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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.05.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140526023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052602
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-26
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Sette 2. Nr. 264. Nvenü-Nusgave. Kein« Mobilisier», Ocherreich«. Wie«, 26. Mai. (Meldung de« Wiener K. K. Telegr Korresp.-Bureau«.) Di« Nachricht aus- lvärtiger Blätter, daß in Oesterreich die erste Re. ser verlass« in großer Eile mobilisiert werd«, wird an hiesiger maßgebender Stelle kategorisch mit dem Bemerken dementiert, daß für das Ent stehen einer derartigen Meldung auch nicht der ge ringste Anlaß vorliege. Diplomaten.Konferenz in Pest. Wien, 26. Mai. In Pest stehen wichtige diplo matische Verhandlungen bevor. Außer dem deutschen und italienischen Botschafter, die schon seit einiger Zeit in Pest weilen, trafen dort der russische Bot- schaster Schede ko und der albanische Gesandte Surega bei Vlora ein; auch der französische Bot. schafter wird sich demnächst nach Pest begeben. Die Auffassung russischer diplomatischer Kreise. Die in Petersburger diplomatischen Kreisen vor liegenden Nachrichten aus Albanien lauten, dem „B T." zufolge, sehr beunruhigend. Danach ver breitet der Aufstand sich immer weiter, und die Lage des Fiirstcn wird als ziemlich un haltbar angesehen. Der russische Delegierte bei der internationalen Kontrollkommission Petrajew hat von hier Weisung erhalten, aus Valona nach Durazzo abzureisen und das Ministerium des Aus wärtigen über alle Vorgänge eingehend zu in formieren. Da England und Frankreich entschlossen sind, in die albanischen Wirren nicht einzu greifen, liegt hier die Absicht vor, diesem Ent schluß sich anzuschließen. Die Attsfassmig Testerreichs. Pest, 26. Mai. In der ö st c r r e r ch i s che n De legation erklärte gestern Gras Berchtold auf eine Anfrage über die Lage in Albanien, daß Oester reich und Italien darüber einig seien, sich inöglich st wenig einzu mischen, weil sic den Grundsatz verfolgten, ein selbständiges Albanien zu schaffen und di« Einrichtung des Staates tunlichst der «rationalen Rcgierungsgewalit, die wieder von der internatio nalen Kontrollkommission beraten sei, überlassen zu wollen. äHenn, im konkreten Fälle, besondere Maß nahmen notrvendig erscheinen, jo geschieht dies auf Grund des speziellen Einvernehmens mit Italien. Dies war auch bei den provisorischen Schutzmaßnah men anläßlich der jüngsten Vorfälle in Durazzo der Fall, di« iir der Landung einiger Matrojendetache- ments sowie darin bestanden, daß zwei Kreuzer und einig« kleine Einheiten der Kriegsmarine vorsichts halber vor Durazzo liegen. Unzweifelhaft hat das juirge albanische Staatswesen gegenwärtig «inen ernsten Moment durchzumachen. Die Lösung dieser Schwierigkeiten wird uns angelegentlich beschäf tigen. Der Minister stellte nochmals fest, daß zwi schen Oesterreich Ungarn und Italien in der albani schen Politik vollkommenesEinvernehmen herrsche. Die Anfrage Mostalkas, warum der Fürst sich auf «in italienisches und nicht auf «in öster reichisches Schiff begeben habe, beantwortete der Mi nister dahin, daß das italienische Schiff einen jacht artigen Charakter habe und bequemer sei. Ein Misterfolg Essad Paschas. Rom, 25. Mai. Di« „Tribuna" meldet: Essad Pascha haite eine längere Konfe- renz mit Minister San Giuliano. Demgegenüber läßt sich der „Berl. Lok.-Anz." aus Rom melden: 'Während die Abendblätter einmütig meldeten, Essad Pascha habe den Minister San Giu liano in der Consulta besucht und mit ihm «ine lange Unterredung gehabt, wird mir von höchst ver trauenswürdiger Seite soeben mitgeteilt, Essad sei um 7 Uhr 50 Minuten abends unver richteter Dinge nach Neapel zurück gekehrt, ohne San Giuliano gesehen zu haben. k*o1iMette Ueberliettt Sten-al—Osterburg. Der Ausfall der Reichstagsstichwahl in Stendal- Osterburg bedeutet für den Liberalismus eine er freuliche Ueberraschung 'Wie wir bereits im De- peschenteil unserer Morgenausgabe mitgeteilt hatten, siegte der nationalliberale Kandidat mit Leipziger Tageblatt. virusiag, 26. Mal lSl4. einem Vorsprung von rund 2500 Stim men über seinen konservativen Gegner. Bet der Hauptwahl hatten der konservative Ritter gutsbesitzer Hösch 12182, der nationalliderale Hofbesitzer Wach horst deWente70l0 und der Sozialdemokrat Beim» 6911 Stimmen erhalten. In der Stichwahl errang Wachhorst de Weinte mit 15027 Stimmen den Sieg über Hösch, der nur 12518 Stimmen aus sich vereinigte. Ein Ziffernver- aleich ergibt, daß die Konservativen, deren von der Hauptwahl her bekannte terroristische Wahl praktiken natürlich auch in den Tagen vor der Stichwahl angewandt worden sind, reichlich 300 Stimmen mehr aufgebracht haben. Für den nationalliberalen Kandidaten sind die Sozial demokraten entsprechend der von ihnen ausgegebenen Wahllosung restlos eingetreten. Darüber hinaus hat aber der nationalliberale Kandidat Wachhorst de Wente noch etwa 1000 Stimmen aus eigener Kraft aus den im Wahl kreise vorhandenen Reserven hinzugewonnen. Diese hocherfreuliche Tatsache ericheint uns das bemerkenswerteste Kennzeichen der jüngsten Neichstagsstichwahl zu sein. Wenn konser vative Blätter immer wieder die Behauptung auf stellen, die letzten Nachwahlen hätten einen deutlichen „Zug nach rechts" gezeigt, so kann angesichts des Ergebnisses von Stendal-Osterburg mit Recht die Frage aufgeworfen werden: Woher kommt dann der stattliche Zuwachs von 1000 Stimmen für den nationalliberalen Kandidaten Wie zu erwarten war, stürzt sich die konservative Presse sosorr «nit grimmiger Wut auf den gewählten nationalliberalen Kandidaten und sucht ihn in jeder nur denkbaren Weise zu verkleinern. Die reichspar teiliche „Post" schreibt, „man dürfe von dein neu gewählten Abgeordneten das Wort anwenden: Wer von den Sozialisten esse, sterbe daran". Und die „Deutsche Tageszeitung" meint: „Die alte Partei Bennigiens und Miquels habe wenig Ursache, sich dieses Wahlsieges zu lreuen, denn er zeige, wie l weit gewisse ihrer Mitglieder auf der abschüssigen Bahn hinabgeglitten seien, die schließlich zu einer immer flacheren und offenkundigeren Demokratie hinsühre." Nun. wir denken, Herr Wachhorst de Wente wird nvch viel weniger „an der Sozialdemokratie sterben" als der Führer der württcmbergischen Kon servativen Herr Dr. Nübling an der Sozial- demolratie gestorben ist. Dem Herrn Wachhorst de Wente sind die sozialdemokratischen Stimmen zu zesallen, ohne daß er dieser Partei gegenüber auch nur die geringste bindende Verpflichtung eingegangen ist. Herr Dr. Nübling, der voin allerhöchsten Parteigericht begnadigte Konservative, aber hat den Sozialdemo kraten Versprechungen gegeben, ohne daß es ihm allerdings gelang, den Sieg an «eine Fahne zu heften. Zur Vorbeugung weiterer Legendenbildung scheint es uns unerläßlich, erneut darauf hinzuweisen, daß Herr Wachhorst de Wente ganz anders dasteht als der doch immerhin stark belastete Herr Dr Nübling. Wir verstehen im übrigen den Schmerz der rechts stehenden Blätter wohl zu würdigen. Nach den fünf Niederlagen bei den bisherigen Nachwahlen n u n die sechste! Salzwedel-Gardelegen und Stendal- Osterburg gingen an die Nationalliberalen, deren Kandidaten in diesen beiden Fällen außerdem noch führende Mitglieder des — Bauernbundes sind, Hagenow-Grevesmühlen und Waldeck-Pyrmont an die Fortschrittler, Zauch-Belzig und Borna-Pegau an die Sozialdemokraten verloren. Dagegen gewannen die Konservativen Jerichow von den Sozialdemotraten und das Zen«rum Offenburg-Kehl von den National liberalen. Die Linte des R e i ch s t a g e s ist also, wenn man alles in allein nimint, um vier Sitze stärker geworden. Daß dieses Endergebnis den Rechtsparteien äußerst peinlich ist, glauben wir gern. lieber die tiefereir Ursachen dieses „Zuges nach links" vermag vielleicht Herr v. Hcydebrand Auskunft geben. Vie neuen Grun-sätze über -ie Provisionen unö Spesen in üer/lngestelltenversicherung Wie die „Inf." erfährt, hat die Ncichs- versicheruNjMuslalt neue Grundsätze ausgestellt, in welcher Höhe die Provisionen und Spesen in der Angestelltenversicherung anzusetzen sind, um für die Beitragsleistnng die Gehaltsklasse festzustellcu. Die Regel ist, das; Provisionen nnd Spesen in der Höhe angesetzt werden sollen, in der sie im letzten Geschäftsjahre dem Ver sicherten zugeflossen sind. In den Einzelheiten bestehen die neuen Grundsätze der Reichsver sicherungsanstalt in folgendem: Es ist zu unter scheiden, ob der Angestellte bei seinem Arbeit geber auf Provisionen oder Spesen oder auf Gehalt und Provisionen oder Spesen angestellt .ist. Erhält er nur Provisionen oder Spesen und war er in diesem Fall noch kein volles Geschäftsjahr bei demselben Arbeitgeber in Stel lung, so ist als mutmaßlicher Provisions- oder Spesenbctrag durch Schätzung der Provisions oder Spescnbetrag des laufenden Geschäftsjahres anzusetzen. Anders dagegen, wenn der Ange stellte außerdem noch ein festes Gehalt bezieht. In diesem Fall ist bis zum erstmaligen Bezug von Provisionen oder Spesen nur das feste Ge halt anzusetzen, um bei der Veranschlagung zur Beitragsleistung die Gehaltsklasse fcstzustellen. Mit dem Augenblick aber, da der Angestellte zum erstenmal Provisionen oder Spesen erhalten hat, muß auch neben seinem festen Gehalt der mutmaßliche Betrag an Provisionen oder Spesen des gesamten laufenden Geschäftsjahres mit in die Rechnung eingestellt werden. Sind an Pro visionen und Spesen dem Versicherten Mindest beträge garantiert, so haben sie die Wirkung eincs festen Gehalts und sind dementsprechend anzusetzen. Es ist nun sehr wichtig, daß die Reichsversicherungsanstalt diese Grundsätze nicht nur für den Ansatz von Provision und Spesen zur Bcitragsleistung geltend machen will, son dern sie sollen auch in allen Fällen zugrunde gelegt werden, wo bei der Feststellung des Iah- reSarbeitsverdieustes die Versicherungspflicht ge prüft werden muß. fius -er österreichischen Delegation. Nachdem Graf Berchtold in der Montagsitzung der österreichischen Delegation eine Erklärung über die Lage in Albanien abgegeben hatte, über die wir an anderer Stelle berichten, kam er auf die Frage d«er Orientb ahnen zu sprechen und erklärte, es sei unzweifelhaft, daß die serbische Re gierung die Verpflichtung habe, die Bahnen den be- triebsberechtigten Gesellschaften zurückzugeben. Der Minister begrüßte dann das Zustandekommen des Handelsvertrages mit Griechenland als gute Vorbedeutung für die Ausgestaltung der politischen Beziehungen. Schließlich wandte sich der Minister gegen den Vorwurf, daß die Haltung des Ministeriums des Aeußern während der Balkankrise den Eindruck schwankender Unsicherheit gemacht habe. Der Minister schloß: „Lassen Sie mich in diesem einigenden Moment, in diesem patriotischen Gemein gefühl die Quelle jenes Selbstbewußtseins finden, aus der wir die Kraft schöpfen können für die Füh rung einer selbstbewußten Politik." Die Rede wurde mit lebhaftem Beifall entgegengenommen und der Minister beglückwünscht. Nach Schluß der Debatte ergriff Ministerpräsident Stuergky das Wort und betonte den innigen Zu sammenhang zwischen der Lösung des Natio nalitätenproblems, insbesondere der böh mischen Frage, und der Sanierung der parlamenta rischen Lage. Mit der Freimachung der böhmischen Landesverfassung werde auch der Reichsrat wieder aktionsfähig. Der Ministerpräsident teile nicht den in manchen Reden hier ausgesprochenen Pessimismus, als ob wir uns in einer dauernden, unheilbaren Ver fassungskrisis befinden. Es handle sich vielmehr nur um eine vorübergehende Episode, die baldmöglichst in den ganz normalen Zustand des parlamentarischen Lebens übergeleitet wird. Der Ministerpräsident siehr den in einigen Tagen zu erwartenden Schritten des Präsidenten des Abgeordnetenhauses zur Flott- machung des Parlaments mit guter Hoffnung ent gegen, zumal da aus den hier gehörten Reden der tschechischen und deutschen Delegierten der ernste Wille, ja die Sehnsucht nach dem Frieden in Böhmen, unzweideutig hervorgetrcten sei. Die Regierung werde möglichst bald, und zwar je eher desto lieber, Las Parlament einberufen, sobald auch nur be gründete Aussicht auf Arbeitsfähigkeit vorhanden sei. sBeifall.) — Die Delegation lehnte den An trag des Sozialdemokraten Ellenbogen, die Abstimmung über das Budget des Aeußern zu ver tagen, bis Graf Berchtold einen eingehenden Bericht über die Ereignisse in Durazzo vorgelegt habe, a b und nahm das Budget des Auswärtigen sowie den Dispositionsfonds an. Eine Re-e -es Papstes. In dein am Montag vormittag in Rom ab gehaltenen geheimen Konsistorium hielt der Papst eine Ansprache, in der er seine Trauer über die Lücken ausdrückte, die der Tod in die Reihen des Heiligen Kollegiums gerissen habe. Es handle sich um die Be setzung der erledigten Bischofssitze und außerdem um die Besetzung der erledigten Stellen des Kardinals kollegium». Der Papst hob hervor, daß di« Zeit an- dauernd voll Unruhen für die Kirche ^1, werl allenthalben die Berührung mit den heranürangen- den schlechten Lehren den Glauben und die Sitten de» christlichen Volkes zu verderben juche, und weil die Kirche gezwungen jec, fast täglich den Angriffen von Menschen standzuhalten, die Las Reich Gottes bekämpfen oder die Religion aus dem Vercicy der Zivilisation ausschlietzen wollten. Demgegenüber fehle es auch nicht an zeitweiligen Lichtbuaen. So erinnerte der Papst an das große Konstantin- Jubiläum des Vorjahres, durch das die katholische Welt einerseits tapfer ihren Glauben be kräftigte, andererseits allein m ihren Händen Las Kreuz Christi emporzuheoen und a»s einzige Quelle des Friedens und des Heils der leibenden Menschheit zu zeigen schien. Tatsächlich verlange man jetzt mehr ats je nach Frieden, da man weithin Gesellschafts klassen gegen Getz'llsckfastsklassen, Stände gegen Stande und Völker gegen Voller sich erheben seye, diese Rivalität, die Tag um Tag bitterer werde und oft und plötzlich in schreckliche Kämpfe ausarte. Es seien angefeyene, sehr ernste Männer an der Arbeit, welche die Saa>e der Nationen und der menschlichen Gesellschaft im Auge hätten und gemeinsam an Ideen und Mitteln arbeiteten, um das Unglück von inneren Unruyen und Kriegsgreuel zu vermeiden und ja wohl im Innern als auch nach äugen andauernd die Wohltaten eines fruchtvaren Fliedens zu fördern. Dieie Absicht jei vorzüglich; aber es würbe sich um wenig fruchtbare Beratungen handeln, wenn man nicht zugleich mit der Tat sorgte, Lag die Lehren der chilsiciafen Gerechtigkeit und Darmyerzigkeit tiefe Wurzeln in den Gemütern der Meiiscyen schlügen, weiche heute tatsächlich abhängiger von der Menge a»s o, n den zur Rettung Beneuten seien, möge es nun in der zivilisierten Gesellschaft oder im Staate ruhig oder unruhig zugehen. Der Papst hob die ver derblichen Folgen hervor, die der Mangel an christ licher Lehre nach sich ziehe, und die Hilfe, die die Kirche der bürgerlichen Verwaltung leisten könnte. Aber im Gegensatz dazu verfahre man meistens der Kirche gegenüber, als ob sie nicht die Schöpferin und Mutter aller Dinge wäre, di« die mensckstiche Kultur und Zivrlisation ausmachen, son» d«ern als Gegnerin und Feindin des Menschen- gejchlechts anzuseyen sei. Diese Tatsachen dürfen uns nicht erschüttern, denn wir wißen durch das Beispiel Christi, daß die Kirche dazu da ist, wohlzutun und Ungerechtigkeiten als Lohn der Wohltaten zu empfan- gen. Wir wissen noch immer, daß auch in den Schwierigkeiten göttliche Hilfe ihr nicht fehlen werde. Dafür hätten wir Christen als Bürgen und die Ee- schichte als Zeugen. Der Papst erinnerte daran, daß gerade jetzt der hundertjährige Eedächtnistag der triumphierenden Heimkehr des Pontifex Pius VIl. nach Rom wiederkehre. Auch hier habe sich die Hilfe bewiesen, welche Christus für immer der Kirche, seiner Braut, zugesagt habe. Der Papst schloß, in- dem er die Ernennung der neuen Kardinale ver kündigte. Deutsch«» Reich. * Jungnationalliberaler Verein zu Leipzig. Am 25. Mai hielt der Verein seine diesjährige Haupt- Versammlung im Restaurant Kiying L Hclbig ab. Aus dem Jahresbericht, den Dr. Rüdi ger erstattete, war zu ersehen, Laß der Verein im abgelaufenen Geschäftsjahr eine rege Versammlungs tätigkeit entfaltet hat, und daß sich die Zahl seiner Mitglieder wiederum erheblich steigern konnte. Die Vereinskasse befindet sich nach Len Mitteilungen der Rechnungsprüfer und des Kassierers Dr. Krancher in bester Ordnung. Die bisherigen Vorsitzenden und Vorstandsmitglieder wurden wiedergewählt' der Vorstand wurde durch Zuwahl des Herrn Lehrer Hertel ergänzt. Im Anschluß hieran hielt Obcr- telegraphenassistent a. D. Otto einen Vortrag über die Reform des Leipziger Stadtverord netenwahlrechts, worin er neue Vorschläge zu einer Verbesserung der gegenwärtigen ungerechten und unhaltbaren Zustände machte. Die Versamm lung war einmütig der Ansicht, daß die Forderung nach einer Reform Les Ctadtverordnetenwahlrechts mit allem Nachdruck weiter zu vertreten ist und kein Mittel unversucht bleiben darf, um sie in absehbarer Zeit herbeizuführen. * Ortsgruppe Leipzig des Hansabunde». In der am Montag im „Panorama" unter dem Vorsitz des Rechtsanwalts Dr. Seyferth abgehaltenen Ver sammlung, zu der vorwiegend Bankbeamte erschienen waren, wurden zunächst einige Mitteilungen über den am 20. und 21. Juni d. I. auf der Dugra statt findenden Sächsischen Hansatag gemacht. Alsdann hielt Herr W. Carlsohn-Leipzig einen lehr reichen Vortrag über die moderne Bankbeamten- kva Maria. 38s Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) 13. Professor Sebald saß an seinem Schreibtisch. Er versuchte seine Gedanken zu sammeln, um seine Dispositionen zu treffen für das beginnende Semester. Aber immer wieder mußte er horchen, ob nicht die Klappe des Briefeinwurfs an der Flurtüre sich bewegte: Wenn Eva gleich ant wortete, konnte heute mit der Morgenpost ihr Brief eintreffen, das heißt, wenn sie seinen Brief zur richtigen Zeit erhalten hatte. Aber vielleicht waren sie auf einige Tage von Rom ans in die weitere Umgegend gefahren, und sein Schreiben war erst später in ihre Hände ge kommen. Es war besser, er hoffte nicht zu stark auf die Morgenpost . . . Was sie wohl schreiben wurde? . . . ach, so, da hatte Dehnel sein Priva tissimum auf die Stunde des Kunsthistorischen Seminars gelegt — das ging nicht an, er mußte ihm gleich telephonieren ... da! Das war die Klappe! Mit einem Ruck stieß Sebald den Sessel, auf dem er gesessen hatte, zurück, und eilte auf den Flur, um Fräulein Dora znvorzukommen, die cs stets sehr eilig mit dem Briefkasten hatte. Zitterno drückte er das Türchen auf. Wahrhaftig, ein Bries von Eva! Mit einem atemlosen Ent zücken hielt er ihn in der Hand. Endlich!! Wie hatte er darauf gewartet. Langsam, fast feierlich schlitzte er ihn in seinem Zimmer mit dem Brief öffner auf — jetzt eilte cs ja nicht mehr. Und nun las er. Und als er fertig war, mußte er lächeln: „Wie alle Frauen!" dachte er. Gerade so hatte es Elsbeth gemacht. Sic l»atte auch nicht gleich ja gesagt, und ihm hinterher ge standen, sie habe sich nur aus. Trotz gesträubt, um cs ihm nicht gar so leicht zu machen. Aber von Eva hätte er es eigentlich anders erlvartct. Sie war doch kein Kind mehr, wie seine kleine Elsbeth damals. Nein, ein Kind war Eva nicht, über doch ein Weib. Ar HVt« stch'D ja denken können, daß sie sich nicht gleich in seine offenen Arme stürzte, sie war zu stolz, um sich so schnell zu ergeben, deswegen schrieb sie auch so schroff — Es klopfte. Aergerlich fuhr er aus. Da trat auch' schon Fran Präsident Eckart herein mit einem lieben, verschmitzten Lächeln. „So früh schon, Mama'?" Hastig schob er den Brief, den er eben noch einmal durchlesen wollte, unter einige Zeitschriften. „Bitte, lege ab. Dein Besuch hat einen besonderen Zweck?" Frau Eckart lächelte fein. „Guten Morgen, mein Junge. Ich störe doch nicht'? Ob mein Besuch einen besonderen Zweck hat? Allerdings. Ich null es lieber gleich ehrlich gestehen, ich komme ans reiner Neugierde. Ich denke, beute könnte Evas Antwort schon hier sein, und da ich nicht schlafen tonnte heute nacht —" Sebald küßte seiner Schwiegermutter die Hand: „Liebe, gute Maina! Ja. Eva hat ge- geschrieben. Aber anders, als wir dachten." Und er mußte wieder lächeln: „Da, lies nur." Frau Eckart nahm ihr Lorgnon nnd überflog die hastigen Zeilen. Ihre Hand zitterte merk lich, als sic nut einem fragenden Blick den Brief an Sebald zurückgab. Betroffen schaute er in ihr bestürztes Ge- sicht, über das langsam zwei große Tränen I)«rabrieselten: „Aber Mama, du nimmst das doch nicht ernst ?" Sie nickte nur: „Sehr ernst," sagte sie dann leise. „Der Brief klingt nach schweren Kämpfen, nach einer namenlosen Verztveiflung." Ungläubig nahm er ihn aus ihrer -Hand. Er las ihn ein zweites Mal Satz für Satz — Wort für Wort —Wie hatte er sich nur so täuschen können in'seinem seligen Wahn! Ver nichtet, wortlos, stand er seiner Schwiegermutter gegenüber. Er schüttelte den Kopf. „Setze dich, Mama," sagte er, plötzlich gewahr werdend, daß sie noch immer stand, wie sie gekommen war. Und nach einer Weile, wie in Gedanken: „Ich kann es nicht glauben, ich iann cs nicht glauben." Und dann noch einmal laut: „Nein Mama, ich glaube es nicht. Sichst du, als ich vor einigen Wochen bei ihr war, da habe ich so deutlich gemerkt, , das heißt, nachher, verstehst du — als ich endlich sehend geworden war — daß sie mich schon seit langer Zeit liebt, und daß sie nur fortgegan- gen ist, schon all die Jahre her — um Kraft zu sammeln für dieses törichte Ncbeneinanderleben mit mir. Ich weiß das, als ob sie es mir gesagt hätte. Sie will sich jetzt nur erobern lassen . . . Hat sie sich denn dir gegenüber nie mals etwas anmerlen lassen? Man sagt doch, ihr Frauen hättet einen sechsten Sinn. Hast du denn nie etwas davon geahnt?" Frau Eckart schüttelte den Kopf. „Gehofft, gewünscht hab' ich's lange, aber Eva war eisern undurchsichtig, wenn ich je diese Wünsche mit einem .Hauch streifte. Sie müßte sich unheimlich in der Gewalt haben, Burkhart." „Das hat sie auch. Ich weiß es ganz sicher, Maina, ich durchschaue sie wie Glas, seit — seit ich iveiß, daß ich sie liebe." Ueber Frau Eckarts Waagen rollten von neuem ein paar Tränen: „Was willst du tun, Burkhart," fragte sie, um ihn nicht weiter um seine Hoffnungen bringen zu müssen. „Ich fahre nach Rom, Diaina, heute mit dem Nachtzug. Ich lasse am schwarzen Brett die Ver zögerung anschlagen. Bitte, entschuldige mich — ich will gleich dem Rektor telephonieren — ich komme noch einen Sprung zu dir, ehe ich reise " Frau Eckart hielt ihn an der Hand fest, die ec ihr zum Abschied reichen wollte: „Ueber- lege dir's, Burkhart! Gib mir Evas Brief noch einmal. Darf ich reden, wie ich denke?" Und ohne die Antwort abzuwarten, fuhr sie lesend fort: Er hat mich aufs tiefste erschüttert . . . er kommt zu spät — . . . fragen Sie nicht danach — ich kann es nicht sagen; versuchen Sie nicht, meinen Entschlich zu andern... — Das sind , keine Phrasen, Burkhart. So schreibt man nicht ans koketter Berechnung. Dahinter steckt eine liefe Not. ^ieh dir die Handschrift an. Diese Hast, und die bei Eva so ungewohnte — Form- losigkeit. So leidenschaftlich kurz. Wenn ich dir raten darf, Burkhart, so schreibe ihr zuerst —. . Wer weiß, in welche Verlegenheit du sie bringst. wenn du sie jetzt in Rom plötzlich überfällst, sie zu einer Aussprache zwingst, die sie dir viel leicht — die sie, wie es scheint, verweigern muß? Schreibe ihr, frage sie — laß ihr Zeit — wäre sie nur hier, wer weiß, vielleicht könnte ich — wer weiß, wie verzweifelt sie ist . . . oder —" sie hielt inne, um nicht auszusprechen, was sie im Grunde ihres Herzens befürchtete. Burkhart griff den Faden ans: „Nein, nein, das glaube ich nicht. Das würde sic ehrlich schreiben. Keine Zeile klingt danach, als ob sic an einen andern gebunden wäre. Es hätte ja auch keinen Sinn, mir das jetzt zu verschweigen. Nein, gewiß nicht. Eva würde auch ohne Zwei fel den Mut haben, eine Kette zu zerreißen, wenn je sie in die Lage gekommen wäre, sich gegen ihre Ueberzeuaung zu binden. Sic liebt mich, ich weiß cs. Ich weiß cs mit aller Gewißheit, Mama. Sic hat es mir in diesen Tagen hundert mal gesagt, tausendmal — in der Erinnerung. Nur, daß ich vorher wie aller fünf Sinne beraubt war! Aber ihr seid schuld daran, ihr hattet mich cingeschläfcrt mit eurer Liebe, du, das Kiud und Eva selbst... Du hast recht, Mama. Ist) will ihr schreiben. Ich werde schon die Worte finden, um sie zum Reden zu bewege». Ich —" Frau Eckart erhob sich mit einem Lächeln. Aber so sicher wre er, war sie nicht. „Guter, lieber Junge, niemand wird sich mehr mit dir freuen können, als ich." Er nickte. „Ich weiß cs, Mama, und ich danke dir." Damit küßte er seine Schwieger mutter auf beide Wangen. Als sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte setzte er sich mit wirrem Kopf vor seinen Schreib tisch. Endlich griff er zur Feder. Er schrieb alles, was er wußte, alles, was er in der Er innerung jetzt so deutlich nachfühlte — von ihrem letzten Zusammensein, von frül)er her. Und von sich selbst schrieb er, was das stürmische Gefühl, die langvcrhaltene Sehnsucht ihm diktierten. * * * Als Eva diesen Brief erhielt, war es ihr vollkommen klar, daß sie nichts darauf zu ant worten hatte. (Fortsetzung tn der Morgemmsgab«.)
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