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Thronfolger gebeten, nach dem Konak zu rück-u kehren und sich nicht einer neuen Gefahr auszusetzen. Der Thronfolger hat jedoch auf der Ausführung de» festgesetzten Programm» de. standen. Beim Verlassen de» Rathauses bat der Polizeichef nochmals den Thronfolger, auf der Rückkehr nach dem Konak einen andern Weg zu wählen, als vorgesehen. Der Erzherzog weigerte sich abermals, dem Rate Gehör zu schenken, da er es für seine Pflicht hielt, nicht als Feigling zu gelten. Serajewo, 28. Juni. Die verhafteten Täter gaben ihrer Freude unverhohlen Aus- druck, daß der Anschlag gelungen ist. Die B e - oölkerung verhält sich loyal. Geistliche aller Konfessionen begaben sich nach dem Anschlag in den Konak, um ihren Abscheu über die teuflische Tat auszudrücken. Serajewo, 28. Juni. Heute um 4 Uhr versam melte der Bürgermeister den «tadtausschuß im Rathaus zu einer Trauerfeier. Mit tiefbeweg ter Stimme gab er seiner Entrüstung Ausdruck. Die «tragen sind wie ausgestorben. Militär patrouillen mit ausgepslauztem Seitengewehr und scharfgeladenen Gewehren durchziehen die Stadt. Die serbischen Klubs wurden geschlossen und eine große Anzahl Verhaftungen vor genommen. Die Polizei glaubt, daß die Täter Mitglieder der g r ost s e r d i j cb e n Kampf organisation sind. Bor dem Konak, in dessen Thronjaal die Leichen des Erzherzogs und seiner Ge mahlin vorläufig aufgebahrt sind, haben starke Jn- fanterieabteilungen der l. Infanteriedivision Posten gefaßt. Uebcr die Uebcrsührung der Leichen nach Wien sind noch keine Verfügungen getroffen. Der Eindruck in Wien. Wien, 28. Juni. Die Nachricht von der Ermor - düng des Thronfolgers Franz Ferdinand wurde gerüchtweise mittags hier gemeldet, fand jedoch zuerst keinen Glauben. Seitens der Be hörden wurde die Verfügung getroffen, daß bis zur offiziellen Bestätigung der Meldung der telegra phische und telephonische Verkehr ein» zustellen sei. Nach einer weiteren halben Stunde traf die offizielle Bestätigung der Trauernachricht ein. Wien, 28. Juni. Die ersten Nachrichten über das Attentat gelangten am Nachmittag hierher. Infolge des doppelten Feiertages — morgen ist Peter- und Paul-Ecdächtnistag — war die «tadt fast entvölkert. Bald war die Nachricht in der Stadt durch Extrablätter bekannt und es bildeten sich Gruppen, die erregt die Ereignisse besprachen. Im Prater wurde den dort konzertieren den Musikkapellen der Befehl zur sofor tigen Unterbrechung ihres Spiels gegeben, die Theater und Vergnügungen für heute abend wurden abgesagt. In den Ausflugsorten, die wegen des schönen Wetters von Besuchern über schwemmt waren, wurde das Attentat erst in den späten Nachmittagsstunden bekannt und rief unter dem Publikum eine u n g e he u r e" A u fr e g üti'g hervor. Die nachmittags in die Stadt zurückfahren- -»en Züge wurden gestürmt. Di^.StaH^bH von^ 7 Uhr ab einen ungewohnten Anblick. Die Gruppen verstärkten sich, und bald waren die öffentlichen Plätze und die daran stoßenden Gassen von einer unabsehbaren, erregten Menschen menge angefüllt, die das unerhörte Ereignis be sprachen. Wien, 28. Juni. Die Behörden gerieten durch die Nachricht von dem Attentat in diegrößte Erregung. Der Statthatler Freiherr von Biene rt ließ sofort den Präsidenten der Polizei direktion, Bryesowski, zu sich entbieten, und nach einer halbstündigen Unterredung wurde die Kon zentration der Wiener Polizei verfügt. Kaiser Franz Joseph kehrt nach Wien zurück. Wien, 28. Juni. Au» Ischl wird gemeldet: Der greis« Kaiser brach bei der Nachricht vo» dem schrecklichen Attentat fast zusammen. Er erklärte, es bleib« ihm aus der Welt nicht» er spart. Der Kaiser gab dann sofort den Befehl, den Hofhalt nach Wien zurückzuoerlege». Die Reise soll morgen früh angetreten »erden. Ischl, 28. Juni. Die Abreise des Kaisers nach Wien ist endgültig auf morgen früh 8 Uhr fest- gesetzt worden. Ischl, 28. Juni. Die Trauernachricht hat hier die allergrößte Bestürzung hervorgerufen und die tiefste Anteilnahme an dem schweren Geschick des Kaisers erweckt. Als dem Kaiser die Nachricht mit geteilt wurde, weinte er und brach in die Worte aus: „Entsetzlich! Entsetzlich! Auf dieser Welt ist mir nichts erspart geblieben!" Der Kaiser zog sich hierauf in seine Gemächer zurück. Sämtliche Veranstaltungen und die Thea tervorstellung wurde sofort abgesagt. In Kiel. Kiel, 28. Juni. Der Kaiser, der die Nach richt von dem Attentat an Bord des „Meteor" durch den Vizeadmiral Müller erhielt, befahl den so. fortigen Abbruch der heutigen Regatta und ordnete seine Rückkehr nach Berlin noch für heute abend an. Die Kieler Woche wird indes nicht abgebrochen werden, sondern die Regatten wer- den morgen ihren Fortgang nehmen. Kiel, 28. Juni. Kaiser Wilhelm erhielt die Todesbotschaft am frühen Nachmittag. Sämtliche Kriegsschiff« und Jachten setzten ihre Flag gen sofort auf Halbmast. Auf Anordnung des Kaisers wurde ein Trauersalut abgeseuert. Der englische Admiral ließ sofort ebenfalls alle Schiffe halbmast flaggen. Kiel, 28. Juni. Die erste Nachricht von dem Un glück traf von dem deutschen Konsul in Serajewo aus der Hohenzollern ein. Der Chef des Marine kabinetts Admiral von Müller begab sich sofort auf dem Verkehrsboot Hulda in See und rief dem Kaiser, welcher sich auf Meteor befand, die Nachricht aus die Jacht hinüber. Der Kaiser brach die Regatta sofort ab. trotzdem der Meteor einen Vorsprung von 15 Minuren hatte. Die andern Jachten sind diesem Beispiel gefolgt. Der Kaiser hat dem Kaiser Franz Joseph schon von See aus seinen Schmerz telegraphisch ausaedrückt. Die Kaiserin ist aus Grünholz hier eingetroffen und hat sich an Bord der „Hohenzollern" begeben. Der Kaiser und die Kaiserin reisen morgen früh 8 Uhr 50 Min. nach Wildpark ab, wo die Ankunft um 3 Uhr erfolgen wird. Die Regatten erleiden keine Unterbrechung, doch werden die Festlichkeiten erheb liche Einschränkungen erleiden. .--..i .. LI» : Kundgebungen gegen Serbien. Agram» 28. Juni. Kurze Zeit nach dem Be- AiiwtniwAkN des Attentats fanden hier große Straßendemonstrationen gegen die Serben statt. Die Kroaten zogen unter Drohungen und mit dem Ruse: „Nieder mit Serbien!" durch die Stadt. Die Polizei traf umfassende Maßregeln, um die serbische Bevölkerung vor der Wut der Menge zu schützen. Vie Aufnahme -er Trauerbotschaft. Serajewo, 28. Juni. Sobald die Nachricht von dem Hinscheiden des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin in der Stadt bekannt geworden war, wurden alle Fahnen auf Halbmast gesetzt. Die Trauer in der Stadt ist allenthalben eine außer ordentliche. Das Landtagsoräsidium richtete sofort an die Kabinettskanzlei Seiner Maje stät ein Telegramm, in welchem dem Schmerz« und der Entrüstung der gesamten Bevölkerung über das ruchlose Attentat Ausdruck gegeben und Seine Majestät der unerschütterlichen Treue und Ergeben heit an das Herrscherhaus versichert wird. Um 4 Uhr nachmittags fand eine Trauerfitzung de» Gemeinde- rats statt. Für 5 Uhr ist der Landtag zu einer Trauersitzung einberufen. Im ganzen Lande herrscht vollkommene Ruhe und Ordnung. Serajewo, 28. Juni. Nach dem Attentat be- mächtigte sich der Menge eine ungeheure Er- regung. Man sah viele Leute weinen. Die Trauer in der Stadt ist unbeschreiblich. Die Bevölkerung ist konsterniert. Ueberall wehen Trauerfahnen. An den Schauplätzen der beiden Attentate waren den ganzen Tag über große Menschenmengen angesammelt, die das Attentat er regt besprachen. Wien, 28 Juni. Auf dem Flugplatz traf die Nachricht Uhr ein, zuerst in Form eines un bestimmten Gerüchts. Die Flüge wurden zunächst fortgesetzt. In der Hofloge befand sich Erzherzog Karl Albrecht. Als die offinelle Mitteilung er folgte, verließ der Erzherzog das Flugfeld. Die Flüge wurden sofort eingestellt. Brünn, 28. Juni. Das 13. Mährische Landes- schießen, das heute vom Statthalter feierlich er öffnet wurde, sowie die deutschen und tschechischen Festlichkeiten wurden sosort nach Bekanniwerden der Trauerbotschaft abgesagt. Die Teilnehmer werden im Laufe des Abends und der Nacht Brünn verlassen. 2n Italien. Rom, 28. Juni. Die Nachricht von der Ermor dung wurde hier durch Extrablätter bekanntgegeben und hat ungewöhnliche Erregung hervor gerufen. Die Zeitungen beklagen lebhaft das Attentat. „Eiornale d'Jtalia" schreibt: Wir glauben uns zum Dolmetscher des italienischen Volkes zu machen, wenn wir unser tiefes Mitgefühl mit dem schweren Verlust zum Ausdruck bringen, den das verbündete Reich mit dem vorzeitigen und gewalt samen Hinscheiden des Thronfolgers zu beklagen hat. In dieser tragischen Stunde neigen wir uns voll Ehrfurcht und Sympathie vor dem Unglück, das wieder einmal auf das weiße Haupt des weisen Kaisers herniedertrifft. Die radikale „V i ta" schreibt: Das schreckliche Unglück, das die verbündete Nation traf, kann bei uns nur einen Widerhall von Solidarität finden. * * * Der Lebenslauf des Erzherzog-Thronfolgers Franz Ferdinand. Franz Ferdinand, Erzherzog von Oesterreich-Este, wurde am 18. Dezember 1863 in Graz geboren; er ist also 51s/2 Jahre alt geworden. Sein Vater war der Erzherzog Karl Ludwig, ein Bruder des Kaisers Franz Joseph, seine Mutter die Prinzessin Maria Annunciata von Bourbon und Sizilien, mit der Karl Ludwig nach dem Tode seiner ersten Gemahlin, Prinzessin Margarete von Sachsen, die Ehe einge gangen war. Nach dem Tode seines Vaters rin Jahre 1896 wurde er der nächstberechtigte Erbe des österreichisch-ungarischen Thrones. Er hatte 1892—97 eine Weltreise unternommen, deren Eindrücke er in einem ^stattlichen Tagebuche veröffentlichte. 1896 wurde Franz Ferdinand zum Fcldmarschalleut- nant, 1898 zum Stellvertreter des Kaisers im obersten.»Kommando, 1899 zum General der Kavaliers«: ernannt. Das 2. "bayrische schwere' Reiterregiment führt seit 1899 seinen Namen. 1900 vermählte er sich in morganatischer Che mit d«r Gräfin Sophie von Chotek, nachdem er kurz vorher für seine Nachkommen auf das Thronfolgerecht ver zichtet hatte. Aus Lieser Ehe stammen eine Tochter im Alter von 18 und zwei Söhne im Alter von 12 und 10 Jahren. Die Gemahlin des Erzherzog-Thronfolgers, Sophie, Gräfin von Chotek, wurde am 1. März 1868 in Stuttgart als vierte Tochter des Grafen Bohuslaw Chotek geboren, hat also ein Alter von 46 Jahren erreicht. Sie war längere Zeit Hof- dame der Gemahlin des Erzherzogs Friedrich von Oesterreich, und verheiratete sich am 1. Juli 1900 mit dem Erzherzog Franz Ferdinand. Bald nach der Eheschließung wurde die Gräfin vom Kaiser Fran- Joseph zur Herzogin von Hohenberg ernannt. Der neue Erzherzog-Dhronfolger steht zum sächsischen Königshause in naher Be- ziehung. Es ist der Erzherzog Karl Franz Joseph, der Sohn des 1906 verstorbenen Erz herzogs Otto Franz Joseph und der Prinzessin Maria Josepha von Sachsen. Er wurde am 17. August 1887 in Persenbeug geboren, wird also demnächst sein 27. Lebensjahr vollenden. Er ist seit 1911 mit der Prinzessin Zita von Bourbon und Parma vermählt. Beider Ehe entsprangen bisher zwei Söhne. Vie Wirren in Albanien. Der Plan des Bildhauers Gurschner, eine Freiwilligenschar nach Albanien auszurüsten, ist infolge des Verbots der österreichischen Regie- ' rung als vollkommen gescheitert anzuschen, so das; der Fürst' von dieser Seite keine Unter stützung mehr zu erwarten lhit. Jetzt hat ihn auch sein Ministerium im Stiche gelassen, so das; er immer mehr auf sich allein angewiesen ist. Immer schwieriger erscheint es deshalb, daß er sich behaupten wird. Die letzte .yoffuung ruht wieder einmal auf dem Miridileuführer Prenk Bibdoda, der anscheinend aus seiner zögernden Haltung herausgetreten und weiter vorgerückt ist. Wir verzeichnen folgende Mel dungen: Die verhinderte Freiwilligenexpedition. Wien, 28. Juni. Mit Bezug auf die durch den Bildhauer Gurschner erfolgte Anwer bung von Freiwilligen für Albanien wird der offiziösen Korrespondenz Wilhelm von in formierter Seite mitgeteilt: Die Anwerbung von Freiwilligen für andere als Kaiserlich Oesterrei- chische Kriegsdienste ohne besondere Bewilligung der Regierung ist nach 8 92 des Strafgesetzes verboten. .Eine solche Bewilligung wurde seitens der Regierung nicht erteilt, weshalb die Werbetätigkeit von den Behörden verboten wurde. Selbstverständlich werden die Behörden auch Vorsorge treffen, daß nicht etwa die bestehenden wchrgcsctzlichen Vorschriften von wehrpflichtigen Angehörigen der Monarchie ver letzt werden. — Ferner teilte das Werbekoinitce der Korrespondenz Wilhelm mit, daß die Ab reise des ersten Teiles der Freiwilligen durch das Werbebureau verhindert wurde. Wie», 28. Juni. Der Architekt Gurschner erklärte in der „Reuen Freien Presse", daß er nach dein Polizciverbot der Anwerbung sür Al banien die Sache noch nicht verloren gebe. Er will abwarten, ob es gelingt, einen Aus- wU. äu siiWem der der; TraMou her Mi- wuligen nach Durazzo ermöglicht, ohne oäg das Strafgesetz verletzt wird. Vorläufig müsse er sich jedoch fügen und die M:rheaxb^Mst^u. Der Bormarsch Prenk BibdodaS. Durazzo, 28. Juni. Bis jetzt ist keine Aende- rung eingetreten. Die Nacht und der Vormittag verliefen ohne Zwischenfall. Bei dem Dorfe Ljuba, nordöstlich von Durazzo, steigen starke Rauch, wölken empor. Man vermutet, daß das Dors in Flammen steht. Prenk Bibdoda ist in stetem Vorrücken begriffen und steht mit Achmet Bei Mati, der sich bei Kroja befindet, in Verbindung, um sich mit ihm zu einem gemeinsamen Vorstoß zv vereinigen. Eine unmögliche Zrau. Ein Stück in 4 Akten von Leo Lenz. (Erstaufführung im Alten Theater.) Ein technisch ansierordcntlich geschickt gebautes Theaterstück sahen wir gestern abend, ein Stück, das im Grunde als später Nachfahre der iranzösischen Sitten- und Gesellschaftskomödie von der Art SardouS oder seiner deutschen Nachahmer anzusprechen ist. ES arbeitet mit all den trefflich erprobten Naffiiicments dieser Gattung, und man kann nicht leugnen, man folgte dieser Kriminal komödie mit immer neuer Spannung, wenigstens wtange sie weiter nichts war als dieses. Im zweiten und dritten Auszüge wird der Stoff trefflich genutzt. Immer neue stärkere Spannungen werden erzeugt. Immer weitere Schraubcndrncke lassen die Maschinerie in neuen Richtungen arbeiten. Es han delt sich um einen Millionärssohu, der gegen den Willen des Paters ein armes Mädchen geheiratet bat und, von diesem verstoßen, in pekuniärer Be drängnis ist. Er gerät ohne jede Schuld in den Verdacht, seinen Freund erschossen zu habe». Tic Umstände sprechen vollständig gegen ihn. Pom Unter suchung-Kommissar wird ihm ein Ekltändnis suggeriert, und die folgenden Auszüge haben die Ausgabe, diese im ersten vorkonstrnierte Materie zn entwickeln. Wie dies geschieht, ist technisch anerkennenswert. Wer Freude an einem solchen Kriminalsall hat, den wird das Stück fesseln — bis zum dritten Auszug. Ter vierte entartet zur Sentimentalität, die man in der Sphäre einer solchen wohl berechneten »lomödie am wenigsten verträgt. Tas Stück hat noch einen Vor zug: Es hat Rollen, und sie werden gegeneinander ausgcspielt. Tic Ausführung unter Leitung von Adolf Winds >var wohlvorbcrcitct und in szenischer Einsicht lobenswert. Was aus dem Stück gewonnen werden konnte, war geschehen. Stiele r inter essierte durch einen äußerst lebensechten Recht-- anwaltstvp, den er mit einer- wundervollen Neber» legenheit und trefflich im einzelnen herausarbeitete. Mit ihm ist Martina Otto zu nennen, durch die unsere Bühne eine ausgezeichnete »traft er worben hat. Sie hatte ein wahres, von Ilebcr- treibungen freies und unmittelbar ergreifendes Spiel. Tiefe beiden Leistungen entschädigten für manchcS Tie Herren Heyse, Reimer-, Za deck, Hutb und Ingenob! taten das ihre. Fräulein Ham mer bot Brauchbares, wenn sich auch aus der Rolle darstellerisch noch mehr hcrausholcn ließe. Leo Lenz hat zwar nicht die Literatur, aber das Theater um einige wirksame Akte bereichert. ' vr. kriockriod Sodvecfi». Kunst UN- Wissenschaft. * Aus den städtischen Theatern. Bruno De ca r l i wird als letzte Rolle vor seinem Scheiden aus Leipzig am Dienstag im Neuen Theater den „Corio- lanus" in Shakespeares gleichnamigem Drama spielen. — Als neu eintretende Mitglieder des Schauspiels debütieren am Dienstag als Bürger im „Coriolanus" und am Mittwoch in Otto Ernsts Lustspiel „Flachs mann als Erzieher" Karl Ekert (Schulrat Prell), ferner am Sonnabend als „Fuhrmann Henschel" Lothar Koerner. — In der Oper werden als neue Mitglieder am 1. Juli eintreten: Priska Aich vom Stadttheater in Dortmund (als Ersatz für Frau Marx): Eugen Albert vom Stadttheater in Düssel dorf (für Herrn Schönleber): Hans Lißmann, bisher an italienischen Bühnen tätig gewesen (für Henn Schroth) und endlich Jean Müller vom Deutschen Opernhaus in Charlottenburg (als Ersatz sür Herrn Rapp). — Die nächste Novität imSchau - spiel ist August Strindbergs Tragödie „Der Vate r". Dies ist das erste Werk Strindbcrgs, das aus der Bühne der städtischen Theater zur Aufführung gelangt. Die Erstaufführung findet am Mittwoch, den 15. Juli, statt. Die Regie hat der Intendant. * Zum neuen Intendanten des Karlsruher Hof theaters scheint der Major a. D. Harry von Bohlen und Halbach ausersehen zu sein. Harry von Bohlen und Halbach, der erst vor kurzem seinen Abschied aus dem Militärdienst als Major beim Schleswig-Holsteinischen Husarenregiment Nr. 16 ge nommen hat. ist, wie Berliner Blätter melden, als Mitarbeiter bei der Generaldirektion des Großherzog lichen Hoftheaters in Karlsruhe für den 1. September verpflichtet worden. Er ist ein Bruder von Gustav Krupp von Bohlen und Halbach in Esten und voll endet am 24. August fern 48. Lebensjahr. Seine Neigungen zur Kunst sind in Karlsruhe schon seit langem bekannt. Er selbst ist bei Wohltätigkeits veranstaltungen häufig als Geigenspieler aufgetreten. Vermählt ist er mit einer Nichte des früheren braun schweigischen Staatsministers Dr. von Otto. In Karlsruhe gilt Harry von Bohlen und Halbach schon seit längerer Zeit als der kommende Mann bei einem eventuellen Rücktritt des gegenwärtigen Intendanten, Geh Hosratv Dr. August Basser mann, der diese Stellung seit dem Jahre 1904 als Nachfolger von Exzellenz Dr. Bürklin innehatte. * Die Volksvorstellung de» „Parsifal" im Wies badener tzoftheater gestaltete sich, wie geschrieben wird, zu einem künstlerischen Ereignis von besonderer Eigenart. Denn hier offenbarte es sich, wie tief die Wirkung des dem Theater sernliegenden Bühnen- weihfestspicls auf die n n b c f a n g e n e n V 0 l k s - -chichten ist. Der Eindruck, den das Werk auf diese» aus Handwerkern. Beamten, Arbeitern, Lehrern, Schülern, Frauen und Mädchen aus dem Volle zu- sammengesetzte Publikum erzielte, war herauszufühlen au» der lautlosen Stille, die in allen Rängen herrschte. Am stärksten wurden die 50- und 25-Pfennig- Plätze begehrt, und auf diesen von Arbeitern und Arbeiterinnen besetzten höchsten Rängen war eine geradezu erstaunliche Disziplin. Niemals, auch nicht nach den Aktschlüssen, wurde die Stimmung durch Beifall gestört. Es wäre in hohem Grade wünschenswert, auch in Leipzig eine solche Volks vorstellung oder bester noch, deren mehrere zu er möglichen. * Das Elsässer Theater in Mülhausen veröffentlicht ein Preisausschreiben für Theaterstücke in elsässischcm Dialekt, sür die Preise von 1000, 500, 300, 200 und 100 zur Verfügung stehen. Es dürfen Stücke ernsten und heiteren Inhalts sein, auch Mülhaujer Revuen, für die aber der erste Preis nicht in Betracht kommt. Die näheren Bedingungen des Preisausschreibens sind durch den Präsidenten des Theaters, Ch. Hornus in Mülhausen, zu erfahren. * Eine Freie Bühne für Frauendramen? Einige bekannte Schriftstellerinnen und Darstellerinnen haben sich zusammengetan, um nach dem Beispiel der einstigen Freien Bühne eine Vereinigung zu schaffen, die von Frauen geschriebene Dramen zur Aufführung bringen soll. Die Frauen fühlen ihren männlichen Kollegen von der Feder gegenüber zurückgesetzt, weil selten ein Thcaterdirettor geneigr ist, das Stück eines weiblichen Autors auszufuhren, «ie meinen, daß auch aus ihren Kreisen berufene Bühnenschriftstellerinnen hervorgcben und nur ein Vorurteil sie in den Hintergrund drängt: sie wollen nun durch eine Freie Bühne die Oeffcntlichkeit und die ständigen Theater für ihre Arbeiten interessieren. Vorläufig ist die Angelegenheit allerdings über die ersten Vorbereitungen zur Begründung des Vereins noch nicht gediehen. - * Deutsche Wagner-Aufführungen in Pari». In der Pariser Großen Oper finden im Oktober dieses Jahres wieder Aufführungen von Werken Richard Wagners statt, die von deutschen Kapellmeistern dirigiert werden. Der Mannheimer Hofkapellmeister Arthur Bodanzky wird, der ..Neuen Badischen Ländcszeitung" zufolge, den „Ring des Nibelungen", der Münchener Hofkapellmeister Bruno Walther wird „Parsifal" und eine Auf führung der „Walküre" leiten. * Sin« hervorragende Erwerbung hat, wie uns aus Nürnberg gemeldet wird, letzthin die Bibliothek des Nürnberger Germanischen National museums zu verzeichnen gehabt, indem die Reihe der vorlutherischen deutschen Bibeln durch den Ankauf eines trefflichen Exemplars der 7. deutschen Bi bei ergänzt und vervollständigt werden könnt»», was schon lange der besondere Wunsch der Ver waltung der Anstalt gewesen war. Es handelt sich dabei um die seltene, reich mit Holzschnitten aus gestattete Ausgabe, die 1477 in Augsburg bei Anton Sorg im Druck erschien. Seit Jahrzehnten war kein Exemplar dieser Ausgabe, die nicht nur für dir Kultur- und Kirchengeschichte sowie für die Sprach wissenschaft, sondern in ihrer prächtigen typographi schen Ausstattung namentlich auch für die Geschichte der Buchdruckerkunst von nicht geringem Interesse ist, in den Handel gekommen, und dankbar anzuerkennen ist daher das freundliche Entgegenkommen des Herrn Hofantiquars Jacques Rosenthal in München^ der beim Ankauf des Buches einen erheblichen Preis nachlaß gewährte. Die eigentliche Kaufsumme hofft das Germanische Museum durch das Zusammen wirken der hauptsächlichsten Druckereien Deutschlands aufzubringen, die wohl das wesentlichste Interesse an dem Ucbergang eines solch kostbaren Denkmals der Buchdruckerkunst aus dem Handel in öffentlichen Besitz haben dürften und an die deswegen in diesen Tagen ein Ausruf zur Zeichnung von Beiträgen er gangen ist. * Das Tontünstlerfest 1915 findet in Chemnitz statt. Verschiedene Städte, unter ihnen Düsseldorf. Hannover, Karlsruhe, Darmstadt und Chemnitz, hatten sich um das Fest beworben. Zuletzt bandelte es sich nur noch um Darmstadt und Chemnitz. Es ist den beteiligten Herren gelungen, auf dem Ton künstkcrfest in Essen solche Propaganda zu machen, daß die Wahl auf Chemnitz fiel. Es ist das 50. Ton- künstlcrfest, also ein Jubilüumsfest. Künstlerisch er hält es eine besondere Bedeutung dadurch, das; Richard Strauß seine „A l p e n sy m p h 0 n i e" zur Uraufführung bringen wird. * Der neue Direktor der Charite. An Stelle des Professors Dr. Oskar Scheibe, der zum Inspekteur der Sanitätsinspektion in Kastel ernannt wurde, ist der Generalarzt Dr. Hermann Schmidt zum ärzt lichen Direktor der Charite- ernannt worden. General arzt Dr. Schmidts der zu Berlin im Jahre 1863 ge boren ist, war früher Vorsteher des medizinischen Untersuchungsamts an der Kaiscr-Wilhelm-Akademie und zuletzt Korpsarzt des 3. Armeekorps. Er ist in weiten Kreisen als vorzüglicher Chirurg bekannt. * Die Stotznersche Szrtschuan-Expedition, bestehend aus St 0 tzner, dem Geographen Dr. Israel und Lecker vom Ostasiatis hen Lloyd, die am 13. April von Chengtufu aufgedrochen war, ist, wie aus Schanghai gemeldet wird, nach Durchquerung der von tibetanischen Ureinwohnern bewohnten Ge biete von Wasu, Gestha und Cbala in TatsienIu angekommen. Die Teilnehmer der Expedition be richten, daß die Ausbeute in geographischer und kommerzieller Beziehung wertvoll sei. Dr. Israel hat mehrere bisher unbekannte schneebedeckte Paste von der Höh« der Jungfrau entdeckt. Ein weiteres Vordringen nach Nordwesteu und Westen war wegen ptlilischer Unruhen an der tibetanischen Grenze un möglich. In den nächsten Tagen geht die Expedition zunächst durch das Taschintal nordwärts in das Cochiagebict und dann östlich nach Sungpan, wo fi« im Herbst eiatreffen will.