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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 04.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-04
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140504012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914050401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914050401
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-04
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Gräbt man das winzige Raubtier aus, jo rillet man einen dicken haarigen Burschen mit kräftigen Beine» und einem starken Kopf. Es ist kein fertig ausge bildetes Tier, sondern die Larve der Ameisensungser. Stößt man im Walde oder am Felde ans ein kleines totes Säugetier, jo entdeckt man reiches Insekten leben. Die Totengräber der Natur sind hier an der Arbeit. Reben den bekannten, Totengräber be nannten Käfern stellen sich viele andere Geschöpfe ein, die Kirby und Spcnce in ihrer Einleitung ur die Entomologie hübsch zusammcngcstellt haben: „Zu erst kommen die Stutztüfer und durchbohren die Haut. Dann folgen die Fleischfliegen, einige, um gar keine Zeit zu verlieren, wie die gemeine Fleischfliege, legen ihre bereits ausgelrochcnen Zungen oaraui, andere bedecken den Leichnam mit Millionen von Eiern, aus denen innerhalb zweier oder dreier Tage Millionen vor Fressern hcroorgehcn. Man kann sich eiae Vor stellung von der Eilfertigkeit dieser Tiere machen, wenn man ihre Anzahl, Gierigkeit und ichnelle Ent wicklung zugleich betrachtet. Ein Weibchen der ge meinen Flcischflicgc kann 20 000 Junge zur Welr dringen, und die Larven mehrerer Fleischslicgcn können in 24 Stunden so viel Futter verzehren und so schnell heranwachsen, das; sic, wie Redi ge;und?n hat, ihr Gewicht auf das 2bofachc vermehren. Linno bat sogar behauptet, drei Schmeißfliegen samt ihrer Rachkommenschaft könnten ein totes Pferd w rasch verzehren wie ein Löwe! An Büsche», an Gräben, am illZajscr, allent halben wimmelt es im Mai von kriechend n unv fliegenden Tieren. Wer Glück hat, kann unjernr schönsten Laufkäfer, den Puppenräuber, im Eichen walde finden, wo man den dunkelstahlblauen Ge sellin mit den rot grün goldig glänzenden Flügeln lausend und auch auf Bäumen kletternd antrefien kann. Die rot und grün schimmernden Blatt käserchen, die zu springen vermögen, wimmeln auf den Weidenbüschen herum, zwischen ihnen entdeck! man alle möglich», Arten der Blattrüßler, die der kundige Sammler nicht in Alkohol aufbewahrl, w-.l sie sonst ihre schöne Farbe einbüßcn würden; die Dornenhecken wimmeln von Blatthornkäscrn u»d Goldtnfern. und an den Rändern von stehenc-n und von fliehenden Gewässern entdeckt man jcchveiu oe Tiere, die auf dem Wasser laufen, nämlich den Wasserläuser, der sich mit seinen breitspr-.izcndcn Gl'edmaßen in schnellen Rucken vorwärts bewegt, und den funkelnden Taumelkäfer, der im Sonnen lichte seine kraus verschlungenen Schnörkel z.cht. Kunst und Wissenschaft. * Eine Schillerstätte, die dem Untergang geweiht ist. Akan schreibt uns aus Weimar Der rücksichtslose Geschäftsgeist, die Pietätlosigkeit unserer Zeit macht sich leider auch an der klassischen Stätte deutschen Geistes, in dem allen Deutschen teuren Weimar, mehr und mehr breit. Man schreckt nicht davor zurück, die Hand an ehrwürdige Gebäude zu legen, die nicht nur durch ihr Alter, sondern auch durch ihren innigen Zusammenhang mit dem Leben unserer grossen Dichterfürsten geweiht sind. Zn kurzem wird die Spitzhacke eine Schillerstättc Niederreißen, an die sich ,zahlreiche Erinnerungen an Schiller knüpfen, nur weil man das Grundstück infolge seiner ausgezeichneten Geschäftslage „viel besser" verwerten zu können glaubt. Es ist das Doppelhaus in der schiller st ratze Nr. 18 und 20, das nunmehr der modernen Eeschäftsentwicklung Weimars zum Opfer fallen soll. Und doch verdiente gerade dieses Gebäude die denkbar würdigste Erhaltung und Pflege, hat cs doch in der deutschen Literatur eine bedeutende Rolle gespielt. Es ist dasselbe Haus, in dem die be rühmten LicbhabcrvorsteUungeu für die Hofgesellschaft stattfandcn, in denen Goethe, Eorona Schröter, der junge Herzog selbst die Bretter betraten und den Musen huldigten. Es ist die Stätte, an der die „deutsche Griechin" Iphigenie zum erstenmal in ihrer erhabenen Reinheit vor ein er griffenes Publikum trat. Im Jahre 1787, als Weimar bereits ein Theatergebäude sein eigen nannte, bezog dann die schöne Frau v. Imhoff, die Schwester der Frau v. Stein, in diesem Hause eine Wohnung. Als Schiller aus Dresden au den Hof Karl Augusts kam, mietete er bei Frau v. Imhoff einen Teil ihrer Wohnung, und zwar zwei Zimmer und eine Kammer. Das nunmehr dem Untergang geweihte Haus war also die erste Wohnung des großen Dramatikers in Weimar. Auch sonst sah dieses Haus bekannte Persönlichkeiten aus Weimars großer Zeit als Mieter für längere oder kürzere Zeit, so den Herrn v. klinkowström und Johann August v. Kalb. Es ist bedauerlich, daß man in Weimar nicht so viel historischen Sinn und Liebe für di« große Vergangen heit aufbringen kann, um eine solche Stätte dem deutschen Volke zu erhalten. - Auguste Rodin» Monumentalwerk über die Kathedralen Frankreichs, das soeben in Poris erschien, wird demnächst im gemeinsamen Verlage von Kurt Wolff, Leipzig und dem Verlage der weißen Bücher in deutscher Sprache veröffentlicht werden. Die deutsche Aus gabe, die in kostbarer bibliophiler Ausstattung vor verectet wird, enthält außer Rodins Text in hundert Lichtdrucktafcln des Meisters Handzcichnungen und Studien zur Geschichte der französischen Kirchenbau tunst. * Eine Neuerwerbung des Berliner Museums. Den Herren des Berliner Kaiser-Friedrich-Museums, voran' Direktor Friedländer, verdankt der Museumsvcrcin das Arrangement seiner wunder vollen Ausstellung, die gestern eröffnet wurde. Aber auch das Museum selbst soll nicht leer dabei aus gehen: Eins der reizvollsten Bilder in der Atodennc meist schon im Katalog nicht mehr den Namen seines bisherigen Besitzers, sondern drei Sternchen aus. was bedeuten will, daß dies Werk demnächst der Berliner S t a a t s; a in m l u n g gehören wird. Es ist die köstliche „Szene aus Molivres Eingebil deten kranke n" von dem Amsterdamer Eornelis Troo st. * Millionenspenden für die amerikanische Wissen schaft. John Rockefeller hat dem von ihm mit 40 Millionen Mark gegründeten und nach ihm be nannten Institut für medizinische Forschung ,n New Port von neuem eine Summe von 4 Millionen Mark zugewandt, die zur Organisation einer Ab teilung für das Studium von Tierkrankheitcn dienen sollen. Die von der Verwaltung des Instituts ver öffentlichte Ankündigung besagt, cs bestehe die Er wartung, daß die neue Abteilung «ine sehr gründ liche und erschöpfende Erforschung der Tierkrank- heiten werde einleiten können, die Len Züchtern von Rindvieh, Schweinen, Schafen und anderen Tieren einen großen Nutzen zu gewähren verspricht. Es wird auch die Erwartung ausgesprochen, daß viele dieser Krankheiten nicht nur zum Stillstand gebracht, son dcrn vielleicht sogar ausgerottct werden konnten, wenn nur die Züchter eine praktische Anweisung zu ihrer Bekämpfung erhielten. Die Summe von 4 Millionen wird für vorläufig genügend erklärt, um die Arbeiten sofort in einem großen Maßstab auf zunehmen. Uebrigens Kat das Institut von einem anderen Förderer James Hill noch 200 000 . <t er hatten, die insbesondere zur Erforschung der Schweine cholera verwandt werden sollen. Spenden für die Wissenschaft in solck-en Beträgen gehören nicht zu den Seltenheiten. So hat jetzt auch die Universität von Pennsylvanien aus der Hinterlassenschaft non Dr. Dühring, der viele Jahre dort den Lehrstuhl für Dermatologie inne hatte, einen Betrag von 4 Mil lionen Mark zu beliebiger Verwendung erhalten. 19l4. igc nannten der Nord- f Sylt hat unter dem in Führer Wenning- ste die Be suchenden les Leben, tcts wech- -gen Ins«! r obcncr- ing kosten» illustrierte lderschmuck chönheiten Bade und lygienische ;n ist, den kann, har n Deutsch versendet eressenten. Fertigung t aus sol- cichshasen :g, Köln ^—Berlin Dampfern cend der nanshorn n., 2. No an 7.02 chafen an chkeit der mhnfahr Netzenden ist über Amtliche Staats fen Der- 14. n-ktf I. ms Mn- Lizri lge, die e. reise. d Bade rn). mut en- iele 7ür on- au: M. 40 ISd. c«1: »otto. mr,. Morgen - Ausgabe tlir L«ipzla u»0 v»rortc »ur» unsere Tr-arr » - und SprSUeure »mal täglich» >n» hau»grdro«t: monatlich» i.rs m.. virrteliilhrlich S.7S UI. Sei Ser »rschäst»st«ll«, unser» Zllialen unü flusgadeftellen odgekolt: monatlichim.,viert«ljahrl>chSM. vurck Sle pog: lnnrrhold veutschlonSa unü Ser Seutschea Kolonien monatlich i.s» M., viertel,ahrlich 4.rs M., auoschlirhlich poNdrNrUgrlS. va» Leipziger Tageblatt erscheint werktags Lmal, Sonn- u. Zetertag» »mal. dn Leipzig. Sen Nachbarorten unS Sen Grtrn mit eigenen Ziltalen wir» Sie Nbrnüausgabe noch am stbenS Ses Erscheinens in» hau» geiiesert. -n Sen zelten 17. kernsvrcch». ^nkbluk: Moabit Nr.447 /trncksblcttt des Rockes rund des poliserornckes der Stadt Leipzig NeSaktion unS Geschäft»»»»«: Zokann'sgalr« Nr.». » Zernlprech-Nnschlutz Nr. I4S42. ISS4Z unü !»»»«. ISS. Jahrgang dns«rat, au» Leipzig an» Umgebung Sir NnzeiArnprerfll. ispoMgep.Iitz.tt.-Upt.,a„ n«eiam«.e,,ci m.. von au»wärt» ra ps., Nrklamen l.rom., Klein« Nnzeigen Si«p«titzeiie nur 2Sps.d.wi«S«rb»i.Nad.,dnserotr oon SebSrSrn im omtlichenTrtl Sie Petit zeil« so Pf. G«sch»ft,oozetg«a mit ployoorschrist >m Preise «rhöbt. Nabatt nach Taris. v«tlag«a-Gelamtansl.LM Sa»Tausenü au»schi Postgebühr. Nnzeigen-sinnakm«» Zohaani»gassr«. d«i sämtlichen Ziliolen o«» Leipziger Tageblatt«» und allen Nnnone«n-T>cpeSitl»n«a »«» dn- un» Nuslanürs. ch»schast»sl«U« für Srrlln u. Sir pr. 0eaaSrndurg vireNionwaltrr Ziiegel, Verlin -v 'S MaraarrtbrnUraä« ». Zernsprech» Nnlchluft i Lünow «471 Nr. 223 Montag, Sen 4. Mai. 1914. Vas MAtigslr. * In Gegenwart von Vertretern vor Be hörden lind zahlreicher Angehöliger b"r Leip ziger Acrzrcsctzaft sand gestern mittag die feier- liche Einweihung der neuen Sanitäis- hauptwache der Rettungsgesellschaft in Leip» zig stall. , S. Ber.) * Staatssekretär Dr. Delbrück hielt bei der Besichtigung des Dampfers „Va l e r l a n d" durch die Vertreter des B u n d e s r a i e s and des Reichstages eine Ansprache. iS. ves. Llrt.- * Das mexikanische Kriegsminifteriuin hat die Einstellung der Feindseligkeiten an geordnet. (S. des. Art.) * Die französischen Truppen verloren in Marokko bei einem Kampfe mit den Einge borenen !) Tote, während 2ü Soldaten verletzt wurden. (S. Ausl.) * Die Spiele der ersten Runde nm die deutsche F u ß b a l l-M e i st e r s ch a f r san den gestern statt. In Leipzig verlor die Sp i c t v c r c i n i g u n g gegen die Fürther Spiclvereinigung mit 1:2, in Königsberg ge wann der V. f. B. gegen Prusfm-Samland mit 4:1. (S. Sport u. Spiel.) * Die Radfernfahrt „Rund um das B ö l k e r s ch l a ch t d e n k m a l" ergab bei dcu Berufsfahrern den Böhmen Franz als Sieger, bei den Ehrenpreisfahrern den Dresdner Fischer. (S. Sport u. Spiel.) poincare un- Laillaux. L. Die französischen Wahttüiupfe sind in den späteren Jahrzehnten der dritten Republik wieder so verhältnismäßig uninteressant ge worden wie unter dem zweiten Kaiserreiche. Wie damals nur um des guten Scheines der Wahlfreihcit willen einige wenige Republikaner und Bourboneuauhänger iu den „Gesetzgebenden Körper" hineingelasseu wurden, so sind seit 1806 die eigentlichen Monarchisten allmählich bis ans einen verschwindenden Rest aus Senat und Dc- putierrenkammer ausgcmerzt. Auch der dies mal nach bisher stetigem Rückgänge endlich ein mal wieder gemeldete Zuwachs von 7 „Konser vativen" wird im wesentlichen den „Rationa listen" und den „Liberalen" zugute kommen, die man mit den Bekenuern des königlichen und des kaiserlichen Gedankens zu einer Einheit zusam- menzufasscn pflegt. Tie „Rationalisten" sind aber ihrem Ursprünge nach Republikaner, die sich seinerzeit um den General B o »langer scharten, und die „Liberalen" sind zur Republik betehrie Klerikale, die anfangs „r-cllicks" ge nannt wurden. Die Zeiten sind beinah»' schon vom Strome der Bergessenheil verschlungen, in denen die Republik in erbitterten Wahlschlachten gegen furchtbar dringende Gefahren verteidigt werden mutzte; wie es 1876 und 1877 und dann noch wieder 18.8h bis 188!) geschah. Man kann nicht einmal sagen, daß gegenwärtig um verschiedene republikanische Parteiprogramme gerungen werde. Gewiß gibt cS sogar über das Per l' a s s u n g s r e ch r noch programmatische Gegen sötte zwischen den republikanischen Parteien. Die seit 1W6, im ganzen schon seit l:)02 ziemlich alteinherrscnendeu R adi 1 alen haben gründ sätttich die bestehende, im Jahre 187.'- von einer m o n a r ch i st ijche n Mehrheit geschaffene „6 kitrtv IV a 11 c> n" niemals anerkannt, sondern wolten eine auch durch das geschriebene Gesetz verbriesre demokratische Regierungsform ohne Scnai und ohne Prärogative des Präsi denten. Da sie aber gegenwärtig für sie glücklicher oder unglücklicherweise ihre stärkste Stütze eben im Senate finden, so schweben sie sogar bei jeder Präsidentenwahl in der fürch terlichsten Angst, cs möchten irgendwelche Außen seiter die Gelegenheit der Znsammcnberatung beider Kammern zu dem grundgesetzlich erlaub ten Versuche mißbrauchen, die Frage einer Verfassungsrcvision auf die Tagesordnung zu bringen. Rein: weder nm Thron oder Freistaat, noch nm Ein oder Zwcitammershstcm, noch gar um Parlamcntokratie oder Demokratie und Ver wandtes handelt es jich bei den Altvierjahrs wählen unserer Jahrzehnte. Wenn man die Meinungsgegcnsätze des 26. April 1914 auf eine sachliche Formel bringen will, mag man sagen, daß um drei- oder zweijährige Dienstzeit, um Steuererklärungspflicht und Besteuerung der Rcntencoupons gestritten wurde. Selbst die er strebte Abänderung des Wahlverfahrens spielte 1910 eine größere Rolle als diesmal, und was noch genannt wurde: Verteidigung der Laicn- schüle,' ist ein herzlich unbestimmter Begriff. Aber sogar eine so ans Magere der persön lichen Interessen greifende Frage wie die des dritten DienstjahrcS hat gar nicht rest los ausgesuchten werden können. Die aller meisten Bewerber haben es nicht einmal gewagt, sich unmißverständlich als Freunde der kürzeren oder der längeren Dienstzeit zu enthüllen, da jede bestimmte Stellungnahme nach der einen oder der anderen Seite ihnen ganze Scharen von Wählern je nachdem in das Lager der sog. „Reaktionäre" oder der Sozialisten getrieben haben würde. Geht man den Dingen auf den Grund, so ist diesmal vielmehr allein um Personen- frag en der Wahlkampf geführt oder der Hauptsache nach um die eine Pcrsoncnfragc: Poincare oder Eaillaux? Der Repu blikpräsident hatte schon vor seiner Erwählung nicht ganz geschickt' Andeutungen falten lassen, daß er von der hcrvorgehobencn Stellung, welche die „Ob-uto k':ülon" dem allsiebenjährlich neuertorenen Staatsoberhauptc zuweift, einen volleren Gebrauch machen werde als sein allzu radikalschillernder, vielleicht auch nur allzu ruhe liebender Vorgänger FalliöreS. Solchen Absichten zufolge bestellte er denn auch wirk lich „aus eigenem Rechte" zunächst den Träger seines besonderen Vertrauens, Briand, und nach diesem den ziemlich auf demselben Boden stehenden Barthou zum Ministerpräsidenten. Und als ihm im zweiten Winter ein siegreicher Vorstoß der auf ihrer Septembcrtagnng von Pau ncugesammeltcn Radikalen aus zwingen den konstitutionellen Gründen unmöglich machte, aus diesem Schwerpunkte seiner Staatsleitung zu verharren, da hielt er doch wenigstens soweit Farbe, daß er den ihm politisch wie persönlich mißfälligen Eaillaux von dem Vorsitze des neuen Kabinetts wcgdrängte, für den er eigent lich nach dem Schematismus des französpchen VerfassungSlebcns der gegebene Mann war. Als aber Eaillaux, durch die Mordtat seiner Fran und auch durch Offenbarungen aus seinem eige nen politischen Vorleben bloßgestellt, auch aus dem Finanzministerium auStrctcn mutzte, hat sich nicht der geringste Ton eines anteilnehmen- dcn Bedauerns in die Annahmecrklärung seines EntlassungSgesucheS gemischt. Solche persön liche Kränkungen wird natürlich der noch im mer einflußreiche und nunmehr auch wieder gewählte Parteiführer dem Präsidenten nicht vergessen, wenn er zur Macht znrückgclangen sollte. Dafür haben sich nun allerdings die Aus sichten durch den Wahlausfall ein wenig ver mindert. Die rechts von den Radikalen stehenden Gruppen haben aus dem ersten Gange (251 Stichwahlen stehen noch auS) einen Reingewinn von 22 Kammerfitzen davon getragen. Setzt sich dieser unverkennbare, wenn auch Noch wenig durchschlagende „Ruck nach rechts" am 10. Mai fort, so wird die bisher schon recht brüchige radikale Mehrheit gebrochen sein und die Richtung B.r i a n d — B ar t h o u — Millcrand wiederum mit der Führung der Geschäfte beauftragt werden können, P o i n- carö also der Sieger sein. Im andern Falle wird sein grimmiger Gegner Eaillaux ihm jenes höhnende „SS soamettrs ou so ckomottro" ins Gesicht schleudern, das einst Gambe tta Mac Mahon nach dessen verlorenem Wahl- scldzuge von 1877 entgegenricf. Ein eigenes Interesse haben wir Deut sch en an keiner französischen Partei Wahl glück oder -unglück. Erscheinen die Liuks- stclfendcn uns wegen ihrer Verkoppelung mit dem Sozialismus unsympathisch, so be deutet anderseits das Wiederaufflackern des Rationalismus eine offenbare neue Ver minderung der F r i c d c n s b ü r g s ch a s t c n, die bis zu einem gewissen Grade bisher vielfach in der Vorherrschaft der militärgcgnerischcn Gruppen erblickt wurden. Eine Krills in -er mexikanischen Negierung. Huertas Steltung scheint recht unsicher ge worden zu sein. Selbst die mexikanischen Minister stehen nickt unbedingt auf seiner Seite, so daß er einen Wechsel im Kabinett vornehmen mußte Ebenso wächst im Heere die Unzufriedenheit. Aber auch die Amerikaner spüren die Folgen des Krieges: In Veracruz ist ein großer Rah rungsmangel eingetretcn, weil die Zufuhr aus dem Innern des Landes unterbunden ist. Doch dieser Zustand wird voraussichtlich nicht allzu lange währen, da von der mexikanischen Regie rung die Einstellung aller Feindseligkeiten an geordnet ist. Wir verzeichnen folgende Mel düngen: Meinungsverschiedenheiten im mexikanischen Kabinette. iE i g c n c r D rahtberi ch t.) New -)ork, 3. Mai. Der bevorstehende W e ch sclim mexikanischen Kabinett wird als sicheres Anzeichen aufgefatzt, das; tiefgehende Mei n u n g s v e r j ch i e d e n h e i t c n zwischen den Anhängern Huertas entstanden sind. Der bis hcrige Minister Porfiriv y Rojas war dem Vcrmiitlnngsgedanken durchaus günstig gc sinnt und deshalb wiederholt vom Präsidenten Wilson durch besonders liebenswürdige Tele gramme ausgezeichnet worden. Das ge nügte, nm den Argwohn Huertas Hervor zurufen, der befürchtete, daß Rojas nach dem P r ä s i d c n t c n a m t e strebte. Rojas legte be halt) sein Amt nieder. Das Heer gegen Huerta. Veracruz, 8. Mai. Hier heißt cs, daß in dem mexikanischen Heere die Unznfriede n heil mit Huerta immer stärker werde Es sei ein Aufstand zugunsten des Generals Blau quct zu erwarten. Blanquet soll die Absicht haben, sich gegen Huerta zu wenden und mit den Konstitutionalisten Frieden zu schließen. Huerta dagegen hoffe, durch erneutes Vorgehen gegen die Mexikaner die Lage für sich wieder gün stiger zu gestalten. Nahrungsmaugel in Peraeru,;. Washington, 3. Mai. In Veracruz beginnt es an Nahrungsmitteln zu mangeln, da der Verkehr mit dem Innern unterbunden und die Zufuhr abgcschuitteu ist. Die Amerikaner werden wahrscheinlich das Röiigste zur See her ansühren müssen. Die gesundheitlichen Zustände in der Stadt sind nicht die besten und geben zu Bedenken Anlaß. Mas im Mai kreucht un- fleucht. Im Wonnemonat Mai gilt die Aufinertjumtcir des Naturfreundes gewöhnlich dem frischen Grün, der Blütenpracht, den zurückgekchrten Zugvögeln, den Maikäfern, kurz den auffälligeren Erscheinungen un Tier- und Pflanzenlebcn, und die Kle'nlebcwelt wird meistens wenig beachtet. Dennoch ist sie an ziehend genug. Die Kiefern- und Eichcnprozejjrons- raupcn, die gewöhnlich im Mai ihre Raubzüge bc- -pnnen, sind allerdings nur für den Naturfreund an ziehend, während der Förster in ihnen fein'; orinimigsten Feinde erblickt. Wer beim Streifen iw. Walde auf den kiefcrnprozcssionsspmner stößt, lut gut, sich dem Zuge nicht allzuweit zu nähern, denn er ist non einer leichten Staubwolke giftiger Geschosse umgeben: cs sind die Haare, die die Raupen fort während verlieren. Sie sind giftig, sie dringen in die Schleimhäute ein, bohren jich immer tiefer uno tannen zu sehr schmerzhaften Entzündungen führen. Die meisten Vögel, die sonst Raupen verzehren, lassen ihren Schnabel davon, und nur der Kuckuck wagt sich an sic heran. Er kann sich das leisten, renn jein Magen ist mit einer Men Ledcrhaut ansgekl^idct, in die die giftigen Härchen zwar eindringen, die aber von Zeit zu Zeit durch eine neue ersetzt wttd. Die Raupen, die jetzt umhcrkricchcn, sind über ein halbes Jahr alt, denn im Spätsommer des vergangenen Jahres hat ihre Mutter sie in die Wett gesetzt. Nach dem Uebcrwintcrn sind sie wieder erwacht, und nun ziehen sic in großen Scharen — oft bis zu 1000 — umher. Geringe Züge ziehen im Gänsemärsche größere Trupps aber bewegen sich in der A'.t der mazedonischen Phalanx, von einer „Lcitraupe" ge führt, die freilich durch jede andere des Zuges ersetzt wcrden kann. Hält diese Leitraupe an, so gerät der ganze Zug ins Stocken; biegt sie ab, so folgen alle anderen, immer bleiben sic zusammen. Sie treten zuzeiten so massenhaft auf, daß sie grmze Eich. Waldungen oder Kiefernforstcn von Laub und Nadeln entkleiden können. Wer den sandigen Rand eines Kiefernwaldes ab- sucht, findet sicherlich im Boden kleine, außerordent lich regelmäßig angelegte Trichter, in deren Spitze sich ein dunkler Fleck zeigt. Bei näherem Zusehen er kennt man, daß dieser dunkle Punkt nichts anderes ist als das allein sichtbare Korperend« des ..grimmigen Ameisenlöwen", der in seinem Verstecke auf Beute lauert und Ameisen, die sich an den Rand der Höhle des Löwen wagen, mit Sand bewirft, fo keß sie heruntergleiten und ihm zur Beute fallen.
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