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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140707013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914070701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914070701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-07
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Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 33S. Morgrn-Nusysbe weiter entfernt, um so in aller Ruhe den Augenblick zu seiner Rückkehr abzuwarten. Ein Erfolg der Aufständischen. Durazzo, 8. Juli. Die Ausständijchen haben Slargia nach hartem Kampfe mit den von Koritza herbeigeeilten Streitkräften der Regierung ringe« n o m m e n. Vier Franzosen gesangen. Paris, 8. Juli. Rach einer Meldung des „Matin" sollen vier Franzosen, die bei einer franzö sischen Holzgewinnuugs Gesellschaft in dem Essad Pascha gehörigen Sukwalde beschäftigt sind, von auf ständischen Albanesen, als diese di« Miriditen ver folgten, gesangcngenommen worden sein. Der französische Ge'andtc de Föntenay hat Nach forschungen nach dem Verbleib der vcunitzten Fran zosen angeordnet. Ein vertrauensvotum für Huerta! „Huerta soll abdanlcn", so war der Sinn des Friedensprotokolls von Niagara Falls, und Wilson beglückwünschte seine Vertreter auf der Konferenz, daß sie dieses erreicht hatten. Ob aber die Dinge in Mexiko nun in Wirklichkeit die gewünschte Ent- wicke ung nehmen werden, ist eine zweite Frage. Nach den vorliegenden Nachrichten über die Wahlen am Sonntag ist .Huertas Nolle noch nicht ausgcspielt. Wir geben folgende Meldungen wieder: Mexiko-City, ti. Juli. Bei den Präsi dentenwahlen erhielt Huerta ein ein stimmiges Vertrauensvotum. Die Wahl berichte lasjen die Wiederwahl aller gegen wärtigen Deputierten und Senatoren erwarten. Die Wahlbeteiligung war die niedrigste seit vielen Jahren, sowohl in der Hauptstadt als auch in den Nachbarstädten. Veracruz, V. Juli. Au» dem Innern de» Lande» hier eingetrosfene Mexikaner sehen die Wahlen für eine bloß« Farce an. E» sei eine lächerliche Annahme, daß Huerta dem Volke freie Wahlen gewährt have. 11. deutscher gewerblicher <be- nossenschastskag. L. k li. Hildesheim, 8. Juli. Unter überaus zahlreicher Beteiligung von Ver tretern aller deutschen gewerblichen Genossenschafts verbände begannen heute in der hiesigen Stadthallc die Verhandlungen des 11. Deutschen gewerblichen Gcnosscnschaftstages, Dem Hauptverbandc Deutscher gewerblicher Genossenschaften (Sitz in Berlin) ge hören 18 Revisionsvcrbände an. Von diesen haben 18 ihren Sitz in Preußen, 1 in Sachsen, 1 in Bayern und 1 in Elsajz-Lothringen, ferner gehören ihm 42 deutsche Handwerks- und Gewerbe kammern an. Zu der diesjährigen Tagung sind etwa 406 De legierte erschienen. — Der Vorsitzende des Verbandes Landtagsabgeordnetcr Hammer (Zehlendorf- Berlin) begrüßte die erschienenen Teilnehmer und insbesondere das Herrenhausmitglied Obermeister Plate (Hannover) sowie den Vertreter der Preußi schen Zentralgenossenschastskasse Geh. Zinanzrat Dr. Hartmann. Es wurde dann sofort in die Tagesordnung ein getreten, und es referierte zunächst der Verbands direktor Meyer (Hannover) über das Thema „Kreditz »sagen, Krediteinräumung und -widerruf an Genossen und Ge nossenschaften". Redner legte der Versamm lung folgende Leitsätze vor: „Kreditzuiagen und Einräumungen sind in einer Form zu erteilen, daß daraus seitens des Nach suchenden ein Rechtsanspruch nicht herzuleiten ist; dabei ist neben der persönlichen Würdigkeit der An tragsteller in erster Linie aus greifbare Sicherheiten (börsengängige Papiere, Hypotheken, Bürgschaften) zu sehen, die aus der Haftpflicht sich ergebende Sicher Leipziger Tageblatt. heit aber nur als Ergänzungssichcrheit zu betrachten. Der Widerruf und die jcderzeitige Einziehung be willigter Kredite muß, um die Liquidität der Ge nossenschaften „u wahren, ausnahmslos Vorbehalten werden, darf aber nur zur Ausführung gelangen, wenn 1. die Genossenschaft durch Nichteinführung in Schwierigkeiten gebracht wurde, 2. der Schuldner, ernstlicher Mahnungen unbeachtet, die der Genossen schaft bzw. der Verbandskasse gegenüber übernom menen Verpflichtungen nicht erfüllt, 8. die gestellten Sicherheiten an Wert verlieren und der Aufforde rung ungeachtet andcrweite nicht bestellt werden und 4. die Vermögenslage der Schuldner eine derartige geworden ist, daß die Interessen der Gläubigerin ge fährdet erscheinen." An das Referat schloß sich eine kurze Aussprache, in der sich die Diskussionsredner mit den Leitsätzen einverstanden erklärten. Die Leitsätze wurden darauf angenommen. Sodann sprach Verbandsdircltor Korthaus (Berlin» über ,.K au tio u sbctricb mit be sonderer Rücksicht für Submissions- arbeite n." Der Redner führte u. a. aus, daß für Gewährung von Kautionskreditcn an Korpo rationen des selbständigen Gewerbes deren Rechts und Kreditfähigkeit die Voraussetzung bilden müsse. Es erscheine im allgemeinen für die Gewährung größerer und wiedcrkchrender Kredite eine L^rbindung mit der Zcntralkassc zweckmäßig. Nach einer kurzen Debatte über den Vortrag wurden entsprechende Leitsätze angenommen. Ein Vortrag des Verbandsdircktors Hetz (Bcr- lin) über die Anwendung des Reichsstcmpelgcsetzes in der Praxis wurde von der Tagesordnung ab gesetzt. Uebcr das Thema: „In welcher Form ist eine Verbindung der Ei nziehungsge nasse n- schaftcn, Einziehungsämter usw. erwünscht?" referierte darauf in Behinderung des Direktors Niemann (Erfurts der Korreferent Stadtrat Jung (Neiße). Nach kurzer Debatte wurden die vom Redner vorgclegten Leitsätze in folgender abgc- ändertcr Fassung angenommen: „Der ll. Deutsche gewerbliche Genosscnschaststag erkennt in den bestehend:» Einziehungsgenosscn- fchaften und ähnlichen Einrichtungen eine wirksame Waffe zur Bekämpfung der Borgunwcsens. Es wird daher den Kreditgenossenschaften empfohlen, zusam men mit anderen Vereinigungen des Mittelstandes (Rabattsparvereinen, Innungen usw.) die Gründung derartiger Einrichtungen zu fördern, insbesondere aber Abrechnungsstellen für gewerbliche Forderungen einzurichten. Eine wesentliche Förderung des ge nossenschaftlichen Einzichungswesens verspricht sich der 1l. Deutsche gewerbliche Genrsscnschaftstag von dem Zusammenschluß -er bestehenden Einziehungsgenossen schaften und Einziehungsämter. Es wird daher der Zusammenschluß einer freien Vereinigung empfohlen, deren Aufgabe ist: 1. Sammlung aller das genossenschaftliche Ein- zichungswcsen betreffenden Drucksachen, Geschäfts berichte, Literatur usw., 2. gegenseitiger Austausch von Erfahrungen, 8. Erteilung von Rat und Aus künften on die angeschlossencn Genossenschaften und 4. Gewährung von Rechtshilfe für die Einziehungs geschäfte der »»geschlossenen Genossenschaften." Am Nachmittag tagten die Fachgcnosscnschaften. politische Ueberlicht Im Kampf* für -ie Wahrheit! Uns wird geschrieben: „Vor einiger Zeit hielt der Sächsische Schul- verein, von dem auch in Leipzig eine Ortsgruppe besteht, in Löbau eine öffentliche Versammlung ab. Unter der Überschrift „Radikale Agitation in der Lausitz" brachte auch das Organ des Konserva tiven Landesvereins „Das Vaterland" hierüber einen Artikel. Dieser enthielt aber derartige Ver drehungen und Unwahrheiten, daß ein Geistlicher, Pastor Primarius Wallenstein in Löbau, der selbst der Versammlung von Anfang bis zu Ende bcigewohnt hatte, im Interesse der Wahr heit einen Brief an die Redaktion des „Vaterlands" richtete. Sich selbst zu berich tigen, auch wenn es Wahrheit und Anstand zur Pflicht machen, ist natürlich für ein Blatt von den literarischen Gepflogenheiten des „Vaterlands" zu viel verlangt. So erhielt denn Pastor Primarius Wallenstein folgende bezeichnende Antwort: „Euer Hochwürden danken wir verbindlichst für die ungeschminkte Aeußerung zu dem Artikel „Radikale Agitation in der Oberlausitz." Auch uns waren einige Schärfen in dem Artikel aufgcsallen, die sich oder nicht gut beseitigen ließen, ohne den ganzen In halt zu beeinflussen. Da der Aufsatz uns von einem Teilnehmer an der Versammlung zugegan gen war, mußten wir ihn natürlich in jeder Be ziehung für zutreffend halten. Es lmrfte nicht an gebracht sein, jetzt auf die Sache noch einmal zu- rückzukommcn, aber wir lassen uns Ihre Mit teilungen dienen. Mit vorzüglichster Hochachtung Konservativer Landesvcrein im Königreich Sachsen. Der Generalsekretär Fritzsche." Eine derartige Erledigung hatte selbstverständlich Pastor Wallenstein für unmöglich gehalten. Ilm aber doch sein:n Einspruch gegen das demago gische Treiben des „Vaterlands" in der Oeffentlich- keit zu erheben, gestattete er den Abdruck des konservativen schreibens in der „Leipziger L e h r e r z e i t u n g". Damit hatte er sich natürlich eines schweren Verbrechens schuldig gemccht, das nicht ungerochen bleiben durfte. Folgender Brief ging ihm zu: „Euer Hochwürden! Wir möchten nicht verfehlen, Ihnen zum Aus druck zu bringen, daß der Abdruck eines Brief wechsels ohne Genehmigung beider Teile nicht zu den Gepflogenheiten gehört, die nach unserer Mei nung innerhalb der Grenzen der üblichen llm- gangsformcn liegen. Durch Uebcrsendung des Briefes an die „Leipziger Lehrerzeitung" zur Ver öffentlichung haben Sie bewiesen: 1. daß Sie uns mit Ihrem Briefe vom 28. Mai in Irrtum versetzt haben insofern, als wir nach Ihrem Schreiben annchmen mußten, es mit einem Freunde der konservativen Sache und der Erhal tung der Religion für unser Volk zu tun zu haben, 2. daß Sie mit dem Leipziger Lehreroerrin und der „Leipziger Lehrerzeitung" innerlich sym pathisieren und deren Bestrebungen augenscheinlich begünstigen. Als Endziel dieser Bestrebungen und als naturnotrvendige Folgen haben wir stets die Schädigung der evangelischen Kirche und des religiösen Gefühls unseres Volkes angesehen, und cs ist uns neu, unter den Kämpfern für die über die Zwickauer Thesen noch hinausreichenden Ziele der „Leipziger Lehrerzeitung" auch einen sächsischen Geistlichen zu finden. Wir möchten nicht unterlassen, gegen die von Ihnen beliebte rrnd unzweifelhaft eine Neuheit darstellende Art des Auftretens zu protestieren, und werden uns erlauben, diesen Protest öffent lich adzugeben, nachdem Sie den Weg Der Oeffent- lichkcit zuerst beschritten haben. Außerdem wollen wir nicht verfehlen, Ihnen mitzuteilen, daß wir von der unbedingten Richtig keit der Darlegungen unseres Berichterstatters nunmehr voll überzeugt sind; die infolge Ihres Schreibens vorübergehend entstandenen Zweifel sind durchaus behoben. Hochackrtunasooll Konservativst Landesvcrein tm Königreich Sachsen." Dieser Brief ist ip mehrfacher Hinsicht bezeich nend. Weil ein sächsischer' Geistlicher im In teresse der Wahrheit vom Organ des Kon servativen Landcsoereins eine Richtigstellung verlangt und — nachdem dieses in aller Form ablehnt, der Wahrheit die Ehre zu geben — gestattet, daß das schreiben in der „Leipziger Lehrerzeitung" ver öffentlicht wird, wird er im Handumdrehen zu einem Kampfer für die über die Zwickauer Thesen noch hinausgehenden Ziele der „Leipziger Lehrcrzeitung". Der Konservative Landesvcrein findet den Mut, gegen die Art des Auftretens des Herrn Pastors öffentlich Protest zu erheben und damit augenschein lich den Herrn nach „oben" in emp fehlende Erinnerung zu bringen — den Dienstag, 7. 3utt 1914. Mut aber hat er nicht, von seinem Organ die Auf nahme einer im Interesse der Wahrheit geforderten Berichtigung zu verlangen. Der Schlußsatz aber ist geradezu «in Meisterstück konservativer Denkweise. Obwohl der Konservative Landesvcrein zugesteht: „Auch uns waren einige Schärfen in dem Ar tikel aufgefallen", bringt er es fertig, nach dem sich Herr Pastor Wallenstein zwar als ein Mann von unbedingter Wahrheitsliebe, nicht aber als rück sichtsloser konservativer Parteigänger gezeigt hat, öffentlich zu erklären, daß der Konservative Landes vcrein „von der unbedingten Richtigkeit der Darlegungen seines Berichterstat ters nunmehr voll überzeugt ist". Das ist konservative Kampfcsweise." Deutsch«» Reich. * Zu dem liberalen Wahlabkommen in Sachsen schreibt die „Germania": „Daß das liberale Wahl« abkommen frohe Hoffnung in liberalen Kreisen er weckt, kann ihnen niemand verdenken. Wir vom Zentrum vor allem haben nicht die geringste Ursache dazu, denn wir werden wohl bei diesem Wahl kampf als Zuschauer beiseite stehen. Unser« Partei tritt in Sachien nur svoradisch auf, im Par lament ist sie nicht vertreten, und erst in der letzten Zeit hat sie sich um ein Landesparteiorgan scharen können. So richtet sich die Kampisront des gesamten Liberalismus allein gegen die äußerste Rechte und die äußerste Linke. Was nun die Konservativen an langt, so ist in ihren Blättern nichts weniger als Nervosität über das Abkommen zu be merken. Deshalb ist wohl anzunehmen, daß sich das Abkommen in erfreulicher Weile in der Hauptsache gegen die Sozialdemokratie richten wird. Ob solches feine Absicht ist, wird man erst bei den Stichwahlen entscheiden können. Daß es aber wahr scheinlich ist. kann man aus dem Umstande schließen, daß nunmehr durch das Zusammengehen der bürger lichen Parteien ein Ausschluß der Sozialdemokratie aus dem Landtagspräsidium ermöglicht werden wird." O * Der Kaiser ist mit Gefolge am Montag nach mittag in Kiel cingetroffen. Zum Empfange waren auf dem Bahnhof anwesend der Chef der Marinestation der Ostsee, Admiral von Coerper, der Chef der Hochseeflotte, Admiral von Jngenohl, Polizeipräsident von Schröter und der Stadtkomman dant Generalmajor von Wichmann. Der Kaiser be gab sich auf dem Wasserwege an Bord der „H ohen- zollern'. Als die Kaiserstandartc aus dem Wasser sichtbar wurde, feuerte die Flotte einen Salut von 38 Schuß. Ein zahlreiches Publikum begrüßte den Kaiser am Bahnhofe und am Kai mit lebhaften Hurrarufen. * Der Reichskanzler empfing am Sonnabend nachmittag den österreichisch-ungarischen und den spanischen Botschafter. * Deutschland und Dschavid Beis Rede. Der tür kische Finanzminister hat sich, wie der Wolffsche Draht meldet, über die Verträge ausgesprochen, die dre Türkei in der letzten Zeit mit den Großmächten ab geschlossen hat oder abzuschließen im Begriffe ist. Er hat dabei auch die türkischen Bagdadbabnverhand- lungen berührt, über die an Berliner amtlichen Stellen Stillschweigen bewahrt wird. An dem wird auch heute noch festgehalten. Man erklärt, die Verhand lungen seien noch nicht abgeschlossen und deshalb könne man, um sie nicht zu gefährden, zu den Mit teilungen des türkischen Ministers auch noch keine Stellung nehmen. 2m übrigen deutet man, daß die Erklärungen des Ministers nrchtdenwirklichen Stand der Dinge treffen. Bei dieser Gelegen heit wird aber versichert, daß die Verhandlungen ihren Fortgang nehmen. — Aber man wird vielleicht finden, daß sie einen etwas langsamen Fortgang nehmen! * Unter den Werbeschriften der Nationalliberalen Partei haben sich der „Wegweiser für das werktätige Volk" und der „Wegweiser für deutsche Staats- bürger", obwohl sie erst vor kurzer Zeit ins Leben getreten sind, schon eine geachtete Position errungen. Sind sie doch dem Ziele, das sie sich gesteckt, Be lehrung, Vertiefung und Aufklärung m die breiten Massen der Angehörigen aller Erwerbs- und Berufs stände zu tragen, in zäher Beharrlichkeit treu ge blieben. Vor allem aber kam ihnen die glückliche Wahl der Mitarbeiter zustatten, die als hervor- Einige Setrachtungen über die Sewegungen der Erde. Von llnioersitätsprofessor Dr. Wilhelm Foerjter. Die aus den Denkarbeiten der Naturforschung in weite Kreise dringenden Betrachtungen über die Relativität der Bewegungserscheinungcn haben an manchen Stellen wieder kindliche Zweifel erweckt an der Realität gewisser Grundlchren der gegen wärtigcn Wclterkenntnis. Nicht nur bezweifeln einzelne „energische" Leute in langen publizistischen Erörterungen die Bewegung der Erde um die Sonne, sondern auch die Drehung der Erde. Was die Bewegung der Erde um die S o n n e betrifft, so möge hier mit gänzlicher Beiseite lassung der zahllosen strengeren Beweise, die für jene Bewegung aus feinsten und zweifellosesten Messungen unablässig entnommen werden, nur auf eine jedermann gegenwärtige Gruppe unserer ele mentarsten Eindrücke und Erfahrungen in der irdischen Bewcgungswclt hingewicsen werden. In den ersten Sekunden des Beginnes einer Eijenbahnfahrt, wo wir von der Bewegung des uns selber tragenden Zuges noch keine merkliche Er jchütterung verspüren, während unser Ausblick durch einen daneben haltenden, noch in Ruhe befindlichen Zug begrenzt wird, haben wir mitunter die Illusion, als ob nicht unser Zug, sondern dieser andere sich bereits in Bewegung jetzt, und zwar in einer unserer eigenen wirklichen Bewegung ent gegengesetzten Richtung. Eine solche Illusion verschwindet aber, sobald »vir zwischen uns und dem anderen Zuge noch andere Gegenstände oder gar Personen bemerken, bei denen von einer gemeinsamen, der Rich tung unserer Bewegung entgegengesetzten Orts veränderung nicht di: Rede sein kann. Wenn wir dann weiterhin von unserer Fahrt aus in die Nähe und in die Ferne blicken, wo die nahen und die fernen Gegenstände — abgesehen von einzelnen zweifellos auch selber in wirklicher Bewegung begriffenen Gegenständen, z. B. Eftcn- bahnzügen, Fuhrwerken, Personen usw. — sich sämtlich während unserer Fahrt in nahezu gleicher, aber zu der unserigen entgegengesetzten Richtung zu bewegen scheinen, von den nächsten Bäumen bis zu den fernen Kirchtürmen und Bergen, da wirs doch kein Mensch mehr behaupten wollen, daß unsere eigene Fahrt eine Illusion sei, daß wir selber eigentlich stillständen und nur alle die unseren Gegenständ« nah und fern, die Bäume, die Türme, die Berge in Bewegung befindlich sei»«. Statt der in unverkennbar verschiedenen Ent fernungen befindlichen Bäume, Türme, Berge usw., di« sich in unsrr«r Fahrt entgegengesrtzter Richtung zu bewegen scheinen, erblicken wir bei unserer Fahrt mit der Erde um die Sonne in den letzten Fernen allnächtlich nur einen Sternenhimmel, in dessen großen Konstellationen wir kein: Be wegungen unmittelbar wahrnehmcn, so daß die Menschheit ihn als ein großes zusammengehöriges Ganze betrachten konnte und ihm die Drehungs bewegung ganz zuschrieb, für deren Ausführung durch unseren eigenen Aufenthaltsort wir noch keinerlei sonstige Anzeichen besaßen. Allerdings wandert die Sonne alljährlich ihre besondere Bahn an diesem Sternenhimmel. Und es wanderte bei näherem Zusehen auch ganz all mählich eine Anzahl von Hellen Sternen (die Planeten) ihre besonderen 2kege unter den Sternen. In diesen Wanderungen war zrdoch in sehr kompli zierter Weise ein Zusammenwirken zwischen den perspektivischen Wirkungen unserer eigenen Ortsverändcrung im Himmclsraum und den Be wegungen der Planeten selber enthalten, so daß dieicr »achverhalt sich eher vergleichen läßt mit dem Ausblick von einer Eisenbahnfahrt aus in eine Um gebung, die nicht überwiegend mit ruhenden Gegen ständen (Bäume, Türme usw.) erfüllt wäre, sondern nur bewegte Gegenstände, z. B. andere Eisenbahn züge von verschiedener Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung enthalten würde. Hierzu kam noch, daß alle jene Bewegungen im Himmclsraumc, ab gesehen von den Bewegungen der in die Atmosphäre cindringcnden Sternschnuppen, dem unmittelbaren Anblick nicht sofort erkennbar waren, ebensowenig wie diejenige Les am schnellsten von Sternbild zu Sternbild um die Erde ivandernden Weltlörpers, des Mondes, sondern daß nur andaurrndc syste matische Messungen alle jene Bewegungs erscheinungen am Himmel der Menschheit zum Be wußtsein bringen konnten. Nachdem wir nun aber durch solche Messungen erwiesen haben, daß in jenen Bewegungen der Planeten sich die jährliche Wanderung der Erde um die Sonne mit derselben Deutlichkeit und Sicherheit nachweisen läßt, mit -er wir die perspektivische Wir kung einer Liscnbahniahrt in den scheinbaren Be wegungen der Bäume, Türme und Berg: erkennen, so wäre es doch eine große Torheit, in der lieben Menschheit noch irgendwelche Zweifel an unseren Gi'Ndl hrcil der Astronomie kultivieren zu wollen. Noch einfacher liegen eigentlich die Dinge bei der Drehunasbcwegung der Erde, von deren Nachweisung und Messung ich in dem folgenden noch einige Mitteilungen machen möchte. An den festen Teilen der Oberfläche der Erde wäre ein sozujagcn experimenteller Nachweis der Drehung der Erde nur durch Messung der Spannungszustände zu erbringen, die größere zu sammenhängende feste Gebilde, z. B. Gebirge, Bau-. werke, je nach ihrer Lage und Gestalt durch die Drehung des ganzen Massensystems mit der Erde unablässig erleiden. Aber in den flüssigen Teilen der Erdoberfläche, sowohl in den tropfbaren als auch in den luft förmigen, sowohl in den scheinbar ruhenden als auch in den angcnscheinlich bewegten, endlich auch in den von den Menschen herrührendcn Bewegungs veranstaltungen kann die Wirkung der Drrhung der Erde durch besondere Beobachtungen und Messungen deutlichst erwiesen werden. Um dies zu verstehen, müssen wir gewisse zahlen mäßige Besonderheiten Lieser Drchungsbewcgung ins Auge fassen. Die Geschwindigkeit, mit der sich bei der Dre hung der Erde ein Punkt ihrer Oberfläche am Aequa- tor bewegt, beträgt (auf ganze Meter abgerundet) 48.', Meter in einer Sekunde mittlerer Sonnenzeir, während jene Geschwindigkeit an den Polen ver schwindend klein ist. Bedenkt man nun, daß die Eiscnbahngcschwinrägkeit nur selten mehr als 80 Mc. ter in der Sekunde erreicht, daß ferner die Ge schwindigkeit von 30—lO Meter in der Sekunde bei Orkanen schon die gewaltigsten Wirkungen äußert, und d-aß bei noch größeren Luftgcschwindigkeitcn, wie sie bis zu etwa 100 Meter in den Zyklonen vor kommen, schon furchtbare Zcrstörungswirkungen ein treten, so versteht man, was jene Drehungs geschwindigkeit in den Lust- und Meeresströmungen an mächtigen Wirkungen ausübcn kann. Man sicht sofort, daß alle Gcschwindig- keitsuutcrschiedc, die selber schon ansehnlichen Windgeschwindigkeiten gleichkommcn, bei relativ benachbarten Luftmasscn die Neigung zu horizon talen Etrömungs- und Wirbelbewegungen Hervor rufen müssen, um so mehr, als alle diese Luftmasscn zugleich fast unablässig durch die Temperaturunter schiede zwischen den Polen und dem Aequator zu Strömungen nach den Polen hin oder nach dem Aequator hin und durch die Temperaturunterschiede zwischen der Erdoberfläche und den oberen Luft schichten zu auf- oder absteigenden Bewegungen, also überhaupt zu Ausgleichobewegungen angcreg: werden. Wird eine Luftschicht, die über Berlin liegt, schnell nach Norden gedrängt, so müßte sie in 100 Kilometer Entfernung von Berlin, wenn sie nicht unterwegs durch Reibung an den noch Norden hin liegenden, langsamer durch die Drehung von West nach Ost mit- bewegten Luftmasscn einen Teil ihres Gcschwindig- keitsüberschusses über jene verliert, als eine nach Osten um rund 8 Meter gegen die Geschwindigkeit der Erdoberfläche vorauseilende Luftmasse, also als Westwind und in Verbindung mit der angenommenen nach Norden gerichteten Anfangsbewegung als ein Wind erscheinen, der aus einer zwischen Westen und Süden liegenden Richtung herkommt. Es ist einleuchtend, daß alle jene Geschwindigkeit», unterschiede der Mitbewegung, die durch die Drehung der Erde in den verschiedenen Parallclkreisen zur Wirkung kommen, in unseren großen Wasserflächen in Verbindung mit den durch die Verschiedenheiten der Temperaturzustände verursachten Strömungen jene mächtigen Bcwegungserscheinungen Hervor rufen können und müssen, deren Untersuchung die Aufgabe der Meteorologie und Hydrologie ist. An dieser Stelle durften wir uns damit begnügen, auf deren allgemeine Zusammenhänge mit der Drehung der Erde hinzuwcisen. Unmittelbarer können derartige Wahrnehmungen bet den Flugbahnen unserer jetzigen Geschosse ge macht werden. Die große Genauigkeit, mit der jetzt dem Fluge der Geschosse eine bestimmte Richtung gegeben werden kann, uns die großen Entfernungen, die diese überfliegen können, ermöglichen es, bet genauer Beobachtung, das Voreilen oder das Zurück bleiben eines Geschosses gegen die Wirkungen der Erddrehung bei einer nach Norden beziehungsweise nach Süden gerichteten Flugbahn festzustellen. Die mit der Drehung der Erde verbundene unab lässige Lagenverändcrung unserer Horizontalebene und unseres Scheitelpunktes zu den Gestirnen konnte so lange nicht herangezogen werden, als man noch meinte, daß eben die Himmels kugel mit allen Gestirnen sich drehe und die Erde ruhe. Aber auf der Erde selber zeigte die in der Mitte des vorigen Jahrhunderts dem fran zösischen Physiker Foucault gelungene Loslösung der Schwingungsebene eines langen Fadenpendels von der Mitnahme durch die Erddrehung vollkommen deut lich die Lagenänderung dieser Schwingungsebene gegen eine mit der Erde fest verbundene Ver- tikalebcne und lieferte dadurch einen sozusagen greif, baren Beweis, daß nicht mehr der Sternenhimmel, sondern die Erde sich dreht. Es ist sodann mit Hilfe der neuen Entwicklung der Technik nicht schwer gewesen, Einrichtungen zu schaffen, an denen man die Drehung der Erde noch deutlicher und vollständiger als mit dem Foucault schen Pendel unmittelbar erkennen kann, nämlich da. durch, daß man Drehkörper von so schnellem Um. schwung herstellt, daß deren Beharrungskraft stark genug ist, um sie bei gehörig freier Lagerung ihrer Achsen von der Mitbewegung mit der Drehung der Erde ganz freizumachen, so daß dann die Drehungs bewegung der Erde in stetigen Aenderungen der Lag« des freien Drehkörper» gegen die Umgebung mit voll» ster Deutlichkeit erkennbar ist.
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