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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.04.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-04-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140407018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914040701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914040701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-04
- Tag 1914-04-07
-
Monat
1914-04
-
Jahr
1914
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Morgen-Musgabe »ar Letpa, UN» v»r»rt« »urch oofree TrSa« VkAllgSpkEkf E» UN» SpeSUeur« »mal täglich in« hau, gedrochtr «onatiich I SS M., vierteyährUch I.7S M. Sri Ser Oefchäst-fteU«. unfern Ztllolen unä yu«,odesl«U-n abgehoit: m»aatUchlM.,viert«yährUchrm. Lurch äi« p«str innerhalb LeutfchlanS« on» »rr »»utschea Lokalen moaatllch ,.S0 M.. oierteljährli» 4.S» M., ausfchliehUch poAbesteUgelä. La» Leipziger Tageblatt erscheint Werktag» »mal, Sonn» u. Zetertag» Imat. Ja Leipzig, »en Nachdacorlen und den Orten mit »igraeu Ziliolea wir» St« yben»aa«gabe noch am flbend de, «rscheinen» in, hau« geliefert, «rrllner N-daktion: Inden Zelten >7. Z-rnspre».finschluH: Moabit Nr. 407. Nr. 176^ /trntsblockt des Rockes und despoliseiLrnckes der StLdt Leipzig «eüaktlon und Oeschtiftsftell«: ?»haa»i«gass, Nr.». o Zerusprech.fluschluß vr. I4»»L t«»4Z und 14»»«. los. Jahrgang » »ar Inserat« au« »eipzlg und Umgebung dl« /»NIktAeiiprelf«. Ifpaltigepetitzeilettpf., bi«keklamrzrlietm., o»n auowärl» Z« Pf.. 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Vas ehrlichste Parlament der weit. (Don unserem Pariser Mitarbeiter.) Mit einer Nachtsitzung hat die übermüdete Kammer den Rochctte-Skaudal und zugleich ihre vierjährige Existenz beendigt. Was kam bei den vielfachen Anklagen, Geständnissen und Ver teidigungsreden heraus? Eine Tagesordnung, so farblos und so leer, daß keiner der darin getadelten Parlamentarier, Gerichtsbcamtcn oder Finanziers sich darüber ein graues Haar wach sen zu lassen und für seine Zukunft Sorge zu tragen braucht. Der Untersuchungsaus schuß hatte mit seinen ängstlichen Schlußfol gerungen dec Kammer ihre Aufgabe der all gemeinen Vertuschung erleichtert. Wie hätten auch diese Abgeordneten, die täglich voll den Ministern Eingriffe in die Ge richtsbarkeit und jeden andern Gewaltmißbrauch verlangen, das „Verbrechen" ihrer gefälligen freunde Monis und Caillaux hart ver urteilen können! Nicht einmal die Wähler im Lande dürfen sich berufen fühlen, zugleich über der Strafe entgangene Angeklagte und ihre zu faulen Richter ein ernstes Wort zu fällen. Drän gen sie nicht, wo sie können, ihre Deputierten und Senatoren, das (besetz zu ihren Gunsten umzudeuten oder Vorteile bei den Behörden für sich herauszuschlagen? Der geringste Straßen wärter nnd der höchste Offizier lassen sich von einem halben Dutzend Volksvertretern emp fehlen; jeder Reservist, der einen Uebungs- aufschub, jeder Weinfülschcr, der einen Straf erlaß zu erhalten wünscht, schickt seinen Depu tierten zum Minister, und wehe, wenn der Deputierte nicht sofort geht oder keine Erfolge hat! Seine Wiederwahl steht auf dem Spiele. Der Prozeß Nochettc war der Pro zeß eines ganzen Regimes. Nicht nur die republikfeindlichen Nationalisten und die revolu tionären Sozialisten sagten es, auch Aristide Briand, der bis über beide Ohren mit in dem Sumpf steckte, verkündete cs mit höchster oratorischer Leidenschaftlichkeit, wobei ihm oer einmütige Beifall der Kammer Recht gab. Die französischen Parlamentarier sind sich vollauf bewußt, daß sic ihre eigenen Gefangenen und die Gefangenen ihrer Wähler sind, daß sie nicht etwa großen Ideen, sondern den individuellen Zntereiscn jener, die ihnen ihre Stimme geben, zu dienen haben. Ob ihnen und der Republik bas Heil von einem veränderten Wahlgesetz kom men wird, ist die Frage; die Listenwahl nach Parteien in sehr erweiterten Wahlkreisen würde jedenfalls die Tyrannei des einzelnen Wühlers abschwächen. Maurice Barr Ls, der von einem neuen Bonapartismus träumt, versicherte gestern: „Wir sind beim letzten Grade parlamentaristischer Fäulnis angelangt," woraus die reaktionäre Presse schließen zu dürfen glaubt, daß das Ende der Republik bevorsteht. Das ist genau so über trieben, wie der Ausspruch des Sozialistensüh- rers, dem die Präsidentenehre und die vielen Anklagen, die er vorzubringen hatte, auch ein beruhigendes und beglückendes Wort nötig er scheinen ließen. JaurLs sagte: „Auch die an dern Länder haben ihre Skandale. Was ist der Rochettc-Handcl neben dem Mareconi- und dem Krupp-Handel? Das französische Parlament ist n o ch i m m c r d as c h r l i ch st cderWclt!" 2t>enn schon das französische Parlament selbst bewußt und erleichtert applaudierte, werden die übrigen Parlamente achselzuckend hierüber zur Tagesordnung übergehen dürfen. JaurLs ver mag mit seinem roten Weihwasserwedel noch lange nicht die Erinnerung an Panama, die Geschichte der Angcbcrzettcl und so manches an dere auszulöschen. Womit nicht gesagt sein soll, daß unter den französischen Parlamentariern sich nicht viele ehrliche und ehrenwerte Leute befänden. Wer es noch nicht wußte, der würde gestern nach der Rede des Berichterstatters des Ausschusses, de Follcvillc, überzeugt wor den sein. Dieser aristokratische Republikaner ver teidigte die Beschlüsse der Kommission so leiden schaftslos, daß man ihm anmcrkte, welche Eile er hatte, endlich von der eklen Aufgabe befreit zu werden; er bestritt nicht, daß cs Schuldige und sogar große Schuldige gegeben hat, aber er bat inständig zwischen den Zeilen, die Schwerverbrecher nur ja nicht zu hängen, weil ihre Henker den Strick aus den Fäden ihrer eigenen Schuld drehen müßten. JaurLs, der gleichem Ziel zustrebte, konnte nicht im selben Maße sein Temperament überwinden. Der „beklagenswerte Einflußmißbrauch", den er Monis und Caillaux vorwarf, klang in seiner Rede weit schlimmer,' als in den von den radi kalen Freunden der Exministcr abgeschwächten Formeln. „Ein Ministerpräsident der Republik war von einem Schwindelbantier nur durch die moralische Dicke eines journalistischen Aben teurers getrennt." Als journalistischen Aben teurer bezeichnete er Dumcsnil, den Direk tor des „Rappel". Dumcsnil hatte Rochette als ein Opfer hingcstellt, und Caillaux vor Ent hüllungen des Bankiers gewarnt, die auch größte Kreditinstitute schwer kompromittieren sollten. Natürlich hatte der „Rappel" von dem Prozeß aufschub nicht den geringsten Gewinn . . . Wenn auch in der Kammer jedermann überzeugt ist, daß weder Monis noch Caillaux selbst Vorteil von dem Eingriff in den Justizgang gehabt haben, erscheint es doch unverständlich, daß die Minister aus Angst vor einem erweiterten Fi- nanzskandat dem Generalstaatsanwalt „die schwerste Demütigung seines Lebens" zugefügt haben sollten. Ein geheimes Motiv muß obgc- waltet haben, das von allen Beteiligten sorg sam verschwiegen wird. Kommt es je an den Lag? Die von Rochette 1911 in Druck gegebene und nicht veröffentlichte Schrift enthielt, wie JaurLs, der sic gelesen hatte, sagte, eine aller dings erschreckende Zusammenstellung der unter Mitwissen und teils auf Betreiben größter Kreditinstitute im Laufe von zehn Jahren er folgten Schwind'elgründungcn, die an Schönheit hinter denen Rochettes nicht zurückstanden. „Frankreich hat dabei mehr verloren, als bei der Milliarden-Kriegsentschädigung an Deutsch land nach dem Kriege!" rief JaurLs. „Im Mit telalter zogen die Raubritter von ihren Burgen ins Tal zum Plündern. Eine neue Landplage hat sich aufgetan: die Hochfinanz unternimmt aus ihren immer unverschämter aussteigenden Hochburgen Raubzüge gegen den Wohlstand der Nation und die Ersparnisse der arbeitenden Be völkerung. Vollzog das feudale Gesindel sein Handwerk offen beim Wasfengeklirr und Hufe geklapper, arbeitet die neue Macht im geheimen, also um so gefährlicher, und schleicht sich überall ein, in die Justiz und Politik, bis hinauf in die höchsten Machtstellen." Diese sozialistischen Don- nerwortc gegen die Hochfinanz lösten großen Beifall aus sämtlichen Bänken aus, selbst auf denen, wo sehr bekannte Vertreter der Hoch finanz saßen . . . Maurice Barr Ls und Dclahaye forder ten namens der Rechten, daß Monis und Cail- lanx dem allgemeinen Strafrecht überantwortet würden, weil der Artikel 179 des Code pönal jeden Truck auf Beamte zwecks Behinderung ihrer Obliegenheiten mit hohen Gefängnis- und Geldstrafen belegt. Zwei Parteifreunde von JaurLs, die Sozialisten Colly und Scmbat, gin gen noch weiter und verlangten die Einberufung der Haute-Cour. JaurLs frug, ob man sich die Aufgabe jener armen Berufsrichter vorstellen könne, die morgen über ihre höchsten Vorge setzten, den Generalstaatsanwalt, den Justiz minister und Ministerpräsidenten, urteilen soll ten! Oder die 'Aufgabe der Geschworenen, jener zwölf durch das Los bestimmten Bürger, die schon in so vielen einfachen Rechtsfällcn jeder Logik zuwiderhandelten und hier in einem finanzpolitischen Justizskandal einen klaren Blick gewinnen sollten, wo selbst die geübtesten Ju risten des Parlaments ihr Latein verlören. Dieser von einem Sozialisten freimütig einge- standcnc Bankerott des bürgerlichen Gerichts verfahrens gibt zu denken. Bon der Haute-Cour aber wollte JaurLs durchaus nichts wissen. Seit Jahr und Tag treibe die Regierung offen Miß brauch mit der Justizgewalt. Äarthou und Briand hätten zu wiederholten Malen im ganzen Lande plötzlich die Leiter der Arbeitergewerk- schastcn verhaften lassen. Niemand könne be haupten, daß zugleich die Staatsanwälte von ganz Frankreich auf denselben Gedanken gekom men wären. Nachdem man die Syndikalisten monatelang im Gefängnis behalten habe, ent lasse man sie oft ohne jedes Urteil, weil das angeblich antimilitaristischc oder Streikkomplott nicht nachweisbar war. „Was sollen die Ar beiter davon halten, daß inan für Politiker ein hohes Ausnahmegericht erfindet, dessen man sic nicht für würdig hält?" Die TagesordnungRenard.dic „von den Feststellungen des Untersuchungsausschusses Akt nimmt, die mißbräuchlichen Interventionen der Finanz in die Politik, der Politik in die Justizverwaltung mißbilligt, die Notwendigkeit eines Gesetzes über die parlamentarischen Un verträglichkeiten bekundet und eine wirksamere Trennung der Machtbefugnisse zu sichern be schließt", bestätigt wohl den Tadel, den der Aus schuß vorgeschlagen hat, wird aber Briand nicht hindern, gemeinsam mit Clemenceau, mit dem er sich wieder ausgesöhnt haben soll, nach den Wahlen die Erbschaft Doumcrgucs anzu treten — falls nicht etwa Viviani oder Delcasss zuerst an die Reihe kommen sollten. Doch fürs erste hat jetzt der Wähler das Wort! 6. l-adm. Einige Erinnerungen zur Wahl in Sorna-Pegau. Es wird uns geschrieben: Der für jeden Nationalgesinnten bedauerliche Aus gang dieser letzten Reichstagsstichwahl wird von kon seroativer Seile zu den heftigsten Angrifsen auf den Liberalismus und die Fortschrittliche Volkspartei be nutzt. Wer Vorwürfe erhebt, muß selbst schuldlos sein, oder aber er kommt in den Verdacht, die Auf merksamkeit von seinen eigenen Sünden durch Schimpfen auf andere abzulenken. Es ist historische Tatsache, daß Herr v. Liebert bei den Blockwahlen in den Reichstag gekommen ist, bei denen ein wirk liches Zusammengehen der bürgerlichen Parteien von den Konservativen bis zu den Fortschrittlern statt fand. Also ist damals Herr v. Liebert mit Hilfe der fortschrittlichen Stimmen gewählt worden, genau so, wie noch andere Konservative mit Hilfe fortschritt licher Stimmen gewählt worden sind, und Fortschritt ler mit Hilfe konservativer Stimmen. Ein Beweis dafür, daß ein Zusammengehen der bürgerlichen Par teien und «in Abziehen der auf der äußersten bürger lichen Linken stehenden Wähler von der Sozialdemo- krat'e wohl möglich ist. Was geschah nun in der Folge? Der Block wurde gesprengt, es setzte der heftigste Angriff des Bundes der Landwirte und der Konservativen gegen den Liberalismus ein, und die letzten Reichstagswahlen fanden unter der von konservativer Seite ausgegebe nen Losung statt: Zwischen der Rechten (Konserva tiven und Zentrum) und der Sozialdemokratie muß der Liberalismus aller Schattierungen zerrieben wer den. Die Losung, bei Stichwahlen zwischen Liberalen und Sozialdemokraten „Gewehr bei Fuß" zu stehen, wurde von den konservativen Führern v. Heybe- brand, von Wangenheim usw. ausgegeben und von den kleinen Führern im Lande getreulich befolgt. Der Erfolg war freilich kein Sieg des schwarzblauen Blocks, sondern wohl ein bedeutendes Anschwellen der Sozialdemokratie; aber doch auch eine genügende Standfestigkeit der liberalen Par teien, so daß eben das Ziel der konservativen Po litik, eine konservativ-klerikale Mehrheit im Reichs tage zu schaffen, vereitelt wurde. Trotz dieses Miß- erfolges blieb die konservative Partei im all gemeinen auf ihrer Taktik stehen. Noch am 4. März dieses Jahres verwahrte sich der Vorsitzende des Kon servativen Vereins Plauen, daß die Konservativen des 23. (vogtl.) Reichstagswahlkreiscs bei den letzten Reichstagsstichwahlen für Günther eingetreten seien. Sie hätten den konservativen Wählern Stimmenthaltung empfohlen. So haben die Konservativen bei der letzten Reichstagswahl die fortschrittlichen Wahlkreise in Sachsen der Sozial demokratie ausgeliefert und in den meisten übrigen Wahlkreisen Sachsens, in denen Nationalliberale mit den Sozialdemokraten in die Stichwahl kommen konnten, ihren Kamps in erster Linie gegen die Na- tionalliberalcn gerichtet — absolut nicht gegen die Sozialdemokratie —, in der ausgesprochenen Absicht, nicht Len nationalliberalen Kandidaten zum Siege gelangen zu lassen. Da die frühere Absicht, eine reine Majorität der Rechten im Reichstage zu er zielen, sich als unmöglich erwiesen hat, geht die neuere Taktik der Konservativen dahin, einen Keil zwischen die liberalen Parteien zu treiben in der Absicht, die Fortschrittliche Volkspartei vollständig in die Arme der Sozial demokratie zu treiben. Sie wollen ihr gegenüber bei Stichwahlen gegen die Sozialdemokratie keine Hilfe leisten, um so wenigstens diesen Teil des Liberalis mus aufzureiben. Noch bei der diesjährigen Früh jahrstagung des Bundes der Landwirte im Königreich Sachsen in Dresden hat Dr. Oertel verkündet: „Sammlung der bürgerlichen Parteien mit Ausschluß der Fortschrittlichen Voltspartei". Ohne daß von den Konservativen in der Versamm lung oder später in der Presse dagegen Stellung ge nommen worden wäre. Auch gegen die Aeutzerungen und Handlungen des konservativen Vorsitzenden des Plauenschen Reichstagswahlkreises hat sich keine Stimme in der konservativen Presse erhoben oder ist von der konservativen Parteileitung eingegriffen worden. Nach den letzten Reichstagswahlcn schrieb das konservative Parteiorgan „Das Vater land" frohlockend: „Hinweggcfegt ist die Airtschritt- liche Volkspartei!" Wen aber hatten die Konserva tiven dafür in den Reichstag gebracht? Sozial demokraten ! Wenn dann aber fortschrittliche Wühler kurz dar auf in Borna-Pegau bei der Stichwahl zwischen einem Konservativen und einem Sozialdemokraten zu Hause bleiben, so erhebt man ein großes Geschrei von der selben konservativen Seite über mangelnde nationale Gesinnung und bürgerlichen lhemeinsinn. Wir ver urteilen sowohl die Haltung dieser Fortschrittler wie der Konservativen: aber die Konservativen sind die letzten, die nach solchen notorischen Tatsachen be rechtigt wären, Anklagen zu erbeben. Von ihnen heißt es: Sie sehen den Splitter in ihres Bruders Auge und nicht den Balken in ihrem eigenen Auge." Doch die Hauptsache ist, daß man jetzt von dieser Seite auf die Fortschrittliche Volkspartei nur des halb losschlägt, nm auch für die Zukunft einen Vor wand zu haben, bei Stichwahlen zwischen Fortschritt lern und Sozialdemokraten den letzteren zum S:cg« Aa verhelfen. Und wie soll dann das bei den nächsten Reichstags- und Landtagswahlen werden? Man führt auf konservativer Seite „staatserhaltende »Be sinnung, Nationalgefühl und bürgerlicher Gemein sinn" im Munde und will trotzdem die bürgerliche Linke vom Bürgertum absplittern! Das ist eine von einseitigstem Parteiinteresse diktierte Taktik. Der Erfolg der von konservativer Seite jetzt wieder angestrebten Kartellpolitik (Konservative und Nationallibcralc gegen Fortschritt und Sozialdemo kratie) war, daß wachsen zum „roten Königrrich" wurde. Als man die Fortschrittliche Dolkspartei bei den Blockwahlen zu den bürgerlichen Parteien her ¬ überzog, kamen die erfreulichen Ergebnisse der Block wahlen, so daß sogar der König rief: „Es ist ein« Lust, zu leben!" Diesen erfreulichen Zustand haben die Konservativen zerstört und wollen ihn dauernd unterbinden. Die Blockwahlcn, wie die letzte Land- tagscrsatzwahl Großschönau-Ebersbach, zeigen aber, daß nur durch eine wirklich bürgerliche Eemeinbürg schäft einschließlich der Fortschrittlichen Volkspartei bei den Stichwahlen, besonders in Sacbsen, gegen die Sozialdemokratie anzukämpfen ist ohne Ausschluß irgendeiner bürgerlichen Partei. R.. 1^. Geburten und /luftvuchs. v. I.-O- In de: gegenwärtig noch immer sehr lebhaften Diskussion über den Rückgang der Ge burtenziffern in Deutschland, der von Politikern und 'Nationalökonomen als ein bedrohliches Zeichen an gesehen wird, ist von anderer Seite daraus hin gewiesen worden, daß es sich hier um eine Erschei nung handle, die mit dem Rückgang der Säug lingssterblichkeit Zusammenhänge. Der Rück gang der Säuglingssterblichkeit, der in den letzten Jahren sehr stark gewesen ist, hat zur Folge, daß die Kinder am Leben erhalten werden, und somit Ver anlassung zu neuen Geburten weasällt. Diese von hervorragenden Statistikern und Volkswirtsck>astlern, so u. a. erst kürzlich wieder von v. Sch moller bestätigte Aufsagung, findet durch eine statistische Be regnung ein« weitere Unterstützung, die zuerst der Direktor des Kgl. Sächsisck)en «tatistischcn Landes amtes Dr. Würzburger ausgestellt hat, und die eine Zählung der am Leben Gebliebenen durch die ersten Kmderjahre hindurch vornimmt, um dann die sogenannte „Aufwuchsziffer" festzustellen. Man sagt sich, daß, wenn eine große Zahl der in einem Jahre geborenen Kinder durch die ersten, durch Krankheit am meisten gefährdeten Kin desjahre hindurchkommen, der Rückgang der Geburtenziffer vorerst wenigstens keine be drohliche Erscheinung sein lann. Tatsächlich Hal auch die von Würzburger ausgeführte Zählung das Hochstüberraschende Resultat, das im Jahre 1908 zwar WON Kinder weniger als 1903 lebend geboren wurden, daß aber trotzdem der Gcburtenjahrgang 1908 :m Vergleich mit 1903 ein Mehr von 2100 'N das 4. Lebensjahr eintretendcn Kinder geliefert hat, als der Jahrgang 1903, d. b. also, daß es gelungen ist, von den Geburten des Jahrganges 1908 so viel Kinder am Leben zu erhalten, daß dadurch ein größerer Zuwachs erzielt worden ist, als von den Ge burlen Les Jahres 1903, obgleich in oiesem Jahre eine viel höhere Geburtenziffer vorhanden war. Diese Berechnung ist neuerdings auch in einigen Bezirken Bauerns ausgestellt worden und hat dort dasselbe Ergebnis gezeitigt. In einem Referat, das Ministerialdirektor Dr. Zahn in einer Sitzung Les Bayrischen Statistischen Beirates über „Frucht «barkeits- und Aufwuchsverhältnis der bayrischen Be völkerung" gehalten hat, wurde an statistischen Kartenbildern gezeigt, wie in einer Reihe von bayrischen Bezirksämtern bei einem sehr großen „Bruttoaufwand" von Gekurten — wegen gleich zeitig hoher Säuglingssterblichkeit — vielfach nur das gleich« Nettoergebnis an Aufwuchs von zwei jährigen Kindern erzielt wird, als in Bezirken mit bloß mittclhoher ehelicher Fruchtbarkeit, aber niedri gcr Säuglingssterblichkeit. Typisch für den erst genannten Fall ist Niederbayern, für den zweiten di: Pfalz. Beispielsweise wurde im Durchschnitt des Jahrfünfts 1908/12 für die Pfalz eine Fruchtbarkeit von 133 pro Mllle sd. h. 135 Geburten jährlich am 1000 gebärfähige Frauenj ermittelt, für Nieder bayern dagegen eine solche von 162 pro Mille; mit hin beträgt die Spannung zugunsten Niederbayerns 27 pro Mille. Wartet man aber den bevölkerungs mehrenden Erfolg, das Nettoergebnis, dieser so ver schiedcnen Fruchtbarkeitszlffern nur ein Jahr ab. so berechnet sich für die Pfalz ein Aufwuchs an cln jährigen Kindern von 111 pro Mille, für Nieder bayern ein solcher von 115 pro Mille. Die Span nunq von ursprünglich 27 pro Mille hat sich also be reits nach einem Jahr auf 4 pro Mille erniedrigt; nach einem weiteren Jahr beträgt sie nur mehr 2 pro Mille, indem die Aufwuchsziffer für zweijährige Kinder sich in der Pfalz auf 108, in Niederbayern auf 110 pro Mille beläuft. Hohe Fruchtbarkeit ist eben.' vom volkswirtschaftlichen Standpunkt aus nur wert voll, soweit sie mit mäßiger Säuglings- und Kinder sterblichkeit gepaart ist. Erfreulicherweise haben sich dank der rationelleren Säuglingspflege der letzten Jahre die Verhältnisse auch in Bayern wcisntlich gc bessert. So ergibt sich aus der einschlägigen neuesten Untersuchung des Statisti'chcn Landesamtcs, daß heute — trotz geringerer Geburten,zahl — mehr Kin der das schulpflichtige und erwerbsfähige Alter er reichen, als beispielsweise noch in den neunziger Jahren. polMeke Ueberlickt Spionage und Sozialöemokratir. „Von dem Reichsgericht in Leipzig sind Donners tag drei verelendete Lumpenproleta rier, die die kapitalistische Gier, auf jede Art zu Geld zu kommen, in Vergehen und Verbrechen gestürzt hatte, zu 20 Jahren Zuchthaus verurteilt worden." — So beginnt der „Vorwärts" einen „Spionage" überschriebenen Leitartikels der das landesoerräterische Treiben jener drei «churken in unglaublicher Weise beschönigt. Be chöniaungszweüen dient es schon, wenn das sozialdemokratische Zentral organ die von der eigenen Partei längst zum alten Ei,en geworfene Verelendungstheorie wieder auf wärmt, um die Landesverräter als Opfer der kapita listischen Gesellschaftsordnung hinzustcllen. Beschöni- gungszwecken dient es auch, wenn der „Vorwärts" als Triebfeder der Landesverräter „kapitalistische Gier" nennt. Aber diese Bcschönigungsoersuche wer den vollständig in den Schatten gestellt, durch einen
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