Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140403018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914040301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914040301
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-03
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Morgen - Ausgabe k»r Lilpzta »a0 Vorort» durch unser« TrSae» VTAuAvpr»!^». «od Sp«0it»ur« »mal iagU<1, In« hau» gedrocht: maaatUch t.rs M., »terteyStzrUch 3.7S M. Set der SekhäftostrU«, unser» ZMalra und stuogadestrllen adgrholt: monatlich l M., vtertellührUch 3 M. Durch -t» poft: tauerhald Veutschlouü» und der »rutschen tkolonleo ueouatttch i^o M., »terletjührltch 4^0 M.. auoschltegUch poftdeftellgeld. da» Lelpzlger Tageblatt «rschetut Werktag» »mal, Sonn-u-Zetertagotmal. Sn Leipzig, ü«n Nachbarorte« und den Orten mit eigenen Ztltalen wirb dt« ftdeoüouogab« noch am ftdrnü »es Lrschetnen» io» Hau. grllefert. Verttner Ne-akttvn: Sa den LeUen 17. jerasprech-Nnschluh: Moabit Nr.447. /lrntsblLtt desRcrtes und despollsruuntes der Stadt Leipzig Nebakttoa un- SeschSft»stelle: ^»baantogals« Nr.». » Zeraspcech-ftoschiug Ur. 14001. 14043 und 14004. ISS. Jahrgang . kN» Inserat, au» Leipzig NN» Umgebung Sie /»NAeiAenprei^e: «»»»>,,p»»it,»,i,i3b,..o»,n»kiom»,»tt»im.. voa ou»won, 3» Pt.. Nekiame» 1.10 M.. Klein» ftnzeigen ->>«p»titz«tle nur L0pt b.wte0erbol.Nab., Inserate »oa v»b»r»ea lm amtUcheoTiil »t, Petit- zett« 40 Pt- ch»schiltt»anz«tg»n mit plahoorschrtft >m Preis« erdöbt. Nadatt nach Tarts, vetlagen, chekamtautl. 4 M 4a» Taut««» aootchl Postgebühr. ftazeigeneftnnabm» Iobaaat»,asse4,be« sttmtUchen ttlio«-a o,« Leipzig« Tageblatt«, nut allen ftaaoaeea-Lxpeütttonea üe» Sn- und stu,lande». ch»schatt»ft«ll« für Serltn «.»», pr.SronSendurg vireNtonWalterZltegel, Verlta S »» Margaretbenftrah« 4- Z«raspr«ch»ftaschluHr Lüaow 5»7I Nr. ISS. srciisy. »en S. ftpril. 1914. Vas Wichtigste. * Die Erste Kammer erledigte am Don nerstag mehrere Etatskapitcl, Petitionen und Anträge. (S. Ber.) * Die Zweite Kammer bcsclniftigtc sich am Donnerstag mit den Etatskapiteln für die höheren Schulen und mit dem Dekret 5 über die S t aa t S b c i h i l f e n für die A o l ks- schulcn. (S. Art. und Ber.) * Das Befinden des schwedischen Königs hat die Berufung eines Spezia- list en für Magenkrankheiten nötig gemacht. (S. Ausland.) * Spanische Blätter melden eine beabsich tigte Zusammenkunft der Könige von England und von Spanien aus den Ka narischen Inseln. (S. Ausl.) * Die Putilow-Wcrke und eine An zahl gr öfter Betriebe haben gegen 00 000 Arbeitern aufgekündigt. (S. Ausland.) * Der Dichter Paul Heyse ist am Donnerstag nachmittag in München gestorben. (S. S. 2.) Kleinssirn unst Ulrika. Boni Kaiser!, Legationsrat Frhrn. v. Richthvfen, M. d. R. Die Budgetkommission des Deutschen Reichs tages hat in ihren letzten Sitzungen vor Beginn der Osterferien den Etat des Auswärtigen Am tes mlt großer Gründlichkeit erörtert. Sie hat sich aber darauf beschränkt, die so außerordent lich wichtige Frage der Reform unseres auswärti gen Dienstes zu behandeln. Die schwebenden großen Fragen der Politik wurden auf Ende des Monats April vertagt. Alsdann werden diese zu einer eingehenderen Besprechung gelangen, als dies bisher der Fall war; wenigstens deutet hier auf der Umstand hin, daß die Kommission den an sich nicht üblichen Beschluß gefaßt hat. den Reichskanzler zu ersuche», zu diesen Sitzun gen zu erscheinen. Die Verschiebung der Be handlung der zurzeit schwebenden und zweifel los ungemein wichtigen polnischen Fragen hat ihren Grund darin, daß man erwartet, daß bis dahin die gegenwärtig zwischen Deutsch land, England und Frankreich bezüglich Klein asien und Zentralafrika augenscheinlich noch im Gange befindlichen Verhandlungen ihren defini tiven Abschluß gefunden haben werden. Selten hat sich wohl so stark wie bei dec Behandlung dieser Frage gezeigt, daß unsere auswärtige Po litik in erster Linie eine Wirtschaftspolitik sein muß, und das; heutzutage rein politische Fra gen internationaler Art ohne einen wirtschaft lichen Hintergrund kaum noch denkbar sind. 'Daß die Regelung unserer wirtschaftlichen Interessen sphären in Kleinasien und Afrika hochpolitische Konsequenzen nach sich ziehen und das gegen seitige Verhältnis der drei kontrahierenden Staa ten wesentlich beeinflussen wird, bestätigt nur das Gesagte. Das starke Hervortrcten des wirtschaft lichen Charakters in diesen Verhandlungen zeigt sich aber, nicht nur äußerlich in dem Hinzu ziehen der Berliner, Pariser und Londoner ersten Finanzkreise, sondern vor allem auch in der Tat sache, daß die für das Ausland verfügbaren finanziellen Kräfte der einzelnen Staaten den Inhalt Ker abzuschließenden Verträge außer ordentlich beeinflussen werden. Man wird sich daher nicht darüber wundern dürfen, wenn Frankreich bei diesen Verhandlungen besonders gut abschneidet, obwohl die französische Regie rung in letzter Zeit infolge des Verhaltens der Pariser Finanziers und der Beklemmungen des dortigen Publikums augenscheinlich größere Schwierigkeiten als sonst gehabt hat, den Ruf Frankreichs als erster Geldgeber der Welt auf rechtzuerhalten. Die Türkei, wie alle einer neuen wirtschaftlichen Zukunft entgegengehenden Län der, braucht naturgemäß vor allem Geld, und dieses Geld, das auch die Grundlage für das für Kleinasien in Aussicht genommene Eisen bahnnetz abgibt, wird aus französischen Kassen fließen. Aus diesem Grunde hauptsächlich wird cs wohl den Franzosen gelingen, sich Syrien bis hart an die zur Bagdadbahn gehörige Strecke Alcxandrette—Aleppo heran zu einer französischen Einflußsphäre zu gestalten, wobei -- ein englisches Einverständnis vorausgesetzt — die Frankreich im Mittclmeer zu Gebote stehende starke Flotte gegebenenfalls die erforoerliche tatsächliche Unterstützung jederzeit zu gewähren ,n der Lage sein würde. Frankreich wird aber wohl außerdem noch wichtige Eisenbahn-Konzes- sionen in Nord-Kleinasien erhalten, also in dem Gebiete, das früheren türkisch-russischen Verein barungen zufolge ausschließlich dem russischen Einflüsse unterliegen solle. Zum Bau d cscr Bay- uen Hai daher unzweifelhaft ein russisches Ein- Verständnis Vorgelegen, und hier profitiert die französische Finanz und die französisch In dustrie von dem starken Einfluß, den die gleict>en Finanzkreise sich durch die enormen in Paris aufgelegten russischen Anleihen zu verschaffen gemußt haben. Diese Bahnen, die von dein Hafen Samsun am Schwarzen Meer und von der alten Kaiserstadt Trapezunt ins Innere Kleinasiens Vordringen und die Verbindung mit der Bagdadbahn Herstellen sollen, werden die Aufgabe haben, außerordentlich fruchtbare Ge biete dem modernen Verkehr und der Kultur zu erschließen. Sie werden aber namentlich nach Herstellung einer Verbindung nach dem russischen Transkaukasien den russischen Aspirationen auf Armenien Vorschub leiste« und das militärische Uebergewicht Rußlands in diesen türkisch-russi schen Grenzgebieten ein für allemal festlegen. Man mnß als sicher annehmen, daß für Deutschland nach Abschluß dieser Vertrüge alle Fährnisse für die Durchführung der Bagdad bahn brs nach Basra beseitigt sein werden. Das ist an sich zweifellos ein großer Erfolg. Die bisher aber noch offene Frage, deren Beant- wortnng am Ende dieses Monats im Deutschen Reichstage erwartet wird, gehl dahin, in wel chem Nmfange — sowohl geographisch als auch materiell — und durch welche Garantien der deutsche wirtschaftliche Einfluß in den von der Bagoadbahn und ihren Anschlußbahnen, uament lich denen nach Mersina und Alcxandrette, durch zogenen Gebieten beherrschend werden soll. So weit Mesopotamien in Frage kommt, haben sich gewisse Besorgnisse eingestellt infolge der star ten englischen Interessen, die vor allem auf dem Gebiete der Fruchtbarmachung weiter Land strecken durch großartige Bewässerungsanlagen nnd der Mineralölgewinnunq liegen. Da fer ner damit zu rechnen ist, das; neben der Ueber- lassung Syriens an Frankreich, des kleinasiati schen Nordostens an das französisch-russische poli tische Konsortium, auch Italien gewisse Rechte im westlichen Kleinasien zugebilligt erhalten wird, und außerdem Englands L'^'rematie.über Arabien nnd den Persischen Golf festgestellt wird, so kann man die Spannung verstehen, mit der die Erklärungen des Reichskanzlers er wartet werden, in welcher Weise die deutschen Interessen, abgesehen von der Finanzierung der Bagdadbahn, ihre Sicherstellung in den oben- bezeichneten Gebieten Anatoliens und Mesopo tamiens gefunden haben. Soweit man erfährt, geht ganz ge trennt von diesen Verhandlungen die Be sprechung zwischen Berlin und London über die zukünftige Ausbreitung unserer kolo nialen Einflußsphären in Zcntralafrika. Wie dringend wünschenswert sie für uns na mentlich im Südwesten Afrikas ist, haben die letzten tvlonialpolitischen Verhandlungen im Reichstag insbesondere bei der Behandlung der Frage der Ovamüo-Bahn ergeben. Es wird aber vor allem darauf ankommen, .daß hier ein tatsächlicher Schritt vorwärts getan wird. Wollte man nur neue platonische Abmachungen treffen, so würde das mit Rücksicht auf das Fortbestehen des deutsch-englischen sog. Geheim- vertrageS von 1898, der nach unbestrittenen vielfachen öffentlichen Behauptungen die Teilung der portugiesischen Kolonien Mozambique und Angola zum Gegenstände hat, wenig Wert haben. Durch alle die Verhandlungen sind wir bei den Portugiesen natürlich nrcht beliebter geworden. Und die Portugiesen, welche unserem Handel derartige Schwierigkeiten be reiten, daß sie ihre eigenen Waren bei der Ein fuhr in ihre Kolonien um 90 Prozent des Zolles gegenüber den fremden besser stellen, werden ni5;t daran denken, dem deutschen Handel nur auf Grund eines cnglisch-deutsck;en Vertrages hin irgendwelche Erleichterungen oder gar deutschen Unternehmern die geringsten Kon zessionen zu gewähren, es sei denn, daß für nns die Bahn rur Ausübung eines gewissen Druckes gleichfalls durch den neuen Vertrag freigcmacht wird. Auch hierüber erwartet man, demnächst Bestimmtes zu hören. Schulbeihilfen unb höhere Schulen. (Stimmungsbild aus dem Landtage.) r«-— Dresden, 2. April. Die dritte Dauersitzung in dieser Woche! Sie gilt unserem Schulwesen, einer Sache, die wohl einer ein gehenden Aussprache wert ist. Kapitel 94 und 95 des Etats, um die es sich handelt, haben es zwar eigentlich nur mit den höheren Schulen zu tun. Da aber zugleich das Dekret Nr. 5 über die anderweitige Regelung der Staatsbeihilfen für die Volksschulen mit verhandelt wird, so ist damit auch die Volksschule zur Debatte gestellt, fürwahr ein gewaltiges Feld, auf dem Wünsche wie Urteile die Meng« wachsen. Das Dekret 5 über die Schulbeihilfen hat der Deputation viel Mühe und Arbeit gemacht. Sie tritt in zwei Lagern vor das Plenum. Die aus Konservativen und Nationalliberalcn bestehende Mehrheit der Deputation wollte entsprechend der Regierungsvorlage die Schulbeihilfen, die an die einzelnen Gemeinden zu entrichten sind, nach der Zahl hrerSchulkinder berechnet wißen. S c hat telen dafür getroffen, daß keine Schul gemeinde in Zukunft schlechter wegkommcn kann als bisher. Die Nationalliberalen haben Bedenken, die ser Lösung zuzustimmen. Sie vennißen vor allen Dingen die Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse der Gemeinden und befürchten, daß durch die Neuerung der Ansporn wegfälll, die Klaßen möglichst klein und die Lehrkörper möglichst groß zu gestalten. Aber trotz dieser Bedenken, die von den Abgeordneten Dr. Seyfert und Hcttner zum Ausdruck gebracht werden, haben sie zugestimmt, weil sie der Meinung sind, daß sic keine eingültige Lösung sein könne. Die Minderheit der Deputation schlügt vor, die Höhe der Schulbeihilfen nach Maßgabe des Verhält nisses der S ch u l l e i st u n g c n in den e n einen Gemeinden zum Einkommensteuersoll zu staffeln, und zwar so, daß die unter unverhältnismäßig hohen Schullasten seufzenden Gemeinden bis zu 10 .tt Staatsbcihilsen für jedes einzelne Schulkind erhal ten können. Gegen diesen Vorschlag ist neben man chem anderen einzuwenden, daß er in der Praxis un durchführbar ist scl)on darum, weil sich die Höhe des Einkommenlteuerfolls alle Fahre ver chiebt. Wie schon gesagt, treten Fortschrittler und Sozialdemo kraten für dieses Minderheitsgutachten ein. Die beiden Etatlapitel geben Anlaß zu den ver schiedensten Wünschen. Zum Teil betreffen sie mehr äußerliche Dinge, wie Titel und Rang der Lehrer, von denen die Linke des Hauses aber nichts wißen will; zum Teil beziehen sie sich auf die Stellung der nichtakademischen Lehrer an den Seminaren, deren Wünschen der Kultusminister entgegenzu kommen in Aussicht stellt, falls ein entsprechender stürmischer Antrag cs fordern sollte. Der Kon servative Dr. Mangler bricht eine Lanze für die Einrichtung von Schulhcimen. Etwas mehr den inneren Schulbetrieb betreffen die Wünsche auf die Ausgestaltung des Turn- und Zeichenunterrichts. Dr. Steche propagiert den Gedanken, dem Esperanto Eingang in den Schulen zu verschaffen. Davon will die Regierung nichts wißen. Doch hat sie aber nichts dagegen, wenn Gemeinden, um den privaten Unter richt in dieser Kunstsprache zu fördern, unentgeltlich Schulrnume zur Verfügung stellen wollen. Der Frei sinnige Koch, ein als Seminarlehrer wirkender Theologe, bringt die befremdliche Tatsache zur Sprache, daß ein Theologe, der vor der Oefsentlichleit die Dogmen im Sinne Ritschis behandelt habe, nicht mehr zum Religionsunterricht in den oberen Klaßen zugclassen worden sei. Der Kultus Minister entgegnete mit dem etwas blaßen Gedanken, die Staatsregierunz sei in diesen Dingen keineswegs engherzig, fordere aber von den Lehrern einen gewißen Takt, wenn sie sich vor der Oeffentlich- keit vernehmen lassen. Dr. Seyfert schnitt die leidige Frage des Lehrerübcrflusses an und empfahl als Mittel zu dessen Behebung, in Zukunft mehr zurückhaltender zu sein in der Gründung neuer Schulen, insbesondere in den Großstädten. Der Frei sinnige Dr. Tretel machte für das Uebcl die Tat sache verantwortlich, daß viele Eltern ihre Kinder bis zum Einjährig-Freiwilligenzeugnis bringen wollten. Die Aufhebung dieses Privilegiums würde der Ueberfüllung der Mittelschulen ohne weiteres steuern. Einen wesentlichen Teil der Debatte nahm die Frage der Zug end pflege in Anspruch. Der Sozialdemokrat Lange behandelte die Sache mit aller Glut, deren ein einseitiger Idealist fähig ist. Er klagte so ziemlich alles an, was nur irgend an der Jugendpflege teil hat und bezeichnete es als ein Verbrechen, wenn der Gendarm mit rauher Hand in die Beziehungen zwischen Schule und Elternhaus cingreife. Er mußte sich von dem nationalliberalen Abg. Hettner sagen laßen, daß allerdings eine Kluft zwischen Schule und Elternhaus sich bemerk bar mache, aber Schuld daran trage die Partei, die sie mit allen Mitteln künstlich geschaffen habe und eifrig zu erhalten bestrebt sei, nämlich die Sozial demokratie. Durch den Lärm, mit dem die Beschul digten auf diese Feststellung antworteten, bezeugten sie nur, wie gut der Hieb saß. Diesen Eindruck zu verwischen, bemühte sich nachher der Sozialdemokrat Uhlig zwar sehr umfänglich, aber recht wenig erfolgreich. Unter großer Bewegung im Hause fragte der nationalliberale Abg. Nitzschke - Leutzsch an, wann die Antwort auf die Frage zu erwarten sei, wie es komme, daß noch immer drei Lehrer am katholischen Seminar in Bautzen wissenschaftlichen Unterricht erteilen, die den Modernisteneid geschworen haben. Die Antwort des Kultusministers auf diese, alle protestantischen Kreise peinlich berührende Angelegen heit fiel dürr genug aus. Er meinte, daß noch keine Beobachtung gemacht worden sei, die zum Ein schreiten gegen jene drei Lehrer nötig sei. Er wird wohl selbst nicht der Meinung sein, daß diese Er klärung geeignet ist, Beruhigung zu schaffen. Im Gegenteil! Vie sächsischen Nationalliberalen gegen Herrn Gpitz. Die parteiamtliche „Sächsische Natio- nallibcralc Korrespondenz" beschäftigt sich in sehr bemerkenswerter Weise mit dem jüngsten Angriff des Führers der konservativen Landtagsfraktion, des Abg. Opitz, gegen die Nationalliberalen und legt zugleich nochmals dar, daß das liberale Abkommen für die Landtags wahlen 1915 unerschütterlich fest steht. Die be deutsame Kundgebung lautet: „Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" brachten einen Artikel: „Getrennt marschieren, vereint schlagen", den Geh. Hofrat Opitz. Führer der sächsi schen konservativen Landtagsfraktion, zeichnet. Er spricht zunächst über den Wahlausgang in Borna- Pegau in dem bekannt konservativen Sinne, aber ohne überzeugend: Kraft. Außerdem haben die Konservativen allen Anlaß, vor der eigenen Tür zu kehren. Er sucht dann unter scharfen Angriffen gegen die liberalen Parteien, nicht zum ersten Male, Stim mung gegen das beabsichtigte allgemeine liberale Abkom m e n für die nächsten Landtagswahlen zu machen. Dieses Abkommen i st im Prinzip von den zuständigen Instanzen, näm lich von den La n d e s a u s j chü s s e n de r bei den liberalen Parteien, gebilligt wor den. Für die Liberalen ist dabei maßgebend die Rücksicht auf das Wohl des Vaterlandes, das sich mit den Bedürfnissen des Liberalismus deckt. Die konser oativen Wünsche, die mit jenen beiden Erfordernissen im Widerspruch stehen, können für sie kein Befehl sein. Das möge man im konservativen Lager doch endlich einmal begreifen. Die „Leipziger Neuesten Nachrichten" schreiben in ihrem Geleitworte zu dem Opitzschen Artikel: „Wir haben selber bereits ein weiteres Zusammengehen der Nationalliberalen und der Frei sinnigen für unmöglich erklärt." Dann ist es auch noch so; denn die „Leipziger Neuesten Nachrichten" sind kein nationalliberales Blatt, und sie sind auch in ihrem Gesamtoerhalten nicht dazu legitimiert, auf die Politik der nationallibe ralen Partei einen bestimmenden Einfluß auszuüben. Das mögen sich unsere Freunde im Lande vor Augen halten. Die Angriffe des Geh. Hofrats Opitz gegen die Nationalliberalen gehen freilich auch dem Blatte, das ihnen Aufnahme gewähren zu müßen meint, „etwas zu weit". Dieser neueste Ausfall des Herrn Geheimrat Opitz soll denn auch wohl in erster Linie die Aufmerksamkeit der Oeffentlichkeit von der un versöhnlichen Jndustriefeindlichkeit der sächsischen Konservativen ablenken, die am vorigen Montag in der GesetzgebungSdeputa- tion bei der Beratung über die Reform der Ersten Kammer voa konservativer Seite wieder einmal ganz einwandfrei nachgowiesen worden ist. Das aber wird nicht gelingen. Der Führer der konservativen Landtagsfraktion polemisiert mit Vorliebe gegen die Nationalliberalen, vermutlich rm Namen der „Sammlung". So auch damals, als er in der Preße behauptete, in dem liberalen Wahlabkommen für die Lausitz hätten die liberalen Parteien die Wahlkreise der Konservativen unter sich geteilt, die der Sozialdemokraten dagegen in Frieden gelaßen. Jene Behauptung aber war durchaus unwahr; widersprach dem Wortlaut des Abkommens, das sowohl den Nationalliberalen wie den Fortschrittlern je einen sozialdemokratisch und je einen konservativ vertretenen Wahlkreis zuwies; ist widerlegt worden durch die Ersatzwahl im 2. länd lichen Wahlkreis, den das Zusammengehen der Libe ralen den Sozialdemokraten entriß. Der national liberale Abg. Hettner hatte den Abg. Opitz überdies in der Presse auf das Unzutreffende seiner Behaup tung aufmerksam gemacht. Der Abg. Opitz hat auf den Hettnerschen Artikel hin seine Polemik gegen die Nationalliberalen fortgesetzt, hat es aber bis zur Stunde nicht für seine Anstandspflicht ge halten. jene unwahre Behauptung, die die Liberalen in der Oeffentlichkeit hatte diskreditieren sollen, zurückzunchmen. Ein solches Verhalten ihres Führers müßte den sächsischen Konservativen eigent lich peinlich sein. Zugegeben aber: Die anderen geht's nichts an." Eine Reise in Rußland. II. Neben den Raumverhältnissen seines Landes im poniert den Rußen nichcs so sehr, wie der Reich- t u m. Reichtum, er mag noch so sinnlos angewandt werden, bleibt als solcher bewunderungswürdig. Wenn der gutmütige, einfältig-bescheidene Mann, der vor einem Menschenalter auf dem damals noch kern deutschen baltischen Gymnasium uns in die Geheimnisse der russischen Sprache einzufühlen hatte, gelegentlich einmal das Verlangen spürte, auf uns Schulbuben Eindruck zu machen (wir schauten im allgemeinen nicht gar respektvoll auf ihn und seine Raße), erzählte er: Die Moskauer Kaufleute wären so reich, daß sie in der Trunkenheit Batterien vom teuersten Sekt aui- fahren ließen und damit in den Luxusrestaurants kostbare, vom Fußboden bis zur Decke reichende Spie gel ecnschlügen. Man sieht da in die verborgensten Falten der russischen Psyche. Die ist noch ganz und gar primitiv. Auch wo sie sich unter Frack, Smoking und Lackstiefeln verbirgt, im Grunde nicht viel anders konstruiert, als die der ein paar Eijenbahntage ost wärts nomadisierenden Fremooölker. Dort wird gc- jcksiitzt, wer über die meisten Herden gebietet, obschon er an Lebcnskomfort nicht mehr besitzt als der letzte seiner Knechte, uns hier, wer genug Rubel aufsummtc, um sie in Rausch und Narrheit zum Fenster hinaus zuwerfen. Zn keinem anderen Lande wird man bet der Besichtigung sogenannter „Sehenswürdigkeiten" von den Erklärern und Führern immer wieder mit solcher Absichtlichkeit darauf gestoßen, wieviel di« ganze Herrlichkeit gekostet hat. Zn Petersburg haben sie über der Stelle, wo an jenem Märzmorgen von 1881 den von der Ballett probe heimkehrenden Alexander II. die tödliche Bombe traf, aus den Gaben von Provinzen Städten, Kreisen und städtischen Korporationen eine Gedächtnis- und Sühnekirche errichtet. Eine Majolikaorgic in Grün und Blau und Gelb, wie sie Alexander III. als Versinnbildlichung des nationalen Stils erschien. Zudem nur eine Nachahmung: das Original stoht auf dem Roten Platz zu Moskau. Hier wenige Schritte von der alten Richtstätte, die für diesen erlesenen Geist zugleich eine Art Schaubühne war (wenigstens versäumte er cs nie, umringt von seinem Hofftaat, von der Zinn« der Kremlmauer den Hinrichtungen beizuwohnen), hatte Zwan IV., der Grausame, schon
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite