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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.06.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140626013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914062601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914062601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-26
-
Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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MWWWÜKN Kunst unc! wissensetiatt WWWMZM Neues über -le spanische Thronkan-i-atur -es Prinzen Leopol- von Hohenzollern. Im Julihefte der bei der Deutschen Verlags- Anstalt in Stuttgart erscheinenden „Deutschen Revue" bringt K. Th. Zingeler seine umfängliche und wert volle Veröffentlichung der Briefe des Fürsten Karl Anton von Hohenzollern an seine Gemahlin zu Ende. Gerade der letzte Teil dieses fürstlichen Briefwechsels hat noch ein besonderes Interesse, in- sofern darin jene spanische Thronkandidatur des Prinzen Leopold, Sohnes des Fürsten Karl Anton, zur Sprache kommt, die ja bekanntlich im Jahre 1870 den Stein ins Rollen gebracht und den Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges mit veranlaßt hat. Das besondere Interesse der diesen Briefen zu ent nehmenden Mitteilungen liegt darin, daß cs hier der Vater ist, der über die Sache berichtet, und man so in die intime Geschichte dieser folgenreichen Kan didatur hineinsicht. Als der Plan, den Prinzen Leopold auf den spanischen Thron zu berufen, auf getaucht war, reiste Fürst Karl Anton zur persön lichen Besprechung der Frage mit König Wilhelm und seinen Ratgebern nach Berlin. Von dort schrieb er seiner Frau am 6. März 1870: „König und Köni gin habe ich schon gesehen, beide äußerst liebevoll, aber mehr d a g e g e n als d a f L r. Ich glaube, wir kommen um die Schwierigkeiten herum, und es wird Ablehnung erfolgen. Heute bei dem Diner zu Ehren des Großfürsten Michael und Cecile werde ich Bis marck sehen. Der König will uns morgen cntre nou-, trois haben; es werden zwei gegen einen sein, und Don Salazar (der spanische Unterhändlers, wird unverrichteter Sache ab,ziehen können." Wie aus diesen Andeutungen ersichtlich, war der Fürst ebenso wie König Wilhelm für Ablehnung, Bismarck für Annahme des spanischen Antrages. Dies bestätigt der Fürst in dem Briefe vom 7. März: „Bismarck ist sehr dafür, schon als große historische Zukunftsidee, n>as ich ihm nicht abstreiten konnte. Aber die an deren Rücksichten brachten mich zu keiner anderen Anschauung. Als ich ihm sagte, daß, wenn wir Anton (den 1866 gefallenen Sohn des Fürstens noch besäßen, ich keinen Moment geschwankt haben würde, ihn vorzuschlagen, da stürzten diesem eisernen Manne die Tränen aus den Augen. Dieser Tage wird großes Konseil sein, um über die Frage definitiv zur Entscheidung zu kommen." Diese Entscheidung zog sich aber länger hin, als Airst Anton vermeint hatte und ihm lieb war. Worin der Grund der Verzögerung lag, wird in einem Briefe vom März in recht interessanter Weise ausgesprochen: „Berlin und das königliche Familienleben haben das Eigentümliche, daß man niemals Zeit hat. Kleinigkeiten und wichtige Dinge sind derart in- und untereinander verwachsen, daß man nicht mehr weiß, wo der Kern der Frage liegt." Drei Tage sväter konnte jedoch der Fürst seiner Gemahlin be richten. daß nunmehr die entscheidende Beratung er folgt sei. „Das Ungewitter" — so schreibt er — „welches sich über Leopolds Haupt gelagert, scheint sich zu verziehen; ich glaube, daß Du keine Angst mehr zu haben brauchst. Die Sitzung bet mir war von höchstem Interesse. Sämtliche Hauptwürden träger des Staates haben sich für snns pkraso aus gesprochen — der König allein ließ das Herz sprechen. Man war bis zu Tränen gerührt. Ich wollte Dir das Detail schreiben, bin aber nicht dazu gekommen." Schon am nächsten Tage konnte der Fürst seine Frau davon unterrichten, daß ihr Sohn Leopold definitiv abgelehnt habe, womit das fürst liche Elternpaar von einer schweren Sorge entlastet war. Rückblickend bemerkt der Fürst über den Gang der Angelegenheit; „Der König hat sich ungemein edel und groß benommen und treu zu uns gehalten. Als König von Preußen und Oberhaupt des Hauses hohenzollern mußte er die Annahme wünschen, denn die Macht und der Glanz der Krone erheischten nach dem einstimmigen Rate der gewiegtesten Männer des Lande» das persönliche Opfer. Einstimmig mit Bismarck waren v. Schleinitz, Roon, Moltke, Thiele und Delbrück, denen der Kronprinz schweren Herzens sich anschließen mußte, die Familienpflicht anerken nend, dem Rufe der spanischen Nation zu folgen. Es waren durchaus nicht blinde Bismarckverehrer, die so sprachen. Es gab keine Meinungsverschieden heit, sondern nur Meinungsnuancen." Im Juni 1870 trat dann der spanische Antrag noch einmal und dringender an den Prinzen Leopold heran und damals hielt dieser es für seine Pflicht, anzunehmen, lieber diese Vorgänge enthält jedoch der Briefwechsel des Fürsten wenig, weil er seine Gemahlin, die damals eben eine Kur gebrauchte, nicht mit dieser neuen ernsten Sorge beunruhigen wollte. Was dann weiter mit dieser merkwürdigsten aller Thronkandidaturen geschah, erzählt die Welt- geschichte de, Jahres 1870. Leipzig, 25. Juni. Goethe» „Iphigenie- neueinstudirrt im Alten Theater. Die Reueinstudierung der „Iphigenie" bot in mancher Hinsicht Treffliches, ohne doch als Ganzes völlig gerundet zu sein. Es ist in der Tat auch heute nichts schwerer, als für die klassizistische Dichtung Goethes bei der stilistischen Vielheit unserer heutigen Schauspielkunst eine geschlossene Aufführung zu schaffen. Immer und immer wieder steht Sprech kultur im alten Sinne neben unmittelbarer und blut voller Darstellung. Selbst ein Schauspieler, der bei Shakespeare die Form findet, versagt hier leicht und findet nicht die innere Einheit. Der Intendant, der die Aufführung persönlich leitete, hatte die Szene mit einem schlichten, stillen Rahmen umgeben, aus dem die Gestalten plastisch hervorwuchsen. Das Spiel wurt-e getragen von Decarlis Orest. Er schöpfte das Seelische des Eoetheschen Menschen aus, gab Le bendiges und vermochte doch die Form zu halten. Die Gestalt atmete griechische Schönheit. Innerlichste Töne traf sein Wahnsinn, und in der Erlösung fand er ein wundervolles Lächeln. Und seine klare, schöne Stimme freute sich am Eoetheschen Wort. Schmerz, lich, daß er nun bald von Leipzig scheiden wird! Anni von Orelli kämpfte um ihre Rolle, und wenn es auch kein Sieg war, so darf man doch ihrem Kampf die Anerkennung nicht versagen. Zur Griechin mangelt ihr noch die Plastik des Tones und der Geste. Manches gab sie verinnerlicht; im Gegensatz dazu blieb sie an anderen Stellen auch auffallend im Deklamatorischen und Herkömmlichen. Leise, aber innig beseelt sprach sic dagegen das Parzenlied, das stark ergriff und den Höhepunkt ihrer Darstellung be zeichnete. Im ganzen war sie zu wenig die Frau aus Tantalus Geschlecht. Kurz, eine Leistung, die manches nicht gab und doch viel versprach. Mamclocks Pylades war mit klaren, Hellen Strichen gezeichnet und hatte ein ursprüngliches, ansprechendes Spiel, das nur für die klassische Sphäre vielleicht etwas zu realistisch gestimmt war. Die Lyrik einzelner Verse verlor hierdurch. Karstens Thoas ebenso wie Hellmuth-Bräms Arkas waren mit fester Charakteristik hingestellt und wurden ihren Rollen gerecht. vr. ?rieckried 8vbrecbt. Aus den städtischen Theatern. Leo Lenz, be kannt durch eine Reihe sehr erfolgreich gegebener BUHnenwerke, wird der Erstaufführung seines neuen Stückes „Eine unmögliche Frau" am Sonntag im Alten Theater beiwohnen. — Als letzte größere Rolle vor ihrem Scheiden aus dem Verband der städtischen Bühne spielen heute, Freitag, im Neuen Theater Herr Schönleber den Peter Jwanoff in „Zar und Zimmermann" und Herr Demme im Alten Theater den Holzapfel in „Viel Lärm um nichts". — Am Montag treten im Neuen Theater in Eounods Oper „Margarethe" zum letzten Male vor Ablauf ihres hiesigen Engagements auf die Herren Rapp und Schroth sowie Frau Marx. — Ferner gibt es ein Jubiläum im Neuen Theater: Richard Strauß' „Rosenkavalier" begeht am Sonntag das Jubiläum der 25. Auf führung. " Deutsche Kunsthändlers»!»« in Leipzig. Am heutigen Tage findet in der Bugra di« ordentliche Hauptversammlung der Deutschen Kunst händlergilde statt. Es wird vor allem be richtet über die Tätigkeit des gemeinsamen Aus schußes der Vereinigung der Kun st Ver leger und der Deutschen Kunsthändler gilde zur Schaffung einer neuen, für beide Ver einigungen geltenden Verkehrsordnung sowie über den Verlauf der Hauptversammlung der Ver einigung der Kunstverleger am 1. Mai 1914 in Ber lin. Außerdem soll der Ort der nächsten Hauptver sammlung bestimmt werden und Wünschen und An fragen aus Mitgliederkreisen weiter Raum geboten werden. Wir begrüßen dies« Kunsthändlergilde in unseren Mauern und wünschen ihr guten Erfolg ihrer wertvollen Beschlüße. * Skulpturenausstellung. Am gestrigen Tage wurde die Skulpturenausstellung franzö sischer und deutscher Bildhauer der Firma Arthur Goldschetder-Part, in den Räumen der Mädler-Passage, Neumarkt 14, eröffnet. In dem sehr geschmackvollen Milieu mit der alten, während des Umbaues entdeckten Deckenmalerei geben sich diese französischen Salonbronzen recht wirkungsvoll. Wenn manches Stück mit unterläuft, das geläutertem Geschmack nicht zusagt, hat doch die Firma während einer 25jährigen Erfahrung cs auf dem Gebiet des Bronzegusses zu hervorragenden Leistungen gebracht. Sicher wird die ständige Nieder lassung in Deutschland, in der Messestadt, zu einer innigeren Verbindung mit deutscher Kunst und damit mit deutschem Geschmack führen. Wir werden stets gern alle künstlerischen Leistungen der Firma Arthur Eoldscheider registrieren. Or. K. 6. * Das Bolkvtheater von Tokio. Tokio besitzt seit kurzer Zeit ein Theater, das ganz nach europä ischem Stil eingerichtet ist und sich einer außer ordentlichen Beliebtheit erfreut. Die Japaner haben Geschmack bekommen an der abendländtschen Form der Bühne, und auch das Volk drängt sich zu diesen Veranstaltungen. In dem Theater, das zugleich Oper und Sck)auspiel pflegt, finden zahlreiche volkstümliche Vorstellungen statt, zu denen der Eintritt nichts kostet. Dann erscheinen die Untertanen des Mikado in dichten Scharen und besetzen die 3000 Plätze, die das Theater enthält, bis auf den letzten, «ie sind hier musterhafte Zuschauer. Das Publikum, das in den japanischen Theatern so lebhaft und lärmend sem kann, beträgt sich >o gesittet, daß der Direktor erklärt hat, er brauche auch nicht einen einzigen Polizisten im Innern des Theaters zu stationieren. Nur da durch unterscheiden sich diese Volksvorstellungen in Tokio von den Theaterausführungen in Europa, daß sie außergewöhnlich lange dauern. * Von Arnold Schönberg, dessen „Gurre lieder" am 3. November in der Alberthalle zur Wiederholung gelangen, wird am 6. Februar 1915 auch sein neuestes Kammermusikwerk „Pierrot lunair" mit Frau Albertine Zehme als Sprecherin und dem eingespielten erstklassigen Ensemble auf geführt werden. Die beiden Werke geben einen Ueberblick von Schönbergs Schaffen in den ver schiedenen Entwicklungsperioden. * Regelung der bildhauerischen Wettbewerbe von Reichs wegen! Nach sechsjährigen, zähen Bemühun gen hat der Präsident des Künstlerverbandes Deut- sck>er Bildhauer, Friedrich Pfannschmidt-Berlin, es nun glücklich erreicht, daß die Wettbewerbsbedingun gen für bildhauerische Preisausschreiben in allen deutschen Bundesstaaten auf eine einheitliche Grundlage gestellt wurden. Auf sein eifriges Betreiben haben sich alle Bundesstaaten gründlich mit dieser Materie beschäftigt. Das Resultat liegt nun vor und ist vom Staatssekretär des Innern resp. von deßen Vertreter, dem Herrn Ministerialdirektor Lewald, den Königlich Preußischen Ministerien der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten und der öffentlichen Arbeiten sowie den außerpreußischen Bundesregierungen und dem Herrn Statthalter in Elsaß-Lothrtngen übersandt worden, mit der Bitte, den Grundsätzen nunmehr durch geeignete Veröffent lichung und Mitteilung an Behörden und Körper schaften Geltung verschaffen zu wollen. Es ist dies ein vorbildlicher Erfolg der für ihre wirtschaftlichen In teressen besorgten Künstler. Besonders auf dem Ge biete der bildhauerischen Wettbewerbe herrschte be dauerliche Unklarheit, die vielfach eine Schädigung der Künstler zur Folge hatte. Nunmehr ist von Reichs wegen die erwünschte Klarheit geschaffen und den Architekten, Malern und Kunstgewerblern der Weg eröffnet worden, auf dem sie ihren von Pfannschmidt geführten Bildhauerkollegen auf dem Wege des wirt schaftlichen Erfolges nacheifern können. * Der Deutsche Werkbund wird in der nächsten Woche auf der Deutschen Werkbundausstellung in Köln seine diesjährige Jahresversammlung abhallen, die angesichts der großen Werkbundausstel lung in diesem Jahre besonderem Interesse begegnet. Nicht nur Vertreter der Neichsregierung. der Einzel regierungen und vieler Städte, Handelskammern und Handwerkskammern haben sich bereits ange meldet, sondern es werden die Anhänger de« Werk« bundgedanken» auch aus dem Ausland in großer Zahl nach Köln kommen und werden berichten über die dem Deutschen Werkdund verwandten Bestre bungen in Oesterreich-Ungarn, der Schweiz. Holland, Dänemark, Norwegen und Schweden. Auch englische und französische Gäste haben ihre Anwesenheit zu gesagt. Üeber den Stand der modernen Bewegung in Deutschland wird Geheimrat Dr.-2ng. Muth«. lius-Berlin spreche». Für die Aussprache Haden sich bereits führende Persönlichkeiten des Wsrkbundes zum Wort gemeldet, so Peter Behrens, Peter Bruck- mann, Theodor Fischer, Walter Gropius, Karl Groß, Hermann Oblist, Karl Ernst Osthaus, Richard Niemerichmid und Vandervelde. Die weltwirtschaft liche Bedeutung des Werkbundgedankens wird Reichs- lagsabgeordneter Naumann behandeln. * Tie Universität Oxford hat, laut telegraphischer Meldung aus London, Donnerstag vormittag den König von Württemberg zum Doctor of Civil Law promoviert * Eine Bilderlrihestelle an der Universität Berlin wird nach langen und mühsamen Vorarbeiten zum nächsten Wintersemester ihre Tätigkeit beginnen. Die Leihestelle, die die Bezeichnung „A kademische Bilderleihe st eile an der Universität Berlin" führen wird, soll nach dem vorliegenden Plan mit einer Ausstellung der zur Verfügung stehenden Zverke (fast nur Originalarbeiten) eröffnet werden. Der Gedanke zu dieser Einrichtung ist von der Kunstabteilnng der Freien Studentenschaft aus- gegangen, alle Vorarbeiten sind von Freistudenten ausgeftthrt, doch soll die Einrichtung eine allgemein studentische sein. * Testamentarische Stiftung für die Berliner Handelshochschule. Den Abendblättern zufolge hat der verstorbene Berliner Stadtrat Hermann Jacoby, wie uns telegraphisch aus Berlin ge meldet wird, die von ihm im Jahre 190V der Berliner Handelshochschule ohne Nen nung des Namens gemachte Stiftung von 100000 die später auf 150 000 erhöht wurde, in seinem Testament auf 500 000 erhöht. Die Stiftung bezweckt, die Erfahrungen des Aus landes dem deutschen Handel durch Gewährung von Auslandsbeihilfen nutzbar zu machen. Aus der Stiftung sollen Beihilfen an Studierende der Han delshochschule in Berlin gewährt werden, die die Diplomprüfung mit „aut" bestanden haben. Die Beihilfen für je zwei Jahre sind auf je 2000 Mark bemessen, können aber auch erhöht werden. Zu Ehren des Stifters wurde beschloßen, der Stiftung den Namen „Hermann - Jacoby - Auslands -Stipendien stiftung" zu geben. * Sonnenfinsternis-Expeditionen von Potsdam und Neubabelsberg nach der Krim. Das Potsdamer Astrophysikalische Observatorium und die Berliner Universität» st ernwarte rüsten wissenschaftliche Expeditionen znm Studium der Sonnenfinsternis aus, die am 21. August d. I., nachmittags gegen 3 Uhr, eintritt, und deren Totali tätszone quer durch Rußland über Riga, Minsk nach dem Süden bis zur Halbinsel Krim verläuft. Von dem Potsdamer Observatorium geht die Expedition unter Leitung des Geheimrats K a e m pff voraussicht lich am 27. Juli ab, und auch Professor Luden- dorff nimmt daran teil. Ihr Ziel ist die Stadt Feodosia. Die wissenschaftliche Aufgabe besteht in Anstellung von Helligkeitsmeßungen der Sonnen korona und der Jntensitätsoertetlung des Spektrums der Korona auf photograpischem Wege. Eine be sondere Sorgfalt erfordern die Vorbereitungen, da die Totalität nur zwei Minuten dauert. In nächster Nachbarschaft der Potsdamer Astronomen richtet die Berliner Sternwarte, die die Herren Dr. E. Freundlich und Dr. Zurhellen entsendet, ihren Beobachtungsposten ein. Die Aufgabe der Unioersitätssternwarte-Expedition, die mit Mitteln der Akademie der Wissenschaften, des Kultusministe riums und privater Spender vorbereitet wird, besteht darin, zu untersuchen, ob die Lichtfortpflanzung in unmittelbarer Nähe der Sonne irgendwelchen Ver änderungen unterworfen ist. Für unsere Gegend tst die Finsternis nur partiell; sie beginnt um 12Z4 Uhr mittags und dauert bis 2^ Uhr. öle klebe Ser Srei Kirchlein. 5j Roman von E. Stieler-Marshall. 1SW dx Orsld sin L vo.. u. m b. n. „Natürlich," sagte Merkel und verzog die Lippen in gutmütigem Spott: „Wie sah er denn aus?" „Warte — wie sah er aus?" sprach Alix sin- uend. „Groß, breit, mächtig. Sehr vrel schwar zes Haar, buschige Brauen, eine prächtige Stirn, gewaltige Augen, schwarzen Henriquatre-Bart — Er trug einen langen, feierlichen, zugeknöpften Nock — dazu der breite, schwarze Schlapphut — das sah mir so professorlich aus." „Du bist eine gute Beobachterin, und wie lebendig du schildern kannst," saate der Bankier und sah seine Frau mit halb zugekniffenen Augen durchdringend an. „Da steht er vor mir, wie er leibt und lebt. Ein anderer konnte das auch gar nicht sein als er." „Du weißt, wer er ist? Kennst diesen Schwärmer?" „Schwärmer, ganz richtig. Es ist ein be sonderer Liebling von mir, Professor der Bo tanik Willi Kirchlein." Das klang wunderlich trocken und kalt für dieses warme Wort Liebling. Als müßte er es dadurch mäßigen oder als wäre es ironisch gemeint. Frau Alix fragte dann auch: „Du kannst ihn nicht leiden?" „O aber Kind, ich bitte dich. Wenn ich dir sage, er ist mein Liebling. Du wirst ihn kennen lernen, ich will ihn ins Haus ziehen, ich habe allerlei mit ihm vor. Schwärmer, ja wohl. Ein Feuerkopf! Gewiß an fünsundvierzig Jahre aber ein Jüngling an Begeisterung und Lebens kraft. Zweifellos der stärkste Geist, den wir hier an der Universität haben. Aber die an- deren verstehen es besser als er, sie überholen ihn alle. Er ist über alle Begriffe populär — jeder Handwerker kennt ihn und liebt ihn, Leute, die ihm nichts nützen können, beten ihn geradezu an. Aber nach oben hin versteht er nicht, sich be liebt zu machen, da stößt und eckt er überall an und wird grob aus lauter Angst, es könnte sich einer einbilden, er wollte sich Protektion ver schaffen. Darum bleibt er der ewige außerordent liche Professor." „Das gefällt mir," sprach Frau Alix, und das gleiche Lächeln wie heute mittag lag über ihrem Gesicht. Ihr Mann lachte trocken; es war mehr wie ein Hüsteln. „So, meinst du? Nu, 's ist Geschmacksache. Es will doch eigentlich jeder gern vorwärts kom men. Und er hat Kinder, an die er denken sollte. Es soll finanziell oft sehr schlecht mit ihm stehen." „Und die Fran?" „Die ist ihm schon vor langen Jahren ge storben. Aber was reden wir über einen Men schen, den du nicht kennst. Verzeih, Alirchen, meine Schöne, das kann dich ja nicht inter essieren. Wenn es dir recht ist, gehen wir her- unter was essen." Sie waren um diese Zeit die einzigen Gäste im Speisesaal, zwei Kellner und ein Junge be dienten sie voll Aufmerksamkeit und der Wirt beobachtete, ob auch alles am Schnürchen ging. Aber sie bekamen ein aufgewärmtes, wenig appetitreizendes Essen, das von der Table d'hote für sie zurückgestellt war. Sie bemerkten das kaum und lgten keinerlei Wert darauf. Verwöhnt waren sie beide nicht. Es hatte Zeiten gegeben, wo Viktor Merkel, an sein großes Ziel denkend, sich nur das Salz zum Brote gegönnt hatte. Uno die stolze Fran Alix — — ach — wie oft hatte sie an den Beeren des Waldes sich satt gegessen. Sie aßen schweigsam und rasch. Dann steckte sich Merkel eine Zigarre an, blickte den bläulichen Nauch- ringen nach blickte auf seine Frau. Das war ein fürstliches Weib! Es gab keine ihresgleichen in Stadt und Kreis, von all den hochnäsigen Gelehrtenfrauen konnte ihr leine das Wasser reichen. Die wunderschöne stolze Alix aus dem alten Geschlecht der hessischen Planta! Wieder einer seiner ehrgeizigen Träume war erfüllt. Ec hatte eine Frau, vor der die anderen sich neigen mußten, um die viele hoch- gestellte Männer ihn beneiden würden. Daß eine Mauer sie umgab, über die er niemals hinwcgkommen würde, das würden andere ja nicht bemerken, und er, nun, er mutzte sich damit abfinden. Er hatte es ja vorher gewußt. Aber manchmal war es schwer zu tragen und man fror dabei. Er wagte es, leise die schlanken, weißen Finger zu streicheln, die auf dem Tischtuch spielten. „Gott, Alixchen, meine schöne Frau, wie werden die Leute hier staunen! Aussehen wirst du erregen! Was werden sie mich um dich be neiden !" „Ja — und um die Villa!" sagte Alix ge lassen und nahm ruhig die Hand fort. „Das ist ein wundervoller Besitz, und bedenke: er hat zuletzt einem Fürsten gehört." Sogleich waren seine Gedanken von ihrer Person abgelenkt. Das zu erreichen, war immer ihr Bemühen. „Ja, ein feudaler, fürstlicher Besitz. Hof fentlich kommen morgen die Möbel und der Naumkünstler aus Darmstadt. Er soll wirklich ein Künstler ersten Nanges sein. Nu — davon verstehe ich nicht viel. Aber prachtvoll mutz es werden, Alix, sozusagen vorbildlich. Eine Sen sation, weißt du. Man soll zu unseren Festen sich drängen, man soll staunen — und von uns reden — von unserer Einrichtung, von deinen Toiletten, von unserem Automobil und unseren Pferden. Tonangebend müssen wir werden. Das — ach, das ist immer mein Wunsch gewesen. Und so was hebt natürlich auch das Geschäft, stärkt den Kredit " „Das hast du doch nicht nötig —" sagte Alix müde. Ihr graute noch vor dem Leben, das er schilderte. Sie war es so gar nicht ge wöhnt. „Nu, wo werde ich das nötig haben?" sagte der Bankier zufrieden. „Persönlich natürlich nicht! Aber ein Bankhaus kann nie genug .Kredit laben, da können Krisen kommen — Das ver- tehst du nicht, Alixchen, sollst dich auch nie rarum kümmern. Wenn du erlaubst, so lasse ich mir jetzt die Abendzeitung geben — —" „Bitte —" sagte Alix und stand auf. „Mich entschuldigst du wohl." Der Aufenthalt in dem öden, leeren Saal, wo die Fliegen summten und ein fader, fettiger Speisegernch war, erschien ihr auf die Dauer unerträglich. Da setzte sie sich lieber wieder oben in den Erker und sah auf den kleinen Markt hinaus. Es dämmerte nun, der Laternen anzünder ging mit seinem Lichtspender lang sam um den Ring — auch in den Läden wurden die Lampen angezündet. Hier in der Stadt gab es noch kein elektrisches Licht, es war gut, oatz die Villa draußen an das Werk der Abend- rothschen Fabrik angeschlossen war. Die Villa! Dort würde sie wundervoll woh nen, vorbildlich schön, wie ihr Gatte sagte. Sie freute sich darauf, morgen mit dem berühmten Dekorateur die herrlichen, weiten Räume zu be leben, heimisch zu machen. Heimisch! Sie mutzte an ihr armseliges Mädchen stübchen in Planka denken. Groß war es auch gewesen, das alte Herrenhaus war geräumig genug. Aber die Einrichtung! Lieber Himmel! Das wacklige, wurmstichige Gerümpel! Ihr schmales, eisernes Feldvett mit der dünnen alten Seegrasmatratze! Wie manche Nacht hatte sie schlaflos darin gelegen, fast aufgerieben von Sorgen. Und unten die Gesellschastsräume mit der verblichenen alten Pracht, die niemals auf- gesrischt werden konnte und deren einigermaßen gute Stücke längst des Gerichtsvollziehers Beute geworden waren! Nur der verwilderte alte Park, den kein Gärtner pflegte, der war schön gewesen. Und der Wald rings umher! Ihre Morgcnritte auf dem guten alten Fuchs, den sie nnt List und Tücke jedesmal den gierig spähenden Blicken besagten Gerichtsvollziehers ^n entziehen ver standen hatte — — das — ja das waren die Sonnenblicke in ihrem Mädchendasein gewesen. Sonst war es nichts als Elend gewesen. Ein gichtgekrümmter, tyrannischer Vater, der voll boshafter Launen war und immer noch — in seinen alten Tagen — siebenmal in der Woche mehr oder minder betrunken zu Bette ging. Eine vergrämte blasse Mutter mit von vielen Tränen kranken und müden Augen —! Ein allzu wilder, verwegener Bruder, dessen stolzes Offiziersdascii» ein jähes, ihr noch immer ge heimnisvolles Ende genommen hatte und den sie an einem klaren Wintermorgen im Park an der verwitterten alten Florasaule gefunden hatte, lang ausgestreckt aus dem Schnee, mit durchschossener Schläfe. (Fortsetzung tu der LLeylda«,gaL«J!
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