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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 02.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-02
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140702010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914070201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914070201
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-02
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Zwist unter -en Rebellen in Mexiko. Der Diegcszug der Rebellen gegen die Hauptstadt Mexikos ist zum Stillstand aekom- men, und zwar nicht durch den tapferen Wider stand der Truppen Huertas, sondern durch die Uneinigkeit der Redellenfnhrer selbst. Daß Villa mit Carranza nicht mehr einig war, darüber unterrichteten ja sclWn seit längerer Zeit Mel dungen; jetzt ist der Zwist zum offenen Aus bruch gekommen: Villa hat plötzlich den Kampf gegen Huerta eingestellt und den grüsteren Teil »einer Truppen nach dem Norden zurückgezogen. Den unmittelbaren Anlaß zu diesem Schritt, der die Rebellen um die Frucht ihres Sieges vou Zacatecas bringt, gab die Weigerung Car- ranzas, Villas Truppen von Tampico aus mit der dringend benötigten Munition zu versorgen. Ob Carranza sicti dies zu tun weigerte, weil er auf den Sieg Villas eifersüchtig war und wei tere Erfolge verhindern wollte? Vielleicht fiirct)- tete er für seine eigene Stellung. Schärfer noch als Villa hat sich ein anderer Rebellenführer, Zaparta, der un Süden der Hauptstadt steht, von Carranza lvsgesagt, er hat ihm offen den Krieg erklärt. Ange»ichlS dieser Uneinigkeit der Gegner wachsen wieder die Aussichten Huertas, dessen Verbleiben in Mexiko schon arg gefährdet erschien. Wir verzeichnen folgende Meldung: Zwist zwischen Billa und Carranza. Der Nebellengeneral Villa hat sich, da zwischen ihm und Carranza ernste Zwi stigkeiten entstanden sind, nach Norden zu rückgezogen und in Zacatecas nur 8000 Mann zurückgelassen. Die verzweifelte Lage Huertas erscheint dadurch augenblicklich zwar etwas ge bessert; es wird aber nicht daran gezweifelt, das; diese Besserung nur vorübergehend ist und nur einen Aufschub seines Sturzes be deutet. Ver.Generalparöon" beim Wehrbeitrag un- -as Reichsgericht. Mehrere Strafsenate des Reichsgericht» lzaben sich in den letzten Tagen mit dieser Frage be schäftigt, die ja viele Gemüter bewegt hat. Wenig stens die Gemüter solcher, gegen die bereit» em Rachzahlungs- oder gar Strafverfahren schwebte, weil sie bei der Veranlagung zu einer Staats- oder Ge meindesteuer Vermögen oder Einkommen hinterzogen batten. Durch den »og. ..Generalpardon" sollte allen bisherigen Sündern sozusagen von Reichs wegen Ver zeihung gewährt werden, wenn sie wenigstens zum Wchrbcitrag richtig deklarierten, und dadurch ihre „Reue" betätigten. Das geschah natürlich wen,,.ec lin Interesse L,eser Sünoer, als vielmehr des Wehr beitrags wegen: niemand sollte durch Furcht vor Strafe oder vor sonstigen Nachteilen gehindert werden, sein Vermögen zu dem großen vater ländischen Zwecke wahrheitsgetreu anzugcben. Nun hatte der Bundesrat einen Wermutstropfen in den Becher der Freude geträufelt, indem er in 8 15 Abs. 2 seiner Ausführungsbestimmungen zum Wehrbeitragsgesetz aussprach: der Generalpardon be ziehe sich nicht auf solche Fälle, wo bereits auf Grund der Landesgesetze ein Strafverfahren oder eine Neu- Veranlagung oder Mehrveranlagung eingeleitet wor- den sei. Diese Ansicht — denn es handelt sich nur um ein« „Ansicht" des Bundesrats, der ja von sich aus zu dem Gesetze nichts hinzutun und von ihm nichts hin- ivegnehmen kann —, war bekanntlich vom Kammer gericht verworfen worden, das schon vor Monaten in einer bei ihm anhängigen Sack-e dem Generalpardon eine ganz allgemeine Bedeutung gegeben hatte. Das Reichsgericht har jetzt — noch heute durch den fünften Strafsenat — eine Mittelstellung zwiscl>en Bundesrat und Kammcrgericht eingenommen. Sie kann, da die schriftlichen Gründe noch nicht vorliegcn, hier nur mit Vorsicht wiedergegeben werden. Offenbar meint das Reichsgericht: derjenige könne sich auf den General pardon nicht berufen, der in dem gegen ihn an hängigen Verfahren eine Hinterziehung bereits, sei es ausdrücklich, sei es durch sonstige Erklärung, zu- gestanden hatte, als er die wahrheitsgemäße Deklaration zum Wehrbeitrag abgab. Man wird einräumen müssen, daß die Meinung des Reichs k*olttisette Ueberliettt Vie Weltlage. Die Ermordung des österreichischen Thron folgers hat in gesteigertem Maße die allge- merne Aufmerksamkeit auf die Weltlage gelenkt. Einen bemerkenswerten Beitrag zu ihrer Beur teilung enthält die politische Umschau, die „Nauticus" in dem soeben erschienenen 16. Bande seines vortrefflichen „Jahrbuchs für Deutschlands Seeintere s sen" «Berlin, E. S. Mittler L Sol-ii) veröffentlicht. Den Zeitraum vom Mai 1913 bis zum Mai 1914 umfassend, zieht diese Umsctiau die albanische Krisis und ihre möglichen Rückwirkungen aus den Dreibund nicht in den Kreis der Betrach tungen. Aber deswegen verliert nicht an Inter esse, was „Nauticus" sonst über das Balkan problem und die wechselseitigen Beziehungen der europäischen Hauptmächte ausführt. Dies gilt vor allem für die Art, wie er Deutschlands Verhältnis zu Rußland und zu Groß britannien beurteilt. Was Rußland anbelangt, so verlangt „Nauticus" Beachtung für die starke Vermeh rung des russischen Heeres und der Ostseeflotte, ohne darin bei der aufrichtigen Friedensliebe des Zaren eine Kriegsgefahr zu erblicken. Aber die Wühlarbeit der Panslawisten, die über Skan dinavien ans Atlantische Meer streben und Deutschland als den Bundesgenossen der Donau monarchie hassen, veranlaßte „Nauticus" zu dem Hinweise, daß Nikolaus II. schon einmal einen Krieg führen mußte, den er nicht wollte. „Wenn die leitenden Staatsmänner, vielleicht um die Aufmerksamkeit von inneren Schwierig keiten abzulenkcn," meint „Nauticus", „den alt slawischen Forderungen nachgeben, ist Grund zur Besorgnis; denn dann würden in Frankreich die besonneneren Staatsmänner die nationalistischen Kriegshetzer nicht mehr im Zaume halten können, und Rußland würde mit in den Strudel gerissen werden." — An eine Gefährdung desFrie- dens glaubt jedoch „Nauticus" „fürs erste" nicht, weil noch mehrere Jahre nötig seien, um die russischen Rüstungen zu vollenden, und wie daun die Weltlage sein werde, könne niemand sagen. In diesem Zusammenhänge ist die Ge staltung der russisch-englischen Freund schaft von besonderer Wichtigkeit. „Nauticus" hält sie für ein sehr zartes, an Unterernährung leidendes Gewächs, bestimmt, Rußland von einer gerichts, wie immer, logisch und juristisch kaum an fechtbar ist. Eine andere Frage ist, ob der Gedanke de« Eeneralpardons, wie er den gesetzgebenden Faktoren, insbesondere dem Reichstage „vorgeschwebt hat, durch solche Rechtsprechung ganz erfüllt wird. Denn es werden hier feine Unterschiede in das Gesetz hineingetragen, an die man in dem patriotisch beweg ten Sommer de» Jahres 1913, als das Wehrbeitrags gesetz zur Welt kam, kaum gedacht hat. Auch ist e« nicht eben erfreulich, wenn oberste Gerichte von einander abweichen. Das Kammergericht hat in jenem Falle als letzte Instanz geurteilt und ist auch in Zukunft nicht gezwungen, wenigstens nicht gerichts verfassungsmäßig, sich vor der Ansicht des Reichs gerichts zu beugen. Jedenfalls haben diejenigen Glück gehabt, deren Strafsache vor dem Kammer gericht endigte, während die Zuständigkeit des Reichsgerichtes diesmal für andere unheil voll war. Allein das ist nun einmal nach unserer Gerichtsverfassung und insbesondere unse rem Rechtsmittelsystem möglich. Aehnliches kann sich bekanntlich ereignen, wenn die obersten In stanzen der Justiz und der Verwaltung — z. B. Reichsgericht und preußisches Oberverwaltungs gericht — voneinander abweichen. Ferner, was gerade beim Wehrbeitrag selbst kaum ausbleibcn wird: wenn die obersten Verwaltungsgerichte der ver schiedenen Bundesstaaten unter sich nicht einig sind. Von liberaler Seite wurde noch in der letzten Session des Reichstages der Finger auf diese Wunde unseres Verfassungslebens gelegt, indem man eine Aus gleichsinstanz und vor allem einen Reichsfinanz- perichtshos forderte. Wie man weiß, zunächst ohne Erfolg. Die Schwierigkeiten eines solchen Gesetz gebungswerkes sind auch angesichts des föderativen Aufbaues des Reiches unverkennbar und sollen an dieser Stelle gewiß nicht geleugnet werden. Allein: steter Tropfen höhlt den Stein! Auf den „General pardon" zurückzukommen, behalten wir uns vor. s^ Störung d«r britischen Kreise in Asten abzu halten. So gern Großbritannien eine Schwächung Deutschlands sähe — führt „Nau- ticus" aus —, ein französisch-russischer Sieg würde die unerwünschte Wirkung haben, da- an sich schon nicht geringe russische Selbstbewußt sein über Gebühr zu steigern und die großen Kräfte des Russenrcrches für Asien freizumachen. Dem Allslawentnm aber könne Großbritannien nicht Vorschub leisten, ohne gegen sich selbst zu wüten, und daraus ergebe sich, daß Groh- britannien Deutschlands als eines Gegen gewichtes gegen den Zweibund nicht entraten könne, sowie darauf bedacht sein müsse, den Frieden zu erhalten. " Diese Friedenspolitik führte Großbritannien ganz von selbst zum Zusammenwirken mit dem Deutschen Reiche, als das Slawentum im Bal- kanlriege seinen Vorstoß machte. Welchen Ein fluß die gemeinsame, den bisherigen Gegensatz mildernde Arbeit auf das deutsch-eng lische Gesamtverhältnis übte, darüber schreibt „Nauticus" wörtlich das Nachstehende: „Eine Frucht des wiederhergestcllten Ver trauens waren die Verhandlungen über die Frage der Bagdadbahn und die wirtschaftliche Betätigung in afrikanischen Gebieten, um zu einer Regelung zu kommen, die künftigen Streitigkeiten vorbeugt. In manchen briti schen Köpfen freilich spukt immer noch die Furcht vor einer deutschen Landung aus briti schem Boden, vernünftige Leute aber erken nen, daß sie sich von einem Gespenst haben schrecken lassen, das nur hervorgezaubert wurde, um für die allgemeine Wehrpflicht Stimmung zu machen. Die Besserung des deutsch-britischen Verhältnisses ist Tatsache. Man soll jedoch nicht zu viel auf einmal erwarten. Fürs erste genügt es, daß das Verhältnis seine Schärfe eingebüßt hat; alles Weitere muß der Zukunft über lassen bleiben. Im übrigen hat Deutschland keinen Anlaß, um die britische Freundschaft zu buhlen. Es ist aus eigener Kraft imstande, allem, was kommen mag, in Ruhe entgegenzusehen. An Groß britannien ist es, Deutschlands Recht auf einen Platz an der Sonne anzuerkennen und eine Politik aufzugeben, die Deutschlands Entwick- lung Steine in den Weg wirft." Die zurückhaltende Beurteilung des eng lischen Flottcnbcsuches in Mel durch die „Nordd. Allgem. Ztg." entspricht im wesentlichen dem Standpunkte ruhigen Kraftbewußtseins, den „Nautrcus" in den vorstehenden Sätzen ein nimmt. Wie er hier trotz der russischen Rüstun gen und trotz des russischen Panslawismus Groß britannien nicht nachläuft, so beurteilt er auch die Lage Oesterreich-Ungarns gegenüber den Balkanslawen nicht schwarzseherisch. Die Gefahr, die der Donaumonarchie vom Bal- tanbunde drohte, sicht „Nauticus" mit dessen Zerfall geschwunden. Auch der Verlust, den die Türker erlitten, dürfe nicht als ein Gewinn für das Allslawentum gebucht werden. Denn weder Griechenland gehöre zum Gefolge des Allslawentunis, noch Rumänien, das um seiner selbst willen gegen das Ueberwiegen eines sla wischen Staates auf dem Balkan sein müsse. Die Mäste Bulgariens und Serbiens aber höben sich gegenseitig auf. Serbien un- Montenegro. Die Sensationsmeldung des „Figaro" über eine Verschmelzung von Serbien und Monte negro wird auf der Berliner serbischen Ge sandtschaft als durchaus unglaub würdig bezeichnet. Ihre Haltlosigkeit ergebe sich dem „Bert. Lok.-Anz." zufolge unter an- derem daraus, daß die Vereinigung am Jah restage der Schlacht von Kossowo verkündet wer den sollte. Dieser Behauptung gegenüber brauche man sich nur zu vergegenwärtigen, daß an die sem Tage König Peter sich im Bade und der König vou Montenegro sowie Kro n- prinz Danilo sogar außerhalb ihres Reiches sich befanden. Wie könne man sich einen solchen historischen Akt für zwei Dyna stien und Staaten vollzogen denken, während ihre Herrscher fern von den Staatsgeschäften weilen. Anderseits sei zu betonen, daß Serbien und Montenegro sich stets als Schwester- Nationen gefühlt und immer Seite an Seite gegen den gemeinsamen Feind gekämpft haben. Selbstverständlich werde man diese Zusammen gehörigkeit stets inniger zu gestalten suchen. Aber ein Auslöschen Montenegros, wie es hier angekündigt wird, stelle denn doch einen Vor gang dar, über den man in Petersburg seine eigenen Gedanken haben dürfte. Unvergessen ist, daß Alexander III. König Nikita, der damals nur den Fürstentitel führte, Rußlands einzigen Freund nannte. Zwei russische Großfürsten sind mit Prinzessinnen des montenegrinischen Herr scherhauses vermählt, und nun sollte man an der Newa wortlos zugeben, daß diese Dynastie sich aufgibt? Das könne keiner glauben, der nnr ein wenig die geschichtlichen Beziehungen Rußlands und Montenegros und die persön lichen zwischen ihren Herrscherhäusern kennt. Deutsch«» Reich. * Die Ortsgruppe Leipzig des Alldeutschen Be*» Landes hielt am Dienstag abend im Künstlerhaus ihre Monatsversammlung ab. Nach deren Eröffnung durch Seminaroberlehrer Hänsch erstattete der Hauptgeschäftsführer des Alldeutschen Verbandes Freiherr v. Pieting Hoff-Scheel einen Bericht über „Die politische Lage". Sie wurde von dem Redner als sehr ernst bezeichnet. Frankreich, unser Todfeind, habe keine Opfer gescheut, seine Rüstungen fieberhaft zu vervollständigen. Rußland bemerkte nach der Niederlage im russisch-japanischen Kriege mit einem Male, daß es wichtige Belange an seiner Westgrenze zu vertreten habe. Durch das Erstarken der Balkanstaaten sei Oesterreich-Ungarn gezwungen, seine Südgrenzen stärker wie bisher zu schützen. Alles dies und auch die vor einigen Tagen begangene Blut tat in Serajewo bewiesen, daß der uns bevorstehende Kampf in nicht zu ferner Zeit kommen müsse. Sache unserer Staatsmänner sei es deshalb, diesen Krieg, wie es 1870/71 geschah, so volkstümlich ru machen, daß der Furor teutonikus, einmal erwacht, auch zu siegen versteht. An den beifällig aufgenommenen Vortrag schloß sich eine rege Aussprache an. O * Veröffentlichung neuer Reichogesetze. Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht das Gesetz zur Er gänzung des Gesetzes über die Haftung des Staates und anderer Verbände für Amtspflichtverletzungen von Beamten bei Ausübung der öffentlichen Gewalt vom 1. August 1909; ferner das Gesetz zur Abände rung des Gesetzes über die Zuständigkeit der Ver- waltungs- und Verwaltungsgerichtsbehörden vom 1. August 1883. * Reichstagsabgeordneter von Heydebrand hielt aus Anlaß eines Somme rfestes des Konser vativen Vereins in Schlesien eine Rede, in der er sich über die politische Lage ausgesprochen hat. Herr von Heydebrand sprach zuerst von den wirtschaftspolitischen Sorgen der Gegenwart, ging dann aus Bismarck über und betonte, worin wir ihm ohne weiteres folgen können, daß die gegen wärtige politische Lage sehr gefährlich sei. Zum Schluß forderte er scharfe Maßnahmen der Regierung gegen die sozialdemokratische Propaganda. Entwickelung der Heimat * Der badische Landtag ist am Mittwoch vor mittag He schlossen worden. Der Präsident des Staatsministeriums, Freiherr v. Dusch, erklärte in seiner Ansprache, daß der Landtag nach einer arbeitsreichen Tagung mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung in die Heimat zurückkehren dürfe.— Der Staatsvoranschlag zeige eine erfreuliche Weiter entwickelung der staatlichen Tätigkeit auf allen Ge bieten des Staatslebens. Daß eine kräftige Förde rung wichtiger staatlicher Aufgaben bei erhöhten Anforderungen an die Steuerkraft Les Landes mög lich war, könne die Regierung mit besonderer Genug tuung feststellen. Die Erledigung der Denkschrift über die Versorgung des Landes mit elektrischer Energie und die Darstellung der Regierung über die Schiffbarmachung des Rheins ergab eine voll kommene Uebereinstimmung zwischen der Regierung und den Landständen in diesen für die wirtschaftliche o bedeutungsvollen Fragen. Der Staatsminister schloß: „Der Groß herzog hat mich beauftragt, Ihnen zum «Schluß der Tagung freundliche Grüße mit dem Wunsche zu entbieten, daß Ihre Arbeit unserem teuren Vaterlands zum Segen gereiche. Indem ich diesen Allerhöchsten Auftrag vollziehe, erkläre ich auf Befehl des Eroßherzogs den Landtag für ge schlossen." «hristoph willibal- Sluck. «Zum 200. Geburtstag des Meisters am 2. Juli 1914.) Von Dr. Edgar Jstel. Wer kennt nicht jene phantastische Novelle des großen Romantikers E. T. A. Hoffmann, an deren Schluß der geheimnisvolle Fremde plötzlich in einem gestickten Galakleide, reicher Weste, den Degen an der Seite, mit dem Lichte in der Hand feierlich herein tritt, und sonderbar lächelnd spricht: „Ich bin der Ritter Gluck!" Etwas Mysteriöses liegt auch heute noch, hundert Jahre nach der Niederschrift der Hoff- mannschen Novelle für uns über Leben und Wirken des großen Reformators der Musik, mit dem erst jetzt wiederum die neuerwachende Forschung sich ernsthaft zu befassen anschickt: vor kurzem ist endlich die große Gluckgejellsckaft ins Leben getreten, die nun wohl allmählich Licht über die Tätigkeit eines epochalen Meisters verbreiten wird, der bisher von einem selt samen Halbdunkel umfangen war, obwohl er der Ur ahne der modernen Opernbiihne ist, deren ältestes Repertoirestück der am 5. Oktober 1762 zur Urauf führung gelangte, also über 150 Jahre alte „Orpheus" -arstellt. Wer weiß, wie kurz die Lebensdauer einer Oper ist, deren „Unsterblichkeit" selten 50 Jahre zu überdauern pflegt, selbst wenn sie bei ihrem ersten Erscheinen mit Jubel begrüßt wurde, der wird er messen können, was es heißt, 150 Jahre dem Spiel plan erhalten zu bleiben mit der Aussicht, so rasch nicht in die Vergessenheit der Archive hinabzusinken. Man hat gern Wagner mit Gluck verglichen, und in der Tat weisen die beiden gewaltigen Reforma toren manche wcfcnsverwandte Züge auf: unbeug samer Wille, konsequente Durchführung der einmal gefaßten Idee, das Drama zur Hauptsache, die Musik aber zur Dienerin zu machen, zeichnet beide Männer aus. Daß Wagner indes, abgesehen von seinen voetischen Fähigkeiten, größer, zielbewußter und auch oer bedeutendere Musiker war, scheint gewiß, und so ist denn auch der ats absoluter Musiker durchaus nicht geniale Gluck von dem strahlenden Genie seine» unmittelbaren Nachfolgers Mozart verdunkelt worden; hier bet Mozart sand sich eben das ein, wa» Gluck doch letzten Endes abging: die übersprudelnde musikalische Erfindung, die sich zu der hohen drama tischen Einsicht, wie sie Gluck besaß, würdig gesellte. Glucks Wirksamkeit, am ehesten etwa der Lessings in der Literatur vergleichbar, darf nicht unterschätzt, aber gewiß auch nicht überschätzt werden; genau so, wie Goethe nicht ohne die Vorarbeit Lessings, genau so wenig ist Mozart ohne Glucks Vorgängerlchaft denkbar, lieber das eigentliche Wesen der Gluaichen Tätigkeit hat sich kein Geringerer als sein Nach folger Wagner deutlich ausgesprochen, und wenn Wagners Darstellung auch wohl nicht ganz mehr der neuesten musikhistorischen Forschung entspricht, so ist sie doch als Dokument künstlerisch-moderner An schauung äußerst wertvoll. Wagner meint: „Die so berühmt gewordene Revolution Glucks, die vielen Unkenntnisvollen als eine gänzlick-e Verdrehung der bis dahin üblichen Ansicht von dem Wesen der Oper zu Gehör gekommen ist, bestand in Wahrheit nur darin, daß der musikalische Komponist sich gegen die Willkür des Sängers empörte, indem er der vorzu tragenden Weise einen dem unterliegenden Wort texte entsprechenden Ausdruck zu geben suchte. Gluck war gewiß nicht der erste, der gefühlvolle Arien schrieb, noch seine Sänger die ersten, die solche mit Ausdruck vortrugen. Daß er aber die schickliche Not wendigkeit eines der Textunterlage entsprechenden Ausdruckes in Arie und Rezitativ mit Bewußtsein und grundsätzlich aussprach, das macht ihn zu dem Ausgangspunkt für eine allerdings vollständige Veränderung in der bisherigen Stellung der künstlerischen Faktoren der Oper zu einander. Von jetzt an geht die Herrschaft in der Anordnung der Oper mit Bestimmtheit auf den Komponisten über: der Sänger wird zum Organ der Absicht des Komponisten Der unschick ¬ lichen und gefüblloscn Gefallsucht des virtuosen Sängers war also im Grunde einzig entgegen getreten worden, im übrigen aber blieb es in bezug auf den ganz unnatürlichen Organismus der Oper durchaus beim alten. Arie, Rezitativ und Tanzstück stehen, für sich gänzlich abgeschlossen, ebenso unver mittelt nebeneinander in der Gluckschen Oper da, als es vor ihr und bis heute fast immer der Fall ist." Den letzten großen Schritt zu tun war eben Richard Wagner Vorbehalten, der zum ersten Male den Akt, nicht mehr die „Nummer" als Einheit ansah. Glucks Lebensgeschichte ist merkwürdig und an abenteuerlichen Schicksalen reich. Der spätere „Ritter" vom päpstlichen „goldenen Sporn" (übrigens besaß auch Mozart diesen Orden, ohne sich jedoch des Rittertitels zu bedienen) ist als Sohn eines armen Försters zu Weidenwang bei Berching in Mittelfranken nahe der böhmischen Grenze ge boren und verlebte seine Jugend vorwiegend in Böhmen, wo er — ähnlich wie später Brahms — sich seinen ersten Lebensunterhalt durch Ausspielen in Wirtshäusern verdienen mußte. Als er im Jahre 1736 in einer Soiree beim Fürsten Lobkowitz durch sein schönes Violoncellspiel auffiel, erhielt er auf Kosten des lombardischen Fürsten Mrlzi seine weitere Ausbildung in Mailand bei Sammartini. Nach vierjährigem Studium begann sich Glucks dramatisches Talent zu regen: eine Reihe von Opern, ganz in konventionell italienischem Stil, machten ihn rasch bekannt, so daß er einen Ruf ans italienische Theater nach London erhielt. Hier fiel er jedoch schließlich vollständig durch, und berühmt wurde das Svort seines Rivalen Händel, sein Koch verstehe mehr vom Kontrapunkt als Gluck. Dieser abenteuerte nun mehrere Jahre als Dirigent einer reisenden Operngesellschaft durch Europa Er hatte in Dresden, Prag, Hamburg und Kopenhagen Er folge, vom Jahre 1750 ab aber lebte er dauernd in Wien, wo er seine langjährige Braut Marianne Pergin, die Tochter eines Bankiers, nach dem Tode ihres Vaters endlich heiraten konnte und dadurch plötzlich zu behaglich-bürgerlichem Wohlstände ge langte. Seine kinderlose Ehe — eine Nichte adoptierte er später — war überaus glücklich. Zehn Jahre lang, von 1754 an, war nun Gluck Kapell meister der Wiener Hofoper und schrieb in dieser Zeit eine große Reihe von Opern und Singspielen auf italienische und französische Texte, Werke, die unter dem Einfluß Händels und Rameaus all mählich die Reise seines Genius vorbereiteten. Nun ergriff Gluck mit kühner Hand das Szepter der dramatischen Hcrrscherwürde: „Orpheus", „Äl teste", „Paris und Helena" entstanden auf Dichtungen des genialen Raniero de' Tal:abigi, der wahrichein- lich der eigentliche große Opcrnresormator war und dessen Ideen Gluck musikalisch ausführte. In den berühmten Vorreden zu „Alceste" und „Paris und Helena" hat sogar der selbstbewußte Gluck ein ge häuftes Maß von Ehren dem Genossen seines Reform werkes ,zuerteilt. Die nachfolgenden, auf andere Texte komponierten Opern gerieten denn auch wieder ziemlich mittelmäßig, und erst als Gluck in dem fran zösischen Botschafts-Attachs Le Blanc du Roullet wiederum einen verständnisvollen Dichter gefunden hatte, gelang es ihm mit „Iphigenie in Aulis", die später von Wagner wirkungsvoll bearbeitet wurde, im Jahre 1774 m Paris den größten Triumph seines Lebens zu erzielen. Indes regten sich die Freunde der von ihm mit Vernichtung bedrohten italienischen Oper, die die Berufung des berühmten Piccini nach Paris als Rivalen Glucks durchsetzten. Ein gewalti ger Federkrieg der erlesensten Geister Frankreichs ent stand zwischen den „Gluckisten" und „Piccinisten"; schließlich, nachdem auch I. I. Rousseau auf Glucks Seite übergetreten war, endete der Kampf mit einem vollständigen Sieg Glucks, dessen im Zabre 1779 in Paris erschienene, auf eine hervorragende Dichtung des jungen Franoois Guillard komponierte „Iphi genie auf Tauris'^ (später von Rich. Strauß über arbeitet) die Italiener völlig aus dem Felde schlug. Gluck kehrte ein Jahr später nach Wien zurück, wo er, von «Schlaganfällen heimgesucht, ohn« äußere Stö rungen seine Tag« verbrachte. Er starb am 15. No vember 1787 in Wien, verehrt als der größte Meister seiner Kunst, obwohl bereits der jüngere mit ihm be. freundete Mozart ihn überflügelt und wenige Wochen vor Glucks Tode mit „Don Juan", den dieser in einem bedeutsamen Ballett früher behandelt hatte, ihn völlig in den Schatten zu stellen drohte. „Kusu« prueposuit sireois" („Die Musen zog er den Sirenen vor"), hatten seine französischen Freunde unter die ihm in der Pariser Großen Oper gewidmete Büste ge- setzt. Nun kanl einer, der die „Sirenen" des italieni- schen Gesanges nicht zu scheuen brauchte, der Glucks strenge Architektur mit der sinnlichen Schönheit süd licher Melodik vereinte. Und doch spricht es wiederum für Glucks einzigartige Größe, daß selbst ein Mozart ihm den Kranz nicht zu entwinden vermochte, und wenn eine Erabschrift wahr redet, so ist es diese, di« wir ergriffen auf dem Wiener Zentralfriedhof lesen: Hier ruht ein rechtschaffener deut scher Mann. Ein eifriger Christ. Ein treuer Gatte Thristoph Ritter Gluck, der erhabenen Tonkunst großer Meister.
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