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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140403018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914040301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914040301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-03
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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FreUag, 3. LlprU lSl4. Lewgtt LagebUut. Nr. >ss. Morgrn-Nusgadr. Seite 7. Vas Leipziger Schilleröenkmal. In der Werkstatt des Leipziger Bildhauers Prof. Ioh. Hartmann steht das Leipziger Schiller- denknral vollendet und soll am 9. Mai, an des Dichters Todestage, enthüllt werden. Angenehm fällt an diesem Denkmal vor allem die Schlichtheit und der Fortfall jeder Pose auf. An den Sockel lehnen sich ein« weibliche und eine männliche Gestalt, wohl die seelische Bewegung auch in der Haltung ihres Körpers verratend, aber dennoch zurückhaltend, von innerem Formgefühl beherrscht, wie das Pathos dieser idealistischen Dichtergestalt selbst. So ver körpern diese beiden Figuren den Gehalt des Dichter lebens und -wirkens Schillers, die Tragik und den fortreißenden Schwung seiner Dramen. Am gelunaendsten aber am ganzen Werk ist die Büste des Dichters, in doppelter Lebensgröße. Gewiß fällt sie in manchem Zuge aus den üblichen Schiller büsten heraus. Der Künstler legte den Hauptakzent auf die klaren, Hellen Augen und auf den Mund. Als Grundlage seiner Schöpfung war für Hartmann vor allem die Totenmaske maßgebend, deren Matze allerdings nach den Feststellungen des Anatomen Froriep und des Bildhauers Melchior v. Hugo viel umstritten sind. Durch das starke Vortreten der breiten Unterlippe, durch das besondere Betonen der Pupillen hat der Künstler viel Licht auf diese beiden Stellen gesammelt, und da Licht in der Plastik Leben bedeutet, besonderen Ausdruck und Lebendigkeit seinem Werke verliehen. Nach Aufstellung dieses Denkmals wird Leipzig um ein« anziehende, wert volle Plastik bereichert sein. vr. K. 6. Ms Leipziger Kunstsalons. Otto Erich Hartleben hat einmal an den ihm gründlich verhaßten Rudolf o. Gottschall geschrieben: „Was wollen Sie eigentlich noch, Sie sind Loch schon lange tot?" Diese rücksichtslose, aber berechtigte Abfertigung des ganz Veralteten fiel mir im Oberlichtssaale des Kunstvereins ein; denn auch Alfred Lüdke, der seine Bilder dort zur Schau stellt, ist schon Jahr hunderte lang tot. Was sich so ein Künstler mit seinen mühevollen ldas sei anerkannt) Werken denkt? Oder denkt er zu wenig? Schade um die Arbeit, noch mehr schade, baß diese Gemälde den Geschmack vieler verderben. Der Laie nämlich pflegt, wie der Leipziger sagt, auf solche Malereien (sie sind so schön glatt) zu „huppen". Das gleiche gilt von den Porträts Maria Niemanns, nur daß Lüdke hundert Prozent mehr kann. Ebensowenig vermag ich eine rechte Stellung zu dem Bildhauer Karl Wilfert-Prag zu finden. Denkende Plastiker werden leicht trivial, und ist nicht die schwarze Hand mit dem Ntppesfiguren- Menschenpaar, „Schicksal" genannt, oder die große Goethemaske auf dem Sternenhimmel ein banaler, dichterischer Gedanke? Man erinnere sich vor dieser Marmorhand an die bronzene Rodins, die nichts auf ihrem Handteller trägt, aber unsere Äugen und Ge danken mit sich fortreißt in elementarer Kraft. Auch die anderen Werke gemahnen zu sehr an Nippesladen und offizielle Denkmalskunst. Ist der Künstler noch jung, kann vielleicht noch etwas aus ihm werden, hat er das Schwabenalter überschritten, bleibt er einer von den Allzuoielen. Ferdinand Herwigs-Stuttgart Kohle zeichnungen sind Blender. Hinter derartigen leichten Skizzen kann viel stecken. Bevor ich allerdings nichts anderes von diesem Künstler gesehen habe, bleibe ich zurückhaltend. Angenehm wie immer in seiner farbig-effektvollen, dekorativen Art tritt uns Kunst unct wissenseliatt WNWSWM Karl Tiema nn-Dachau entgegen. Am liebsten ist mir der Künstler in farbigen und schwarzen Holz schnitten, da hat seine Art ihre volle Berechtigung. Bei Gemälden kann man leicht im Dekorativen sich verlieren und oberflächlich werden. Die Illustrationen zu einem Werk über die Kruppschen Werke seien den Stadtoertretern Leipzigs angelegentlich zum Studium empfohlen, sie wirken anders als die Illustrationen der Festgabe unserer Stadt. Felix Pfeifers Plakette zum Jubiläum urrserer Kunstakademie gibt wieder «inen Beweis für das Können dieses leider von Staat und Stadt zu zu wenig als Medaillenkünstler herangezogenen Bildhauers. Dr. R. O. Leipzig, 2. April. Karl Ebhard vom Stadtheater in Basel als Fer dinand. (Gastspiel auf Anstellung im Alten Theater.) Bon den bisherigen Anwärtern auf das jugendliche Heldensach an unserer Bühne ist Karl Ebhard zweifellos der sympathischste. Bor allem bringt er brauchbare äußere Mittel mit. Sein Organ ist stark und klangvoll. Da für fehlt ihm allerdings ein beioegtes Spiel, besonders was die Gesichtsmimik anlangt. Gr beteiligt sich auch zu wenig am Ensemble, sobald seine Nolle stumm ist. Die Sprachtechnik ist erfreulich durchgebildet, und dies gibt ihm eine wünschenswerte Freiheit in der Tonschattierung. Irgend etwas Außergewöhnliches bot die Lec- stuna freilich nicht. Aber es ist immerhin besser, rm Ferdinand, dieser aus Sturm und Drang geborenen Gestalt, einen frischen, gerade ge wachsenen Kerl hinzustellen, als mit geistreichen Nuancen die Rolle zu beschweren und aus ihr eine Mischung von Schiller und Ibsen zu machen. Eine zweite Probe möchte allerdings abgewartet werden. Für den plötzlich verhinderten Herrn Huth war Herr Wötzel vom Schauspielhaus hilfreich eingesprungen und gab einen glaub haften Miller. I)r. k'nvänvk Sedreedt. * Die Basferma«n-Woche im Schauspielhause vom Dienstag, den 14. April (3. Osterseiertag) bi» Dienstag, den 21. April. Das Gastspiel Albert Basiermanns gestaltet sich wie folgt: Dienstag, den 14. April, „Stein unter Steinen" von Suder mann (Jakob Biegler — Albert Dasiermann), Mitt woch, den 15. April, Erstaufführung „Der Sno b", Komödie in drei Aufzügen von Karl Sternheim (Christian Maske), Donnerstag, den 16. April, „Traumulus" von Holz und Jerschke (Professor Niemeyer), Freitag, den 17. April, „Der Snob", Sonnabend, den 18. April, „F a u st" (Mephistopheles), Sonntag, den 19. April, „Der Snob", Montag, den 20. April, „Kolleg« Tramp ton" von Gerhart Hauptmann (Crampton), Dienstag, den 21. April, „Traumulus". Für das Gastspiel gelten erhöhte Preise, Dutzendkarten usw. haben keine Gültigkeit. Vorbestellungen nimmt die Kasse des Schauspiell)auses wochentags von 10 bis 2 Uhr, Sonntags von 11 vis 2 Uhr entgegen. Stadt-Vorverkauf bei F. A. Coppius, Petersstraße 15, und Aug. Pölich, Theater kasse (Verkehrsabteilung). Telephonische Bestellungen können nicht berücksichtigt werden. * Die Leipziger Spende. Das Schaufenster von Erich Bretschneiders Rahmengeschäft, Harkort straße 7, weist derzeit eine Ausstellung auf, die einer wohlverdienten Aufmerksamkeit besonders wert ist. Warmherzig und einträchtig haben Leipziger Künstler zusammen mit einigen Kunstfreunden unserer Stadt wertvolle Beiträge gespendet zu einer kleinen, gewählten Auslese, die sich wohl sehen lassen kann. Dieselbe soll nun im einzelnen verkauft wer den und ist cs unn Teil auch schon. Der volle Erlös ist ohne Abzug dazu bestimmt, ein bescheidenes Kapi tal mitbegrünoen zu helfen, dessen Zinsen bedürftigen Rentenempfängern des hiesigen Ortsoerbandes der Weimarischen Renten- und Pensionsanstalt für deutsche bildende Künstler zugute kommen sollen. Stärkere Ortsverbände dieser segens reichen Einrichtung sind Leipzig hierin zum Teil weit voraus. Nun wird auch hier gern und willig be gonnen, den Kunstgenosien in den Tagen des Alters oder der Erwerbsunfähigkeit di« wirtschaftlichen Sor. gen ein w«nia zu erleichtern. In gutem vertrauen darauf, daß sich für eine so nützliche Sacke ein williger Beistand wohlwollender Freunde finden wird, ist diese Spende freudig zusammengebracht worden. Möge ihr nun auch in weiten Kreisen Beachtung und Er folg zuteil werden, zum guten Gelingen und baldigen Erreichen des angedeuteten Zieles. * vom Münchner Hoftheater. Die Ernennung des Intendanten Frhr. v. Frankenstein zum Gene ralintendanten, bedeutet den eigentlichen Beginn der Aera Frankenstein, da die Stellung Frankensteins bisher nur provisorisch war. — Im Zuiammenhange damit scheint mir die Tatsache zu stehen, daß neuerdings mit aller Bestimmtheit die Nachricht vom beabsichtigten Bau eines Königlichen Schauspielhauses auftritt. Geplant ist ein solcher Bau längst, da die Naumverhaltnisie einfach unmöglich sind. Das Hoitheater ist für moderne Schauspiele gar nicht, für klassische nur unter Ueber- anstrengung derOrgane der Schawpieler und der Ohren des Publikums zu gebrauchen. Das Residenztiieater wiederum ist ziemlich klein und oft durch die Mozart- ausführungen besetzt. Außerdem haben sich sort- währende Rivalitäten zwischen den Regisseuien der Oper und Les Schauspiels ergeben, da infolge des Raummangels ein förmlicher Kampf um die Bühnen für Probezwecke entstanden ist. Bisher hat das Schauspiel entichieden den kürzeren gezogen und Frhr. v. Frankenstein hat des öfteren den berechtigten Dorwurf zu hören bekommen, daß er die Oper ein seitig bevorzuge. Er scheint jetzt jedoch selbst einge sehen zu haben, daß eine Reform des Schauspieles notwendig ist. Denn, wie ich bestimmt erfahre, hatte der Intendant dieser Tage eine Audienz beim Könige in Angelegenheit des Schampiel- hausbaues. Es scheint, daß mit dieser Audienz die Sache ihrer Verwirklichung beträchtlich näher gerückt ist. Das ist sehr erfreulich. Denn nur ein solcher Bau kann die Gesundung Les Hofschauspiels herbeiführen. Erfreulich ist es aber auch schon, daß man eingesehen hat, wie schwach die Leistung der Kgl. Schauspiele ist — und daß man die Notwendig keit einer Besserung anerkennt Dann wird viel leicht auch die Entdeckung nicht fern sein: Ein Neubau allein tuts freilich nicht, sondern der Wille, so mit und bei dem Neubau ist. ZV. v. HollLlläcr. * Bon der Hamburger Oper. Man schreibt aus Hamburg: Franz Schreckers Oper „Der kerne Klang" hatte am Stadttheater in der In- szenierung von Dr. Löwenfeld, unter Leitung von Kapellmeister Meyrowitz, einen durchschla- «enden, von Akt §u Akt sich steigernden Erfolg. Zum Schluß gab es für den Dirigenten und die Haupt darsteller, unter denen Hensel besonders hervor ragte, stürmische, nicht endenwollende Hervorrufe. * Bom Halleschen Stadt. Heater. Nachdem das Defizit des Halleichen Stadttheaters im Lame des letzten Jahres bedeutend gestiegen ist, beschloß der Magistrat wie uns telegraphisch ge meldet wird, von der Saison 1915 16 ab das Theater nicht mehr wie bisher mit 100000 Mark, sondern mit 200000 Mark zu subventionieren. Der Pacht vertrag wird neu ausgeichrieben. * Der neue Direktor des Dresdner Zentral theaters. Zum Direktor des Dresdner Zentral theaters ist an Stelle des ausgeschiedenen Direk tors Rach mann, wie uns telegraphisch aus Dresden gemeldet wird, der bisherige künst lerische Leiter des Hamburger Ope rettentheaters Ottmar Lang gewählt worden. * Herzog Utz. Uraufführung im Großh. Hof- und Nationaltheater zu Mannheim. Hermann Burtes historisches Schauspiel in 5 Akten, „Herzog Utz", erzielte bei seiner Uraufführung im Mann heimer Hoftheater einen starken Erfolg, der auch ehrlich verdient war. Burte. dessen Roman „Wilt- fever, der ewig« Deutsche" schon bei weitem über das Durchschnittsnioeau hinausragt und ein« unge wöhnliche Begabung erkennen läßt, bezeugt tn seinem (übrigens auf Stuttgarter Boden) tn den wildesten oorreformatorischen Zeiten spielenden Stück aufs neue eine mitreißende Wuckt der Ge staltung des Gefühls, eine erstaunlich sicher« und formgewandte Sprachgewalt. Zwar verleiten ihn hier, wie auch in seinem Roman, seine reichen Mittel ost zu tönenden Banalitäten und Abgeschmacktheiten, und ist auch die innere Motivierung der Handlung manchmal recht arm, so erscheinen doch diese Mängel nebensächlich neben der Geschlossenheit der Charak teristik — namentlich der Titclfigur—, neben der her vorragenden Bühnenwirkung, insbesondere des 3. und 4. Aktes. Dieser ungestüme, ebenso leidenschaft liche wie stolze Herzog Ulrich von Württemberg, der, in sinnloser Liebe zu Ursula, der Frau seines Freun des Hutten, entbrannt, diesen kniefällig um sein Weib bittet, der aber — nach Ueberwindung seiner sträflichen Gefühle — unerbittlich furchtbare Rache an diesem, der inzwischen wortbrüchig geworden ist, nimmt, ist eine prachtvolle lebcnstrotzende Gestalt, die in R. Feist vom Neuen Volkstheäter in Berlin eine recht wirksame Verkörperung sand. Die Figuren nm Herzog Ulrich (Utz) treten allerdings sämtlich an plastischer Schärfe hinter der Hauptgestalt zurück. Nur Ursula, Huttens Gattin, des Herzogs Wider spiel, eine rassige Germanin, voll weiblichen Stolzes, zeigt noch individuell ausgeprägt« Züge. Thila Hummel verlieh dieser Nolle eine sehr eindring liche, manchmal erschütternde Wirkung. Die im ganzen sehr geschmackvolle, vom Intendanten selbst inszenierte Aufführung erntete, wie bereits er wähnt, vielen Beifall; nach dem dritten und letzten Akte konnte sich der anwesende Dichter wiederholt auf der Bühne zeigen. * Herrmann von Weiß gestorben. Der Professor und Ehrendoktor der Theologie, Herrmann von Weiß, der viele Jahre als ordentlicher Pro fessor an der Universität Tübingen wirkte und als Lehrer des dortigen Predigerinstituts viele Hunderte Geistliche in die Predigerpraxis einsührte, ist, wie uns aus S t u t t g a r t telegraphisch gemeldet wurde, gestern in Eßlingen gestorben. Er ist 80 Jahre alt geworden. * Robert Hirschfeld f. Gestern starb in Salzburg Dr. Robert Hirsch selb, der Direktor des Salz burger Mozarteums. In Mähren am 17. September 1858 geboren, absolvierte Hirschfeld Gymnasialkurie in Breslau und Wien und studierte sodann in Wien, wo er auch Schüler des Konservatoriums ward. Mit einer Monographie über den Quattrocentisten Johannes de Muris erwarb er die Doktorwürde und las von 1882 an Musikästhetik am Wiener Konser vatorium, dessen Direktorium ihn 1884 fest anstellte. Hirschfeld entwickelte auf musikjchriftstellerischem Ge biete eine emsige Tätigkeit und trat u. a. auch energisch auf gegen den Kritiker Eduard Hanslick Ein Freund und Kenner vornehmlich der u < Lpgvlln.Musik, ries der Verstorbene die „Renaissance-Abende" ins Leben, die das ihrige beitrugen zu deren weiteren Pflege und erneuten Anerkennung. Auch nach praktischer Sette hin betätigte sich Hrrschfeld durch Bearbeitung der Oper „Der Apotheker" von Jos. Haydn, „Zaide" von Mozart und» „Der vierjährige Posten" von Fr. Schubert, die tn Wien Neuaufführungen erlebten. L. 8. * In der Geographischen Gesellschaft in Thristiania, welcher auch der König beiwohnte, widmete der Präsident der Gesellschaft, wie uns telegraphisch aus Christiania gemeldet wird, in einer Ansprache Sir John Murray und dem verstorbenen Eis lotsen Beck einen Nachruf. Der italienische Gesandte überreichte Roald Amundsen die Goldene Medaille der Geographischen Gesellschaft ,u Rom. Darauf hielt Hauptmann Dr. Filchner einen Vortrag über die Zlntarktische Expedition. Dem Vortrag wurde lebhafter Beifall gezollt. Der gute Name. 61) Roman von Georg Engel. IVlb bx SrotU ein L 6o., (-. ni d. 8. t-siprij;.) Aus dem Nebenzimmer klangen kräftige Tritte herüber. Sie hörte sie nicht. Erst als der Nabende hinter ihr stand, hob sie das Haupt und blickte verstört in das ernste Antlitz des Kapitäns. Er setzte sich ihr gegenüber und er griff ihre Hand, sie ließ es willig geschehen. So saßen sie eine Weile Hand in Hand, und ihre Pulse schlugen laut und regelmäßig zu sammen. Darm hob Holstein mit seiner tiefen Stimme an: „Marie, ich muß mit Ihnen über Ihre Zu kunft reden. Ich habe es schon einmal hier an dieser SteL: versucht und wurde abgewicsen. Damals wußte ich nichts von Ihnen, und mein Vorschlag mußte sie verletzen, heute aber, da wir beide vernünftige Leute geworden sind und uns besser kennen, werden Sie mich hören." Die Frau erschrak heftig und wollte sich abwenden, aber der Kapitän hielt ihre Hand fest in der seinen und fuhr rascher fort: „Ihr Leben darf nicht in den alten Gleisen weiter rollen, Marie; das Ihrige weder, noch das meines Vaters. Seit ich Sie kenne und Ihre treue Pflichterfüllung sah, ist es mir klar geworden, daß ich meine höchste Aufgabe miß achtet habe. Gestern noch glaubte ich mich in meinem Recht, heute zweifle ich an allem. Nur Sie," brach er leidenschaftlich aus, „Sic allein können mir raten und helfen." Und wieder preßte er seine heißen Lippen auf die kleine, zitternde Hand. Das junge Weib zuckte zu- sammen. „Ich," sagte sie matt und mit sichtlicher Anstrengung, „ich könnte etwas für Sie wirken?" In ihrer Stimme verbarg sich so viel Angst und zurückgedämmte Neigung, daß der starke Mcvin in seiner Fürsorge um die geliebte Frau alles vergaß. Wild sprang er auf und schlug das Fenster zurück, um d?r Sitzenden frische Lust zu schaffen. „Mein Gespräch strengt Sie an," rief er ver zweifelt, „ein böses Geschick will es einmal, daß ich Ihnen immer lästig falle; aber wir wollen von etwas anderem plaudern, vielleicht von Herrn Pilz, oder ich will Sie auch gänzlich ver lassen, wenn Sie es befehlen." Marie erhob abwehrend die Hand und ver suchte zu lächeln. „Sie verfallen wieder in Ihre alte Hast," antwortete sie mit erzwungener Ruhe, „doch das bringt die wiederkehrende Ge sundheit mit sich. §tun aber setzen Sie sich mir gegenüber und erklären Sie mir Ihr Vorhaben." Und leise setzte sie hinzu: „In der Scheidcstunde darf ich Ihnen ja eigentlich nichts abschlagen." Als der Kapitän dies letzte Bekenntnis ver nahm, flammte es in seinen dunklen Augen blitz artig auf, sein Atem stockte, und es durchfuhr ihn der Gedanke, im nächsten Augenblick das zitternde Geschöpf zu umschlingen und ihr mit stammelnder Zunge von seiner heißen, wahnsin nigen Liebe zu erzählen. Aber ein Blick auf ihre keuschen, unschuldigen Züge schlug alle seine Hoffnungen nieder. Mühsam bezwang er seine Aufregung, und während er mit unterschlagenen Armen ihr gegenüber an der Wand lehnte, sprach er ein- orrnglich weiter: „Ich weiß jetzt, daß ich mich schlecht gegen meinen Vater benommen habe und auch gegen Sie, die wie ein Engel über dem Bedauerns werten wachte. Denn, wenn ich auch nicht genug heucheln kann, um wahre Liebe für ihn zu empfinden, so bleibt er doch immer mein Vater, den ich nicht so tief hätte sinken lassen dürfen. Und nun hören Sie, Marie, was ich von Ihnen erbitte: Drüben aus der Insel liegt unser Fa miliengut Holsteinsyagen, auf dem Sic ja auch die ersten Tage Ihrer Ehe verlebten. Dieses Besitztum habe ich mir wieder erworben, und da ich selbst auf dem Festland zu sehr iu Anspruch genommen bin, so sollen Sie, Marie, in meinem Namen dort die Verivaltung übernehmen. Mein Vogt wird Ihnen dabei rüstig zur Hand gehen, und auch mein Vater dürfte unter Ihrer Obhut eine leichte Beschäftigung finden. Aus dem Gut, in den sicheren Verhältnissen, werden Sie wieder aufleben, Sie werden wieder Herrin in Ihrem alten Heim sein und große, würdige Pflichten zu erfüllen haben. Lassen Sie dann die alberne Welt höhnen und keifen, mir wird es eine wilde Freude sein, wenn wieder Holsteins in dem alten schlosse Hausen." Ntarie regte sich und wollte das gesenkte Haupt erheben, aber der Kapitän beugte sich tief zu ihr herab und stützte sich auf die Lehne ihres Stuhls. ,Lch richte noch eine Frage an Sie," sagte er unruhig, „die nur Sie allein entscheiden dür fen. — Ich weiß. Sie werden meinen Vorschlag annehmen, denn cs wäre sündhaft gegen Sie und mich, wenn Sie cs nicht täten, und nun ent scheiden Sie, Marie, soll ich dann selbst in das Jnselschloß zurückkchrcn, wenn Sic dort walten, und versuchen, zu meinem Vater in ein aufrich tiges Verhältnis zu treten? Soll ich meine Tage dann bei Ihnen zubringen und Ihnen helfen, den Gesunkenen zu leiten? Antworten Sie mir dar aus, Marie," ries er leidenschaftlich und legte seine Hand auf ihre zarte, weiche Schulter. „Von Zhnen hängt es nun ab, wie sich mein ferneres Leben gestaltet. Sie werden mir nichts raten, was nur nicht alle guten Geister zuflüstern könnten." Er hatte sich immer tiefer auf sie herab geneigt, so daß sich die beiden jungen Menschen kinder ganz nahe in die Augen blicken konnten, und diese Augen erzählten einander süße, un eingestandene Märchen. Endlich richtete sich Marie auf und antwortete leise: „Und ich soll Ihnen raten, was Sie längst beschlossen haben? Ich soll Ihnen sagen: Ncm, kehren Sie nicht zu uns zurück, halten Sie sich von der unglücklichen Familie fern, damit Sie wenigstens von der grausamen Welt geachtet werden? — Das vermag ich aber nicht, denn ich selbst werde Sie vermissen, mehr, als ich sagen kann!" „Fordern Sie alles," rief Holstein, hin gerissen von dieser Trauer, „nur Sie, Marie, Sie allein wissen ja, wo für mich der rechte Weg liegt!" Das junge Weib hatte selbstvergessen das Blätterwerk ihrer Blumen aufgerichtet, jetzt tvandte sie sich zurück, und während sie, wie be tend, ihre Hände faltete, rief sie mit bebender Stimme: „Nein, Heinrich, folgen Sie dein starken Ge fühl, das Sre von uns treibt. Wo dieses Gefühl ^hnen voranleuchtet, wird der Pfad der Ehre sem. Ihre mächtige Natur weist Sie darauf hin, sich den verweigerten Rang in der mensch lichen Gesellschaft wieder zu erobern, und bei uns müßte dieser Trieb verkümmern. Nein, gehen Sie, verlassen Sie uns, und Gottes Segen sei mit Ihnen!" Tiefe Stille folgte, nachdem die blasse, wun derbare Frau so gesprochen. Man hörte nur die Atemzüge des Kapitäns und das liebliche Flöten des kleinen Vogels. Dann trat Holstein auf die Bebende zu und zog ihre weißen, zarten Finger von den wei nenden Augen fort. Ein schmerzlich zuckender Mund lächelte ihm wehmütig entgegen, und die Träne, die er in ihren Lidern glänzen gesehen, fiel auf die beiden umschlungenen Hände herab. So standen sich Mutter und Sohn noch wenige Sekunden gegenüber, ein flüchtiger Augenblick nur, beiden aber eine Ewigkeit. Und der goldgelbe Sänger im luftigen Bauer klagte und jubelte und drückte sein Köpfchen gegen die Stäbe und sang und fang, als ob er vor Liebe sterben »oollte. Und die Blumen nickten zum Fenster hinein, und der sonnendurchstrahlte Himmel schwamm in Lust. Und zwei Herzen schieden. (Fortsetzung in der Abendausgabe.) -> lek!ame-7sge bis 4. April Man benutze die Gutscheine an der Freitagsnummer d. Bl. kuttsr'-XunLv, I-sni-rr-cker II2K1. 8tnS»SV FI. IILSl. Aurusdme-freue bis 4. April Man benutze die Gutscheine au» der Freitag-nummer d. Bl.
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