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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.06.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-06-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140603026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914060302
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914060302
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-06
- Tag 1914-06-03
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Monat
1914-06
-
Jahr
1914
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jahresaesetz zurückzukehren, unverzüglich seine Demission als Gcneralstabschef ein reichen, vollständig aus der Luft gegriffen sei. General Joffre habe weder seinem direkten Bor- gesetzten, dem Kriegsminister, noch dem Minister präsidenten irgendeine derartige Mitteilung gemacht, wie dies seinen dienstlichen Verpflichtungen ent spreche. Vie Wirren in Albanien. Die Lage ist wieder ernster geworden. Wie wir bereits kur; im Tepeschenteil unserer Morgennummcr melden konnten, ist die im Norden Albaniens liegende Stadt Kroja von den Aufständischen eingenommen worden. Gleichzeitig damit traf die Besorgnis erregende Meldung ein, das? auch in Skutari, wohin der Fürst der Sicherheit halber einst weilen seine Residenz verlegen will, die Mohammedaner für ein Zusammengehen mit den Aufständischen agitieren, und das; dort auch eine Anzahl türkischer Fahnen entdeckt worden ist. Der Fürst hat also auch in Nordalbanien mit Gegnern zu rechnen. Da aber außer den am Montag in Durazzo angekoinmenen 800 Malissoren sich noch weitere 750 regierungstreue Miriditen in Durazzo eingefunden haben, die gegen die Aufständischen ins Feld ziehen wollen, so ist ein rascher Sieg der Auf- jtandischen ausgeschlossen. Wir verzeichnen folgende Drahtmeldungen: Einzelheiten über die Einnahme von Kroja. Durazzo, 3. Juni. Ueber die Einnahme von Kroja wird noch gemeldet: Nachdem die Ausländischen die Stadt angegriffen hatten, z o g e n sich die fürsten treuen Behörden mit 55 Gendarmen nach kurzem Feuergefecht in die Festung zurück, wo sie belagert wurden. Die Belagerer haben die Stadt von der Wasserversorgung abgeschnitten. Die Behörden sowie 30 Gendarmen, denen freier Abzug gestaltet worden war, sind unbehelligt nach Durazzo gelangt. Europäische Truppen für Durazzo. Durazzo, 3. Juni. Wie gemeldet wird, haben die Ni ächte bereits zugestimmt, daß die vom Fürsten Wilhelm gewünschte Entsendung eines Teiles des europäischen Truppenkontingentes von Skutari nach Durazzo erfolgt. Der Führer der Aufstandsbewegung ermordet. Wien, 8. Januar. Nach einer Meldung der „Albanischen Korrespondenz" aus Valona ,st dort das Gerücht verbreitet, das; Arif Hikmet, der Führer dcr Ansstandsbewegnng, ermordet morde» sei. Gluste Bedenken gcgeu das Verhalten der italieni sche» Gesandtschaft vor und nach den Unruhen. Der Durazzoer Korrespondent der „Wiener Neuen Freien Presse" hört von verschiedenen ernsten Seiten parke Bedenken. Die intime Verbindung zwischen Essad und den Italienern ist nicht zu leugnen, seine Stellung zu dem Aufstande ist aber ganz unzweifelhaft. Der Gesandte Aliotti hat sich gerühmt, er habe allein den Mut besessen, mir den Aufständischen zu verhandeln, als sie Durazzo und den Fürsten bedrohten. Nun gewinnt es aber den Anschein, daß für ihn dazu nicht gar so viel Mut gehörte, weil er mit den Rebellen auf ziemlich gutem Fuße stand. Ob die italienische Regierung all dies billigt, sollte man wohl be zweifeln, wenn sie es aber mißbilligt, so wird sie aus dem bedenklichen Verhalten ihres Gesandten in Durazzo die nötigen Folgerungen ziehen müssen. Vom österreichischen Standpunkt aber erscheint eine bedeutend verschärfte Wachsam keit am Platze. Es gilt, das ganze Netz der Intrigen aufzudecken und zu zerreißen, sonst wird mail binnen kurzem vor der vollendeten Tatsache stehen, daß Essad oder ein anderer Mohammedaner als Strohmann Italiens stolz den Thron von Al banien besteigt. Nach dieser Richtung scheint die bisherige Minierarbeit zu deuten. Man muß des halb auch alle Nachrichten von der angeblichen Un fähigkeit des Fürsten mit Vorsicht ausnehmen. Nötig ist es vielmehr, ihm in seinen Wünschen entgegenzu kommen und ein weiteres Untergraben seiner Stellung zu verhindern. k>oliMetie Ueberliettt Diplomatische Konferenz über firbeiterschutz Aus Arbeitgeberkreiien wird Klage darüber geführt, das; die beteiligten Kreise der Industrie bisher über die Verhandlungen und Beschlüsse dcr im vergangenen Herbst in Bern abgehaltenen Internationalen Arbeiterschutztonfercnz im un- ltaren gelassen wären. Es wird dabei der Wunsch ausgesprochen, daß möglichst bald die Tagesordnung der bevorstehenden diplomatischen Konferenz und das zugehörige Material wie Tentschriften usw. bekanntgemacht würden, damit die Industrie rechtzeitig in der Lage wäre, ihre Wünsche zu den einzelnen Fragen, die auf der Konferenz erörtert werden sollen, an den maß gebenden stellen vorzutragcn. Durch diese Klagen und Wünsche tonnte der Anschein erweckt werden, als ob über die Verhandlungen und Beschlüsse der vorigen Berner Konferenz und über die Tagesordnung der diesjährigen in der Oeffentlichkcit nichts betanntgewordeu wäre. Das entspricht jedoch nicht den Tatsackzen. Lo- wvbl in der Tagespresse als auch ganz be sonders in dcr Fachpresse, wie zum Beispiel in der „sozialen Praxis", sind über die Verhand lungen dcr letzten Konferenz eingehende Berichte erstattet, und auch die vereinbarten Grundzüge, die dcr nächsten Konferenz bei den Verhandlungen zugrunde liegen sollen, sind seinerzeit bekannt gegeben. Ob etwa einzelne Staaten auf der bevorstehenden Konferenz noch Abänderungen dieser Grundzügc beantragen werden, läßt sich natürlich vorläufig nicht übersehen. Noch weni ger sind Vermutungen darüber möglich, ob sich zür solche Abänderungs- oder Ergänzungsanträgc eine Mehrheit finden wird. Mexiko. Die Verwirrung in ganz Mexiko wird immer größer. Tausende von Flücht lingen sind aus Saltillo in Veracruz einge- trossen. In San Luis Potosi ist Orozco, ein Sohn des Hauptführers in der Rebellion gegen Madero, der von Japata ermordet wurde, und Earazco von den Führern der Irregulären auf Be fehl Villas füsiliert worden. — 7 Studenten der Ackerbauschule in Mexiko, junge Leute im Alter von 17—18 Jahren, sind in Santa Julia, einem Vorort der Hauptstadt, erschossen worden. Die Tatsache hat in ganz Mexiko große Erregung her vorgerufen. Der Schluß des mexikanischen Kon gresses ist am Sonnabend in geheimer Sitzung, die vis um 2 Uhr nachts tagte, um 10 Tage ver schoben worden. Die Bermittlungsaktion gescheitert? Die Verhandlungen in Niagar" Falls sind, wie der „Berl. Morgenpost" aus New Park gemeldet wird, auf dem toten Punkt angelangt. Die Unionsdeleaierten verlangen die Zulassung der Ab gesandten Larranzas. während die Vertreter der A-B-C-Staaten und Mexikos die Zulassung von der Einstellung der Feindseligkeiten abhängig machen. Auf der einen Seite erklärt Tarranza einen Waffenstillstand für unmöglich, da er die militärischen Erfolge aufs Spiel setzen hieße, während anderseits die südamerikanischen Vertreter entschlossen auf ihrem Standpunkt verharren. Bryan macht alle Anstrengungen, die Südamerikaner umzu stimmen, doch erscheinen seine Bemühungen hoffnungs los. Unter diesen Umständen betrachten die poli tischen Kreise die Vermittlung bereits als ge scheitert. Huertas Rücktrittsabsichten. Niagara Falls, 3. Juni. Die mexikanischen Dele gierten teilten mit, daß Huerta sich bereit halte, von der Präsidentschaft zurückzutreten. Sein Rücktritt werde jedoch erst dann erfolgen, wenn das Land politisch beruhigt sein und die kommende Regierung die öffentliche Meinung für sich haben werde. Anschlag gegen Huerta. New Port, 3. Juni. Nach den letzten hier vor liegenden Meldungen, ist gestern auf Huerta, als er in seinem Automobil die Straßen durchfuhr, von einer Anzahl Studenten ein Anschlag verübt worden. Als Präsident Huerta, be gleitet von seinem Adjutanten, sich auf der Rückfahrt nach dem Palast befand, wurde sein Wagen plötzlich zu beiden Seiten von Studenten gestürmt, die mehr mals auf den tief im Wageninnern sitzenden Huerta ihre Revolver abscuerten. Wunderbarerwetse blieben sowohl der Präsident, als auch der Offizier und der Chauffeur unverletzt. Nur die Scherben des Wagens wurden zertrümmert. Vier von den Stu denten, die nach dem Anschlag die Flucht ergriffen, tonnten verhaftet werden. Sie wurden sofort standrechtlich erschossen. Deutsches Reich. * Ei» neue» Dezernat im Ministerium de» Innern. Im Ministerium des Innern ist ein neues Dezernat für Polizei- und Eendarmeriewesen ge bildet und dem Vortragenden Rat Geheimrat Becker, dem früheren Vorstand der Kriminalabtei lung der Königlichen Polizeibehörde in Dresden, übertragen worden. * Die Maul, und Klauenseuche ist am 31. Mai d. I. im Königreich Sachsen in 21 Gemeinden und 35 Gehöften amtlich festgestellt worden. Der Stand am 15. Mat war 15 Gemeinden und 19 Gehöfte. * Bundesrat und Rückerstattung der Reichswert zuwachssteuer. Dem Bundesrat ist eine größere Anzahl von Gesuchen zugcgangen, in denen die Rückerstattung eines Teils der Reichswertzuwachsst-euer beantragt wird. In den Anträgen wird Bezug genommen auf die Bestimmung in dem neuen Reichsfinanzgesetz, wonach für alle laut Wertzuwachsstouergesctz vom 14. Fe bruar 1911 nach dem 30. Juni 1913 eintretenden. Fälle der Steucrpflicht die Erhebung des Anteils des Reichs in Fortfall kommt. Begründet wurden die Gesuche um Rückerstattung dieses Reichsanteils da mit, daß die Antragsteller geltend machen, sie hätten mit ihren Abschlüßen bis über diesen Termin hinaus gewartet, wenn sie vorausgesehen hätten, daß ein« derartige gesetzliche Bestimmung in Kraft treten würde. Die Gesuche sind abschlägig boschieden worden, da die angegebenen Gründe angesichts der vorgenommenen gesetzlichen Regelung als nicht stich haltig angesehen werden konnten und eine Be freiung von der Steuer nicht rechtfertigen. * Die Schweiz und die Erhebung der deutschen Wehrsteuer. Mehrere schweizerische Zeitungen hatten verlangt, daß der Schweizer Bundesrat bei der deut schen Reichsregierung vorstellig werde, weil angeblich die schweizerischen Aktiengesellschaften in Deutschland von der Wehrsteuer stärker belastet würden als die deutschen, was im Widerspruch mit dem deutsch schweizerischen Nioderlassungsvertrag stehe. Wie aus einer offiziösen Meldung zu schließen ist, hat der schweizerische Bundesrat bereits beschloßen, einen solchen Schritt zu unternehmen. * Gegen die Freigebigkeit mit dem Prokessortitel wendet sich die Aerzte schäft. Im Publikations organ des Aerzteausschusses von Groß-Berlin nimmt sie besonders gegen „ein gewißes pluto- kratisches System" Stellung, das bei Vergebung des Profcßortitels neuerdings mitspreche. Der einst sv hochgeschätzte preußische Professortitel gerate dadurch, so führt das Organ aus, in die Gefahr, noch mehr entwertet zu werden, was schließlich dem Ansehen der deutschen Wissenschaft schädlich sein müße. Die be merkenswerte Auslassung schließt mit einem dringenden Appell an die verantwortlichen Stellen, dem Krebsschäden Einhalt zu tun. * Sozialdemokratie und Kaiserhoch. In der neuesten Nummer der „Sozialistischen Monatshefte" beschäftigt sich der Reichstagsabgeordnete Wolf. gangHeine mit der Demonstration seiner Fraktion am Sessionsschluß des Reichstages. Wie er seststellt, ist der Beschluß der Fraktion, beim Kaiserhoch sitzen zu bleiben, statt wie früher hinauszugehen, nur mit einer geringen relativen Mehrheit gefaßt worden. Dem Fraktionsbeschluß hätten sich dann auch solche Abgeordnete gefügt, die persönlich anderer Meinung gewesen wären. Heine erklärt, daß die Fraktion Zurzeit kaum etwas Verkehrteres und Schädlicheres hätte tun können, und daß damit lediglich die Geschäfte der Gegner jeder freiheitlichen Entwicklung und eines kräftigen Parlamentes be sorgt werden". * Nicht empfangsfähia. Aus Anlaß des Verbotes der Teilnahme von Schweizer Vereinen an dem Umzug bei einem sozialdemokratischen Arbeitergesangsfest in Mühlhausen ist es, wie erst jetzt bekannt wird, zu einer interessanten Stellungnahme des reichsländhchen Staatssekretärs Era en von Roedern gegenüber einem sozialdemo kratischen Abgeordneten gekommen. Dem „B. L." zufo ge wollte der sozialdemokratische Abgeordnete Schilling beim Staatssekretär wegen des Ver botes vorsprechen. Es wurde ihm indes bedeutet, daß der Staatssekretär ihn nicht em- pfangen könne, weil er am 8. April bei der Schließung des Landtages beim Ausbringen des Kaiserhochs sitzengeblieben sei. Heer un- Potte. * 42 Admiral« zählt die deutsche Marine jetzt, eine Zahl, die bisher niemals erreicht worv«n ist. Der rangälteste Großadmiral ist Prinz Heinrich rcm Preußen" dem im Range Staatssekretär v. Tirvitz unmittelbar folgt Unter den sechs Admiralen be finden sich die Chefs des Marinckabinetts, der Ost seestation, des Admiralstabes, der Nordseestation, der Hochseeflotte und der Direktor des Verwaltungs- Departements des Reichsmarincamts. All« diese Admirale gehören dem Adel an: fünf von ihnen ist vcm Kaiser schon früher das Adelsprädikar verliehen worden. Die Zahl der Vizeadmirale beläufr sich auf 12, der Konteradmirale auf 22. Dem Reichs marineamt gehören 8, der Hochseeflotte 9 Admirale der verschiedenen Stufen an. * Die offizielle Einteilung der türkischen Armee nach ihrer Reorganisation wird jetzt in dec türkischen Preße bekanntgemacht. Danach sind 1 Armeeinsvek- tion«n eingerichtet, denen 13 Armeekorps sowie zwei selbständige Divisionen unierstehen. Da die Zahl der Divisionen, die den einzelnen Korps zugeteili sind, verschieden ist, so weist die aktive türkische Armee 38 Divisionen auf. Die I. Armeeinspektion in Kon stantinopel umfaßt das 1. bis 5. Armeekorps in Konstantinopel sowie in Anatolien. Ein jedes Korps ist in 3 Divisionen eingeteilt, so daß der 1. Armee inspektion, abgesehen von den Redifdivisionen, 15 Divisionen unterstellt wären. Das 1. Korps hat seinen Standort in Konstantinopel, das 2. in Adrianopel, das 33. in Bulair-Rodosto, das 4. in Smyrna und das 5. in Angora. Die II. Armee inspektion in Aleppo besteht nur aus 2 Korps, und zwar dem 6. und 8. Ersteres steht in Aleppo und ist 3 Divisionen stark, letzteres in Damaskus. Es be steht aus 5 Divisionen. Das 7. Korps ist selbständig und steht in yemen. Ihm sind nur 2 Divisionen unterstellt. Die III. Armeeinspektion in Ersindjan und besteht aus dem 9., 10. und 11. Korps, die in Erserum, Ersindjan und Wan stationiert sind. Außer dem 10. Korps, das 3 Divisionen aufweist, sind die Korps nur 2 Divisionen stark. Die IV. Armeeinspektion, die in Bagdad ihren Sitz hat. weist das 12. und 13. Korps in Mossul und Bagdad auf, die gleichfalls nur je 2 Divisionen zählen. Ausland. Raglan-. * Unter Spionaaeverdacht verhaftet. In Ports mouth ist ein Ärsenalarbeiter unter der B.'schul- digung der Spionage verhaftet worden. Er soll ge heimzuhaltende Angaben über Konstruktionseinzel heiten der Kriegsmarine an eine fremde Macht ver raten haben. Portugal. * Zusammenstoß zwischen Republikanern und Monarchisten. In Coimbra kam es am Dienstag, wie von der portugiesischen Grenze nach Madrid ge meldet wird, zu einem äußerst heftigen Zusammen stoß zwischen Republikanern und Monarchisten an läßlich eines politischen Meetings. Zwei Per sonen wurden dabei getötet und etwa zwanzig verletzt. Erst nach längerer Zeit ge lang es, die Ruhe wiederherzustellen. Zahlreiche Verhaftungen wurden oorgenommen. Die Truppen der in und um Coimbra liegenden Gar nisonen wurden mobilisiert, da man die Situation für äußerst ernst hält. Zraukrekch. * Der Prozeß gegen Frau Caillaux. Gegenüber dem am Dienstag verbreiteten Gerücht, daß Frau Caillaux gegen den Beschluß der Anklagskammcr Einspruch erhoben habe, wird von einem Sekretär ihres Verteidigers Labori erklärt, daß sie niemals diese Absicht gehabt habe. — Der Unter suchungsrichter Kastler hat den verantwort lichen Redakteur des „Figaro", Quintard, über die Veröffentlichung der Anklage schrift des Staatsanwalts Lescouvc vernommen. Quintard erklärte, er wiße nicht, aus welche Meise der „Figaro" in den Besitz dieses Schriftstückes ge langt sei, übernehme jedoch die Verantwortung für dcßen Veröffentlichung. SvbllbVLroudLlls Lper.: '1'sl. 11189. llrr,, Vas glück ürr anderen. los Roman von Fritz Stüber-Gunther. «Oop^rikcht 1VIZ Orotklaia « l.'o. O. m. d. H. IHpr,,-.» Niemand aber kannte und schützte ihn wie der alte, reiche Klaviermacher Adam von Terra- monte und seine nm vieles jüngere Gattin Emma. Und da nun der Künstler in der Residenz weilte, nm sich, ehe er die Direktorstelle an der be rühmten Musikhochschule seiner Vaterstadt, der schönen und merkwürdigen alten Berg-, Bier- und Bischossstadt, antrat, bei Seiner Exzellenz dem Herrn Minister vorzustellen und zu be danken, da hatten es Herr und Frau von Terra- monte nicht verabsäumt, ihn in ihr Heim zu laden. Mindestens ein Dutzend anderer, viel leicht noch ehrenderer Einladungen hatte Stefan Klsantz unter Hinweis auf die Knappheit seiner Zeit ausgeschlagen. Im Hause Terramonte lehrte er auch diesmal ein, denn ihm verdankte er manche verborgen gebliebene Förderung. Ganz klein war die Gesellschaft um ibn: Außer Hausfrau und Hausherrn dessen einzige Schwester, die verwitwete Frau Regierungsrat Dörfler mit ihrem Sohne Alfred, Konzipisten im Ministerium für Volkswirtschaft; dann noch Anton Gottsmann, Revisor in dcr retrospektiven Abteilung des hypothetisckien Departements des slatistisckn'n Amtes derselben hohen Zentrale. Nach etlichem Schwanken und Uebcrlcgen hatte sich der Revisor doch entschlossen, dem vorwurfs vollen Rufe zu folgen. Nun aber hatte er sich im Laufe des Abends bereits wiederholt mit Leb- lzaftigkeit insgeheim ausgemalt, welcher Genuß ihm, wäre er starrköpfig weggeblieben, durch eigene Schuld entgangen wäre: Die persönliche Bekanntschaft eines bedeutenden Mannes, dessen Können er längst von fern verfolgte und verehrte. In stiller Glückseligkeit fast der Revisor da, versunken in dem Anblick des Gefeierten. Kaum lßitte er noch gewagt, ihn anzurcden, und wenn die- ein anderer tat, so hatte er fast das Emp- finden einer .Entweihung und eine» Wagnisses. Eben gab ihm die magere, spitzkinnige, bläu- lichwcis; gepuderte Neffierungsratswitwc trifti gen Anlaß, entsetzt zusammenzuschaudern, indem sie nämlich mit süßem Lächeln also sprach: „Wie war das eigentlich, verehrter Herr Di rektor, als Sic vor zwanzig Fahren den Staub Ihrer Vaterstadt von Ihren Füßen schütteltcn? Ich habe schon so viele gelegentliche Andeutungen darüber vernommen, Genaues aber eigentlich noch nie. Möchten Sie nicht erzählen?" lind des Klaviermachers Neffe, der tadel los elegante Ministcrialtonzipist, fügte, das Mo nokel fester klemmend, hinzu: „Za, das wäre hübsch von Ihnen, Herr Professor, — Herr Direktor wollt' ich sagen, wenn Sie die Geschichte zum besten geben woll ten. Muß ja eine tolle Sache, ein verteufelter Ulk gewesen sein." Herr und Fran Terramonte suchten augen scheinlich einen Weg, die Taktlosigkeit dieser Aus forderungen zu bemänteln. Ehe eS ihnen jedoch gelungen war, sprach dcr Tondichter Stefan Khantz: „Als lllk war oas Ereignis nicht gedacht und, wahrhaftig, ulkig ist cs mir damals auch keineswegs erschienen. Aber freilich, vom sichern Hafen ans betrachtet —" „Meine Schwester und mein Neffe," unter brach ihn der Klavierbauer, „konnten nicht wis sen, daß Ihnen oiesc Erinnerung schmerzlich sein muß, verehrter Meister!" „Sie ist's ja tatsächlich nicht inchr," ent gegnete Stefan Khauh, nun wieder völlig offen und heiter. „Im Gegenteile. Gehabte Schmer zen, die hab' ich gern," sagt Wilhelm Busch. Also hören Sie mir nachsichtig zu, meine Herr- sckzaften!" Er strich sich über die hohe, weiße Stirn, als wollte er seine Erinnerungen ordnen und glätten, hielt das Stengelglas gegen das Liebt, nippte daran und begann zu erzählen: „Mein erstes größeres Opus, nachdem ich meine musikalischen Eierschalen abgestrcift hatte und selbständig meine Flügel regen zu können glaubte, war die Vertonung von Goethes „Stella". Ich hatte mir in meiner jugendlichen Uebcrschwcnglichkeit eingcredct, daß dies Drama geradezu nach Musik verlange, daß cs nur durch Musik seiner unverdienten halben Vergessenheit entrissen werden könne, und daß niemand mehr als ich in meinem Sturm und Drang berufen sei, des Goetheschen Sturmes und Dranges Wicdererwecker zu werden." „Und Sie begingen bei Gott kein Unrecht damit," warf Adam von Terramonte mit Wärme ein. „Ich adaptierte mir also," fuhr Khautz fort, „die „Stella" zum Operntcxt und kann nur hoffen, daß sich dcr große Johann Wolfgang nicht darob im Grabe uingedrcht hat, da er, dcr alles Verstehende, alles Verzeihende, voin hohen Olymp herab doch nicht nur meine jugendliche Kühnheit, sondern auch meine jugendliche Be geisterung in Anschlag bringen mußte. Als die Stella, meine Stella — ich nannte sic mit einiger Selbsterkenntnis und Prophetcngabc ein musikalisches Trauerspiel — fertig komponiert war, schickte ich sie dcr Reihe nach an ein halbes Dutzend deutscher Opernbübnen und ein ganzes Dutzend deutscher Musikverleger, zuerst natürlich an die allergrößten und angesehensten, dann, immer bescheidener werdend, an solche zweiten und dritten Ranges, was mich bei dem Umfang und Gewicht der Partitur ein schönes Stück Geld kostete, aber nicht den gewünschten Erfolg brachte. Je öfter mein Wert abgclehnt wurde, desto inniger war ich von seiner überragenden Be deutung durchdrungen. Hält' lch's nur möglich machen können, dem lieben deutschen Publikum einmal meine Musiktragödie vorzuführen — um das Weitere war mir nicht einen Augenblick bange. Endlich, in einer schlaflosen Nacht, faßte ich einen kühnen Entschluß: Auf eigene Rech nung und Gefahr wollte ich meine „Stella" anfsühren, und zwar ans dem Stadtthcater niei- nes Heimatortes. Alle Kosten dachte ich nacl)- träglich vom Gewinn der vorerst beabsichtigten drei aufeinanderfolgenden Vorstellungen zu decken. Daß ich aber doch auch sofort wenigstens einige- Bargeld aufwenden mußte, war mir bet allem feurigen Idealismus klar. Zu verkaufen, zu verpfänden halt' ich nichts. Nach vielen frucht losen Pumpversuchen bei Freunden und Be kannten —" „Unter denen ich nicht war," schaltete Herr von Terramonte ein. „Zu Ihrem Glück," bestätigte der Erzähler lachend und klopfte dem Hausherrn zärtlich auf die Schulter. „Uns zwei hatte das Schicksal noch nicht zusammengeführt. Also nach vielem ver geblichen Bitten und Betteln gelang es mir, von einem gewissen Samuel Blauensteiner, der weder verwandt noch verschwägert mit mir war, zweihundertfünfzig Gulden zu erhalten, gegen einen Wechsel über dreihundert Gulden und das Versprechen unbegrenzter Freikartengewährung an seine wie Sand am Meere zahlreiche Fa milie. Von diesen zweihundertfünfzig Gulden leistete ich entsprechende Vorschüsse an den Thea- tcrdirektor, der mir, keineswegs durch glänzende Einnahmen verwöhnt, sein Haus mietweise über ließ, au das verstärkte Orchester und an die Sänger und Sängerinnen, die mein Werk zum Siege führen sollten. Und an alle namhaften Musikkritiker des geeinigten Deutschen Reiches und der im österreichischen ReichSratc vertrete nen Königreiche und Länder versendete ich recht zeitig ebenso anmaßende wie dringende Ein ladungen. Die Proben, die ick mit meiner Künstlerschar abhielt — ivohl die meisten, die jemals an ein deutsches Bühnenstück gewendet wurden — bedeuteten mir trotz Mühe und Aerger die glücklichsten Stunden meines Lebens. Der Tag der Aufführung kam näher und näher. Ich darf wohl kaum voraussetzen, daß allen hier anwesenden Herrschaften der Inhalt der Goetheschen Stella geläufig ist — oder doch?" „Handelt es sich nicht um eine altgriechische Liebesgeschichte?" fragte mit entzückender Naivi tät die bläulich geschminkte Frau Regicrungsrat. „Ich hab' das Stück gelesen — natürlich, selbstverständlich — aber es ist schon so lange her," entschuldigte sich der Ministerialkonzipist- (Fortsetzung in der Morgen aai>»abe,)
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