Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.07.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140703027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914070302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914070302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-03
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
und Hornisten stimmten den Gcneralmarsch an. Im schweizerhofe wurden die Särge von dem Ober zeremonienmeister Grafen Lholoniewski. Myszka erwartet und in die schwarzdrapierte Halleder Botschafterstiege geleitet, wo Burgpsarrer Seidl die Leichen wiederum cinsegnete. Die Aufbahrung. Sodann wurden die Särge in feierlichem Zuge in die Pfarrkirche der Hofburg getragen. Hier stand, reich beleuchtet und schwarz bekleidet, ein Katafalk, auf den beide Särge gestellt wurden. Erzherzog Karl Franz Joseph war dem Sarge seines Oheims in die Kirche gefolgt, wo sich schon vorher die Erzherzoginnen Zita, Marie Therese und Maria Annunziata eingefunden hatten. Der Hosburgpfarrcr segnete die Leichen ein. Die Mit glieder des Kaiserhauses folgten der Zeremonie in namenlosem Schmerze. Obcrsthofmeister Freiherr von Numerskirch übergab dann die Sargschliissel dem I. Obcrsthofmeister Fürsten Montenuovo, womit die Zeremonie beendet war. Die Teilnahme der Bevölkerung. Die ganze Feier der Ueberführung der Leichen vom Südbahnhof in die Hofburg bildete durch die ungeheuer große Teilnahme aller Schichten der Wiener Bevölkerung eine überaus eindrucks volle Traucrkündgcbung. Biele Männer und Frauen trugen Trauerflor; vielfach sah man auch in den Knopflöchern die Lieblingsblumc des hohen Paares, die Rose, von einem dünnen Flor um hüllt. Die weite Bahnhofshalle in ihrem reichen Traucrschmuck hallte von Schluchzen und Wehklagen wieder, als der Zug mit den sterblichen Üeberrcsten des Thronfolgerpaares langsam in die Halle einfuhr. Mächtig griff in diesem Augenblick der Schmerz über das furchtbare Unglück an die Herzen aller, die Zeugen dieser traurigen Szene waren. Wiewohl die Zahl der Menschen, die rings um das Bahnhofsgebäude und an den breiten, zur Hofburg führenden Strafen Aufstellung genommen hatten, in die Hunderttausendc ging, herrschte doch Grabesstille, die nur beim Passieren des Zuges von Schluchzen und Wehklagen unterbrochen wurde. In diesem Schweigen, dieser letzten Ehren bezeigung der Wiener Bevölkerung, kamen der Schmerz über den tragischen Heimgang der Vcr- dlichcnen und die Liebe und Anhänglichkeit an den Kaiser und das Herrscherhaus zum Ausdruck. Die Apanage für die verwaisten Kinder. Kaiser Franz Joseph hat den Kindern des ermordeten Thronsolgerpaares eine so reiche zä h r- liche Apanage gewährt, das; es ihnen ermöglicht fein wird, jene fürstliche Hofhaltung zu führen, die ihnen gewährt worden wäre, wenn ihr Bäte: auf den Thron gekommen wäre. In einer längeren Audienz, die der neue Thronfolger, Erzherzog Karl Franz Joseph, gestern'beim Kaiser hatte, hat dieser ebensalls seine Einwilli gung zu dieser Apanage gegeben. Besuch Kaiser Wilhelms in ,Ischl. Wie in Wien bekannt wird, l>at Kocher W i l- hclm an Kaiser Franz Joseph die Anfrage gerich tet, ob sein BcsuchinIjchl genehm wäre. Nach dem eine zustimmende Antwort nach Berlin gegeben worden ist. wird Kaiser Wilhelm im Laufe der nächsten Wochen in Ischl eintreffcn, um dem greisen Monarchen persönlich zu kondolieren. Hoftrauer in Serbien. Belgrad, ;z. Juli. Dem Amtsblatt zufolge ist vom k r o n p r i n z r c g c n t e n Alexander im Namen des Königs für den Erzherzog Franz Fer dinand achttägige Hof trauer, vom 29. Juni dis einschließlich <>. Juli, angeordnet worden. Neue arrtiscrbische Kundgebungen in Wien. Wien, 3. Juli. (E i g. Drahtmel d.s An der Wohnung des serbischen Gesandten, der in der Nähe der Gesandtschaft wohnt, war gestern eine serbische Trikolore mit einem ganz kleinen Traucrslor ausgestellt. Dies erregte unter den Bewohnern des Hauses und der Umgegend groszc Erregung. Aus Intervention wurde ein Längerer Trauerflor an der Trikolore be festigt. In den Abendstunden versammelten sich wie der grofze Menschenmengen vor dem Eclmude der ser- rischen Kesandschast an, ebenso vor der Woh nung des Gesandten. Die Strafze war von einem Polizeiaufgebot besetzt, doch gelang cs einzelnen Trupps, den Polizeikordon zu durch brechen. Der kommandierende Polizeioffizier liejz telephonisch von den zur Spalicrbildung ausgerückten Polizeimannschastcn etwa 50 hcrbeirufen, und die Ruhestörer wurden zerstreut. Nachdem der Leichen zug di« Ringstrasze passiert hatte, vermehrten sich die Lärms zcnen Es wurden aus der Menge gegen die iivache Steine geworfen, und die Polizcimannschaften muhten mit der blanken Waffe gegen di« Ruhestörer Vorgehen. Erst spät nachts trat wieder Rude ein. Vas Geftänünis öer Verschwörer. Der Bombenwcrfer Cabrinowichch hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und bestätigt die Vermutung, dah die Schandtat in Serbien geplant worden ist. Der „Wiener Allg. Ztg." zufolge er klärte er: Er habe vor einigen Wochen in einem Bel grader Kafsechausc in einer Zeitung gelesen, dah Erzherzog Franz Ferdinand Ende Juni in Eera- jewo cintresfe. Er trug das Blatt zu Princip, der nur mit dem Kopse nickte, ohne aufzusehcn. Sie trafen dann eine Vereinbarung, dah sie sich anderen Tages in einem Parke treffen wollten. Dies geschah auch. Sic vereinbarten nun, dah sie als Ser ben für das Vaterland sterben wollten und beschlossen. Len Erzherzog, seine Gemahlin und da«s ganze Gefolge in serajcwo zu töten. Sie gingen zu Milan Cribiccvic. dem Sekrtär der „Narodna Obrana", des groszseröi- schen Vereins. Cribicevic, der gegenwärtig dem serbischen Heere angehört, war im Jahre 1906 aus der österreichischen Armee, in der er als Oberleutnant stand, desertiert und in das serbische Heer übcrgetrcten. Er ist der Bruder des kroatischen Abgeordneten Cribicevic und des Valerien Cribi- ccoic, der im groh-serbischen Hochvcrratsprozeh vom Jahre 1908 eine grofze Rolle spielte. Er verwies die beiden an den serbischen Komitatschi Cyganicvic. Dieser erklärte, er könne die Bomben aus dem Arsenal von Kragujevac verschaffen. Er bedang sich jedoch aus, dah man seine Weisungen unbedingt einhalten müsse. Diese lauteten wie folgt: Princip und dessen Genossen erhielten von ihm sechs Bomben, ebensoviel« Revolver, dafür haben sie noch vier Bombenwerfer zu beschaffen. Nach der Explosion der ersten Bombe haben die Mitverschwore- ncn ihre Bomben wcgzuwerfcn. Jeder Verschwörer hat in der rechten Hand die Bombe, in der linken eins Zyankaliflaschc zu hal ten, di« er sofort nach dem Wcgwcrfcn der Bombe auszutrinkcn hat. Cyganievic gab auch dem Prin cip Zyankai in einer Menge, die genügt hätte, um sechs Personen .zu töten. Die beiden Täter haben noch «inen dritten Genossen in der Person des Belgrader Studenten Grabes. Die Verschwörer trafen gesondert in Serajcwo ein. Am Vormittage des Sonntags kamen sie in einer Konditorei zusammen. Princip brachte die Bomben und die Revolver mit, übergab jedem eine davon, dem Cabrinowitsch, dem Grabes und den Mitverschworcnen. Nachdem sie einige Augenblicke in der Konditorei geweilt hatten, nahm Cabrinowitsch bei der Brücke, Prin cip auf dem Kai und Grabes einige hundert Schritte von ihnen entfernt Aufstellung. Princip gestand, dah er die Bomben von Cyganievic erhalten hat: er wollte jedoch zunächst nicht sagen, wer die unbekannten vier Komplicen seien und von wem er die vielen Gold stücke erhalten habe. Er ist nun, von Todesangst ge foltert, vollkommen gebrochen und erklärte am Schlüsse des Verhörs weinend: „Ich bereue mein Verbrechen: denn meine Genossen haben mich in schimpflicher Weise im Stiche gelassen. Auch sie hätten die Bomben werfen müssen, doch haben diese feigen Schufte dies nicht getan. Deshalb räche ich mich an ihnen und verrate sic. Morgen früh werde ich alle Details eingestehcn; ich muh erst meine Gedanken sammeln. Jetzt bereue ich meine Tat vollständig. Wenn ich wieder frei wer den könnte, würde ich durch die Straßen Serajewos lausen und bis zum Herserwerden schreien: Auf den Scheiterhaufen mit den Serben!" Der in dem Verhör erwähnte Konditor wurde verhaftet und sein Geschäft geschlossen. Am Nachmittage wurde auch der dritte Ver schwörer Grabes verhaftet. Er gestand, dah er die Bomben, Revolver und das Zyankali in der Konditorei übernommen hat. Die Bombe brachte er nicht zur Explosion, weil er sah, dah der Erz herzog und Gemahlin bereits tödlich getroffen waren. Weitere Berhastungett in Serajewo. Serajewo, 3. Juli. (Eigene Draht mel- dung.) Bei einem späteren Verhör des Mör ders Princip sind verschiedene Mitschul dige an der Tat festgcstellt und verhaftet wor den. Die Angelegenheit wird streng geheim gehalten. Ucbcr das Vorleben Princips verlautet, dah er stets ein überspannter Mensch gewesen ist. Princip ist am 13. Juli 1894 geboren und schon aus diesem Grunde nicht zum Tode verurteilbar. Pest, 3. Juli. (Eigene Drahtmeldung.) Nach Meldungen aus Serajewo eröffnete die Staats anwaltschaft gegen die geschlossenen serbischen Klubs das Verfahren wegen Hochverrats. Die meisten Vorstandsmitglieder sind in Haft genommen. Serbische Borsichtsmafzregcln. Belgrad, 3. Juli. (Eig. Drahtmeldung.) Infolge Wiederholung der österreichisch-feindlichen Kundgebungen in Belgrad und Nisch hat der Ministerpräsident die Polizeibehörden aufgefordert, weitgehende Schutzmahnahmcn unverzüg lich anzuordnen und gegebenenfalls über das Militär als Polizeihilfc zu verfügen. In den beiden letzten Tagen sind in Serbien vier Blätter wegen antiösterreichischer Artikel konfisziert worden, das ist der erste Fall seit der Annektions krisis im Jahre 1909. Heer und Potte. * Truppenverstärkung aus Helgoland. Mit Be ginn des Sommerhalbjahres sind infolge des wei teren Ausbaues der fortifikatorischcn Anlagen auf Helgoland di« Truppen der 5. Matrosen- Artillcrieabteilung auf Helgoland weiter verstärkt worden. Die unter dem Befehl des Kor vettenkapitäns Hinkeldeyn stehende Matrosen- Artillcrieabteilung zählt jetzt vier Kompanien im Verband. Deutsches Reich. * In den drei neuen Landesoerratsaffären sind, wie uns zuverlässig gemeldet wird, insgesamt acht Verhaftungen erfolgt. Das Reichsgericht in Leipzig hat bereits die Ueberführung der Verhafteten nach Leipzig in das dortige Untersuchungsgefängnis verfügt. Sowohl die in Berlin als auch die in Düsseldorf verhafteten Per sonen haben ein Geständnis abgelegt. * * Prinz Adalbert von Bayern ist am Donnerstag abend zu Besichtigungs- und Jnformationszwecken mit vier anoeren Herren der Münchner Kriegs akademie in Metz eingetroffcn. Der Aufenthalt ist auf fünf Tage bemessen. * Bevorstehende Ratifizierung des deutsch-türki schen Handelsvertrages. Nachdem nunmehr das Ab kommen über die Verlängerung des deutsch-türkischen Handelsvertrages auch vom Parlament in Konstan tinopel angenommen ist, wird seine Ratifizierung schon in den nächsten Tagen erfolgen, da der bisherige Vertrag bereits am 25. o. M. sein Ende erreicht hat. Der geltende Vertrag vom Jahr« 1890 ist bereits einmal, und zwar im November 1911, durch Noten wechsel, verlängert worden. Durch die abermalige Verlängerung soll eine rechtliche Grundlage geschaffen werden, die Türkei im weiteren Genüsse der ihr durch das internationale Protokoll vom Jahre 1907 und die Zusatzübereinkunft vom selben Jahre zugcstan- dene, für die türkischen Staatsfinanzen unentbehrliche Erhöhung der Einfuhrzölle um 3 Proz. vom Waren werte zu belassen. Wie bekannt, hat die türkische Re gierung schon vor längerer Zeit Verhandlungen mit Len Machten cingelcitet, unr deren Zustimmung zu einer weiteren Zollerhohung um 4 o. H, zu erlangen. Da diese Verhandlungen noch nicht allseitig zum Ab schluß gelangt sind, war es erforderlich, im Verhält nis des Reiches zu der Türkei für die Fortdauer des gegenwärtigen Zustandes Vorsorge zu treffen. Im Verlauf eines Meinungsaustausches hierüber hat da her die Hohe Pforte angeregt, den Handelsvertrag von 1890 nebst der Zusatzübercinkunft von 1907 um ein weiteres Jahr, d. h. bis zum 25. Juni 1913. zu verlängern. Es ,st anrunehmen, daß die Türkei auch bei den anderen Mächten wegen der Forterhebung der derzeitigen Zölle nicht auf Schwierigkeiten stoßen wird. Auf alle Fälle ist das Deutsche Reich aber auf Grund der ihm in der Türkei zustehcnden Meist begünstigung gegen jede unterschiedliche Behandlung geschützt. - Reichsgesetzliche Regelung der Konzessionspslicht für Pensionen in deutschen Bädern. Aus Inter essentenkreisen wird die Forderung erhoben, die ein schlägigen Bestimmungen der Reichsgewerdcordnung so zu gestalten, daß Pensionen, Kurhäuser sowie pri vate Logicrhäuser und Heime in deutschen Kur- und Badeorten, die Erwerbszwecken dienen, konzessions pflichtig gemacht werden. In Frag« kommen würde der § 33 der Gewerbeordnung, der besagt, daß, wer Gastwirtschaft und Schankwirtschaft betreibt, dazu der Erlaubnis bedarf. Hierunter fällt auch die ge werbsmäßige Beherbergung, so daß also hotel artige Unternehmen ohne weiteres kon- zessionspflichtig sind, während das Gewerbe des Kost- und Quartiergebens nicht konzessionspflichtig ist. Dann ist der Begriff der Schankwirtschaft nicht auf das Feilhalten zubereiteter Getränke beschränkt, son dern er umfaßt auch das in einem offenen Lokal ge werbsmäßig zum Genuß auf der Stelle stattfindende Feilhalten von Getränken aller Art. Nach einer preußischen Ministerialverfügung ist im übrigen die Frage, ab das Vermieten von Zimmern an Bade gäste nsw. als konzessionspflichtig anzusehen ist, und unter den Begriff des Eastwirtschaftsbetriebes fällt, je nach den vorliegenden Umständen von Fall zu Fall zu entscheiden. Da auch in den übrigen Bundes staaten ähnliche Bestimmungen ergangen sind, er übrigt sich «in« Abänderung der Rcichsgcwerbe- ordnung in dem gewünschten Sinne. * Der Erste Internationale Kaufmannstag, der in Wien stattfand, hat einstimmig beschlossen, den nächsten Kaufmannstag im Jahre 1916 in Berlin abzuhalten. * Hebung der Verkehrssicherheit auf bayrischen Eisenbahnen. Das bayrische Verkehrsministerium Hot mit dem Erfinder der elektrischen Fern- brcmseinrichtung, Wirth in Nürnberg, Verhandlungen cingelcitet über eine praktische Er probung der neuen Erfindung Wirths für die bayri schen Staatsbahnen. Die neue Fcrnbrcmscinrichtung, die jeden Zug auf beliebig« Entfernungen von einer Zentralstation aus mittels elektrischer Fernwcllen zum Stehen bringen kann, soll die Sichcrheit des Eiscnbahnfahrens um 75 Proz. steigern. Ausland. Gesterreich-Ungarn. * Ein neuer Präsident des Reichsgerichtes. Der Kaiser hat an Stelle des zurückgetretenen Grafen Adalbert Schönbarn den früheren Minister Anton Ritter von Ran do zum stellvertretenden Präsidenten des Reichsgerichts ernannt. Zraakreich. * Die neue französische Uniform. Der Hee res- aus schuß der Kammer hat auf Anraten des Kriegsministers den beantragten Kredit ge währt, um hierdurch seine grundsätzliche Zu stimmung zur Einführung der geplanten grau- blauen Uniform in der französischen Armee zu erteilen. Zur Unterstützung dieses Antrages stellte 8vdudVLroudLv8 8perialit!tt: — Dcruspr. 11189. llci Vie Liebe Ser örei Kirchlein. 19j Roman von E. Stieler-Marshall. (Coi>.nixUl ww dx LrslU «in vo., 0. m b N. Besonders zwei hakte er fick) an sein Herz genommen. 'Die kraßen Füchse aus dem badi schen Land, den Blonden, den Brannen, Fritz Zrmcling den Träumer und Waller Berger, den Schelmen. Da hatte cr dann wieder zwei junge Menschentinder erobert, die sich für ihn hätten lir Stücke zerreißen lassen — und Vater und Mutter verlassen hätten, uin ihni anzu- hangen. Nun aber jener Abend, was hatte er aus seinem wundcrrcichen Nikolaus-Sack den Kindern mitgebracht? Was Werner bekommen hatte, das war kein Jultlapp-Paket. ZweiNvsen hatte der Maicnabend ihm zurückgelassen: eine duntclrvte, glühende — die erste Liebe. Und «ine gelbliche, zarte, von wundersamem Duft: die Dichtkunst — Nösclcin von großer Schönheit — Nöselein mit spitzen Dornen. Wonne und Llual einer törichten, juacnd- fcligen, ersten Liebe! Glück und Pein des stam- »nelndcn. verliebten jungen Dichters! Er sang t>aS übliche Lied von Herzen und Schmerzen, Sehnen, Wähnen, Minnen und Sinnen. Und seine Liebe kam Frauchen zugute, denn sie ver minderte seinen Appetit beträchtlich. Er wurde ganz dünn und blaß in jenen Wochen, wo er jede freie Stunde nutzte, um der süßesten Frau zu Gefallen zu gehen. Wo er neben seinen Schul heften immer das schlvarze Wachstuchbüchelchen hielt, worin er seine jungen Leiden nicderschrieb. Niemandem vertraute er sich an. Der Schwester'? Nein, in solchen Dingen taugen Mädels nicht zu Vertrauten. Und einen eigentlichen Freund besaß er nicht, den hatte er bisher noch nicht gebraucht und nie gesucht, weil cr eben das ^rauchen hatte. Zn der Kinderzcit hatten sie ihn in der Klaffe viel geärgert. Sic hatten ihn immer vb das etwas ganz Verdächtiges wäre. Und cr hatte es auch so empfunden, wie eine tödliche Beleidigung. Eine Zeitlang hatte cr cS Frauchen durch kaltes, abstoßendes Wesen bitter entgelten lassen, daß er ein Mädchenzwilling war. Warum ivar sie auch kein Bub? Warum sah sic, das dumme, kleiuc Mädel, ihm, dem Knaben, so lächerlich ähnlich? Aber sein Gerechtigkeitsgefühl hatte ihm daun zu deutlich gesagt, daß sie an diese» Dingen wirklich ganz unschuldig war. Sie war doch sein Bestes — und künftighin, wenn sic ihn in der Klasse wieder Mädchenzwilling genannt, hatte cr mit erhobener Faust ganz freundlich gefragt, was sic damit sagen wollten — und wer keine genügende Erklärung gegeben, der hatte diese Faust auch zu spüren bekommen. — Fetzt lagen die Dinge ganz anders. Jetzt be mühten sich die würdigsten Primaner um seine Gunst, um durch ihn mit dem Frauchen be kannt zu werden. Er aber verhielt sich sehr abweifend unc> stellte grnnofätzlich niemanden der Schwester vor. Frauchen! Und das kleine, weiche, zärtliche Ding? Ihr hatte jener Abend nur neue Liebe gebracht! Zn rhrein warmen, mit so inniger, reicher Liebe wunderschön eingerichteten Herzen war ein neuer Stammsesscl eingeschvbcn, darin saß Bankier Merkel ganz breit und behäbig und wärmte kich. „Er ist ein sehr guter Mann," jagte sic jetzt von ihm, „ich habe das ganz deutlich ge merkt, obgleich er es nicht so recht zeigen kann." Werners Herzcnszustand war der klugen Schwester sehr bald klar geworden. Beim Ab stäuben in seiner Stube drängte sich ihr auch so mancherlei auf. Da waren in sein Pult, in die Fensterbank, inwendig in seine Klcidcrschrank- tür Herzen cingeschnitzt oder gezeichnet, die ein großes, ausdrucksvolles k umschlossen. Sein No tizbuch hatte er einmal liegen lassen, und Frau chen machte slch kein Gewissen daraus, mit großem Hochgenuß seine lyrischen Ergüsse zu lesen Sie fragte ihn nicht, neckte ihn nicht. Nur »WM j.ur M AM r*rßrgen». cha zuch da einmal in deklamatorisch-pathetischem Ton an zureden und ihrem Gespräch allerlei anzügliche Nenne cinzuflechteu. Das strafte cr mit Nicht achtung. Uebrigens sollte das Schicksal ihn bald an Frauchen rächen, denn eines schönen Tages mußte auch sie aufangen zu dichten, und ihr gelang cs noch viel schlechter als ihm. llnd Fran Alix? Zivci lebendige Menschen herzen hakte jener Abend ihr zu Füßen gelegt, ein töricht junges und ein reifes, reiches. Aber davon konnte sic noch nichts wissen. Nur von dem jungen drängte sich ihr eine Ahnung auf, wenn sie jetzt gar so auffallend oft dem Werner Kirchlein auf ihren Wegen begegnete, wenn sein ehrliches Kindergesicht bei seinem ungeschickten Gruß in dunkles Not getaucht war und seine Augen ganz unverhohlen sie aubeteten. Sic nahm cs lächelnd hin, frcnte sich, solch reiner 'Fugend Königin zu sein, und wenn sie gut gelaunt war, sprach sic den Jungen an in ihrer tändelnden Weise. Einen Wunsch hatte ihr der Abend noch gegeben. Den Wunsch nach einer cdlcn, reichen, schönen Freundschaft. Sie wollte einen Freund erobern. Lehren sollte er sie, die so wenig ge lernt, bilden sie, die ihre Bildung bisher nur toten Büchern verdankte. „Ich freue mich, wenn kluge Männer reden, Daß ich verstehen kann, wie sie es meinen." So sollte es werden. Sie dachte es sich so schön! Za, solch ein Abend. Wenige Stunden, wäh rend man den Alltag ausschaltet und ein ganz besonderes Licht aufflammcn läßt, die können nachwirkcn auf eine lange Zeit und bleibende, köstliche Werte bringen. Der Bankier hatte Kirchlein den Schlüssel zu einem Seitenpförtchcn des Parkes gegeben, damit er jederzeit ohne Umständlichkeit ein- und ausgehcn und das Gelände nach Lust und Laune einer eingehenden. Voruntcriuckuing untcrzielfen könnte. Da ging cr nun beinahe täglich in den frühesten Morgenstunden hinüber, untersuchte jdM Eäbrcrch, überlegte^ plante^ liierte. Dann ließ er das Terrain von einem Landmesser aus messen und zeichnete sich eine genaue Karre. Mit großer Liebe, ja mit Begeisterung ging er an diese Ausgabe heran, und nur das eine war ihm immer wieder eine Trübung. Es war ihn: nicht lieb, daß er Geheimrat Gisclius, dem Di rektor des Botanischen Institutes, nichts von den großen Dingen, die sich da vorbereiteten, sagen »olltc. So heimtückisch kam ihm das vor. Doch hatte er nicht widerstehen können, auf die Be dingung cinzugehen, die Aufgabe war gar zu verlockend. Wenn cr aber nun mit dem feinen, alten Herrn sprach, der ihn durch seine goldgefaßte Brille mit klugen, milden Augen väterlich an sah, dann war er ordentlich bedrückt, wie einer, der ein schlechtes Gewissen hat. „Wenn du ahntest!" mußte er immer den ken, „wie eifrig würdest du bei der Sache sein und deine ganze Zeit und Kraft dem Werke widmen." Geheimrat Gisclius hatte oft mit ihm dar über gesprochen, cr wußte, daß cs des alten Herrn innigstes Wünschen war, der Universität einen botanischen Garten zu schaffen. Nun laß der seine Kollegs, saß im Senat, bearbeitete Zahr um Jahr erneut sein großes Lehrbuch der Pflanzcnmorphologie und Syste matik, immer mit einem subtilen Fleiß — und ahnte nicht, daß ein anderer an dem lebendigen Werke war, das zu vollenden sein LcbcnSwunsch war. Theoretisch — auf dem Papier, kam Kirch lein mit der Anlage des Gartens flott vor wärts. Später wollte cr die Univcrsrtätsfcricn dazu benutzen, einige der berühmtesten Gärten in Deutschland, so gut cr sie schon kannte, noch einmal wieder, und zwar auf das cingel-cndstc, zu betrachten und zu studieren. Mußte cr schon allein und im geheimen das Werk betreiben, durfte er keinem Kollegen Milarbcitersckmft gönnen, so wollte cr wenig stens sein ganzes Wissen uns Können, seine Ehre daran setzen, um etwas Mustergültiges zu voll bringen. ^Fortsetzung in der Morgenausgabe^.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)