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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140622027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914062202
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914062202
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-22
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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flbenö- Ausgabe öeruasvkvil'»» EetpUg UN» Vorort, »urch unser« Tr-a« * un» SpeSiteur«Lmaltitgli» in« hau« gebracht, monatlich 1.45 NI., viertellährllch,.75 M. »ei »er »»schüst-steU», unfern Ztlialen un» MuagabefteUen abgeholt: mooat«ch,M.,»>»rt»l«ährttch,M. V»lt: innerhalb deutschlanS« un» »er üeutfchen Kolonie» monatlich 1.5» M., vierteljührlich ».50 M., auofchliehlich poftdestellgel». Sa» Leipziger Tageblatt erscheint werktags rmal, Sonn- u. Zeiertagolmal. ö*" Nachbarorten un» »en cvrten mit eigenen Zilialen wir» vie slbenoauogade noch am Nden» Seo Erscheinens in» Hou» geliefert, berliner NrSaktion: ,n »en selten 17.5«rn>orecb->>nscblii«: Moabit Nr »»7. ^curdelsFeLturrs ZlrntsblLtt des Rates und des pollseüuutes der Stadt Leivzrg Redaktion un» Sefchästsfteve: ^ohanniogass» Nr.«. * Zernsprech-Nnschluß Nr. 1«b»4. 1«»» un» 1«»44. ISS. Jahrgang sür Inserat« au« Leipzig un» Umgebung »>« /INAergeNpreife. ispaiti»»p»tit,»tt«45ps.,»i,Nr«amr„U»lM., von au«w»rt« 5» ps., Nrklamen 1.4» M., Klein, Mnzeigen »ieprtitzeil« nur 4» pf.b.wieSerhol.Nad..Inserate von »rhör»en im amtlichenTeil »ir Petit zeil« 5» Pf. SeschSstsanzeigen mit platioorfchrlst im Preis, »rhSht. Nobatt nach Tarif, »eilagenr Sesamtaufl.5 NI.»a« Taufen» auoschl. Postgebühr. sinzeigen-sianahme: ^ohannisgafse«, bei sämtlichenZilialen»»«Leipziger Tageblatt«« un» allen stnnoncen-TxpeSitionen üe» 0n- un» flualon»««. Seschüstsstell, für Verliu u.»ie pr.Vranüendurg: direktionwalterZliegel, Serlin w. 1». Maraaretkenstrafte «. Zernsprech-stnichluS« Lüho« «»71. Nr. 312. Monlsg, »en 22. Huni. 1914. Vas wichtigste. * Fürst Wclyclm von Albani en soll mit den Aufständischen gegen den Willen der liolländischen Offiziere einen Waffen stillstand abgeschlossen haben. (S. des. Art.) * Der französische Marincininister be absichtigt ein Geschwader von Wasser flugzeugen einzurichten, das die Flotte stets beglencn soll. (S. AuS'l.) * Lord dl i t ch e n c r ist zum Earl ernannt worden. (S. Ausl.) Vie Tragödie der Hysterie. Das Rätsel von Elberfeld ist gelöst. Die Geschinorenen erblickten in Brun Hilde Wil- d e n keine Mörderin oder Totschlägerin, in dein Arzre Dr. Rollen keinen verbrecherischen Anstif- >'r, sondern sie folgten einzig nnd allein dein Erkenntnis von Leuten, die sich beruflich mit dem krankhaften Seelenleben des Menschen be lassen. Also dem Psychiater. Und diese sahen in dem traurigen Hall nichts anderes als eine Tragödie der Hysterie. Der Oefsentlichkeir yäkte »:e groste Anspannung und Aufregung erspart bleiben tonnen, wenn die Aufmerksamkeit von vornherein ans diesen Hintergrund des Dramas gelenkt worden wäre. Die moralisierenden nnd geselljchaflSt'ritischen Betrachtungen hätten sich dann gleich als überflüssig erwiesen. Das Elberfelder Urteil hinterläßt bei die ser Lösung auch wenig Zweifel nnd Unklarheiten. Richt wie so oft gingen etwa die Meinungen der ärztlichen Sachverständigen ausein ander, sondern übereinstimmend erklärten sie die Hauptangeklagte als Sch wer kranke, ihre Tai als die nnzurechenbare Handlung eines Zustandes, der die freie Willensbestimmnng aus schliefst. Der Hausarzt der Familie Wilden wies die seelische Erkrankung bis in die Kinderjahre des unglücklichen Weibes nach. Brunhilde Wilden Mr schon als Kind an krankhaften Zuckungen, die sich später so steigerten, das; sie den Eindruck von Epilepsie machten, und Geheimrat Puetz halte durchaus recht, wenn er im Anschluß an jene .Anfälle bei der Angeklagten das Bild der „t n p i s ch e n Hysterie" entwarf. Die schwere Hysterie ist tatsächlich der Epilepsie sehr äynlich. Die Umgebung hält die Anfälle meist ;ür simuliert und übertrieben. Denn die kran- len können in jähem Wechsel sofort nach dem Anfall in frohes Lachen ansbrechen, voll Ueber- Menschen irren sich nnd sind der Täuschung unterworfen allzumal; den aber nenn' ich weise, der, sobald er sieht, das; er geirrt, den Feh ler gut zu machen flicht, nnd nicht in seinem starren Eigensinn beharrt, denn Unvernunft und Torheit zeigt ein star res Herz. Sophokles. Uraufführung -es Don Jüan. Aus ganz Deutschland hatte man sich, so wird uns aus ^Dresden geschrieben, zu der Uraufführung des „Don Juan" in der neuen preisgekrönten Ueber- sc-tzung von Karl Scheitemantel am Sonnabend in der Dresdner Hofoper eingefunden. Es war — nach dem „Parsisal" — der zweite musikalische Höhe punkt, den die Oper in der nun zu Ende gehenden Spielzeit erreichte. Das Hauptinteresse wandte sich naturgemäß der neuen Uebertragung zu. Es ist nicht leicht, über sic ein abschließendes Urteil zu fällen, denn der neue Text liegt nur erst in einigen Bruch stücken vor, da er erst jetzt nach der Probe der Ur aufführung endgültig festgesetzt werden soll. So war man denn zum größten Teil aufs Gehör angewiesen. Zweifellos bedeutet die neue Uebersetzung eine wesentliche Verbesserung der bisherigen. Sie ist flüssig und gewandt, läßt auch den Humor trefflich zu Worte kommen und gibt zweifellos den Sinn des italienischen Originals vortrefflich wieder. Aber es scheint, daß Scheidemantel doch gar zu philologisch getreu gearbeitet hat. Bei jedem andern Werke, das nicht so sehr in den Bolksmund übcrgegangen ist wie gerade der „Don Juan", wäre dies angebracht, ja geradezu zu fordern — aber bei Mozarts unsterb lichem Werke hätte man billig die Imponderabilien beachten müssen, die im Hörer Mitwirken, Mit schwingen. Stellen, wie das „Champagnerlied" und „Reich mir die Hand, mein Leben", durften nicht mehr geändert werden, mögen sie noch so ungenau übertragen worden sein. Sie sind ins Volksbcwußt- sein so unauslöschbar übergegangen, daß cs eine un ersetzbare Einbuße für die Oper bedeutet, wollte man sie durch eine noch so schöne Uebersetzung verdrängen. Gewiß hat Schcidemantcl recht, darauf hinzuweisen, daß es zu Mozarts Zeiten noch keinen Champagner gab und daß es daher zeitwidrig ist, zu singen: „Treibt der Champagner das Blut erst im Kreise..." — aber als alter Bllhnenpraktikus mußte Scheide mantel sich sagen, daß es herzlich wenig auf solchen Anachronismus ankommt. Es ist nicht der Protest eines ans Alte Gewöhnten, gegen das Neue sich inut sein und ihren Zustand ganz vergessen. Alle Leiden und Schinerzen Des Anfalls sind aber nur zu „echt" und keineswegs eingebildet. Die Hysterischen lachen oder weinen mitunter anhaltend, ganz ohne Grund, und können sich nicht hemmen. Sie sind leicht entzückt, ebenso- leicht tief gekränkt; sie gleichen der Apotheker- wage, die auf kleine Belastung schon große Aus schläge gibt. Die Unglücklichen sind überaus emp findsam, reizbar, sehr bald entsetzt, nehmen alles inr Superlativ, entbehren der Besonnenheit, las sen sich gehen, können sich nicht überwinden oder zügeln, sie sind darum nicht kritisch, sondern leichtgläubig und zwar nicht nur gegenüber an deren, sondern auch sich gegenüber, indem sie ihren Borstellungen derart Glauben schenken, daß sie das Erträumte und Erdachte für wirkliche Geschehnisse halten. Dadurch erscheinen sie meist als Lügner. Der Borsitzende des Elberfelder Schwur gerichts hat auf die Unwahrhaftigkeit der An geklagten Wilden während der ganzen Veryand- gllng großes Gewicht gelegt. Aber er suchte in diesem Umstand immer nur den moralischen Feh ler, während die ärztlick-en Sachverständigen nachwiesen, daß es sich hier um eine ausge sprochene Form schwerer seelischer Erkrankung handelt. Bei solchen Kranken, so führte der Düsseldorfer Arzt Dr. Michel aus, „vermengt sich die Lüge und Phantasie mit der Wahrheit dermaßen, daß sie selbst nicht mehr wissen, was Wahrheit ist". Die Hysterischen glauben, daß sich etwas zugetragen hat, indes sie es sich bloß so gedacht haben. In dieser Fähigkeit liegt aber auch die Ursache mancher ihrer Krankheits erscheinungen, der Lähmung, der Gefühllosigkeit, der Schwiudelanfälle, des Erinnerungsmangels. Der dritte Sachverständige, Geheimer Medizinal- rat Braun, sprach deshalb von dem „Däm merzustand" während der Tat, von der der An geklagten nur „inselartige Erinnerungen" zu rückgeblieben seien. Was sie aber davon noch wußte, ist nach Ansicht desselben Sachverstän digen hysterisch gefärbt, unwahr, übertrieben, verzerrt, so daß man wiederum daraus keine Schlüsse für eine strafrechtliche Beurteilung ziehen tonnte. Rach alledem war es also von den Geschworenen durchaus logisch und rechtlich gedacht, wenn sie die Schirldfragen verneinten. Es ist sehr bemerkenswert, daß die Männer aus dem Bolke dem überaus schwierigen Seelen problem so großes Berständllis entgegenbrachten, größeres vielleicht, als die Juristen in diesem Halle. Denn aus dem Verhalten des Bor sitzenden während der ganzen Verhandlung ging hervor, daß er an die Unzurechnungsfähigkeit der Angeklagten Wilden nicht glaubte, ja nicht dachte. Verschiedene Zwischenfälle während der Sachverständigengutachten deuten sogar daraus hin, daß die Experten in einem gewissen Gegen satz zur Anschauung der juristischen Richterbank standen und sich erst durchsetzen mußten. Was die schwere Krankheit am besten zu beweisen schien, ging nach Ansicht des Vorsitzenden „über den Rahmen eines Gutachtens hinaus", keinen guten Eindruck machte es auch, daß den Sach verständigen das — Wassertrinken im Gerichtssaal verboten wurde. Ueberall bei den ernstesten Gelegenheiten, wo längere Zeit gesprochen werden muß, steht die Wasser flasche und das Glas. Wie man darin etwas „Wirtshausmäßiges" erblicken kann, ist schwer einzuseljen. Doch das nebenbei. Jin Elberfelder Prozeß siegte die wissenschaftliche Erkenntnis, und die Öffentlichkeit hat wohl keinen Grund, an dieser Lösung zu zweifeln und Kritik zu üben, so sehr der ganze Anlaß zu dem Prozeß auch zu beklagen ist. (Wir geben das wichtigst; aus dem Gutachten der Sachverständigen unter „Recht und Gericht" in dieser Nummer wieder. D. Red.) Ein Waffenstillstand in Albanien k Eine überraschende Meldung kommt aus Du- razzo, wenn sie auch vorläufig noch unbestätigt ist: Der Fürst soll gegen den Willen der holländischen Militärmission Len Aufständischen einen Waffenstill stand gewährt und die Holländer sollen ihre Ab berufung gefordert haben. Diese Kunde klingt sehr unwahrscheinlich, obwohl sie darin richtig sein mag, daß d«r Fürst, nachdem seine militärische Offensive gescheitert ist, selbst mit schweren Opfern zu einer Verständigung mit den Aufständischen kommen will. Dem würde allerdings eine Berliner Meldung wider, sprechen, daß Fürst Wilhelm von den Mächten mili tärische und finanziell« Hilfe erbeten hat. Beides, Soldaten wie Geld, tut ihm bitter not. Es liegen folgende Meldungen vor: Bruch zwischen dem Fürsten und den holländischen Offizieren. Pari», 22. Juni. Der „Matin" erhält auf draht losem Wege folgende vom 21. Juni datierte aufsehen, erregende Depesche aus Durazzo: Der Fürst von Albanien hat den Aufständischen einen Waffen stillstand gewährt, ohne die holländische Militärmission vorher zu befragen. Infolge dessen hat die Mission das Verlangen gestellt, a b» berufen zu werden. Es sind Parlamentäre zu den Vorposten der Aufständischen abgegangen. Diese Nachricht ist bisher von keiner anderen Seite be> stätigt. Sie wird nicht verfehlen, lebhafte Kommen Wehrenden, der hier spricht, sondern das allgemeine Gefühl, daß es selbst eine Tradition des Un richtigen gibt, die man wahren muß, wenn das Unrichtige schön, wenn es dem Volke vertraut ist. Den Geist des Textdichters hat die alte Uebersetzung getroffen — und das dürfte das Entscheidende sein. Im übrigen hat sich die neue Uebertragung Scheidemantels als durchaus bühnenwirksam er wiesen, und sie wird mit einigen Aenderungen, trotz dem Protest des Herrn Teweles in Prag, an den deutschen Opernbiihnen allgemein eingeführt werden. Die Dresdner Ober hat die Gelegenheit benutzt, das Werk gleichzeitig neu zu inszenieren. Auf dem Proszenium spielen sich wieder, wie von da Fonte vorgeschrieben, die Monologe ab, man möchte aber doch wünschen, daß die unjprüngliche Schlußszene, „die Moral von der Geschicht", wieder fortgelassen würde, denn die dramatische Wirkung von Don Juans Ende wird dadurch weientlich beeinträchtigt. Und zudem weiß man ja heute die Lehre selbst zu ziehen. Die Aufführung verdient das größte Lob, allein schon deshalb, weil es eine eminent schwere Aufgabe ist, die Künstler den alten „stehenden" Text vergessen zu lassen. Staegemann als Don Juan war aus gezeichnet, unübertrefflich Ermold als Leporello. Un ter den weiblichen Rollen ragte die Zerline von Minnie Rast hervor; Frl. Siems spielte die Donna Anna, Frl. Seebe die Donna Elvira. Das Orchester dirigierte Kutzschbach geistvoll. Der Beifall des Publikums war sehr stark. Am Schluß mußte sich auch Karl Scheidem-antol wieder auf den Brettern, auf denen er früher als Sänger so große Triumphe gefeiert hat. zeigen. Im ganzen «in verdienstvolles Werk, das den Ruhm der Dresdner Hofoper aufs neue vermehrt. l)r. Otto Unncimnnn. »der klecks/ Unser Berliner Schauspielreserent schreibt: Mit einer.„Uraufführung" eröffnete das Sommer- Ensemble im Kleinen Theater seine Saison. Den Sommertheatern empfiehlt sich das Lustspiel „Der Klecks" hauptsächlich mit der sehr leichten Bekleidung der Herren und Damen auf der Bühne. Man befindet sich dort zwar nicht an einem Bade strande. aber meistenteils in Bett- und anderer unvollkommener Toilette. Das Stück spielt im deutschen Biedermeier, als man die von Richard Alexander im Residenztheater Io oft siegreich zur Schau gestellten Unterhosen noch für „unaussprechlich" hielt. Diesmal erfreut uns mit ihnen nicht ein alter Schwerenöter, sondern ein junges tugendhaftes Fräulein. Das wäre noch kein Anachronismus, denn — schließlich — getragen hat man Leibwäsche auch vor neunzig Jahren. Auffällig ist dagegen der Gegensatz zwischen den dramatischen Unterhosen, deren sich die „Moderne" bedient, und dem Charakter des Lustspiels. Es ist wirklich in gereimten Versen ge schrieben, wie Theodor Körners und Adolf Müllners Lustspielchen, und es dreht sich, fern der Welt innerer Konflikte, um ein kleines Mißverständnis, wie nur je ein Zeitvertreib in Urgroßvaters Tagen. „Ich hab' eine alte Muhme, die ein altes Büchlein hat. Es liegt in dem altenBuche ein altes dürresBlatt. So dürr sind auch woht die Hände, die einst im Lenz ihrs ge pflückt..." Doch nein! Gerufen von dem Beifall milder Sommergäste, hüpfte frisch und munter der noch lebende Dichter, Herr Ewald Cranz, an die Rampe! Also noch heutzutage hat einer ein Theater stück geschrieben, in dem sich eine jungfräuliche Tugend ahnungslos, denn sie glaubt im Hause allein zu sein, im Negligs vor den Spiegel stellt, während der Hausherr hinter dem Wandschirm sitzt. Auch er, dieser verheiratete Mann, ist kreuzbrav, denn er reinigt bloß sein Kleidungsstück von einem Tintenklecks. Sintemalen man in Hemdärmeln steht oder sitzt, wenn man die Weste putzt (wenn Herr Cranz Mut gehabt hätte, wär' es die Hose gewesen!), ergibt sich eine Situation dop pelter Unangezogenheit, in der die zwei Arglosen von Madame ertappt werden; und die Komödie ist fertig! Soll man's glauben? Soll man's in un serem Jahrhundert noch für möglich halten ? Aber es kommt noch ältere alte Zeit: Der Gatte fürchtet die Scheidung, und er beugt den strengen Sinn seines Weibchens, indem er sie m einen ähnlichen falschen Schein bringt. Er steckt einen befreundeten Schau- spieler unter ihr ehrsames Bett, der kriecht nachts hervor und spielt einen galanten Einbrecher. Der Eheherr erscheint, donnert, klärt auf, und die Tugendhaften liegen sich in den Armen. Was soll man dazu sagen? Sich ärgern über die heilige Einfalt eines Zuspätgeborenen? Ach nein, lieber anerkennen, daß in dem breiten Dilettantismus immerhin die Oase einer lustigen Szene grünt- der zwischen dem zärtlichen Einbrecher und dem Frauchen im Bette. In dieser Oase wurde recht nett gespielt Es war ein Vergnügen, die erschrockenen Ah! und Oh! und das komische Wimmern von Erna Liebenthal zu hören und das zierliche Persönchen mit einem Wuppdich aus dem Bett und in das Bett springen zu sehen; und possierlich mimte Günther Karchow den Schauspieler. Auch der bewegliche Otto Treptow machte Spaß als Ehemann in tausend Aengsten. Im übrigen flatterten Sommervögel über die Bühne, von denen manche im Herbst über Land fliegen werden. Uvrmsvn Xivvrl. Kunst UN- Wissenschaft. * Bertha van Suttner gestorben. Wie wir be reits heute morgen kurz meldeten, ist am Sonntag vormittag Baronin Bertha von Suttner, tare hervorzurufen. Es ist offenbar zu einem Bruch zwischen dem Fürsten und der holländischen Militär- miffion gekommen. Die Meldungen, die seit einigen Tagen umliefen und die von Schwierigkeiten zwischen der Regierung in Durazzo und den Hollän dern sprachen, scheinen somit ihre Bestätigung zu finden. Die Lage in Durazzo wird dadurch noch kom- plizierter. — Weiteren Meldungen aus Durazzo zu folge werden trotz der augenblicklich herrschenden Waffenruhe die Kriegsvordereitungen eifrigst betrieben. Am Sonntag nachmittag sind von einem Handelsschiffe 5W C>ewehre österreichischer Fabriken an Land gebracht worden. Vor Durazzo werden von den Regierungstruppen Laufgräben auf geworfen. Die Internationale Kontrollkommission hat für die Verwundeten tM) Franken gestiftet. In hiesigen diplomatischen Kreisen behauptet man, daß die Revolutionäre unter gewissen Bedinungen be reit sind, sich dem Fürsten zu unterwerfen. Die hauptsächlichste dieser Bedingungen soll darin be stehen, daß den Revolutionären die Zahlung von Steuern auf 10 Jahre erlassen wird, und daß sie ferner innerhalb der nächsten 10 Jahre nicht zur Ableistung irgendwelcher militärischer Pflichten herangezogen werden können. — Die revolutionäre Bewegung soll nach den letzten Siegen über die Re- gierungstruppcn noch bedeutend an Ausdehnung ge- wonnen haben. Auch in Skutari ist eine revo- lutionäre Bewegung zu erkennen, und es soll dort bereits von muselmanischen Priestern der heilige Krieg erklärt worden sein. Tatkräftige Unterstützung durch die Großmächte. Berlin, 22. Juni. In hiesigen diplomatischen Krei sen verlautet, Fürst Wilhelm von Albanien wolle unter Berufung darauf, daß er ein Mandat der Mächte übernommen hat, als er nach Albanien ging, jetzt von den Mächten finanzielle wie militärisch« Hilfe gegen die Aufständischen fordern. Bormarsch Prenk Bibdodas? Wien, 22. Juni. In Durazzo verlautet nach der „Albanischen Korrespondenz", daß Prenk Bib- doda sich von Jshmi aus gegen die Stellung der Aufständischen in Bewegung gesetzt habe, und daß «s bereits zu V o r p o st e n g e f« cht e n gekom men sei. Türkische Offiziere bei den Aufständischen. Wien, 22. Juni. Wie die „Reichspost" aus Du razzo berichtet, befanden sich unter den nach Du- 71 Jahre alt, in Wien verschieden. Es ist in ihr keine eigentlich künstlerische Kraft erloschen; und doch hat sie, wie kaum eine andere schriftstellernde Frau mit ihren Hauptwerk einen Erfolg er rungen, der ihr in Kürze europäische Berühmtheit verlieh. Wenn sie auch keine Künstlerin war, so lebte doch in ihr eine von inneren Ueber- zeugungen getragene fortreißende Macht der Dar stellung. „Die Waffen nieder!", es wurde ein allge meines Schlagwort Und es ist gewiß, daß diese Frau, die mit einer starken Energie eine fast diplo matische Gewandtheit in der unablässigen Verfolgung ihresZieles zu verbinden wußte, die Friedensbewegung nicht nur gefördert, sondern geradezu getragen hat. Man mag über die Berechtigung ihrer Bestrebungen denken, wie man will, man muß doch zugestehen, daß die Hingabe der ganzen Persönlichkeit an die Idee, an die sie glaubte und für die sie kein Opfer scheute, etwas Großes hat. Wir müssen diese Frau bewundern, die nach der gegen Wider stände erkämpften Vereinigung mit ihrem Ge- mahl im fernen Tiflis lebte und dort zu einer emsigen Schriftstellerin sich entwickelte; denn die Ehe mit dem sieben Jahre jüngeren Gemahl war nur mit inneren, nicht mit äußeren Elücksgütern gesegnet, und so mußte sie schreiben. 1884 kehrten sie in die Heimat zurück, und nun folgten die Jahre, in denen der Gedanke der Friedensbewegung sie mehr und mehr ergriff. 1880 erschien erstmalig ihr be rühmter Roman, der bald in Uebersetzungen in alle europäischen Länder getragen wurde. Was sie auch vor- und nachher geschrieben hat, nichts vermochte diesen Erfolg zu erreichen. Ader sie hat nicht nur mit der Feder sich eingesetzt, sie war auch unmittelbar organisatorisch wirksam. 1891 bereits rief sie in Wien die österreichische Gesellschaft der Friedensfreunde ins Leben. Sie hat für ihre Be strebungen viel Interesse und Anerkennung gesunden. IliOfi würde ihr die Ehrung des Nobelpreises. Bertha von Suttner entstammte dem ältesten österreichischen Adel. Sie war als Tochter des Grafen Franz Kinsky 1843 in Prag geboren. Ihr Andenken wird bleiben weniger durch ihre literarischen Werke als durch das, was sie geschaffen hat für die Idee, der ihr Leben gehörte. * Kleine literarische Mitteilungen. Else Otten, die Uebersctzerin holländischer Autoren, hat in ge- mcinsamer Arbeit mit dem Holländer A. W. G. van Riemsdijk ein Schauspiel „DieSphinx" voll endet; das Werk wird im Oktober im Königsberger Neuen Schauspielhause seine Uraufführung erleben. — „Der Polizeimeister" betitelt sich der neueste Roman der bekannten polnischen Schriftstellerin Gadryela Zapolska, der in Kürze bei Oester- Held und Co., Berlin, erscheint. In diesem Polizei- roman, der in Rußland begreiflicherweise erboten ist, wird die Herrschaft russischer Polizeityrannen tempe ramentvoll gegeißelt.
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