Zukunft zu sprechen und den Weg zum Ziele als sehr weit zu schildern. Immerhin — er wirft ihnen keine Steine vor die Füße. Anders der „Temps". Er schreibt: „Es ist für französische Erwählte eine demüti gende Rolle, sich in die Unterzeichnung eines Wortlauts zu schicken, der Frankreich im selben Grade wie Deutschland für die Spannung der letzten Jahre verantwortlich macht. So die Wahrheit gegen sein Vaterland vergewaltigen, ist ein häßliches Bemühen." Und der „Temps", der sein möglichstes dazu beitrug, während der ganzen Marokkokrisc die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu verschärfen, zählt alle deut schen Uebeltaten auf, die 1909 die Abtretung des Kongos unumgänglich machten. „1914 han delt Deutschland all seinen Verpflichtungen zu wider, indem es allein von allen Mächten seine Legation in Tanger beibehält und den Vertrag von 1911 in sophistischster Weise auslegt. Es ist es auch, das mit der Kampagne gegen die Frem denlegion der Wahrheit zum Trotz uns in chro nischer Weise provoziert." Auch bei den Rüstun gen soll Deutschland stets den Anstoß gegeben haben, und der „Temps" ist so kühn, das fran zösische Gesetz von 1905 als ein französisches Entgegenkommen hinzustcllen, während doch Deutschland mit der Einführung der zweijäh rigen Dienstzeit vorausging. „Und unter die sen Umstünden setzen ein früherer Diplomat wie d'Estvurnelles de Eonstant und ein mächtiger Industrieller wie Menier ihre Unterschrift auf ein Papier, auf dem Frankreich sich ebenso ver antwortlich für einen Zustand erklärt, den Deutschland allein geschaffen hat und sorgfältig fortbestehen läßt. . . Diese Verirrung wird noch ernster durch die Tatsache, daß die zweideutigen Verpflichtungen, die die französischen Parlamen tarier eingingen, von ihnen gehalten werden können, während die kaiserliche Verfassung die deutschen von der Sorge der Verwirklichung befreit . . . Darum tonnen wir nicht begreifen, daß Franzosen mit der Unterzeichnung der Ba seler Erklärung das ungerechteste aller Urteile gegen Frankreich fällen und ihm Verantwort lichkeiten aufbürden konnten, die nicht die seinen sind. Es ist das eine schlechte Tat, die das Pathos der Beschlüsse nicht verheimlichen und noch weniger entschuldigen kann." Eine schlechte Tat! Wenn ein führen des Blatt so urteilt, hat es keinen Zweck, bei den noch gehässiaeren Ausfällen der kleineren nationalistischen Presse zu verweilen. Wir wollen indes nicht vergessen, daß sich auch auf deutscher Seite gegen die Teilnahme deutscher Abgeord neten an diesen Verständigungsversuchen Stim men erheben. Entweder hält man, und dazu neigen ja viele, die Verständigung mit Frank reich überhaupt für aussichtslos, oder man glaubt, es müsse erst auf diplomatischem Wege unter Benutzung glücklicher Umstände vorgear beitet werden. Andere wieder versprechen sich alles von der langsam ausglcichenden Wirkung gemeinsamer Kulturbcstrebungcn. Und wieder anders ist -die Ansicht der sozialdemokratischen Presse. Sic eifert jetzt wider die Betei ligung von Genossen, weil das Zusammensitzcn mit bürgerlichen. Mgeordneten dem Ansehen der Partrisache schade, und, wie sich die „Leipz. Volksztg." ausdrückt, „die Scheidelinie zwischen bürgerlicher und proletarischer Fricdensarbeit" verwischt werde! Vor dieser Höhe der Auf« sassung werden sich freilich die dcntscl-en wie die französischen Genossen beugen müssen. deutscher Lehrertag. 8. K. 11. Kiel. 2. Juni. Heute vormittag wurde die erste Haupt versammlung bes Deutschen Lehreroereins durch den Vorsitzenden Lehrer Roehl-Ber- lin eröffnet. Ooerpräsidialrat oon Bülow bewillkommnete namens des Kultusministers unD des verhinderten Oberprüsidenten der Provinz Schleswig-Hohrein, v. Bütow, Vizeadmiral Koch, stürmisch oegrußl, namens der Kaiserlichen Marine, Oberbürgermeister Dr. Lindemann namens der Stadt Kiel, tlniversitätsrektor Professor Dr. Ficker namens der Universität und Lehrer Hecht namens des Kieler Lehrervereins die Er schienenen. An den Kaiser wurde ein Huldi gungstelegramm gesandt.. Hieraus wuroe in die Lagesordnung eingetreten und an erster Stelle ein Referat des bekannten Schul mannes, Reichstagsabgeoroneten Dr. Kersche li stet ne r (München) über das Hauptthema der Tagung, die nationale Einheitsschule, entgegengenommen. — Der Referent unterbreitete der Berjammlung eine Reihe oon Leitsätzen, die folgenden Wortlaut haben: Die allgemeine öffentliche Schule im Rechtsstaate, 0. i. jenem Staate, der die Beziehungen seiner Mitglieder autonom nach den Grundjätzen ber Gerechtigkeit und Billigkeit regelt, muß jedem Kinde ohne Ausnahme jene Erziehung er möglichen, auf die es nach Maßgabe seiner Ver anlagung Anspruch erheben kann. Umgekehrt ist im Kulturstaate, d. i. jenem Staate, der alle allgemeinen Zwecke ber Kultur in seinen Zweck ausgenommen hat, jedes Kind verpflich tet, oon jenen öffentlichen Erziehungseinrichtungen so lange Gebrauch zu machen, als es zur Ausbildung eines nützlichen Mitgliedes der Kulturgemeinschasr notwendig erscheint. Will dieser Erziohungspflickst durch private Einrichtungen außerhalb der allgemeinen ösfentlichen Schule genügt werden, so hat die Staatsgemeinschafl die Erlaubnis hierzu zu erteilen, u) solange und so weit die privaten Erziehungsabsichten nicht dem Gc- samtwohle ber Gemeinschaft zuwiderlaufen, h) soweit die privaten Erziehungseinrichtungen mindestens das gleiche leisten wie die öffentlichen, a) solange die Mitglieder keine öffentlichen Mittel >ür ihre nicht allen gleichmäßig zugänglichen Einrichtungen ver langen. Die Lasten der allgemeinen öffentlichen Pflicht schulen sind aus allgemeinen öffentlichen Einnahmen und nicht durch besondere Schulgelder zu decken. Muß in höheren öffent lichen Schulen für freiwilligen Besuch mangels hin reichender öffentlicher Mittel besonderes Schulgeld erhoben werben, so ist jeder mittellose Begabte hier von zu befreien. Die Zahl der so Befreiten ist nicht auf einen bestimmten Prozentsatz der Gesamt,chüler- zahl zu beschränken. Mittellosen Eltern besonders begabter Schüler sind Erzichungsbciträge aus öffent lichen Mitteln zu gewähren. Es widerspricht dem Geiste des Rechts- und Kulturstaatcs, parallel den Pflichtschulen andere Schulen unter dem Vorwande einer er weiterten Bildung zu unterhalten, die nur einzelne nach Maßgabe ihrer besseren wirtschaftlichen Lage auf Grund besonderen Schulgeldes an Stelle der Pflichtschule besuchen können. Jede Differenzie rung der öffentlichen Schule nach ökonomischen oder sozialen Rücksichten ist eine Verletzung des Rechts und Kulturstaates. Die allgemeine öffentliche Schule bedarf aber der Differenzierung nach psychologischen und pädagogischen Gründen. Der Funda mentalsatz aller Differenzierung ist, daß jeder Schüler in der allgemeinen öffentlichen Schule jene Bil dungswerte vorfindet, die seiner Veranlagung ge mäß sind. Die erste Differenzierung der allgemeinen öffent lichen Schule hat mit dem Zeitpunkte zu erfolgen, zu dem eine Trennung der spekulativen von ben praktischen Interessen sich deutlicher bemerkbar macht, die zweite mit der deutlichen Ent wicklung bestimmter durch die Einzelveranlagung be. dingter Berufsinteressen. Der erste Zeitpunkt fällt im allgemeinen nicht vor das zehnte, der zweite nicht vor das vierzehnte Lebensjahr, von Ausnahmen abgesehen. Die durch die Differenzierung des allgemeinen öffentlichen Schulwesens entstandenen Zweige wahren aber nur dann den Charakter der Einheits schule, wenn ihre Organisationen den Ue Her gang von einem Zweige zu einem anderen dem entspreckzend begabten Schüler ohne allzu «roße Gefahr (wenn nötig durch Uebergangssthulcn) ermöglichen. Den Charakter der nationalen Einheitsschule be wahren sodann alle Zweige des Schulwesens nur dann, wenn ihr Unterricht und ihre sonstigen Er ziehungseinrichtungen vom Geiste der Staats gesinnung vollständig erfüllt sind. Nicht der Unterrichtsstoff macht die nationale Einheitsschule, sondern die soziologische Auffassung des Stoffes. Die Erhaltung, Verwaltung und Be aufsichtigung der allgemeinen ösfentlichen Schule ist ausschließlich Angelegenheit der Staats gemeinschaft, die ihre Lasten trägt und tn deren Dienst die Schule als Erziehungsinstrument arbeitet. Es liegt aber nur im höchsten Interesse des Kultur- und Rechtsstaates, diese Aufsicht zu dezen tralisieren und in die korporativen Organisation?-, Verwaltungs- und Aussichtsorgane Vertreter der jenigen Kulturgemeinschaften aufzunehmen, deren Zweck die Pflege eines der fünf großen Kultur- gsbicte (Religion, Moral, Wissenschaft, Kunst.
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