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Notizen Welt ohne Zeitung. In Wien war dieser Tage Set,erstreik, die Zeitungen konnten zwei Tage lang nicht erscheinen. Aus diesem An las, macht die christlich-soziale Reichspost (Nr. 86s nach Be endigung des Streiks einige hübsche Anmerkungen, die wir unseren Lesern zur mitsiihlenden Lektüre empfehlen möch ten: „Ach, wenn es nur keine Zeitung aäbe !" „Nichts als Aerqer hat man. ivenn inan ln die Zeitung schaut." „Schade um das Geld fürs Abonnement!" So ähnlich lauten die tandläu- siqen Univillensausbrüche, wenn die Stammzeitunq nicht jeden laq aenau so ist. wie sie der liebe Leser haben will und sich vor- stcllt. Und nun Hal die böse Her aus dem Märchen mit einem Male den Wunsch erfüllt. Eines Morgens aibt es keine Zeitung. Vergeblich sucht der Blick so gegen 148 Uhr früh zwischen der Türspalte das lusammengefaltete Blatt — Schlamperei von der Trafikantin, aber das märe doch seit fünf Zähren das erstemal, das, so was passiert! Merkwürdig, wie flau der Kasse« und wie altbacken die Semmel schmeckt, wenn man nicht zwischen jedem Schluck und jedem Bissen einen Blick in diese überflüssige Zei tung iverfen kann. Wie wird denn das Sonntagswetter sein? Was soll man für den Sonntagsauoflug anziehen? Und was gibt es in Deutschland und Ztalien Neues? „Schad', grad l^ute hab' ich mich so auf die Romansortsetzung gefreut!" jammert die Frau Also eilig hinunter in die Trafik, zunächst einen kleinen Kiamall machen und daun die Zeitung auf der Fahrt ins Bureau gründlich durchschauen. Es ist halt doch schiver ohne Zeitung. An der Trafiktür hängt ein Zettel: „Keine Zeitungen, Setzer- ltteik'" Das hübsche Fräulein zuckt die Achseln: „Zch weitz gar nichts!" Verdutzt steht der liebe Leser vor der geschlossenen Trafiktür sozusagen mitten in der Welt. Zn dieser Welt geht im Nord und Süd. im Ost und West alles Mögliche vor. Die Schicksale von einzelnen und von ganzen Völkern spielen sich ab. entscheiden sich vielleicht in diesem Moment, die Weltenuhr rückt iveiter. das Spiel des Lebens vollzieht sich in erschütternden und interessanten Akten, aber der liebe Leser ist aus alledem aus geschaltet. er ist wie ein Mensch, der mit sehenden Augen nichts wahrnimmt und mit gesunden Ohren taub ist. Der Spiegel, in dem sich für jeden das Weltbild spiegelt, ist zerschlagen, das Zn- strument, das jedem di« Fülle und Mannigfaltigkeit des moder nen Lebens vermittelt, ist zerbrochen. Und so geschieht es. das, der liebe Leser auf irgendeinen Tisch haut: „Meine Zeitung will i haben!" Wenn diese Zeitung dann wirklich wieder vor ihm liegt, nach frischer Druckerschwärze riechend und in ihrem alt vertrauten Anblick so wenig von der großen und kleinen Mühe verratend, die in sie hineingeleat ist. dann wird der liebe Leser das feuchte Blatt vielleicht «in bißchen streicheln: „Gott sei Dank, das, du wieder da bist, die Welt ohne Zeitung, das wär« doch wirklich eine Welt, in der man sich langweilt!" Na, streicheln wird man die Zeitung höchstens in Wien, wo ja das traditionelle „goldene Herz" zu Hause ist. Aber schätzen und empfehlen sollten die Leser ihre Zeitung überall. Bor allem die katholischen Leser in der Diaspora ihre katholische Diaspora-Zeitung! siir die Stärkung der christlich-nationalen Gewerkschaftsbe wegung zu sorgen. In dieser Versammlung erfolgte der Ucbertritt einer großen Anzahl in den öffentlichen Betrieben beschäftigten Arbeiter. Der Vorsitzende schloß die Versammlung mit einem Appell an die Mitglieder, sich nicht irre machen zu lassen und den christlich-nationalen Eewerkschaftsgedanken hoch zu halten! Karfreitags-Ausführung in Leipzlg-Llndenau. Liebfrauen- k'.rche, Karl-Helne Straße 112 Der Kircheuchor Cacilia veran staltet am Karfreitag, den 14. 4. 1933. abends 8 Uhr in der Lieb frauenkirche im Rahmen einer musikalischen Abendandacht die Aufführung „Die sieben Worte Zesu am Kreuze". Geistliche Kantate von Fr. Meintrupp. Für Soli. Chor. Streich quartett. Orgel von Thomas Hagedorn. Op. 38. — Mitwir kende: Sopran — Elisabeth Meinet. Leipzig. Bariton — Philip Göpelt, Leipzig. Orgel — Georg Trexler, Streichquartett, der Kirchenchor Cacilia und der Kinderchor an der Liebsrauenkirckie „Die sieben Worte Zesu am Kreuze" von Thomas Hagedorn, Leipzig tuest 2. 11. 1928s mar Hagedorns letztes und wohl in zwischen am meisten verbreitetstes Werk. Thomas Hagedorn ist durch sein« „Graalsmesse" >veit über Sachsens Grenzen hinaus bekannt geworden. Stahlhelm und NSDAP. Anläßlich einer Kundgebung des Stahlhelms in Rendsburg sprach am Montag der Landcssührer Oberst Tüllmann auch Uber das Verhältnis zwischen Stahlhelm und NSDAP., Uber das vielfach unwahre Gerüchte ver breitet würden. Er führte, wie die Kreuzzeitung berichtet, aus: „Zch bin befugt, den Znhalt eines Schreibens bekanntzu geben, das gestern in meinen Besitz gelangt ist. Der Reichs minister Göring, ein Kamerad von uns. ein Mann, der genau iveih, ivas er will, «in Mann von Charakter, Ehr« und Zuver lässigkeit. hat erklärt, dah es eine seiner wichtigsten Aufgaben sei, das Verhältnis zwischen der NSDAP, und dem Stahlhelm so eng und kameradschaftlich wie möglich zu gestalten. Er hat mir gesagt, dah man sich nicht wundern mühte, wenn dieser Wille sich nur langsam bis in die lehten Zellen durchsehe, denn solche Ding« dauerten immer eine gewiss« Zeit, aber «intreten würde diese enge Kameradschaft zwischen den beiden Bünden — di« notivendig sei, um zum Ziel zu gelangen." Nach den Vorgängen in Braunschweig werden diese Acußerungen besondere Beachtung finden. Goebbels Exkommunikation. Unsere Bemerkung, daß Dr. Goebbels und Hiller wegen der Teilnahme an der Trauung des Dr. Goebbels mit einer geschiedenen protestantischen Frau exkommuni ziert seien, hat Anlaß zu einer Reihe von Zuschriften ge geben. Diese Mitteilung war seinerzeit durch die ganze katholische Presse gegangen, ohne von irgendeiner Seite Widerspruch zu finden. Wie uns von bestinsormicrter Sei te mitgeteilt wird, liegt der Fall völlig klar bei Dr. Goebbels, der durch die Trauung mit einer geschiedenen protestantischen Frau sich selbst exkommuniziert hat. Anders liegen die Dinge bei Hitler, der nur als Trauzeuge an dieser Trauung teilgenommen hat. Die Kir che betrachtet einen Zeugen bei einer solchen Trauung nur als „suspectus de haeresi", exkommuniziert kann ein sol» cher nur werden, wenn er wegen dieses Verdachtes vom zu ständigen Bischof verwarnt wird und dies nicht beachtet. Da dies bei Hitler nicht der Fall gewesen ist, ist also eine Exkommunikation für ihn wegen der Teilnahme an der s Trauung von Dr. Goebbels nicht crsolgt. ^liemnitr, rvicstsu, ?isu«n Pfarrer Schulz nimmt Abschied von Annaberg Annaberg. Aus Anlah des Erleidens des Pfarrers der katholischen Gemeinde Annal-erg, Schulz, der 19 Zahre daselbst als Seelsorger tätig war, war am vergangenen Sonntag der Gottccdicnst als A b s ch ie d s g o t t e s d !« n st abgehalten wor den. Das kleine, zum Besuch einladende Kirchlein mit seinem schmucken Turm, war aufs festlichste geschmückt. Der Kircl>«n- chor verschönt« die kirchlich« Feier durch musikalische Darbie tungen. Ties bewegt wandte sich Pfarrer Schulz in herzlich» Abschiedsworten zum lehten Male an die Besucher des Gottes dienstes. Er legte seinen Worten den Bries des hl. Klemens von Korinth zugrunde und wiederholte die Mahnungen dieses Murlqrerpapstes. Für den Abend mar zu einer weltlichen Abschieds feier im Museum cingeladen worden Die Leitung des Abends lag in den Händen von Zngenieur Greulich, der Begrüßung und Schluhwort sprach. Vertreter von Behörden halten sich am Abend eingefunden, oder schriftlich ihre Abschiedsgrühe ent sandt, so der erste Bürgermeister von Annaberg, Dr. Krug, der Bezirksschulrat Dr. Arnold, Bürgermeister Dr. Schneider von Zschopau, der Superintendent von Annaberg u. a. m. Di« Fest rede hatte Notar Rothe übernommen, der di« Arbeiten des scheidenden Pfarrers in der Gemeinde Annaberg würdigte und einen Avpell an die Anwesenden richtete, treu zusammenzu- stcl>en. Der katholische Kirchenvorstand von Radeberg, dem zu künftigen Wirkungsort des scheidenden Pfarrers, hatte die Her ren Oberlehrer Driver und Schmitt als Vertreter zu der Ab- schiedsfcicr gesandt. Wir wünschen, dah dem scheidenden Pfarrer Schulz ein neues fruchtbares Arl>eilsfeld sich in der katholischen Gemeinde Radeberg austun möge, wo er als eifriger Priester zum Wohle der Seelen noch lange Zahre segensreich wirken möge. Klaffenbach. Tödlich überfahren. Aus der Anna- berger Straße wurde ein Fußgänger von einem Lastkraft wagen, der einem Omnibus ausmeichen wollte, überfahren und tödlich verletzt; es handelt sich um einen Id Jahre alten Arbeiter Hauck aus der Tschechoslowakei. Buchholz. Vom Schorn st ein gestürzt. Der drei- ßigjährige Chauffeur Böhm erkletterte einen etwa 25 Meter hohen Fabrikschornstein und stürzte, offenbar in selbstmör derischer Absicht, von oben in die Tiefe. Er blieb mit zer brochenen Gliedern aus dem Dach des Kesselhauses liegen; der Arzt konnte nur leinen Tod feststellen. Der Grund des Selbstmordes ist unbekannt. 2eköns zvsike 2skns erhallen Eie bei täglichem Gebrauch von tNilarailaiit, der Zahnpaste von IrtteUvIei- Sparsam im Verbrauch. Tube 50 Pf. und SO Pt. Verlangen Sir nur llhlorodont und weisen Sie seden Ersatz dafür zurück. Freiberg. vier Verletzte. Auf der Straße von Branderbisdors nach Berthelsdorf stießen zwei Motorräder mit großer Heftigkeit zusammen. Beide Motorradfahrer sowie die beiden Soziussahrer wurden auf die Straße geschleudert und mehr oder weniger schwer verletzt. Zwei von ihnen, ein 26 Jahre alter Fleischbeschauer und ein 22 Jahre alter Wirt- schastsgebilfe mußten nach Anlegen von Notverbänden dem Krankenhaus -»geführt werden. Frankenberg. Spielerei mit der Waske. Als der 18 Jahre alte landwirtschaftliche Arbeiter Werner Albrecht mit einem Gewehr hantierte, ging plötzlich ein Schuß los. Die Kugel drang ihm in die Brust und verletzte ihn tödlicb. Kur ü«r l-susitr l. Kamenz. Der Bahn bau Schwepnitz — Straßgräbchen. Mit dein seit langem erstrebten Bahnbau Schwepnitz — Straßgräbchcn soll demnächst be gonnen werden. Bei den Arbeiten werden etwa 400 Er werbslose als Notstandsarbcitcr beschäftigt werden. Die durch den Vahnbau erforderliche Regulierung der Schwar zen Elster und ihrer Nebengräben, deren Kosten auf 466500 Mark veranschlagt worden sind, wird zum größten Teil im Wege des freiwilligen Arbeitsdienstes ausgesührt werden. Löbau. Zur Arbeitsbeschaffung. Der Bezirks ausschuß der Amtshauptmannschaft Löbau verabschiedete das Arbeitsbeschassungsprogramm siir den Bezirk. Die erfor derlichen 177 000 RM sollen von der Deutschen Gesellschaft siir öffentliche Arbeiten in Berlin ausgenommen werden. Der Bezirksausschuß beschloß ferner, die Bemühungen der Stadl Bautzen um Zurüctverlegung der Kreishauptmannjchaft nach Bautzen zu unterstützen. Schau neuzeitlicher Fenster-Dekorationen. Wie alljährlich zeigt auch jetzt zum Frühjahr die Firma Hermann Tietz im 2. Stock ihres Hauses wieder «ine Ausstellung neuzeiiliclrer Fenster-Dekorationen Bei den, heutigen Stande der Wohnungs kultur kann man die Beratung eine- Fachmannes nicht mehr entbehren, umsomehr als zur Zeit farbenfreudige Gardinen do minieren. Di« Schau zeigt neben Kettendrucks bunte Voiles und indanthren-gefärbte Kunstseiden Als Stores werden viele fal tig« Marquisettes gezeigt, die nun auch in den sächsischen Zn- dustrie-Zentren hergestellt werden, so daß ein Bezna aus dem Ausland« (Schweiz! nicht mehr in Frag« kommt und die heimi schen Industrie ein« weitere Förderung erfährt. Die Schau ist mit einer Ausstellung moderner Korb-. Garten- und Balkon- Möbel sowie Teppiche verbunden, und ein Besuch derselben lohnt sich unbedingt, zeigt sie doch, wie man mit ivenig Mitteln sein Heim neuzeitlich-geschmackvoll und gut ausstatlen oder er gänzen kann. Die Töchter -es alten Bracht Dsn Vesuttn« von WtnIerfelbPlaten (Nachdruck verboten) («7. Fortsetzung) Sie fällt wleder in die Kissen zurück. Ihr Blick wird starr. Wer spricht da zu ihr aus dem Dämmer des großen Zimmers? „Hast du nicht das rasende Pferd gesehen. Grit Ingel. he'mr? Und hast du nicht den Hilfeschrei gehört, als sie die Gewalt verlor über alles? Konntest du nicht stoppen, abspringen helfen? Wäre es nicht einfache Menschenpflicht gewesen?" Grit dreht das Licht an. Sie kann das Halbdunkel nicht mehr ertragen, wo sie Gespenster sieht, von denen sie früher nicht« gewußt. Es klopft. Die Mutter steht in der Tür. Grit schxeit auf. „Wie du mich erschreckt hast, Mutter! Warum bist du so geschlichen?" Frau Ingelheim schüttelt erstaunt den Kopf. „Seit wann bist du so schreckhaft, Grit? Das kenne ich ja gar nicht bei dir. Und warum liegst du im Bett? Bist du krank?" „Ja, ich glaube, ich bin krank, Mama. Ick war vor hin bis auf die Haut durchnäßt während meiner Fahrt. Tu weißt, ich fuhr bei dem schönsten Wetter ab, da kam der Guß so überraschend. Aber wo ist Job?" Mutter Ingelheim zuckt« di« Achseln. „Ich weiß es nicht genau. Aber ich vermute, doch sicher in Frieden." . „Bitte klingele doch einmal in Frieden an, Mama, ob er da ist." „Du bist heute sonderbar, Kind. Seit wann hast du dich jemals um deinen Bruder gesorgt?" „Ich beschwöre dich, Mama, klingele sofort an. Ich muß wissen, ob er in Frieden ist. Und sage mir dann bitte gleich Bescheid." Kopfschüttelnd ging Frau Ingelheim ans Telefon. Grit war ganz entschieden krank. Hatte sie sich je darum ge kümmert. wo Job war? Natürlich würde er bei seiner kleinen Braut in Frieden sein Sie konnte ihm das auch gar nicht verdenken. Selbst Mutter Ingelheim war ja verliebt in diese Schwiegertochter. Das war doch ganz etwas anderes als Grit. Sie litt innerlich oft schwer unter Grits Kälte und Launenhaftigkeit. Moni war immer so zärtlich, so aufmerksam und liebreich! Unter diesen Gedanken nahm sie bedächtig den Hörer ans Ohr und ließ sich mit Frieden verbinden. Schwer atmend saß Grit unterdessen in ihrem Bett. Wann kam nur die Mutter zurück? Das dauerte ja eine Ewigkeit! Sie zerriß vor Ungeduld ein Taschentuch nach dem anderen und starrte auf die Tür. Endlich kam Frau Ingelheim zurück. Sie war ganz blaß und zitterte am ganzen Körper. Ließ sich schwer in den Stuhl an Grits Bett niedersinken und schlug ein Uber das andere Mal fassungslos in die Hände. „Denke nur, Grit, als ich immerzu geklingelt habe, meldet sich endlich eine fremde Stimme. Wohl eines der Dienstmädchen. Ich frage, ob Job noch dort ist. Eie wüßte es nicht, sagt sie, aber wahrscheinlich. Es sei «in große» Unglück geschehen. Das Fräulein Eva-Maria sei heute vormittag mit dem Fuhrwerk verunglückt. Der Arzt fei schon über «ine Stunde da. Aber sie wäre wohl tot." Frau Ingelheim ringt die Hände. „O, die armen, armen Menschen! Und der alte Bracht hängt gerade so sehr an dieser Aeltesten! Aber du sagst ja kein Wort, Grit? Bist du denn ganz zu Stein ge- worden?" Grit hat sich in die Killen zurückgelegt. Wieder schla- gen ihr« Zähne wie im Fieber aufeinander. „Eva-Maria!" sagt sie dumpf. „Eva-Maria! — Gr fand den Namen immer so schön? Dann kurz und hart zur Mutter: „Bitte laste mich jetzt allein. Ich möchte nie- mand sehen. Niemand." Sie dreht ihr Gesicht zur Wand und zieht die Stepp decke fast über den Kopf. Frau Ingelheim geht leise wei- nend hinaus. Sie kann es nicht fasten und sucht in der Küche bei ihrem alten, treuen Mädchen Aussprache und Trost. Denn mit Grit ist heute doch niaps mehr anzu- fangen. Und sie ersehnt Jobs Rückkehr, der ihr alles ein- gehend erzählen soll. * Durch das graue Strandgras geistert ein kühler Mor- gcnwind. Weiß schimmern die Dünen die eintönige Küste entlang, und ans den Watten stelzen Möwen, die nach Muscheln und Krabben suchen. Weit, weit hinten bört man die Brandung, denn mit Sonnenaufgang wird die Flut kommen. Es ist kühl und trübe, obgleich man im Monat Juni ist, und der einsame Mann auf der Düne fährt fröstelnd zusammen. Es ist Hubert Eschen, der einen freien Sonntagsmorgen zu einem weiten Strandspaziergang be- nutzt hat. Er ist hager geworden. Und um seine Mund, winkel liegt «in müder, schmerzlicher Zug. Er hat nun schon seit Monaten «ine leitende Stellung auf einem größeren Gute in Holstein inne, und er arbeitet von früh bis spät zur größten Zufriedenheit seines Herrn. Denn ist Arbeit nicht die beste heilsamste Medizin gegen jeden Schmerz einer einsamen, heimatlosen Seele? Hubert Eschen haßt seine Mußestunde, weil er da d«n Gedanken nicht wehren kann, die wie wirre, durchgegangene Roste hemmungslos jagen. — Jagen. Wohin? Dahin, wo seiner Seele Heimat einst war — nach Frieden. Ach, jeder junge Tag schreibt es mit eisernem Griffel wieder neu und erbarmungslos in seine frierende Seele, was er einst besessen — und was er nun für immer verloren hat! Er möchte dem sausenden Rad der Zeit in die Speichen fallen und es zurvckreiß«n mit eherner Hand. Denn es währt ja nicht mehr lange, da ist das Jahr herum, und Grit Ingelheim wird sein Weib. Oder richtiger gesagt er wird Grit Ingelheim» gehorsamer Diener, Knecht und Vasall. Er muß an die wilden Falken denken, denen man im Mittelalter seine Ketten um di« Füße schmiedete. Eie konnten wohl flattern, aber die Kette erinnerte sie Tag und Nacht an die jammervolle Gefangen- schäft. Manchmal bäumte sich alles In ihm empor und schrie danach, die Kette zu zerreißen. Aber er war gebunden. Durch s«in Wort. Das er freiwillig gegeben. Heut« gab es kem Zurück mehr für ihn. (Fortsetzung folgt.)