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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 01.07.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140701018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914070101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914070101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-01
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Mittwoch, l. Juli 1914. Leipziger Tageblatt. Nr. 3^8. Morgen'Nusyavr. Setter. WWMMMM» Kunst unct wissensetigft MMÜWWWW Bruno Decarlis Abschied von Leipzig im Neuen Theater. (Coriolan.) Wieviel wir in Bruno Decarli verlieren, da» haben wir in letzter Zeit noch wiederholt so recht nachdrück lich empfinden können. Am vorigen Freitag erlebten wir die Leidenschaften seine» herrlich naturhaften Orest, gestern erschien er zum letzten Male als der mit eherner Wucht hingestellte Repräsentant des adelsstolzen Rom. Ja, wir ver lieren unersetzlich viel in Decarli. Denn fortreistende Gröhe der Darstellung ist heute ein seltenes Gut ge worden Decarli hat das, was wir seit Matkowskis Tode fast nur dem Namen nach kennen, eine ur wüchsige, echt diamatisch-rriebhafte Kraft, die ohne intelleltuelles Zaudern, ganz unmittelbar sich selbst gibt. Seine Darstellung ist Natur, und in diesem Sinne hat er das Erbe eines Dessoir oder Matkowsti angetreten. Ich will die hohen Vorzüge einer von feinst verzweigter Kultur ein gegebenen Schauspielkunst nicht verkennen oder verkleinern. Sie hat uns viel gegeben und wird uns viel geben. Aber ihr gegenüber sehnen wir uns doch auch nach Ganzheit nach Unangekränkeltsein, nach rücksichtsloser Natur. Decarlis Wesen gibt sich in geraden Linien, und das ist wohltuend rn einer Zeit, in der das Krumme nur allzu freigebig wuchert. Decarli hat eine freie, selbstverständliche Gröhe in seiner Darstellung: in dieser Hinsicht gehört er der Vergangenheitoder—wir glauben es—derZukunft.Jn der schrankenlosen Hingabe des Menschen an die Nolle, in der durch kein Pathos zerstörten Unmittelbarkeit seines Schauspielertums, in dem vollen Einssein von Seele und Form ist er Gegenwart durch und durch. Denn die Form ist bei Decarli nichts Künstliches, Losgelöstes, sondern sie ergibt sich ihm von selbst aus den Bedingungen seiner schauspielerischen Eigen art. Das Wesen von Decarlis Künstlertum wurzelt in dem eigentlich dramatischen Trieb. Darum ist er so recht heimisch in allen Rollen, die einen tätigen und explosiven Charakter Haven. Die Jbsensche Sphäre liegt ihm fremder. Dagegen Shakespeare, Hebbel, Klerst und Schiller Voten ihm Gestalten, die er uns zu greifbarem, starkem Leben erweckte. Seine edle Stimme befähigt ihn im besonderen zu seelisch einfachen, schönen Menschen. Aber auch Charakteristische meistert er durch die leiden- ,östliche Wucht seines Hineinlebens in die Rolle. Gestalten dämonischer Art dagegen werden seinem Wesen ferner bleiben, da das intellektuell Zer setzende ihm ein Fremdes ist. Ueber allem, was Decarli auf der Bühne ist, liegt der Zauber einer idealistisch gestimmten Persönlichkeit. Auch im Heiteren hat er uns noch rn letzter Zeit durch seinen prächtig erdgewachsenen Naturburschen Benedikt erfreut. Im Rahmen der gestrigen Coriolanaufführung, deren Inszenierung das hohe Können Martersteigs wieder recht fühlbar machte, hat er uns noch einmal in einer überwältigenden Darstellung sein Beites ge geben. Und Leipzig hat ihm in zahllosen, jubelnden Hervorrufen, die kein Ende finden wollten, seine Liebe und Verehrung enthusiastisch gezeigt. Das herz liche „Auf Wiedersehen", mit dem er dankte, sand wärmsten Widerhall. Wir aber wünschen Bruno Decarli auf seinem weiteren Wege Glück und hoffen, daß er noch oft zu uns wiederkehren wird. Or. prieärieb 8sdreekt. * Zur heutigen E'stnnsfiibrung im Leipziger Schauspielhause. Es dürfte vielleicht von Interesse sein, daß Leo Kastner, der Mitverfasser des heute zur Erstaufführung gelangenden Schwankes „Rechts anwalt Tantalus" mit Anton Franck al» Gast, der Librettist der auch in Leipzig mit großem Erfolg auf geführten Operette „Der Rodelzigeuner" ist. Der Autor wird der heutigen Premiere beiwohnen. * Mufikchronik. Meta Steinbrück, eine Schülerin von Frau Professor Marie Hedmondt in Leipzig, hatte im Elbinger Stadttheater al» Orpheus in Glucks gleichnamiger Oper einen ausgesprochenen Erfolg zu verzeichnen. * Die Akademie für deutsche Kunst-Stipendiaten in Rom ist nun vollkommen fertig und findet die allge meine Bewunderung der Besucher; auch einheimische Kreise sind Deutschland und dem Architekten dankbar für den geschmackvollen Kunstsinn und die Pietät, mit der die alte Villa Massimo und ihr landschaftlicher Charakter dem modernen Zwecke dienstbar gemacht und so zu neuem Leben erweckt wurde. Ilm so unoer- stündlicher ist die Nachricht, daß die Regierung beab sichtigt, die neue Kaserne für die Zollwächter auf dem angrenzenden Gebiet zu errichten, und zwar so, daß durch die hohen und nüchternen Mauern der Kaserne die herrliche Aussicht auf die von den Albanerbergen begrenzte Campaga zerstört würde. Ein Zwang für diese Auswahl des Bauplatzes liegt nicht vor, da das Gelände, das dem Staat zur Verfügung steht, eine Ausdehnung von 24 060 Quadratmeter hat. Es ist bei nationalen Beschwerden in einem fremden, wenn auch befreundeten Land immer angenehm, wenn man einen eingeborenen Anwalt seiner Sache findet: wir stellen ihn in dem Kunstschriftsteller Diego Angeli vor, der die barbarische Absicht des Staates in harten Worten verurteilt und verlangt, daß die ästhetischen Werte, die wir erhalten und neu geschaffen haben, nicht mutwillig oder achtlos zerstört werden. * Ausgrabung einer Römervilla bei Lyon. In einer der letzten Sitzungen der Pariser Akademie der Inschriften berichtete, wie wir der „N. Zür. Ztg." entnehmen, Cagnat über den weiteren Fortgang der Ausgrabungen, die die Herren Philipp Fabia und Germain deMontauzan von der Faculte des Lettres in Lyon unternehmen. Es handelt sich um eine prächtige römische Villa, die an der uralten völkerverbindenden Straße nach Aquitanien bei Lyon auf der Höhe von Four- vieres stand. Nutzer dem großen Mosaik, das die Forscher vor einiger Zeit gefunden hatten, sind jetzt nicht weniger als sechs neue Prunk-Fußböden auf gedeckt worden, die an Schönheit dem früheren nicht nachstehen. Von diesen sind drei besonders bemerkens wert: der eine, schwarz und weist, durch seine schönen und abwechslungsvollen geometrischen Ornamente; der zweite, polychrom, durch die ausgesuchte Feinheit eines Frieses von Blättern, Blumen und Vögeln; endlich der dritte, hervorragend durch seine gewaltige Tröste (171 Quadratmeter) und die Reste eines grosten Mittelfeldes mit einem Seestück, wie sie be sonders in Afrika so häufig gefunden wurden. Das ganze Gebäude bedeckte, wie sich bis jetzt feststellen lässt, eine Fläche von 3460 Quadratmetern. Soweit man es bis jetzt datieren kann, geht es bis in die Frühzeit des römischen Lyon zurück. Bei der Wich tigkeit, die dieser Platz als Zentrale des gallo- römischen Wesens hatte, sind diese prächtigen Funde nichts allzu Auffallendes. * Die Wedekind-Sammlung bat, wie das Komitee zur Ehrung Frank Webekinds nntteilt, innerhalb der letzten Wochen die Summe von 6000 erreicht und ist noch keineswegs abgeschlossen. Beiträge nimmt die Bayerische Vereinsbank in München, Promenadenstraste, unter dem Konto „Ehrengabe Frank Wedekind" entgegen; Quittung erfolgt im „Neuen Merkur" und im „Zwiebelfisch . * Eine akademische Lesehalle im „Raten Turm" in Halle. Die städtischen Behörden in Halle be- Ichlossen, wie uns aus Halle telegraphisch gemeldet wird, m Dankbarkeit für die geistigen und wirtschaft- lichen Werte, die die Universität der Stadt in Len letzten Jahrhunderten geboten hat, in dem im 15. Jahrhundert erbauten „Roten Turm", dem Wahr zeichen der Stadt und einem der berühmtesten sächsi schen Denkmäler, eine akademische Lesehalle em- zurichten. * Ein Aeroplan zur Beobachtung der Sonnen finsternis. Zu ganz ungeahnten Zwecken wird in Amerika das modernste aller Beförderungsmittel, der Aeroplan, benutzt. Professor Todd vom Amherst-College wird von New York nach Libau abfahren, um vom Aeroplan aus die Beobachtung der S o n n e n f i n st e r n i s am 21. August oorzunehmen. Die Beobachtungen werden inRiga gemacht werden. Die totale Sonnenfinsternis dauert allerdings nur 2 Minuten 22 Sekunden. Der Aeroplan, von dem aus der Professor seine Beobachtungen machen will, kann jedoch mit einer Geschwindigkeit von 190 Kilo metern in der Stunde fliegen, und indem er mit der Erde um die Wette fliegt, hofft der Professor in der Lage zu sein, ein längeres Studium der Sonnen finsternis vornehmen zu können als irgendein ande rer Gelehrter. * Eine mikrobiologische Forschungsanstalt in Biele feld. Die Stadt Bielefeld ist seit kurzem um eine Einrichtung reicher, die, abgesehen von Universitäts städten, einzig in ihrer Art in Deutschland dastehcn dürfte. Es handelt sich um eine mikrobiologische Anstalt, die in erster Linie Schulzwecken, dann aber auch der breiteren Allgemeinheit zu dienen be stimmt ist. Die Einrichtung ist eine Schöpfung des bekannten Bielefelder Grossindustriellen Dr. Oetker. Sie soll dem Mangel an Anschauungsgegenständen und Apparaten in unseren Schulen abhelfen und den Lehrern Gelegenheit geben, mit den Fortschritten der Wissenschaft Schritt zu halten. * Eine siebenjährig« Tiesseeforschungsreise. Der englische Forschungsreisende stackhouse, der seit einiger Zeit eine Südpolsorschuiwsreise vorbereitet, gibt jetzt bekannt, daß er diesen Plan aufgegeben hat und statt dessen eine Tiesseeforschungsreise ausführcn wird, wie sie in solchem Maststabe wohl noch nicht dagewesen ist: die berühmte Challengerreise hat von 1872 bis 1876 gedauert; Stackhouse will aber sieben Jahre unterwegs bleiben, und die 12 Gelehr ten, die 6 Offiziere und die 18 Mann Schifssbesatzung, die er mitnimmt, haben sich schon verpflichtet, solange bei ihm auszuharren. Im Dezember dieses Jahres wird Stackhouse von London zunächst nach Island fahren, dann nach Neuschottland und überall Tiefen messungen neben anderen Forschungen ausführen; besonders die Ungliicksgegend, wo die „Titanic" ver sunken ist, soll genau ausgelotet werden. Der weitere Weg führt von Halifax nach den Azoren, dann quer über das Atlantische Weltmeer, nach Trinidad, weiter nach Rio de Janeiro nud von da um Kav Horn herum und zurück. Die folgenden Haltepunkte sind Montevideo und Buenos Aires, dann wird das At lantische Weltmeer wieder gekreuzt, denn die Fahrt geht über Tristan da Tunha nach Kapstadt, und von Kapstadt aus weiter in das südliche Eismeer, wo der westlichste Punkt, den Mawson erreicht hat, ausgesucht werden soll. Die Sandwichsinseln und Südgeorgien sind die näclisten Ziele, und die Vermessung der Tiefen im Stillen Ozean wird besonders gründlich durchgeführt werden. Danach fährt Stackhouse wie der nach Kapstadt, dann werter an der Küste entlang über Mauritius nach Sansibar, von da nach den Seychellen und weiter nach Indien. Bombay soll zunächst berührt werden, und als weitere Ziele wer den Srngapore, Hongkong, China überhaupt, wie die japanischen Gewässer angegeben. Das ist in der Tat ein Riesenplan. Zu seiner vollkommenen Durch führung fehlt es Stackhouse noch an 25 000 Pfund, also einer halben Million Mark. Diese Summe hofft er durch öffentliche Sammlungen aufzubringcn, austec- dem rechnet er auch auf eine Unterstützung durch d!s englische Regierung. * Die „liebe Titulatur" — ein ungedruckter Brief Bürgers. Der von Hans von Weber in München berausgcgebcne „Zwiebelfisch" veröffentlicht in seiner letzten Nummer einen aus dem Jahre der Abfassung der „Lenore" stammenden, bisher noch nicht veröffent lichten Brief von G. A. Bürger, in dem dieser sich über die Titelsucht der Deutschen auslästt. Vielleicht hat das, was Bürger damals gesagt hat, auch heute noch nicht ganz seine Geltung für das deutsche Leben verloren. Bürger schrieb nämlich: „Nun von der lieben Titulatur! Keinem Menschen kann die deutsche Titelatur schmehrfelliger und abgeschmackter vor kommen, als mir. Welche liebenswürdige Simplicite herrscht dagegen bei unser» Nachbarn, den Franzosen und Engländern. Die Titelatur gehört zu unserer eigenthümlichen und originellen Narrheit. Wir klettern darinn täglich von einer Stufe zur andern, alles bis auf den Thorschreiber klettert mit; und endlich wird der Thorschreiber so gut Allerdurch lauchtigster heisten, als der Kaiser. Denn neulich gab der Einwohner Schmidt einen Brief an den Thor schreiber Busch in Göttingen meinem Postboten mit, worauf es heisst: Sr. d. HErrn Thorschreiber Busch Hochedelgebohren. — O tempors! O mores! Ich schrieb deswegen bisher, wie an andere Nachbarn, also auch an sie, unter dem Titul Wohlgebohren, weil ich glaubte, dem HErrn möchte sonsst eine Perle in der Crone ausgestosten werden; und weil ich s für besser hielte, lieber zu viel als zu wenig zu geben. Es hat mich indessen nie verdrossen, wenn mich dagegen einer nur Hochedelgebohrner nannte. Denn ich be- scheide mich gern, dast es genug und überflüssig anug ist, und Last ein älterer und mehr erfahrener Anits- bruder auch iure meriloque einen Pflock höher stecken kann. Doch genug hiervon! Wir wollen uns künftig also nur Hochedelgebohrene Herren nennen. Dennoch versichere ich also Ew. Hochedelgebohren, dast ich Sie nie wieder für ein Wollegebohrnes Geschöpf erklähren will und bitte für die bereits angetbanen Injurien de- und wehmütigst um Vergebung. Die Liebe Ser drei Kirchlein. 14) Roman von E. Stieler-Marshall. UN3 bx Urstt^siu L 60., ra d. ll. ^sipriA.) Die Zwei neben ihm und all die anderen jungen Leute hielten so lange Hüte und Mützen feierlich über ihren Köpfen. „'s ist mein Töchterchen, ihr Herren," er klärte Kirchlein vergnügt — Und um das Städtchen duftete Flieder. Professor Kirchlein lenkte in dre Prome nade ein, er mied so gern die leeren öden Klein stadtstraßen. Und hier war es jetzt schön! Hier wohnte der Mai in jedem Busch. Flieder, Goldregen und weihe Schneeballen, all seine Vasallen drängten sich hier um seinen Thron. Das Duften war schier sinnverwirrend. Kirchlein hörte, was ihm die Jungen er zählten. Denn er merkte es sich gut genug, daß sie aus einem kleinen Nest im badischen Land stammten, woselbst der Vater des Braunen als Geistlicher wirkte, und Jrmelings längst ver witwete Mutter ein Weingut besah. Auch was sie sonst noch klug und schwärme- risch vorbrachten, von ihrer Liebe zur Natur, ihrer jungen Begeisterung für die Wissenschaft, ihm ging nichts verloren. Doch waren ihre Reden nur wie eine sanfte Begleitung für eine tiefe, schöne Gedankenmelodie. Er war so voller Daseinswonne in dieser Stunde. Fühlte so ganz sich selbst und feine Seele und seiner Seele Kraft und Reichtum! Das Leben war so leuchtend hell und warm! Jugend umgab ibn und Maienluft. Die Kinder zu Hause, das süße Mädel, der frische Bub, der nun bald nicht mehr wissen würde, wohin mit sich — in heißer, dumpfer Werdezeit. Ihn freute eS, schon jetzt, ihm dann Freund sein zu können! Und um das Städtchen duftete der Flieder. Die singenden Glocken der katholischen Kirche riefen zur abendlichen Maiandacht. Es war Kirchlein zumute, als müßte er die Arme gen Himmel breiten und jauchzend dem unbekannten Wesen danken, das sein Schicksal so so gütig gelenkt! Segen auf seiner Arbeit — und Schaffens freude in seiner Seele! Daheim wuchs ein Werk, das, er empfand es selbst, das Werk eines Ge lehrten und Dichters wurde. Ein Werk, das er jenen geben wollte, die an den Blumen und reifen Früchten der Wissen schaft sich erfreuen, ohne den Boden zu bereiten oder nach den Wurzeln zu graben. Die Bergwanderungen des Pflanzenfreun des! Das Buch eines Naturfreundes für andere Naturfreunde, dem er seine ganze Freude au den wunderbaren Geheimnissen des Bergwaldes einflößte, dem er lebendigen Atem gab und die lachende Sonne seines goldenen Humors. Das Buch — und die Kollegs und vielleicht! — noch die Aufgabe, die jener reiche Mann für ihn hatte — — — Wahrhaftig ja, jetzt ging es ihm gut. Nur das Geldtatzlein lag iym wieder einmal gar so leicht in der Tasche, daß der laue Sommerwind es wer weiß wohin hätte entführen können. Ach was! Der Schwanenwirt schrieb ja an! An der Johanuesgasse entließ er sein Ge folge mit ein paar launigen Worten und herz lichem Gruß. Und ging an seinen Stammtisch. Da saßen sie schon beisammen im Erker, die Mannen und „machten das Armbcin krumm". Laute, witzige Zurufe begrüßten ihn — er ließ sich am gewohnten Platze nieder. Aber wie seltsam das war. All der lichte Glanz war draußen geblieben, die frohe, beglückende Stim mung hatte ihn auf der Schwelle verlassen, die wollte nicht aus dem sonnigen, wonnigen Mai hier herein in das dumpfe Dunkel der Gast stube. Hier irgendwo saß Meister Griesgram ver borgen, der häßlige, bucklige, hämische, graue Wicht. Der hockte sich dem Professor aus die Schulter und wisperte ihm höhnisch ins Ohr: Trink du nur das dir gnädig geborgte Kännchen Spießerbräu und reiße ihnen Witze zum Dank, sie lauern ja darauf, nun ihr Narr da ist. Er sah sie ringsum mit großen, dunklen Augen an, den faunischcn Apotheker, den grin senden Postdirektor, den Kaufmann Holdschuh mit dem leeren, feisten Gesicht, die anderen alle — ach, und da saß ja auch der — der Reiche mit den müden, verkniffenen Augen, deut wie lederüberzogenen, hölzernen Gesicht und dem harten Mund, Brillanten in der Krawatte und an den Fingern — und alle sahen ihn — ihn erwartungsvoll an und lächelten schon im vor aus über den Witz, der jetzt ja kommen mußte Aeh Er trank sein Kännchen leer mit einem Zug und setzte es mit hartem Klapp zurück auf den Tisch. „Schales Zeug. Die Limonade ist matt wie deine Seele —" „Hahaha! Hihihi! — Limonade ist gut," kicherte Kaufmann Holdschuh, der das Zitat nicht kannte, „Limonade ist ausgezeichnet." Nur Dr. Lindmüller, einer der Arzte, rief: „Professor, Ihr scheint nicht aufgeräumt, was ist?" „Da muß ick» bald großes Reinemachen hal ten, damit das Kirchlein zu Pfingsten ordentlich aufgeräumt ist —" knurrte Kirchlein grimmig. Das war fast immer so bei ihm. Je höher seine Stimmung sich verflogen hatte, um so jäher und tiefer stürzte sie herab. Er würde wohl nie zu innerer Ruhe und zum Gleichmaß der Seele kommen, dec Jmmerjunge. „Zu denken," sagte er schwermütig, halb zu sich selbst, „daß an diesem goldenen Abend irgendwo draußen im Lande der Rhein fließt durch all den Maienzanber — und da gibt es Terrassen und Lauben, um die her blüht duftend der kommende Wein — — und Leute sitzen dort und trinken aus schimmernden Rö mern flüssiges Feuer — und die Lorelei singt und deutsche Burgen grüßen von den Höhen und unsereins muß in dem verfluchten dumpfen Maucrloch bei dieser Lichtenhainer Limonade sitzen — — —" Er verlor sich ganz. Die anderen sahen sich bedeutungsvoll und halb lächelnd an. Sie kann ten ihren Liebling. Solche Stimmungen pflegte er in einem furchtbaren Gelage zu ertränken. „Sauf, Professor!" sagte Dr. Luibmüller gemütlich — „wirst schon wieder auf den Ge- ichmack kommen. Was kann das schlechte Leben nützen? Alls ein neues!" Er trank ihm zu. „Den Rhein und die Burgen und den gan zen Klimbim können wir dir leider nicht vor zaubern, aber die Lorelei können wir noch singen," meinte der Apotheker, lehnte sich in seinem Stuhl zurück, griff mit vorgestrecktem Arm sein Kännchen beim Henkel und begann, knarrend wie ein alter Leierkasten: „Ich weis; nicht, was soll es bedeuten, Daß ich so traurig bin " Um ..i ins Mund zuckte eS schmerzlich. Bankier Merkel stand mit einem langen Blick auf den Professor auf und ging hinaus an das Telephon. Er ließ sich mit seiner Billa ver binden — — irgend ein dienstbarer Geist mel dete sich. „Ich lasse die gnädige Fran bitten." Bald hörte er die kühle, ruhige Stimme der Frau. „Was wünschest du, Viktor?" Von weitem her klang das so in unendliche Gleichgültigkeit verloren — kalt — kalt — — Merkel kniff die Augen fast ganz zu. „Du tätest mir einen großen Gefallen, wenn dil die Kirchleiuschen Kinder herüberholcn lie ßest, Mädel und Jungen, sie sollen bei uns zu Abend essen, ich bringe den Vater mit — — bist du einverstanden?" Hä? Eine Pause? Dann klang es, gelassen wie immer: „Aber gewiß, das denke ich mir sehr nett." „Sorge nur, daß die Kinder auf jeden Fall kommen. Laß auf der Gartenterrasse decken. Für ein gutes Souper ist wohl gesorgt? Gustav soll Hochheimer Kabinett und einen Burgunder zur Auswahl temperieren. Alles verstanden?" „Jawohl." (Fortsetzung in der Abendausgabe.) - —— — — Heute dkAinnt mein Luison-^UZverkuuk kür Isppieks, Oaräinsn, Portieren, lisek- unä vivanäscrlcsn, keile, Vorlagen, Oobelinbilcksr, ksissäeoicsn, klaiäs, Lvtilatctsoksn, Lteppäsotcen, lllaclras, Aull, lull, Orstonnss unä üsinsn. lli« »inel beilvuKvniI _ 6. tt. Soki'üill«!', lüvunisi'Irl 3133.
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