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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 12.07.1914
- Erscheinungsdatum
- 1914-07-12
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191407128
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19140712
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19140712
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-07
- Tag 1914-07-12
-
Monat
1914-07
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 34S. vonnravs^Rusgakr. Leipziger Tageblatt. k*oliMctte Ueberliettl Vie Auffüllung, -es Wehrbeitrags. Die Ausbringung des Fehlbetrages an dem <^esamtwchrbeitrag von 1-00 Millionen der sich infolge des Ergebnisses des Wehrbei trages für Preußen (603 Millionen Mark) wohl erheben wird, gehört jetzt zu den Ausgaben der Reichssinanzverwaltung. Die Einbringung einer besonderen Steuervorlage zwecks Deckung des Betrages hat jedenfalls als ausgeschlossen zu hielten. Es ist nicht beabsichtigt, mit neuen Ltenerplänen hervorzutreten. Als ein Mittel, des Träuerg o tte sdi«nste- für weiland Erzherzog Franz Ferdinand in der allerentschie densten Werse zu widerlegen. Gs sei absolut unwahr, daß er an dem betreffenden Tage em Diner gegeben habe. Dem in der öster reichisch-ungarischen Gesandtschaft abgehaltenen Trauergottesdienst habe er in voller Gala mit dem Bande des Grotzkrcuzcs des Kaiser Franz- Joseph-Ordens, den er stets mit besonderem stolze trage, beigewohnt. Die Flagge ans der russischen Gesandtschaft sei auf Halbmast gehißt worden. Freiherr von Gicsl nahm diese Mit teilungen des russischen Gesandten mit dem Be merken zur Kenntnis, daß er von ihnen im höchsten Maße befriedigt sei. 'Die beiden Diplomaten ließen sich nun in eine private Unterhaltung ein, in deren Verlaufe Herr v. Hartwieg erzählte, daß er sich in der letzten Zeit nichtrechtwohl befunden habe und sich bereits nächsten Sonntag zur Kur nach Nauheim begeben werde. Er habe seine Abreije bis dahin verschoben, um noch morgen der offiziellen Feier des Geburtstages des Königs Peter beiwohnen zu können. Plötzlich griff Herr v. Hartwieg mit der rechten Hand nach seinem Herzen und senkte mit dem Rufe „Ach!" das Haupt. Frei- Herr von Giesl glaubte zuerst, das; Herr von Hartwieg nur eine Geste gemacht habe. Da aber Herr v. Hartwieg regungslos blieb, sprang .Herr von Gicsl auf, um seinen Gast, der inzwischen vom Sofa her unter ge il litten war, auszuheben, ries zugleich seinen Liener und seine Gemahlin, die im ersten Stock werk weilte, herbei und ordnete an, daß sofort drei Aerzte geholt würden und der Wagen Les Gesandten unverweilt zur russischen Gesandtschaft fahre, um die Tochter deü Ge sandten zu verständigen. Inzwischen bemühte sich Freifrau v. Gicsl mit dem Drencr, Herrn von Hartwieg wieder zum Bewußtsein zu bringen, indem sic ihm Eis- und Aetherkom pressen auflegten, die Pulsadern rieben und Haupt und Brust nut Wasser besprengten. In dem Augenblick, als der erste der herbeigerufenen Aerzte, D r. Ribnika, das Zimmer betrat, röchelte der Gesandte und gab den Geist auf. Alle von Dr. Ribnika und den kurz daraus eingetrossenen Aerztcn, Dr. Simonovic und Dr. Niko lic, vorgenommcnen Wiederbelebungsversuche erwiesen sich als völlig vergeblich. Herr von Hartwieg war, ohne das Bewußtsein wiedererlangt zu haben, um 9.25 Uhr abends verschieden. Die Tochter des Herrn von Hartwieg traf ihren Baker bereits tot an. Freifrau von Giesl hatte sofort nach der Feststellung des TodcS eine Totenkcrze, wie dies nach orthodoxem Ritus üblich ist, angc- züudet und ein kleines orthodoxes Muttergvttes- bild auf die Brust des Toten gelegt. Nachdem ein serbischer Polizeikommissar den Tatbestand ausgenommen hatte, wurde die Leiche des Ge sandten mittels Tragbahre in die russische Ge sandtschaft überycführt. - ->> - Die gegenwärtig in Konstantinopel weilende Gemahlin des Verblichenen sowie Kö- uig Peter, Kronprinz Alexander, Ministerpräsi dent Pasitsch und die rusjische Negierung wur den von dem Todesfälle unvcrwcitt verständigt. die fehlende Summe aufzubrtngen, könnte man an eine Erhöhung des letzten Drittels des Wehrbeitrage- denken, das bis zum 15. Februar 1916 zu entrichten ist. Aber hiev- mit ist gleichfalls nicht zu rechnen, da sine weitere Belastung der Steuerzahler, die durch die Zahlung des Wehrbeitrages an sich schon außergewöhnlich in Anspruch genommen wurden, vermieden werden soll. Auf dem Anleihe wege könnte der Fehlbetrag auch nicht aus der Welt geschafft werden, da die Ausnahme einer Anleihe für laufend« Ausgaben gar nicht rn Betracht gezogen werden kann. Es bleibt dem nach nur übrig, den Fehlbetrag durch eine ver mehr te Sparsamkeit und durch Ueber- schüsse zu decken. Es stehen hierfür die Jahre bis 1917 zur Verfügung. Erfreulicherweise hat das Jahr 1913 bereits einen Ueberschuß von 20 Mllionen gebracht, der ans 1914 anzurechnen ist. Im Etat für 1914 sind bereits durch den Etat 9 Mlltonen zur Verfügung gestellt. Da der Fehlbetrag aller Voraussrcht nach nicht zu beträchtlich sein wird, so läßt sich er hoffen, daß sich auf diese Weise die fehlen den Gelder tvcrden decken lassen. Der Geburtenrückgang lm Deutschen Neiche übersteigt in den ersten 14 Jahren des 20. Jahr- hundcrlS die gewaltige Zisfer von 7 Millio nen, wenn man die ersten 10 Jahre nach der NeichSgründung — die übrigens nicht wesentlich von dein preußischen Durchschnitt der 60er Jahre abweichen — der Berechnung zugrunde legt. Nach der amtlichen Statistik entfielen nämlich in der Dekade von 1870—1880 ans 1000 Einwohner des Deutschen Reiches durchschnittlich jälxrlich 40,7 Geburten. In den ersten 10 Jahren des zwan zigsten Jahrhunderts sank diese Ziffer im Durch schnitt auf Hl,9, so daß auf 1000 Einwohner jährlich 6,8 weniger geboren wurden. Bei Zu grundelegung der am 1. Dezember 1905 ermittel ten Bevölkerung des Deutschen Reiches von <>0611 489 Einwohnern ergibt sich demnach für die Zeit von 1901 bis 1910 ein Geburtenrück gang von 6,8 mal 60641 mal 10 gleich 1091588 Seelen. Seit dem Jahre 1910 war der Ge burtenrückgang noch erheblich stärker, 1912 ent fielen aus 1000 Einwohner nur noch 29,1 Ge burten, so daß man für die letzten vier Jahre mit einem Durchschnitt von rund 29 Geburten rechnen kann. Es entfallen demnach für diese Zeit auf je 1000 Einwohner 11,7 Geburten weniger als in den Jahren von 1871—1880. Bei Zugrundelegung der am 1. Dezember fcstgestell- ten Bevölkerungszifser von 64 925 993 Einwoh nern ergibt sich demnach, wenn man das laufende Jahr vorauseilcnd schon für voll rechnet, ein Gebmieurückgang von 11,7 mal 64 925 mal 4 gleich 3 0(18 488 Seelen. Zusammen erreicht also der Geburtenrückgang in den ersten 14 Jah ren dieses Jahrhunderts dieerstaun- l i ch hohe Ziff e r von 7 130 076. Dabei muß besonders aus die progressive Tendenz hingewie sen werden, so daß wir uns mit Riesenschritten einem jährlichen Geburtenrückgang von rund einer Million nähern. Durch die verminderte Säuglingssterblichkeit wird dieser Ausfall nur zu einem ganz geringen Teil ausgeglichen. Zur Zrage -er Reform -er Geschäfts- or-nung -es Reichstages. In der Presse sind in den letzten Wochen Gerüchte verbreitet worden von dein Rücktritte Les preußischen Zustiznlinisters aus Anlaß seiner Ausführungen im preußischen Herrenhause über die sozialdemokratischen Demonstrationen in der Schlußsitzung des Reichstages und von Maßnahmen, die von den Reichstagsfrak- rionen vorbereitet würden, um solche Demonstrationen durch eine Reform der Geschäftsordnung für die Zu kunft zu verhindern. Die Korrespondenz Woth in Berlin hat kürzlich an einige Parlamentarier eine Umfrage gerichtet, um festzustellen, ob tatsächlich Bestrebungen sich gel tend machen, wegen der sozialdemokratischen Demon strationen die Geschäftsordnung zu ändern, und an gefragt, in welcher Richtung sich diese Reform be wegen solle. Da» Resultat dieser Umfrage läßt sich wie folgt zusammenfassen: „Eine fraktionelle Besprechung über die Vorgänge in der letzten Reichstagssitzung hat nach der Schließung des Reichstage» nicht mehr statt- gefunoen. Es kann deshalb auch nicht gesaat werden, ob die Fraktionen im November Magnahmen er greifen werden, um solch« Zwischenfälle zu o«rhindern. Verschiedentlich ist wohl privatim angedeutet worden, daß die bürgerlichen Fraktionen dre Pflicht hätten, den Monarchen vor Beleidigungen zu schützen. Mit Ausnahme der Konservativen sind tne bürger lichen Parteien der Ansicht, daß der Reichstag kaum in der Lage ist, solche Demonstrationen wirksam zu verhindern. Eine größere Reform der Geschäfts- ordnuna läßt sich nur von einer imposanten Mehrheit durchführen, in Geschäftsordnungsfragen hat im gegenwärtigen Reichstag aber selten Einmütigkeit ge herrscht. Man vergegenwärtige sick, Laß es nicht einmal im preußischen Abgeordnetenhaus,: der Mehr heit gelungen ist, eine Reform der Geschäftsordnung durchzusetzen, die viel weniger demokratisch war. als die bisher für den Reichstag geäußerten Wünsche (Sitzungsausichluß, Geldstrafen ww.). Dazu kommr, daß technische Schwierigkeiten einer Re form der Geschäftsordnung im angedeuteten Sinne entgegenstehen. Ein Kcnserhoch wird meist am Schlüsse der Tagung ausaeoracht, ein Ausschluß nach der Schlußsitzung wäre also ein Unding, weil keine weiteren «ltzungen folgen. Ueberhaupt sind Aus schluß von Sitzungen und Geldstrafen Dinge, die der Deutsche Reichstag wohl nimmermehr in feine Ge schäftsordnung als Ordnungsstrafen einführen wird. In unserer Rundfrage sprachen sich für Ord nungsstrafen nur Konservative aus, während die übrigen Parteien überhaupt wenig Lust verspürten, den einzelnen Vorfall zu einer Geschäfts- ordnungsrcform zu benutzen. Gewiß war am Tage der Schlußsitzung die Stimmung dafür vorhanden, im Herbst wird man die Situation aber von anderen Gesichtspunkten aus betrachten. Bon einer Seite wird die Schuld an dem Vorfall dem Präsidenten Kaempf allein zugeschoben, der die Anberaumung einer besonderen Schlußsitzung versäumt hatte. In Zukunft wird man wohl wieder zu diesem Mittel greifen, zumal da die Sozialdemokratie durchblicken läßt, daß sie ähnliche Demonstrationen künftig ver meiden wird. Befürchtet wird in den Ant worten auf die Umfrage, daß die Absicht, die Ge schäftsordnung zu ändern, zu dem Versuche führen könnte, die Rechte des Reichstages weiter einzu schnüren und die Redefreiheit zu beschnei den. Eine Mehrheir für solche Vorschläge würde allerdings nicht zustande kommen, es würden aber langwierige Debatten sich entfesseln, die Zwietracht zwischen den Parteien säen und das Zusammen arbeiten der bürgerlichen Partoin noch mehr er schweren würden. Es besteht allgemein der Wunsch, vorläufig nicht an der Geschäfts ordnung zu rütteln. Der Standpunkt des preußischen Justizministers in der Ange legenheit wird von den liberalen Parteien und dem Zentrum gebilligt. Man ist bei diesen Fraktionen der Ansicht, daß eine Strafverfolgung der sozialdemokratischen Fraktion mit einer Niederlage der Regierung geendet hätte, ganz abgesehen davon, daß die Feststellung, wer an der Demonstratio» teil- genommen, auf Schwierigkeiten gestoßen wäre. Der preußisch« Justizminister hatte übrigens seine Er klärung i'm Einvernehmen mit dem Reichskanzler abgegeben." Heer und Zlotte. * Da» neue Parseval-Lustschiff, das für die p r e u ß i f ch e Heeresverwaltung bestimmt ist, machte am Sonnabend nachmittag über Bitterfeld zwi schen 5 und 6 Uhr seine erste Werkstättensabrt, die zur vollsten Zufriedenheit verlief. Alle Teile funk tionierten tadellos. Deutscher Reich. * Der Bund der Landwirte im Königreich Sachsen veranstaltete am vergangenen Mittwoch im Schloß park zu Lichtenwalde bei Frankenberg eine Sommertagung. Die Begrüßungsansprache an die zahlreich erschienenen Bundesnntglieder dielt Geh. Oekonomierat Steiger- Leutewitz. Als Festredner war Dr. Georg Oertel-Berlin gewonnen worden. Nach fln Sord -es Weltwunders „Vaterland". Don Major z. D. Härtel- Leipzig. *) I. „Ans Vaterland, ans teure, schließ dich an, das halte fest mit deinem ganzen Herzen!" Wem kämen die Dichterworte nicht in den Sinn, wenn er sich diesem Weltwunder, diesem größten Schiff der Erde, gegenübersieht, das an seinem Bug den Namen „Vaterland" trägt! Nun sind wir schon drei Tage auf dem Riescndampfer, und noch will uns alles wie ein Wunder erscheinen, Wunder aus „Tausendund einer Nacht". Am Spätnachmittag des 13. Mat kamen vor Cux haven etwa 150 Schriftsteller und Redakteure an Bord, darunter die Vertreter der größten deutsäM Zeitungen und Zeitschriften, um als Gäste der „Hapaa" die Fahrt nach Southampton milzumaä-en. Am Abend vereinte man sicb zum Großen Diner im Ritz-Carlton-Rcstaurant, einem mit erlesener Pracht ausgestatteten Saal. Der Morgen des nächsten Tages war Führungen gewidmet, die uns geladene Gäste durch den ganzen Schiffekoloß führten. Wunder über Wunder, die sich da dem staunenden Auge auf taten. Am Vormittag 10 Uhr liefen die Sonderzüge von Hamburg in Cuxhaven ein, die etwa 1000 Zwischendeckspastagicre brachten, darunter viele Polen und Slowenen. Dann setzten die Passagier« der 2. Klasse und in der 12. Stunde die der 1. Kajüte über. Ein feiner Regen rieselte hernieder; daher dominierte der Schirm. Mit Hilfe von Kranen be förderte man das Gepäck aus den Wagen in da, Schiff, während die kleineren Gepäckstücke von den Steward» in die Kabinen getragen wurden. In Hast nahm man das für 1 Uhr festgesetzte Lunch, die erste Mahlzeit auf dem Schiff, ein: denn jeder wollte bei der Abfahrt auf Deck sein. -i3 Uhr ver kündete die tief«, brummende Dampfpseife de» ..Vaterland", daß man zur Abfahrt bereit war. Acht starke Taue wurden von den Landungsplätzen gelöst, ein kleiner, vorgelegter Dampfer zog da, Riesenschiff scitwärl» vorau», jetzt wieder Damvfpfeifen, die Trossen Mischen Bugfierdampfer und Schiff lösen Der Verfasser, Major Härtel, hat bekanntlich, einer Einladung der Generaldirektion der Hamburg- Amerika-Ltnie folgend, an der ersten Fahrt de» „2iaterland" von Hamburg nach Amerika teilgcnom- men und ist jetzt wieder in Leipzig eingetroffen. sich, die Maschinen des Kolosses beginnen zu arbeiten. Mit eigener Kraft gehto vorwärts. Der „Alten Liebe", besetzt trotz de» schlechten Wetters mit viel Schaulustigen, gilt noch ein Blick, die Grüße der mit den Taschentüchern Winkenden werden erwidert, und rascher und rascher geht die Fahrt im gelben Elbwasser abwärts. „Muß i denn" und „Ade, du mein lieb Heimatland!" klingt's in den regnerischen Nachmittag hinein. Nun ist die offene See erreicht, Las „Vaterland" ist in seinem Element. Den Kaffee serviert man auf Deck angesichts unserer Marine, die südwestlich Helgoland übt. Das Wetter klart auf. Blinksignale des einen Kreuzers wünschen dem jüngsten Schiff der deutschen Handels marine glücllic!)« Fahrt. Nun dringt sogar die Sonne durch und am Horizont, vom Sonnenschein um flutet — „rot ist die Kant . . . ." grüßt Helgoland; durchs Glas erkennt man deutlich den Leuchtturm. Ueber die See verstreut Fischerlutter, Segelschiffe, die bei der vollständig ruhigen See guten Fang machen. Den Passagieren bis Southampton blieb die See hold, völlige Windstille die ganze Nacht hin durch und den anderen Morgen. So konnten alle, die zum erstenmal auf See fuhren, die Schönheit der Fahrt und die Bedeutung der Augenblicke voll und „ungestört" genießen. Der Abend des ersten Tages, also des Donners tages, brachte um 7 Uhr das Diner im großen, pracht- voll-kostbaren Speisesaal. Mit dem Glanz der Um gebung wetteiferten die Toiletten der Damen, ent zückende Gebilde eines erlesenen Geschmacks. An allen Tischen fröhlich und interessiert plaudernde Menschen. Im Ritz-Carlton wurde der Mokka kredenzt. Dann erhielt der Festsaal seine Weihe durch ein rasch arrangiertes Tänzchen; im Nu war der schwere Teppich zurückgeschlagen, da, Parkett glänzt und lockt. Und ring» im Kreise eine exquisite Gesellschaft im Ballanzug. Hier die Asta Nielsen, die bekannte „Kino-Duse", eine kleine Sensation des Schiffe«, die in der Schtffsliste unter dem Namen ihres Mannes geführt wird, im Gespräch mit Pro fessor Brande», einem Dänen; dort Admiral von Iruppeb betannt durch die ersten Expeditionen nach Inner-China, mit feiner Gattin im Gespräch mit Frau Dallin, der in der Erscheinung eine Achnlichkett mit unserer Kaiserin nicht abzusprechen ist; hier Direktor Frahm, der Erfinder des Schlingertank»; dort Direktor o. Holtzendorff, eine wichtige Persönlich keit auf dem Schiff, dem die tzesamt« Verpflegung untersteht, also gewissermaßen ein Kommandeur des Train». Di« Deutschen tanzen Iwostep, die Ameri kanerinnen wünschen den Tango, den sie mit viel Grazie tanzen; ein flotter Walzer beherrscht dann das Parkett. Und amüsiert schauen ins wechselvolle Spiel bekannte deutsche Schriftsteller, neben dem Essayisten Nowak der Lustspieldichter Saudck, der mit Frau bis Southampton fährt, dann Hans Reichel von „Westermanns", Dr. Landau, di« Chefredakteure Rippler, Vollrath, v. Eckardt. Eugen Zabel, der eben sein neuestes Werk über Richard Wagner vollendet hat und nun die Reise zur Erholung unternimmt. Zur Mitternacht verebbte das bunt wogende Treiben im Ballsaal, die Lichter in den Sälen wur den abgedreht, man zog sich in die Kabinen zurück. Noch einmal einen Blick hinaus — wie denn? Ueber- all Lichter La draußen! Wo sind wir? Dort ein Blinkfeuer, da ein Leuchtturm — die holländische Küste! Etwa nur 2000 Meter entfernt. Da stehen die Tänzer und Tänzerinnen, die eben noch so lustig flirten konnten, an der Reeling des Promenaden decks, für Augenblicke stumm, überwältigt vom Zauber der Nacht, durch die die Blinkfeuer zucken, als leuchteten Perlen auf im Lichtstrahl. Gleich darauf tsts wieder Nacht. Diese Minuten machten auf die deutschen Schriftsteller tiefe Eindrücke. Welche Gedanken, welch« Ideen, welche Eingebungen! Aber auch wir anderen stunden ganz im Banne des nächt lichen Zaubers. Nach dem Hasten der Tage vorher diese wundersame Ruhe, diese neue Welt ringsum. Es war, als ob man abseits von der Welt gestellt worden wäre und sähe nun da drüben die Erde lang sam ihren Lauf vollenden . . . Ruhig und machtvoll zieht da, „Vaterland" seine Furche durchs Nordmeer und trägt Tausende von Menschen, von hundert Eindrücken schließlich recht schaffen ermüdet, der englischen Küste entaeaen. Sicher wie in Abrahams Schoß legt man sich schlafen; der Kommodore und vier Kapitäne wachen über da» „Vaterland". N6 Uhr früh. Ein köstliches Erwachen, wenn der erste Gedanke einem zum Bewußtsein bringt, daß ein neuer Tag voll Freude anbricht. Dover wird passiert, ein grandioser Anblick. Die Erinnerung an den ehemalig größten Segler, die „Preußen", wird wach, die hier als Wrack liegt. Die See ist ruhig, wunderbar in ihrer Bläue, dem Widerschein de» wolkenlosen Himmels. Der Kanal belebt von kleinen Fischcrkuttern. „Den allerherrlichstcn Sonnenschein läßt un» der Himmel kosten", als es mit Volldampf auf Southampton geht. Wir merken kaum, daß wir fahren, nur ab und zu ein leise», zarte» Zittern, wenn der Riese dem Steuer gehorcht. Trotz der frühen Sonntag, l2, Hutt lSl< ihm sprach u. a. noch der konservativ« Landtags abgeordnet« Dr. Mangler. O * vo« der Rordlaudreise de» Kaiser». Die Kaiser jacht „Hohenzollern" ist mit dem Kaiser von Bergen nach Bal Holm abgefahren. — Nach starkem Früh- nebel wurde das Wetter aufklarend und warm. Am Freitag abend weilten als Gäste an Bord der „Hohen zollern" Minister Michelsen, Frau Grieg und die Familie Mohr. Der Kurier fuhr am Sonnabend nach Berlin zurück. An Bord ist alles wohl. * Ei« Geschenk de» Kaisers an den Papst. Der Kaiser hat da» von den Benediktinern in Maria Laach (Eifel) rekonstruierte Feldzeichen Kon stantins des Großen, das Labarum, dem Papste für die neue konstantinische Basilika in Rom, die im Jahre 1913 zur Erinnerung an das Edikt Konstantins des Großen erbaut wurde, zum Geschenk gemacht. Zn besonderer Audienz überreichte der preußische Gesandte von Mühlberg dem Papste das Labarum. Der Gesandte war begleitet von dem Flügeladjutanten des Kaisers, Grafen Spree, der das Labarum im Auftrage des Kaisers nach Rom gebracht hatte. * Zur Spionageangelegenheit. Der „Berl. Lok.- Anz." bringt in seiner Sonnabend-Abendnummer folgendes Dementi: „Ein Berliner Blatt hatte ge meldet, der wegen Landesverrats angeklagte Vize feldwebel Pohl hätte auch mit dem Militärattachö der Berliner russischen Botschaft Oberst Basaro in Verbindung gestanden Nach unseren Erkundigungen ist davon nichts bekannt." * Der Aerztestreik ist nur in Angermünde und in Templin Tatsache geworden, während man sich in Oberbarnim noch in letzter Stunde verständigt hat. * Eine Denkschrift über den Umfang des soge ¬ nannten Bauernlegens wird von den zuständigen Ressorts in Preußen vorbereitet. Die Grund teilungskommission hatte sich dahin ausgesprochen, Maßregeln gegen da« Aufsaugen des bäuerlichen Besitzes in Vorschlag zu bringen, da das Bauernlegen in einigen Provinzen zu einer gewissen Kalamität ge worden ist. Es waren in der Kommission verschiedene Vorschläge gemacht worden, die Kommission hatte aber keinen Beschluß gefaßt, weil sic die Wirkung der gestellten Anträge nicht übersehen konnte. Um der Kommission für die zweite Lesung über diese Materie Material an die Hand zu geben, sind jetzt die Verwaltungsbehörden angewiesen worden, fest- zustellen, in welchem Umfange die Aufsaugung bäuerlicher Stellen seit 1904 stattgefunden hat und in welcher Weise der Großgrundbesitz, die Kommunen und die Industrie hieran beteiligt waren. Die Er- aebniste der Ermittelungen werden im Herbst bei Beginn der zweiten Lesung der Kommission vor- gelegt werden. Ausland. Zrankrelch. * Die französische Heeresmacht in Marokko. General Liautey tat einem Ausfrager gegenüber interessante Aeußerungen über die militärische Lage in Marokko. Nach den Angaben des General residenten und Höchstbefehlenden stehen zurzeit in Marokko 81 506 französische Soldaten, von denen indes nur 37397 Europäer sind, und zwar sowohl Franzosen als .4 auch Fremdenlegionäre. 23 338 sind Algerier, 10334 Senegalesen und 10437 Eingeborene von Marokko. Das französische Heer betrachtet Marokko nicht als Feindesland, enthält sich jeder unnötigen Gewalttat gegen die Eingeborenen und belästigt sie nicht mit Requisitionen. Die Truppen verwenden jeden freien Augenblick, den ihnen die eigentlichen Kriegshandlungen lasten, zur Ausführung nütz licher Arbeiten die dem Lande zustatten kommen. Sie bauen Straßen, legen militärische Gebäude an, graben Brunnen, fasten Quellen ein pflanzen Gärten und schaffen Marktplätze, aus denen das Land sehr großen Nutzen zieht. Sobald die Arbeiten auf der Eisenbahnlinie Tanger-Fes vergeben sind, werden Bahnbauten dieses Werk der Gesittung vollenden. * Französische Rüstuugsanstrenguuge«. In dem Bericht der Heereskommission des Senats Stunde schon reges Leben an Bott»; im Marmor bassin ist alles besetzt. Die Herrschaften, die uns in Southampton verlassen, wollen alle auch noch diesen Eindruck mit hinwegnehmen. Nun naht die Ab schiedsstunde. Nur wenige Stunden der Bekanntschaft hinter uns. Aber die Fülle des Erlebten läßt sie uns wie viele Tage erscheinen. Southampton ist erreicht. Ein wenig neidisch geben uns die Scheidenden die Hand; sie wären gar so gern noch einige Tage auf dem „Vaterland" geblieben. Um es zu studieren, gehört mindestens eine Woche. Doch die Pflicht ruft sie. Das Schiff blieb vorm Hafen; der große Tiefgang gebietet Vorsicht. Ein englischer Doppeldecker kommt geflogen und kreist um die Mastspitze, ein Gruß der stammver wandten Nation ans deutsche „Vaterland". Die bei den mächtigen Völler im Bunde, was könnten sie er reichen! Wie könnten sie der Erde ihren guten und gerechten Willen diktieren! Wie könnten sie einer Welt von Feinden gegenüber sich machtvoll behaup- ten! Da — eine Stunde ist verronnen — naht die „Kaiserin Auguste Viktoria" auf der Fahrt «ir Heimat. Sie zieht einen Bogen um die jüngste Schwester; vor wenigen Jahren war sie noch da» Wunder des Meeres. Da kam der .Lmperator", kam das „Vaterland". Unsere Zeit fährt schnell dahin... Die Kapellen spielen da» deutsche Lied; ja, „über alles in der Welt!" Hier gebt jedem die Größe und Majestät des deutschen Vaterlandes auf, hier im An gesicht des fremden Landes. Tücker wedeln, Hurra rufe branden von Schiff zu Schiff. Die deutschen Redakteure und Schriftsteller gehen an Bord der „Auguste Viktoria". Wir dampfen wenige Stunden weiter gen Cherbourg. Die „Augusta" verschwindet, jetzt nur noch ein Rauchwölkchen, und nun nicht» mehr... Wieder allein auf der Äe! Hundert Federn hinter uns sind in Tätigkeit, die Eindrücke an Bord des Weltwunder» zu schildern. Meine Zeilen gehen in Cherbourg zur Post, nach der Heimat zurück. Und jetzt hinaus auf den Atlantischen Ozean! Fünf Tage nichts als Himmel und Master! Amerika wollen wir zeigen, was deutscher Unternehmungsgeist ver mag. Wir misten, daß da drüben, fünf Tage vor un», ein Verständnis für unsere Technik, unsere Schiffs- baukunst, unseren kaufmännischen Geist ist. Voll dampf voraus! Die Nacht sinkt nieder. In der draht losen Station sprühen die Funken: „Der Ries« de» Ozeans gedenkt der Neuen Welt seine Aufwartung zu machen." Der Kommodore bezieht die Kommando brücke: „Lieb' „Vaterland", magst ruhig sein!"
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