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Sette 2. Nr. 355. Nbenü»Kusgsve. meist zu scharfen Angriffen gegen die politischen Geg ner ausgenutzt. Das nationalistische „Echo de Paris" schreibt: Es ist zu töricht, wenn die Radiialen die Schuld für die enthüllten Zustande auf die Bureaus des Kriegs ministeriums und den Großen Generalstab abwälzen wollen, lieber diesen steht der verantwortliche M i- nist er. Das Land tennt nun diejenigen, welche diese beängstigende Lage geschaffen haben. Das sind die Politiker des Eombismus, das sind die geeinigten Radikalen, die sich dem Dreijahrs gesetz widersetzt haben und die unabwcislichcn Kre dite für die Wiederherstellung unseres Kriegs materials verweigern. Der „Fiqar o" behauptet, das; der gegenwärtige Kricgsminister Mcsiimn an den gegenwärtigen Zuständen mitschuldig sei. Habe er doch als Be richterstatter für das Knegsbudgct im Jahre 1906 geschrieben, daß cs Wahnsinn wäre, die mili tärischen A nst r e n g u n g c n Deutschlands blindlings n a ch z n a h m e n, und verlangt, das; das Kricqsbudgct möglichst eingeschränkt werde. Man dürfe nicht zögern, Hube Mcssimy damals erklärt, all jährlich IN Millionen Franken vom Kriegsbudget wegzunehmen, nm sie zu Maßnahmen gegen Krank heit und Not zu verwenden. Ja u rös schreibt in der „Humanit,-": Was das Schliinmstc und Traurigste an den „Enthüllungen" Humberts ist, das ist die Tatsache, das; sie in Wirk lichkeit keine Enthüllungen sind. Seit langem ist die Zerrüttung unserer Verteidigungs mittel bekannt gewesen. Vor einem Jahre schon mußte man alle dieie Mängel eingcslchcn, als man vom Budgetausschns; einen ausserordentlichen Kredit verlangte. Nun l^emüht man sich, die furchtbaren Enthüllungen gegen die Demokratie und gegen die Nepublik auszubeuten. Die Kammer nahm mit !!7:'> gegen 126 Stim men das Budget im ganzen mit einigen Abünderun gen an, die seine Zurückverweisung an den Senat notwendig machen. Oesterreich und Serbien. Die heute vormittag, eingelaufcnen Nachrichten lassen erkennen, daß die Spannung zwischen der Donaumonarchie und Serbien im Abslaucn begriffen ist. Damit kann man aber noch lange nicht jede Ge fahr als geschwunden betrachten, zumal nach einer Erklärung des österreichisch-ungarischen Gesandten in Belgrad noch keinerlei diplomatische Aktion erfolgt ist. Kaiser Franz Joseph selbst hat bei Besprechun gen mit den leitenden Staatsmännern der Hoffnung Ausdruck gegclren, das; eine friedliche Beilegung der Krise möglich sein werde. Folgende Drahtmeldungcn liegen vor: Beruhigende -leuszerungen des „Neuen Wiener Tngblntts". Wien, 15. Juli. In einem Privattcle- gr a m m stellt das „Neue Wiener Tagblat t" fest, das; die Nervosität, die infolge der Belgra der Alarmnachrichten vom Sonntag in Pest in den finanziellen und politischen Kreisen Platz gegriffen hatte, gestern ja st ganz geschwunden war. Das Blatt weist darauf hin, das; die Reise des Minister präsidenten Tisza nach Wien nicht wshalb er folgt sei, weil neue außerordentliche Maßnahmen notwendig seien, wozu absolut keinerlei Anlas; vor liege, sondern deshalb, weil Tisza, der heute die im Abgeordnetenhaus,: an ihn gestellten Interpellationen über die Folgen des Anschlags von Serajcwo sowie über die Alarmnachrichten aus Belgrad beantworten will, mit dem Minister des Aeuszern konferieren wollte, um im Einvernehmen mit ihm vorzugchen. Selbstverständlich, sagt das Blatt, behalten die vom Ministerpräsidenten Tisza in seiner vorwöchigen Rede charakterisierten Richtlinien der zu befolgenden Politik der Monarchie volle Gel tung; denn cs hat sich nichts ereignet, was eine Aendcrung der Beschlüsse oder auch nur eine Er gänzung derselben notwendig machen würde. Die Monarchie wird also auf der einen Seite die inneren Reformen in Bosnien bei Auf rechterhaltung des gegenwärtigen Systems durch führen, auf der anderen Seite aber nach dem Vor handensein des gesamten Untersuchungsmaterials und nach dem vollständigen Abschluß der Recherchen über den Anschlag in Serajewo dafür sorgen, das; die wirklich S t r a f b a r c n, wo immer sie sich befin den, ausgc forscht werden. Gleichzeitig wird man aber auch verlangen, das; die aus Serbien ge nährte hochverräterische Bewegung an unseren süd- lichen Grenzen ein Ende finde. Man hofft, daß Scr- relpzlger Tageblatt. bien die Wünsche der Monarchie erfülle, ohne daß es zu weiteren Komplikationen kommt. Dabei läßt sich die österreichisch-ungarische Monarchie von dem Grundgedanken leiten, daß die Aufrecht erhaltung des Friedens und die Existenzinteressen unseres großen Staates eine gleich hohe Bedeutung haben, daß also die Lösung unter gleicher Berücksich tigung beider Gesichtspunkte erfolgen müsse. Daß man dabei vorsichtig zu Werke geht und sich nicht überhastet, ist eher danach angetan, die Oesfentlichkeit zu beruhigen, als irgendeine Nervosität zu recht fertigen. Vom Kaiser Franz Joseph. Wien, 15. Juli. Die „Zeit" meldet: Kaiser Franz Joseph hat die Aufregungen und Strapazen der letzten Wochen glücklich über standen. Er ist körperlich rüstig und geistig frisch und verfolgt die politischen Ereignisse mit großer Spannung. Mit zahlreichen Staatsmän nern, die in den letzten Tagen bei dem Monarchen l zur Audienz erschienen, hat der Kaiser über die p o l i- tischen Angelegenheiten, insbesondere über die auswärtige Krisis, gesprochen und stets da bei der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß eine fried liche Beilegung möglich jein wird. Ucber die Rede des ungari'chcn Ministerpräsidenten Grasen Tis^a betreffend die politische Seite des Anschlags von serajcwo äußerte sich der Kaiser in anerkennen der Weise. Mißbilligend sprach er sich über jene aus, die die Pietät als Vorwand benutzten, um politische Geschäfte zu machen. Die serbenfcind- lichcn Vorgänge in Wien und Agram wurden vom Kaiser ebenfalls scharf verurteilt. Ueberhaupt ist der Monarch immer ein Gegner aller Straßenskandale und selbstverständlich aller versuch ten und ausgeführten Plünderungen gewesen, die das Ansehen der Monarchie vor dem Ausland schwer schädigen. Ruhige Auffassung in ungarischen offiziellen Kreisen. Pest, 15. Juli. Der „Pester Lloyd" stellt an der Spitze seines gestrigen Abendblattes in einer offenbar offiziös inspirierten Note fest, daß zu den pessimistischen Gerüchten, die namentlich in Finanzlrciscn in der letzten Zeit verbreitet waren, lein Grund vorhanden sei. Die letzten Nach richten aus Belgrad seien nicht danach, eine Be unruhigung hervorzurufen. Die alarmierenden Ge rüchte haben sich als vollkommen unbegründet er wiesen, und auch am gestrigen Tage, der schon im voraus als ein kritischer Tag bezeichnet wurde, hat sich nichts ereignet. Der Tag ist vollkommen ruhig verlausen Baron o. Giesl und das österreichische Gc- jandtschaftspersonal, die der Leichenfeier kür den ver storbenen russischen Gesandten v. Hartwieg beiwohn ten, sind vollständig unbehelligt geblieben. Damit schwindet neuerlich jeder Vorwand zur Nervosität. Aeußerungen des Gesandten Baron Giesl. Pest, 14. Juli. Der österreichisch-ungarische Ge sandte in Belgrad Freiherr v. Giesl äußerte sich einem Mitarbeiter des Blattes „A r E st" gegenüber, daß noch keinerlei diplomatische Aktion in Belgrad erfolgt ist. Es müsse erst das Ergebnis der Unter suchung abgewartet werden. Bis dahin werde keiner lei Schritt erfolgen. Uebrigcns sei auch der jetzige Zeitpunkt wegen der Trauer infolge des Todes des russischen Gesandten v. Hartwieg und der großen natio nalen Feier anläßlich des 70. Geburtstages des Kö nigs Peter für einen solchen Schritt nicht geeignet. Ruhe in Belgrad. Belgrad, 15. Juli. (Eig. Drahtmeldung.) Weder das österreichische Gcsandtschaftspersonal noch die hier lebenden Oesterreicher und Ungarn befinden sich in Gefahr. Die Bevölkerung der serbischen Hauptstadt verhält sich vollkommen ruhig. Kronprinz Alexander wohnte nicht der Beisetzung Hartwigs bei. Belgrad, 14. Juli. Wie berichtigend gemeldet wird, wohnte der Kronprinz Alexander dem Leichenbegängnis des verstorbenen russischen Ge sandten v. Hartwieg nicht bei. — Der Stadtrat hat beschlossen, eine Straße nach dem Gesandten von Hartwieg zu benennen. — Wie die „Pravd a" meldet, wird derKönig bereits im Laufe der Woche nach Belgrad zurückkehren und sich von hier angeblich in ein ausländisches Bad zur Fortsetzung seiner Kur begeben. O Die polizeilichen Maßnahmen gegen die groszserbischen Vereine. Berlin, 15. Juli. lEig. Drahtm.) In Sachen der polizeilichen Maßnahmen gegen die großscrbischen Vereine erfahren wir: Die Uebersetzung der beschlaanahmten Papiere und Briefe hat ergeben, daß das großserbtsche Agita tionskomitee (Omladina) in 16 deutschen Städten eigene Zweigverbände unter hält. Die Resultate der bisherigen Feststellungen in Berlin sind, entgegen den Versicherungen des Berliner serbischen Vereinsvorsitzenden derart, daß die Schließung der großserbischen Klubs im Reichsgebiet allgemein von den Bundes regierungen verfügt werden wird. Vie Vieren la Mbanien. Der Fürst hält aus. Dem römischen Korrespondenten der „Voss. Ztg." wird von offizieller albanischer Seite erklärt, der Fürst habe die Großmächte nie und nimmer vor die Wahl gestellt, ihm entweder Geld und Soldaten zu stellen oder seine Abdankung zur Kenntnis zu nehmen. Das sei falsch und er funden. Der Fürst habe den Vertretern der Groß mächte nur erklärt, daß er aus dem Süden, also auch aus Valona, alle verfügbaren Streitkräfte nach Durazzo rufen wird, um einen letzten Versuch zu machen, den Aufständischen von Schiak die Spitze zu bieten. Der Fürst sei noch im Begriff, seinen Vorsatz auszuführen. — Auch der Minister rat hat sich überzeugen lassen, daß Südalbanien nicht zu halten ist und die dortigen Truppen im Aufstandsgebiet besser verwendbar sind. Man wird die Zurückweisung der giechischen Ansprüche und Ge walttätigkeiten den interessierten Mächten überlassen. Gemeinsamer Schritt der Großmächte in Athen? Rom, 15. Juli. fEig. D r a h t m e l d u n g.) Wie die Blätter melden, gedenkt die italienische Regierung die Großmächte zu einem ge meinsamen Schritt in Athen zu ver anlassen, um die griechische Regierung zu er mahnen, sich streng an die eingegangenen Vertrags pflichten zu halten, da erwiesenermaßen an den Kämpfen bei Koritza reguläre griechische Truppen offen teilnahmen. Bor dem Angriff auf Balona. Balona, 15. Juli. (Eig. Drahtmeld.) Die Epiroten haben Vazura erreicht und dringen auf Valona vor. Aus Mangel an Streitkräften und infolge der schlechten Lage ist die Verteidi gung der Hafenstadt von Valona nicht möglich. Wenn keine Hilfskräfte eintreffcn, wird deshalb Major de Veer mit der geringen Besatzung Valona verlassen. Der feindliche Einmarsch wird für morgen erwartet. Die Munition wird bereits zum Hafen gebracht. Ein italienisches und ein russisches Tor pedoboot liegen im Hafen. Die hiesige Bevölke rung flüchtet zum größten Teil. Das Elend ist unbeschreiblich. Hunger, Durst und Hitze vermehren die Qualen. Serbische Hilfe für die Aufständischen. Wien, 15. Juli. Der „Albanesischen Korrespon denz" wird aus Uesküb geschrieben: Von serbischer Seite sind in der letzten Zeit abermals Verstär kungen und Munitionstransporte für die Aus- ständischen in Albanien abgesandt worden. In der Gegend von Uesküb und Prizrend wurden Albanesisch sprechende Serben ausgerüstet und nach Albanien entsandt. Regelmäßig gehen aus Dibra und Eostivar Karawanen mit Lebensmitteln in das Aufstandsgebiet ab. Von Dibra aus werden Transporte mit Munition nach Albanien gesandt. Agenten der Aufständischen, die öfter in Dibra ein treffen, pflegen einen lebhaften Verkehr mit den serbischen Behörden. 21. Jahresversammlung -es hauptverbanöes -eutsiher Grts- krankenkasien. Hx. Darmstadt, 14. Juli. Der Ortskrankenkaffentag, der heute seine Be ratungen fortsetzte, ist beschickt von 211 Kranken kassen und 14 Verbünden durch 468 Vertreter. Davon sind 145 Arbeitgebekbeisitzer, 202 Arbeitnehmer beisitzer und 121 Kaffenangestellte. Uebcr die Entwicklung des Kaffenbeamtenrechts seit dem Inkrafttreten der Reichsversiche rungsordnung sprach Justizrat Dr. Mayer- Mtttwoch, IS. Juli l9l4. Frankenthal. Die Reichsoersicherungsordnung zeigt, daß der eine Teil der Dienstordnung von fort schrittlichem. der andere von rückschrittlichem Geiste beherrscht ist; auf der einen Seite sucht di« Reichs Versicherungsordnung dem Dienstverhältnis einen sozialen Inhalt zu geben, während sie auf der ander«'» Seite aus politischen Gründen die Fesselung der Krankenkassen und ihrer Angestellten erstrebt. Der Hauptverband der Ortskrankenkassen hat auf dem Wege eines Tarifvertrages eine Musterdienst ordnung empfohlen, wobei unter Achtung dar Selbst verwaltung die sozialpolitischen Leistungen des Dienstvertrages besonders betont werden. Dagegen bieten die zur Ausführung der Rcichsoersicherungs- ordnuna berufenen Behörden, in erster Reihe die preußische Regierung, alles auf, um die Freiheit der Krankenkassen und die staatsbürgerlichen Rechte der Angestellten einzuschnllren. Das versucht man vor allen Dingen auf dem Wege des durch die Dienst ordnung für Krankenkassen vorgeschnebenen Ee- nehmigungsverfahrens, indem man Prüfungs ordnungen und Prüfungsausschüsse hineinzubringen versucht, durch die das Angestelltenrecht der Kassen vorstände ausgeschaltet werden kann. Man steht im Begriff, durch Landesverordunngen und Landes gesetze allen mit Anrecht auf Ruhegehalt An gestellten die Rechte und Pflichten der Gemeinde beamten zu übertrage». Dadurch werden diese An gestellten der Disziplinargewalt der Krankenkassen vorstände entzogen und derjenigen der Staats behörden und vor allein des Landrates überant wortet. Die Disziplinarordnung der Beamten in Preußen enthält u. a. auch »och die Möglichkeit von A r r est st r a f e n. (Hört! Hört!) Die Ce- fahrungen dieser Bestimmungen sind außerordentlich groß. Die Entwicklung der letzten 60 Jahre zeigt, wie diese Auslegung gegen jede nnbegueme poli tische und religiöse Richtung der Angestellten an gewendet wird. Erinnert sei nur an den Fall des Bürgermeisters Schücking. (Sehr richtig!) Nicht nur für sozialdemokratische, sondern auch für alle freiheitlich gesinnten Angestellten bedeuten diese Be stimmungen eine große Gefahr. Das Vorgehen Preußens widerspricht dem Geiste des K 354 RVO., der den Angestellten das Recht der freien religiösen und politischen BetöO^mz außerhalb der Dienst geschäfte und die Ausstbun.a des Vereinigungsrechtes gewährleistet. Im Interesse des Friedens sei es zu bedauern, daß in dieser Frage Preußen wieder ein mal an der Spitze des Rückschritts marschiere. (Leb hafter Beifall.) Professor Dr. Herxheimer (Frankfurt a. M.) verbreitete sich sodann über die Salvarsanbehandlung der Syphilis. Der Referent führte hierzu im wesentlichen aus: In Frankfurt wurden in der Hauptklinik 11000 Fälle behandelt. Nur den Außenstehenden können über den Erfolg Zweifel beschleichen, der Kenner dagegen sei schon längst zu einem klaren Wissen ge kommen. Die Nebenerscheinungen bei der Salvarsanbehandlung seien außerordentlich gering. Erblindungen und Todesfälle blieben bei den genannten Behandlungsfällen gänzlich aus. Nach der Zusammenstellung eines Arztes, die 200 Todes fälle angeblich infolge von Salvarsanbehandlung umfaßt, sollen 72 Todesfälle als direkt dem Sal- varsan zur Last fallend sicher sein. Erwiesen sind aber nur 7 Fälle. Die gemischte Behandlung mit Salvarsan und Quecksilber hat sich als außerordentlich wichtig herausgestellt. Der Redner gibt dann eine Schilderung der drei Arten von Syphilis: der primären, der sekundären und der tertiären. Die neue Behandlungsweise hat bei allen Erkrankungsfällen die Rückfälle auf ein Mindestmaß eingeschränkt. Weiter gab der Vortragende eine Schilderung der Rückenmarksschwindsucht und stellte hierbei die Tatsache fest, daß diese Krankheit fast ausschließlich auf Syphilis zurückzuführen sei. Die neue Behandlungsmethode erweist dem Kranken einen großen Dienst, ebenso wie sie für die Volks gesundheit im allgemeinen von größter Wichtigkeit ist. Von besonderer Bedeutung ist diese Verkürzung der Kurdauer und damit die Verringerung der Kosten, was namentlich vom Standpunkte der Kran kenkassen aus von nicht zu unterschätzender Bedeu tung ist. In der Diskussion wurde von dem Vorsitzenden Fraßdorf der Dank der Kassenoerwaltungen für die außerordentlich lichtvolle Darstellung zum Aus druck gebracht und bedauert, daß Erzellrnz Ehrlich wegen Krankheit in der Versammlung, die Sokudvarondans Lper: lei. 11189. Lei Vie Liede der drei Kirchlein. 42) Roman von E. Stieler-Marshall. (LosixrixUl MN l>x UrelU'eiu L Co., ei. m b. N. Usiprix.) Die giftige Schlange Berlcuiiidung zog iinnier dichtere Ringe nm sie — sic musste cs fühlen. Die Damen, denen sie ab und zu begeg nete, wurden immer eisiger und erstarrten bei nahe in ihrem Gruss. Die im Anfang zudring liche Fran Abendroth wandte den Kops nicht mehr nach ihr. Es kümmerte Fran Alix nicht. Aber die Schlange kroch bis zn Merkel und wollte ihr Gift nach ihm spritzen. „Dieser gesegnete Sitz einer ehrwürdigen .clma mnter ist ein elendes Klatschnest, das habe ich jetzt heraus," sagte Baum eines Tages zu seinem Ehes, als sie zusammen das Kontor verliessen. „Nu," erwiderte Merkel gleichmütig, „das ist nu so in jeder kleinen Stadt. Wie wollen Sic'S ändern ? Das ist von jeher so gewesen." „Aber es ist niederträchtig" — Baum machte eine Faust — „es empört mein Herz, wenn diese kleinen armseligen Krämer eS wagen, eine Kö nigin zu lästern." „Eine Königin?" Merkel wurde aufmerksam. „Einen Manu und eine Frau, die so bergehoch über ihnen stehen wie Ihre Frau Gemahlin und Professor Kirchlein," fuhr Baum in seiner lässigen Weise fort. Seine Blicke lauerten. - Mit grossen Augen sah Merkel ihn an, fest und hart schlossen sich seine Lippen aufeinander. Dann sagte er: „Professor Kirchlein ist mein Freund, er kommt täglich in meinen Garten — aus besonderen Gründen. Ich selbst gab ihm den Schlüssel zur Seitenpsorte. Das mag beobachtet worden sein, und nun verdächtigen die Leute meine Frau, die so hoch über ihnen allen steht." Er sann, überlegte — — „Was tut man, Baum? Ich will meine Frau und mich vor dem Gerede schützen — ich möchte in den Augen der Leute nicht eine lächerliche Figur sein " „Nehmen Sie dem Professor den Schlüssel wieder ab!" riet Baum. Seine Augen funkelten wie die eines Raubtieres. „Das geht nicht, geht nicht " Merkel sah mit einem Male ganz müde und verfallen aus. „Ich weis; keinen Ausweg. Wenn ich mit Alix davon spreche, wird sie sagen: laß sie reden!" „Und recht hat sie — die Königin. Was kümmern sie diese Schwätzer? Es ist nur, Herr Merkel, ärgern tut es einen doch, was? Diese Bande, verfluchte. Man ist so wehrlos " „Ja," sagte Merkel bekümmert, „was kann man tun?" „Sprechen Sie offen mit dem Professor," riet Baum. „Ich will's mir überlegen —" Ihre Wege trennten sich, Merkel drückte sei- nein Geschäftsführer die Hand. Mil einem verächtlichen Lächeln sah dieser ihm nach. „Der schlaft tief," dachte er. „Entschieden liegt mir die Rolle des Jago besser als ihm der Othello. Lassen wir ihn weiter schlafen." Aber cs klang doch alles in Merkel nach, bohrte in ihm, wurmte ihn. Sie sollten von Altx nichts Schlechtes sagen dürfen. Gedankenvoll ging er nach Hause und suchte nuten in seinen; Parke den Professor, der mit Grote bei der Arbeit war. Die Herren schüttelten sich die Hand, sie hatten sich lange nicht gesprochen, trotz nachbar- licher Frcnndschaft. „Es ist manchmal das reine Verhängnis, man sieht sich tagelang nicht, läuft sich immer gerade aus dem Wege," meinte Merkel. Er nahm vertraulich Kirchleins Arm, führte den Professor durch die Gänge des Parkes — — und suchte nach Worten. Aber cs war ;l;m zu schwer. Wie sollte er diesen; Mann, der sein Haupt so frei und stolz trug, von dem schmutzigen Klatsch erzählen? Er brachte eS nicht über die Lippen. „Es sind nun schon Ferien, lieber Pro fessor," sagte er nur — „wann reisen Sie?" Kirchlein sah ihn an und schüttelte den Kopf. „Am Sankt Nimmermehrstag, Herr Mer kel," sagte er ein klein wenig bitter. „O —" Merkel war erschrocken. Dann fiel ihm ein, was Baum ihm einmal von des Pro fessors Finanzen erzählt hatte und darüber musste er lächeln. „Nu, was haben Sie früher gesagt?" mahnte er, „Sie wollten sich die grossen botanischen Gärten besehen in den Ferien — — und das muss doch sein, lieber Professor, wäre doch Ihrem Werke sehr forderlich —" Kirchlein lachte trübe. „Ter Mensch denkt — Gott lenkt," sagte er ruhig. „Mir liegt was daran, dass Sic reisen," sagte Merkel, „und die botamschen Gärten be sehen. Fehlt Ihnen die Zeit ? Würden Sie nicht für mich und mein Interesse reisen?" Kirchlein lachte. „In Ihrem Interesse? Bester Merkel! Als Ihr Geschäftsreisender?" Merkel wurde verlegen. „Sie wissen doch, wie ich cö meine. Machen Sie mir's nicht schwer. Gehen Sie auf Reisen in meinem Auftrag — meinem Garten zuliebe. Schlagen Sie ein!" Da stand es klar in Kirchleins Gedanken: „Ich muss annehmen, nur so kann ich fort. Fort aber muss ich, es ist das letzte verzweifelte Mittel, frei zu werden." Darum neigte er nun das Haupt. Ihn; war es bitter, bitter im Herzen. Du dachte er du, ich liebe deine Frau! Und lasse mir von dir meine Sommerrcise bezahlen! Nett ist das nett! Er widersprach keinem der Vorschläge mehr, die der Bankier ihm entwickelte er ging au; alles ein. Und ging auch mit, als Merkel ihn bat, ein Fläschchen Wein mit ihm zu trinken. Sah nun Frau Alix wieder. Sie erschien ihm verändert. Wie noch ge wachsen hatte sie immer das Haupt so hoch getragen? War ihr Antlitz auch früher so bleich gewesen und ihre Augen so dunkel umrandet? Ach nein, sie litt! Litt um ihn. Er fühlte es deutlich. Merkel saß zwischen ihnen und beobachtete. Da war kein Blick zwischen beiden, der nicht offen, frei und stolz war. Kein Ausweichen etwa, nichts Scheues oder Schamvolles, nein — Merkel wußte: diese beiden Menschen hatten ihn nicht betrogen und würden ihn nicht betrügen. Sie waren zu rein und zu groß. Aber ganz deutlich empfand er auch die Spannung zwischen ihnen. Sie gingen beide, in Schmerzen — waren beide in schweren Kämpfen. Als der Professor geschieden war und auch Frau Alix sich zurückziehen wollte, erhaschte er ihre Hand. Sanft nahm er sie in die Seine. „Alixchen," sagte er traurig, „Alixchen, weißt du, dass sie in der Stadt ein böses Geklatsch über dich haben? Es geht um dich und unseren Professor, und kommt wohl davon, daß er so viel in unserem Garten ist, auch wenn ich nicht hier bin. Das hatte ich nicht bedacht, und so bin ich daran schuld. Was soll ich tun? Es darf nicht weiter gehen, sie sollen nichts Schlechtes über dich sagen. Wir verlieren ja auch den Boden in der Gesellschaft." Frau Alix sah ihn an mit ihren tiefen, ernsten Augen. „Hatten wir denn schon Boden gewonnen?" fragte sic. — — „Ich fühlte immer, sic sind uns feindlich da draussen. Wir sind beide zu anders wie sic." Merkel nahm auch ihre andere Hand; die sei nen glühten wie im Fieber. „Alixchen, meine Liebe," fragte er, „nicht wahr, ihr habt euch lieb?" Alix neigte das stolze, schöne Haupt. „Lieber Viktor," erwiderte sie ruhig, „sei aussc Sorge. Ich halte, was ich gelobt habe. Das Gerede wird sich beruhigen. Ich werd« ihm keine Nahrung geben." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)