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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140624021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914062402
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914062402
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-24
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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Leipziger Tageblatt. Seite 2. Nr. 316. Ndenü-Nusgaire. Fürsten Wilhelm bisher 550 Tote und über 200 Ver wundete. Es sind unmittelbar neben dem Fürstlichen Palais «ine Anzahl neue Baracken errichtet wor den. Die im Besitz der Aufständischen befindlichen vier Maschinengewehre tragen, wie „News" von in Durazzo cingetrosfenen Uelxrläufern erführt, den türkischen Intendanturstempel. Die Grost- müchte haben neue Verhandlungen über die Zukunft Albaniens bei einem Unterliegen des Fürsten Wil helm nicht geführt. Essad Pascha al» Fürst? Mailand, 24. Ium. lEig. Drahtmeldung.) Hiesige Zeitungen berichten aus Valona, dast sich dort 200 Gendarmen für Essad Pascha als Herr scher erklärt haben und die übrige Polizei in der Kaserne zum Abfall vom Fürsten Wilhelm auf fordern. Die telegraphische Verbindung Durazzo- Palona ist wieder unterbrochen. vi- griechisch-türkische Entspannung. Die Spannung zwischen den beiden Ländern hat sich soweit gemildert, dast eine unmittelbare Kriegs gefahr nicht mehr besteht. Das ist am deutlichsten daraus ersichtlich, dast König Konstantin sich für einen Erholungsaufenthalt in Deutschland angesagt hat. Trotzdem wird die Erledigung der strittigen Punkte, die Rückkehr der Ausgewanderten und ihre Schadlos haltung. noch lange Zeit in Anspruch nehmen, denn die Gegensätze in der Auffassung der Pforte und Griechenlands werden dabei noch manchesmal in Erscheinung treten. Es liegen folgende Mel dungen vor: Die Kriegsgefahr beseitigt. Berlin, 24. Juni. Im griechisch-türkischen Kon flikt hat sich die griechische Regierung mit der von der Türkei angebotenen nochmaligen Prüfung der Auswanderungsfrage und mit derSchad. loshaltung der griechischen Flüchtlinge durch die Türkei einverstanden erklärt. Die neue Kriegsgefahr auf dem Balkan gilt damit vor läufig als beseitigt. Tie griechische Antwort. * Athen, 23. Juni. Die „Agence d'AthSnes" er- fährt aus zuverlässiger Quelle, dast die griechische Antwort auf die türkischen Noten erst in drei bis vier Tagen formuliert sein und veröffentlicht werden wird. Alle Angaben über ihren Wortlaut sind daher mit Vorbehalt auszunehmen. Der Sommeraufenthalt des Königs Konstantin. Berlin, 24. Juni. Die Behebung der griechisch türkischen Spannung wird durch die in Berlin cingegangene Anzeige der Ankunft König Kon stantins von Griechenland am 15. August in Homburg v. d. H. bestätigt. Der griechische König wird sich in Begleitung des Kronprinzen von Griechen land befinden. Die Festsetzung der Entschädigungen. Konstantinopel, 24. Juni. In Athen finden gegen wärtig Verhandlungen statt, um die Machtvoll- kommenheitdergemischtenKo m Mission festzustellen, die damit beauftragt ist, dieRückkehr der griechischen Flüchtlinge zu regeln und die Höhe der von der Türkei zu zahlenden Entschädigung festzusetzen. — Weiteren Meldungen zufolge haben 53000 Muselmanen, die ihrer Religion treu bleiben wollen, Griechenland verlassen; es sind dagegen andererseits 200000 Griechen tür kischer Nationalität nach Griechenland aus gewandert. Ununterbrochene türtische Kriegsoordereitungen. Konstantinopel, 24. Juni. Die türkische Negierung betreibt mit großem Eifer ihre militärischen Vorbereitungen, die sie infolge der drohenden Haltung Griechenlands für notwendig hält. Alle Reservisten bis zum 15. Lebensjahr befinden sich augenblicklich unter den Waffen. Die Dardanellen sind, entgegen den umlaufenden Ge rüchten, für griechische Schiffe nicht gesperrt. Die beiden amerikanischen Kriegsschiffe al» Friedens erhalter. Athen, 23. Juni. Die .,Agence d'Ath« ne" erklärt, daß die Lage angesichts der kriegerischen Vor bereitungen der Türkei immer noch unentschieden sei. — Die Blätter sagen, dast nur die Erwerbung der amerikanischen Kriegsschiffe „Missis sippi" und „Idaho durch Griechenland den Konflikt beseitigen könne. Die Meldungen türkischer Blätter, dast griechische Banden au» Chios und Myti- lene versuchten, an der kleinastatischen Küste zu landen, sind völlig aus der Luft gegriffen. Ein« englische Schilderung der Verfolgungen. London, 24. Juni. Der „Daily Telegraph" ver öffentlicht weitere Einzelheiten über die schreck- lichen Verfolgungen, denen die Griechen in Kleinasien ausgesetzt waren. Auster den 18000 Grie chen, die sich auf der Insel Chios befinden, dürften sich augenblicklich noch weitere 5000o auf Mytilene aufhalten. Alle Flüchtlinge leiden groste Not und erklären, dast die Türken in unmenschlicher Weise gegen sie vorgegangen sind. In Karabome und Phoga haben regelrechte Menschenjagden gegen die Griechen statt gefunden, bei denen zahlreiche Griechen lebens gefährlich verletzt wurden. Ein Kreis zeigte seinen vollkommen mit Messerstichen bedeckten Körper. Die Bürgermeister der Orte gaben selbst das Signal zum Angriff. politische Ueberlicht Immer mehr Material zum Thema: Grüensschacher. Zur Bekämpfung des Ordensschachers hat die Handelskammer Chemnitz an das sächsische Ministerium des Innern ein Schreiben gerichtet, worin sie einen neuen Fall zur Kenntnis dringt, in dem ein Graf Schimmelmann (Ritt meister a. D.) aus der Düsseldorfer Straste 23 in Berlin-Wilmersdorf einem Industriellen einen Bal kanorden in Aussicht stellt, wenn er für das Rote Kreuz jenes Staates mehr als fünftausend Mark zeichnet. Die Handelskammer schreibt nach der „V. Z." weiter: „Derartige Ansinnen werden zwar kaum jemals in einem unserer dezirkseingesessenen Industriellen und Kaufleute, an die man sie zu richten wagt, Gegenliebe finden, schließen aber eine solche Herab würdigung und Beleidigung des ganzen Fabrikanten- undKaufmanns- stanoes ein, dast sie unseres Erachtens nicht nur Preisgabe in der Oeffentlichkeit durch die Presse verdienen, sondern auch ein Einschreiten der dazu berufenen Instanzen angezeigt erscheinen lassen." Die Handelskammer schlieht ihre Mitteilung an das sächsische Ministerium mit der Bitte, zur Herbei- führung einer besseren Würdigung der von ihr ver tretenen Erwerdsstände und zur Bekämpfung des Ordensschachers überhaupt geeignete Mahnahmen zu treffen. Der „Vorwärts" fährt in seinen „Enthüllungen" fort. Er veröffentlicht wiederum einen längeren Artikel über angeblichen Titelschacher; diesmal handelt es sich um Briefe von Personen in München und Nürnberg, die sich mit der Vermittlung namentlich des Titels „Kommerzien rat" besaht haben sollen. Sind die Briefe authen tisch, dann wäre aus ihnen zu entnehmen, dast die Briefschreiber tatsächlich versucht haben, an sich ge eignete Geschäftsleute persönlich oder durch Mittels männer an den zuständigen Stellen für die Ver leihung eines Tireis zu empfehlen und für diese Vermittlung offenbar einen Teil der Gelder, die die titellüsternen Herren zu allgemeinen Zwecken her- gaben, als Provision in ihre eigenen Taschen zu leiten. Endlich ist in diesem Zusammenhang auch folgende Meldung von starkem Interesse: Auf Ersuchen der Staatsanwaltschaft Berlin ist inToulouse ein gewisser Dr. Peres vernommen worden, um festzustellen, ob er in die Angelegenheit des Titels- und Ordensschachers verwickelt ist, mit welchem sich die deutschen Behörden zurzeit befassen. Peres gab zu, die Internationale Akademie für Künste und Wissenschaft ten in Toulouse, die jetzt aufgelöst ist, gegründet und einem Deutschen namens Bovschiner Diplome und Auszeichnungen dieser Akademie geliefert zu haben; stellte aber in Abrede, Bobschiner aufgefordert zu haben, ihm deutsche Diplome, insbesonders solche der Uni versität Rostock, zu verschaffen. Die Archive seiner Akademie seien im Jahre 1912 beschlagnahmt und nach Brüssel wegen eines dort schwebenden Verfahrens wegen Titelschachers gebracht worden. Kongreß -er Gewerkschaften Veutschlan-s. Ur. München, 23. Juni 1914 . Nachdem die Resolution de» Abg Robert Schmidt einstimmig angenommen worden war, folgte ein Referat des Arbeitersekretärs Wissel-Berlin über die Tätigkeit de» Zentralarbeitersekre tariats. Wissel wandte sich vor allem gegen dir Rechtsprechung des Grasten Senats des Reichs versicherungsamtes, die weit zurückblelbe hinter der Rechtsprechung des Oberverwaltunasgerichts Die Klagen der Industrie über die sozialen Lasten fänden nicht die geringste Begründung durch die tatsächliche Lage. Bedauerlich sei, dast die Arbeiter den Versicherungswahlen viel zu wenig Beachtung beilegten. Gewist sei das Wahlrecht reaktionär. Trotzdem müsse man gegen diesen rückständigen Geist ankämpfen. » „ , In gleichem Sinne sprach Reichstagsabg. Grebel- Berltn, der die Versicherten aufforderte, zur Ver hütung weiterer Verschlechterungen sich an den Wahlen zu den Versicherungsanträgen zahlreicher zu beteiligen. Den Schlust der Sitzung bildeten längere Debatten über zahlreiche Anträge, die zu den Anstellungs verhältnissen und Anstellungsbedingungen gewerk schaftlich organisierter Arbeiter bei den Konsum vereinen vorlagen. Vor allem wandten sich diese Anträge gegen einen Tarifvertrag, der gegenwärtig zwischen dem Transportarbeiterverband und dem Zentralverband Deutscher Konsumvereine bestehen und auf Grund dessen die Konsumvereine nur Mit glieder des Transportarbeiterverbandes anstellen dürfen. Vertreter der übrigen Gewerkschaften wandten sich gegen diese Sonderstellung und verlangten die Gleichberechtigung ihrer Mitglieder mit den Mit gliedern des Transportarbeiterverbandes. Vie neue anhaltisthe Gemeln-e-Gr-mmg. Der Anhaltische Landtag trat am Dien», tag in Dessau zu einer Sommcrtagung zusammen, um als einzigen Gegenstand die neue Gemeinde-, Stadt- und Dorfordnun g zu beraten. Staats minister Dr. Laue nahm das Wort zu einer aus führlichen Begründung des Gesetzentwurfs über die neue Gemeindeordnung. Er betonte, dast d«r Ent wurf einer der umfangreichsten und schwierigsten sei, die jemals dem Landtag« vorgelegen hätten. Er, der Minister, habe geglaubt, mit der Einbringung der Vorlage nicht mehr zögern zu dürfen, weil Gefahr im Verzüge sei. In dieser Ueberzeugung sei er noch bestärkt worden durch Eingaben der Nationallibe ralen, Konservativen und der kaufmännischen und ge werblichen Kreise. Der Minister verwarf dann die von den Freisinnigen geforderte Uebertragung des Reichstagswahlrechts auf Anhalt. Die Regierung habe den Zensus aus dem alten Wahlrecht beseitigt, der 10 000 Personen vom Wahlrecht bisher ausge schlossen habe. Dadurch werde die städtische Wähler schaft um ein Drittel ihrer bisherigen Zahl vermehrt. Was das Wahlrecht auf dem Lande angehe, so ändere der Entwurf an dem bisherigen Rechte nur wenig. Die Dreiklasseneinteilung werde beibehalten, der Zensus aber auch hier beseitigt. Der Entwurf gebe aber auch die Möglichkeit, auf dem Wege ortsstatuta rischer Bestimmung auch die geheime Wahl einzu führen. Vor 1. Juli 1915 werde der Gesetzentwurf keinesfalls Gesetzeskraft erlangen können. Nach dem Minister sprach Abg. von Krosigk namens der Konservativen. Er begrüßte den Gesetzentwurf, der ein« Stärkung der staatserhaltendcn Elemente und der steuerlich am meisten belasteten Kreis« bringen solle. Die Konservativen würden der Vorlage in der bestimmten Voraussetzung zustimmen, daß an der da mit eng verknüpften Dorfordnung nicht gerüttelt werde. Für die Abschaffung des Zensus würden die Konservativen stimmen, dagegen nicht für die geheime Wahl auf dem Land«. Abg. Dr. Coh n, der für die Freisinnigen sprach, liest an der Vorlage kein gutes Haar. Er wandte sich scharf gegen di« Konservativen und Nationallibcralen und trat für die Uebertragung Les Rcichswahlrechts auf die Ge meinden ein. Abg. Voigt (Soz.) bezeichnet« den Entwurf als reaktionäres Machwerk schlimmster Sorte. — Warm trat für die Vorlage der national liberale Führer Abg. Dr. Leonhardt ein. Zwar äusterte auch er einige Wünsche, die er in der Kom mission zu Anträgen verdichten werde. In d«n Grundzügcn erkannt« er aber den Entwurf als einen guten Boden für ein ersprießliche Weiter MNMllltz, 24. Juni ISIL arbeiten an. Er betonte insbesondere, dast die Na tionalliberalen für die Einführung der geheimen Wahl auchaufdemLandc eintreten würden. — Den Dank der Mittelstand»o«r«iniguna und de» Handwerks für die Vorlage erstattete Abg. Streu- ber. Im weiteren Verlaufe der Debatte kam es zu erlegten Auseinandersetzungen zwischen dem Abg. Dr. Cohn «inerseit» und den Nationalltberalen und Konservativen anderseits. Abg. Dr. Cohn erhielt nicht weniger denn acht Ordnungsrufe; aber auch di« konservativen Abgg. von Krosigk und von Trotha wurden vom Präsidenten zur Ordnung ge rufen. D«r Entwurf wurde einer Kommission über wiesen, in die Abg. Dr. Cohn trotz seines ausdrück lichen Verlange? nicht gewählt wurde. Da auch Abg. Artl abgesagt hat, so sind die Freisinnigen in der Kommission nicht vertreten. Die zweite Lesung des Entwurfs wird voraussichtlich Anfang nächster Woche stattfinden. V-utscher Reich. * Deutscher Industrieschutzverband. Sitz Dresden. ' Unter zahlreicher Beteiligung von Mitgliedern aus allen Teilen Deutschlands fand am Dienstag die Generalversammlung des Deutschen Jndnstriefchutz- verbandes in Dresden statt. Verbandsdirektor G r ü tz n e r-Deuben gab den Geschäftsbericht für das vergangen« Jahr. Die Mitgliederzahl ist um rund 800, die versicherte Lohnsumme um 80 Millionen Mark gestiegen, sie hat die zum Tage der General versammlung fast M) Millionen Mark erreicht, die sich auf rund 5000 Mitglieder verteilen. Es haben sich wiederum eine Reihe von Arbeitgeberverbänden dem Deutschen Industrie schutzverband angeschlossen und ihm die Durch führung der Streikversicherung für ihre Mitglieder übertragen. Das Jahr 1913 gehörte zu den weniger streikreichen Jahren. Es kamen insgesamt 210 Streiks zum Ausbruch, während es in 230 Fällen gelang, eine Arbeitseinstellung zu verhüten. Durch die Streiks sind insgesamt 172 251 Arbeitstage aus gefallen, die den Mitgliedern hierfür gezahlten Ent schädigungen erreichen die Höhe von 130277 ./z Als besonders interessant wurde hervorgehoben, dast die DauerderStreiksgegendasVorjahr wieder beträchtlich gestiegen ist. Die durchschnittliche Dauer eines Streiks im Jahre 1913 betrug 30 Tage gegen 25 im Jahre vorher. Die Kämpfe sind also erbitterter geworden; in der überwiegenden Mehrzahl der Fälle gelang es den Mitgliedern, gestützt auf den Rückbalt des Verbandes, sie siegreich durchzuführen. Dem Entschädigungsfonds konnte wiederum eine beträchtliche Summe zugeführt werden. — Nachdem den fatzungsgemästen Organen von der Versammlung Entlastung erteilt worden war, erfolgte die Neuwahl des Ausschusses. Es wurden die Herren: Georg Montanus (Verband der elektrotechnischen Installationsfirmen Deutschlands), Frankfurt a. M. Direktor Albert Mayer (Schutz verband Deutscher Glasfabriken), Penzig, Baumeister George, Leipzig, Baumeister I. W. Roth, Neugers dorf i. Sa. und Verbandsdirektor Baptist Frisch vom Verbände der Deutschen Schuh- und Schäftefabrikanten in Frankfurt a. M. zugewählt. O * Der diesjährige Verbandst«« des Verbandes für Internationale Verständigung findet vom 10. bis 12. Oktober in Eisenach statt. Es werden u. a. der Kaiserliche Gesandte z. D. Raschau (Berlin) über die politische Lage, Kerschensteiner (München) und Piloti (Würzburg) über nationale Jugend erziehung, Rosenthal (Jena) über Presse und Inter nationale Verständigung und von Liszt (Berlin) und O. Nippold (Frankfurt/Main) über die amerikanischen Schiedsgerichtsvorjchläge referieren. In der großen öffentlichen Versammlung werden Prinz Schonarch- Carolath und Baron d'Estournelles de Constant sprechen. * Der sozialdemokratische Reichstagskandidat für Labiau-Wehlau. Die Sozialdemokraten haben als Kandidaten für die Reichstagsersatzwahl in Labiau- Wehlau wieder den Parteisekretär Linde (Königs berg) aufgestellt. * vom verband der Aerzte Deutschlands wird uns geschrieben: „Die „Braunschw. Landeszeitung" verbreitet neuerdings die Meldung, dast sich im Gegensatz zum Verbände der Aerzte Deutschlands (Leipziger Aerzteverband) ein „Verband unab hängiger Kassenärzte" mit dem Sitze in Braun schweig gebildet habe. Beigetrcten seien bisher Sodadvarooballs"^^ ZperiLlitLt: — t'cra pr. 11189. Kei Vie Liebe üer örei Kirchlein. 2j Roman von E. Stieler-Marshall. (OonyrMLt WM liy Vroik ein L Oo.. 0. m. t>. II. Willi Kirchleins gar sehr lebendiges und ewig junges Herz, dessen Tore allein Schönen zu jeder Stunde weit geöffnet waren, stand mit einem Schlage in Hellen Flammen. Es zog und zerrte ihn, das; er am liebsten jener fremden Frau nachgelaufen wäre wie ein Schüler — er stand unentschieden — aber da schlug cs von der Stadtkirche, die dort all die soiinengläuzen- deu Schieferdächer überragte, mit ehernem Dröhnen halb zwei, und dem Professor sielen all seine Pflichten und Versprechungen wieder ein er schritt nun schweigend, tief in (Ge ¬ danken und eilig seines Weges weiter und kam bald in die breite, stille Vorsladlstraste, wo seine Wohnung lag. Richtig, sie sclzanten schon nach ihm aus — dort oben am Fenster des trau lichen Hauses zwei junge, runde Gesichter — ein Tüchlcin wehte. Kirchlein pfiff seinen Gruß und winkte — jeden anderen Gedanken nun vergessend, beschleunigte er seine Schritte noch mehr. Am Hause stand Mutter Wendt, die dicke, rotbäckige Gemüsehändlerin, vor ihrer Ladcntür und begrüßte ihn mit einem behäbigen Lächeln. „Schön Wetter, Herr Professor, wenn es so weitergcht, dann brauchen wir nur noch mal ein bißchen Regen, und die Kirsct)en blühen — meinte sie. Mit der Höflichkeit, die ihm gegen jeden Menschen, sei er hoch oder gering, inug oder alt, eigen war, zog Kirchlein seinen breiten Hut. „Gehorsamer Diener, meine verehrte Fran Wendt. Na, was machen Pappcknn und das Martakind? — Ja, noch ein paar Wochen Son nenschein und Regen und wir haben auch wieder Spargel, die Göttlichen. Wir leiten es doch wieder wie immer, meine gute Spargelfee'?" „I nu natürlich, Herr Professor —" lachte die gemütliche Frau — „die schönsten Stangen sucht die Wcndten )ür ihren Professor heraus und schickt sie der Minna 'rauf. Das bleibt alle Vetle immer so, bis sie mich mal in die Erde »«b y.MAk» - „Daun, wenn ich das noch erlebe, Mutter Wcndten, in fünfzig Jahren oder so —, dann kriegen Sie auch einen feinen Kranz mit breiter Scküeife, und da soll cs in goldenen Buchstaben darauf stehen: Meiner getreuen Spargel spenderin. Die schönsten Spargel hieltst du mir bereit, nun gehe friedvoll ein zur cw'gen Selig keit —" rief Kirchlein, der über die Schwelle trat, aus der Haustür noch der Frau zu. „Was deklamierst du denn Für Kirchenlieder, Vätchen?" Ein Helles Lachen, ein liebliches Zwitscher- stimmcheu tönten ihm von der Treppe entgegen, leichte Füßchen huschten über die Stufen -- ein weißes Kleid wehte — — und da flog es dem Professor an die Brust — weich und zierlich, zart und frisch wie ein weißes Blättchen der Apfelblüte. „Bärchen, Vätchen — wirklich beinahe pünktlich zur versprochenen Stunde — — Du bist ein großartiger Kerl. Nun aber fix komm geschwind hinaus, das Festmahl i't be reitet — Eine kleine, weiche Kinderhand troch in sei nen Arm, und nun stürmten sic zu zweit die Treppe hinaus Ivie wilde Jungen, ganz atemlos langte» sie oben an. „Donnerwetter, Frauchen —" sagte Kirch- lein schnaufend und nach Lust ringend — „das düstet ja hier großartig, cs gibt wohl gar ein Gänschen?" Dao Mädelchen nickte strahlend, alles an dem glückseligen Kinde war m strahlend, die braunen Locken mit dem goldigen Schimmer, das rosige Rund des weichen Gesichtchens, das feine kecke Näschen, die roten leuchtenden Lip pen, aber vor allen Dingen die Angen, deren Farbe so schwer zu bestimmen war. ^ic waren nicht braun und waren nicht blau — und erst recht nicht schwarz nein wahrhaftig — das waren doch goldene Augen? Goldene Augen — jawohl — — „Sic hat die goldenen Augen der Waldeskönigin." „L0, wirtlich ein Gänschen?" ncckle der Professor — „das finde ich sinnig, an deinem Ehrentage " „Vöh!" machte Frauchen, und schob die Unterlippe weit vor. „Heute kannst du mich schon lange nicht ärgern, Alter. Hurra, Hurra — ich habe die Schule hinter mir — — nun endlich auch die langweilige Sclekta. Aber hallst dn es für mögtich, Vätchen, wir haben alle sünf geheult, und wie wir zusammen hin- ausgingen, und ich warf noch einmal so recht feste und knallend die Klassentür zu, sprach Henny Maaß mit Grabesstimme: So fällt die Türe unserer Kindheit aus ewig hinter uns ins Schloß." Sie traten ins Wohnzimmer, das nicht sehr groß, aber ungemein hell und freundlich war, und wo jetzt eine festliche Tafel gedeckt und hei ter und lieblich mit den schlichten Blümchen des April geschmückt war. „Wern — Werncrns — —" rief Frauchen mit Heller Stimme — „komm zu Tische!" „Jawohl —" antwortete eine raul-e, miß- lönige Stimme aus dem Nebenzimmer. Werner Kirchlein, Frauchens prächtiger Zwilling, war in der schönen Uebergangszcit vom Hellen Knabendistaiit zu männlichem Baß. Der junge Bursche trat ins Zimmer, frisch und hetl wie der Apriliag draußen, der Schwester lächerlich ähnlich, wie Bub und Mädel in die sem gesegneten Alter des Werdens einander noch ähnlich sein können. Nur goldene Augen hatte Werner nickst, sondern richtige braune. Er hielt vorsichtig zwischen den rauhen, mageren Knabenhänochen ein Blumenstöckchen, eine Azalea mit rosigen Blüten. Damit trat er feierlich vor Frauchen hin und sagte fröhlich: ^>u des Lebens Wundergarlen Springt dir heul' die Türe auf. Mögen Blumen auf dich warten, Heiter sei dein Lebenslauf. Der Professor lachte sein warmes, gesundes Lachen. „Teufel noch eins. Junge, was für Talente schlummern in dir —" rief er — „hast du das ganz allein gekonnt?" Frauchen stellrc die Blume auf die Festtafel, und gab dem Bruder einen herzl-aftcn Kuß. Uud «UN brachte Minna die Suppe. Ach die Minna, die gute, getreue, häßliche Minna mit ihrer klapperdürren und beinahe zwerghaft klei nen Gestalt, mit dem straff aus der Stirn ge kämmten fahlblvnden Haar und den kleinen, hellblauen zwinkernden" Aeuglein (Schweins äuglein, mit Respekt zu vermelden) — — was war sie trotz allem für ein Prachtkerl! Sie war schon im Hause gewesen, als die Zwillinge zur Welt kamen und die schöne, sanfte, stille Fran Doktor immer kränklicher, immer schwächer wurde und schließlich — die Kinder, die ihre Lebenskraft gekostet hatten, waren noch nicht zweijährig — wie ein Licht verging. Da hatte Kirchlein einmal in die Küche sich verirrt und die kleine Minna angstvoll um ihre Meinung gefragt: „Minna, muß ich mir eine Hausdame oder eine Erzicl-crin ins Hans nehmen?" Der Gedanke war ihm fürchterlich. Aber damals hatte das Minnachcn seine be rühmte unvergessene Rede gehalten: „Dreinreden kann ich dem Herrn Doktor ja nicht. Ich bin ja nur so ein kleines Huzelchen von 'nen» Dienstmädchen, und wenn der Herr Doktor jemand vor die Präsentierung brauchen tut, dadervor wäre ich ihm freilich nicht zu Rate. Aber unsere Kinder nehme ich auf mich, die habe ich lieb und weiß auch, wie die Frau Doktor alles hat eingerichtet und hat haben wollen. Wann 'ne Hausdame kommt, gebe ich lieber. Denn ich mag nicht umlernen for dieses Haus, daß ich vielleickit alles konträr müßt machen, wie die Frau Doktor eS nicht wollte. Wenn Herr Doktor mich for tüchtig genug hält, dann wollte ick wohl allein hier wirtschaften, daß nichts zu klagen bliebe. Und wegens 'ner Erzieherin! Ja, englisch und lateinisch würde ich mit den Kindern natürlick nicht könn' spreche, aber daß sie manierlich sind und keine Lügen lernen und des Abends ihr Gebetchcn saaen, dadervor getraue ich mir auch zu sorgen. Und wenn, daß sic erst in die Schule gehen, di« sind so gescheit — ihre Arbeiten, die können die nachher von ganz alleine. Meine Meinung wäre, der Herr Doktor sollte nicht so ein ge lehrtes Fräulein anschaffcn — die tüte am Ende uns allen über den Kopf wachsen und wäre vielleicht so unverschämt und wollte unseren Herrn Doktor zuletzt ggr l-eiraten." , . (Fortfetzung in der Morgenausgabe.)
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