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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140527014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-27
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Morgen »Ausgabe für reip?!a UN» Vorort, Lurch unser, «rftaer V»AUUvVkklIk! uuüSptoitturrrmoltagUch in» yau» erbracht: monatlichM., »lertellöhrUch,.7, M. S»i-»r ««fthüft-st»U»,uns»rn Male» u«L ft»»,ad»ft»lle« adgrholt: monatlichIM.,virrt«l>ahr»chSM. Durch »i, poft: «aaerhold vrutschianü, un» »er üeutschea Kolonien monatlich I.S» M., oirrtrijührilch «.so M., ausschlirAUch poftd»ft»U,«lS. Va» Leipziger Tageblatterscheint Werktag» »mal, Sonn» u. Zeiettogolmal. Sn Leipzig, den Nachbarorten und Len Orten mit eigenen Malen mir» »ir ftdenLauogad» noch am ftdenü Le» Erscheinen» in» hau» geliefert, »erline- Neüokt>oa:0nü«a2elteal7,Z«rnspr»ch-NnschluH: Moabit Nr.407. HmrdelsFeLtuns /lrrrtsblockt desRcrtes und despokrrüuntes der Studt Leipzig NeSoktlon und SeschSftsfteiler ?ohanni»gass» Nr.«, o Zernsprech.ftnschluA Nr. 14LL2, 14L4Z unü 14L44. ISS. Jahrgang kür Snserat« au» Leipzig unL Umgebung Li, /^NAeiAeNpreife. ,spalt»,,petltzeileu ps„ Li» n«klam°,rtl», m., von ouewürt» so Pf., Reklamen 1.20 M., Klein« ftnzeigen Liepetitzeii» nn, ropf.d.Vieüerhol.ilad.,Inserat» von0«bSrSrn im amtlichenkeil Li» Petit zeil« so Pf. Seschästsanzeigen mit platzoorschrtft im Preis» «rhSht. Rabatt nach Laris. Seilagen: Sesamtoufl.SM.LaaLausenL au»schl.poftgebtibr. ftnzelgen.flnnabme: Zohonniagafte», bei sämtlichen Malen Le» Leipziger Tageblatt«» un» allen ftnnoncen-TxprLitionrn Le» Sn» unL ftuslanüe». SrsOLftastell« für Verlin u. Sie pr. Sranö enburg: Direktion Walter Zliegel, Serlin w. IS, Morgaretbenftratz« ». Zerusprech-ftnschluft: Lützow »07l. Nr. 265. Mittwoch, irn 27. Mai. 1914. Vas Wichtigste. * Im preußischen Herrenhaus beant wortete am Dienstag Ministerpräsident von Beth - mann Hollweg die Interpellation über die dänischen Umtriebe in Nordschleswig. (S. Art. und Bericht.) * Das preußische Abgeordnetenhaus hat sich nach Ueberweisung der Besoldungs- rovellean die Budgetkommission bis zum 9. Juni vertagt. (S. Bericht.) * Die Gerüchte, daß Durazzo auss neue oon den Aufständischen angegriffen und der Fürst sich auf die Kriegsschiffe geflüchtet habe, werden »an Wien aus als unglaubwürdig bezeichnet. («. bes. Art. und Letzte Dep.) * Die Einweihung des Berliner Studen- ten-Sportplatzes fand mit einer großen Feier lichkeit in Gegenwart des Kaiserpaares gestern statt. (S. Sp. u. Sp.) * In Charbin wurde ein Kassenbote üb er fallen und verwundet. Ein Begleiter des Kassenboten wurde getötet, ein zweiter schwer oerletzt. (S. Nachr. v. Tage.) * In den Baumwollenlagern im Hafen oon Bombay wütete am Dienstag ein neuer Brand, der vierzigste seit zwei Monaten. (Siche Nachr. v. Tage.) * Der Italienische Staatspavillon auf der „Bugra" wurde gestern durch den italienischen Generalkommissar, Senator Bodio, eröffnet. 'S. Bericht.) Nor-sihleswig im preußischen Herrenhause. o Berlin, 26. Mai. Das preußische Herrenhaus hat sich in dieser Tagung nicht gerade überanstrengt: Heute hielt es genau seine zehnte Sitzung ab. Aber sie reichte in manchem Belang über das (Gleichmaß hin aus, das mau in der preußischen Hcrrenkurie zu durchleben pflegt. Vielleicht darf mau die heutige Aussprache sogar zu den bedeutsamsten Begebenheiten unserer Politik zählen, und zwar zu denen von gewissermaßen internationalem Gewicht. Zu Beginn der Sitzung fand nämlich im Anschluß an eine Interpellation des Grafen Rantzau eine Debatte über die nordschles- wigsche Frage statt, die leider ja noch immer ein schwieriges Problem zu unserer inneren Po litik darstellt. Wie nach ihrem Verlauf fast an zunehmen ist, wurde die Verhandlung von der Regierung selber gewünscht. Wir, die wir diesen Dingen räumlich fern stehen, sind häufig geneigt, die Bedeutung der Frage zu unterschätzen. Das dänische Volk, soweit wir es von ge legentlichen sommerlichen Reisen her kennen, scheint uns sympathisch und stammverwandt. Wir empfinden cs bisweilen als unbillige Härte und Wohl auch als politische Unllugheit, die Be ziehungen zu diesem stammverwandten Volke durch ein allzustraffes Regiment im Nordwesten zu stören. Aber was man heute vou den Män nern, die droben in Schleswig (zum Teil seit Generationen) siedeln und wirken, hörte, war doch geeignet, solche Auffassungen umzustoßen oder zum mindesten erheblich zu korrigieren. Es sprachen da Leute aus den verschiedensten Schichten: im Grafen Rantzau ein Vertreter des alten schleswig-holsteinschen Adels, außerdem ein Generaloberarzt, der Oberbürgermeister von Flensburg und zum Schluß ein Abkömmling der Schleswig - holsteinschen Hcrzogsfamilie, E r n st Günther, der Bruder der Kaiserin. Sie alle aber stinrmten darin überein, daß die Zustände immer schlimmer geworden seien, daß die Feind seligkeiten von außen in das Land hineingctragen worden und das Deutschtum mehr und mehr in die Defensive zurückgedrängt wäre. Die Antwort vom Regierungstisch wurde vom Kanzler und Ministerpräsidenten selber gegeben, der sich zum ersten Male nach seinem chweren Verlust wieder in die Oeffentlichkeit icgab. Herr von Bethmann bemerkte ein leitend, daß die Beziehungen von Regierung zu Regierung fortgesetzt freundliche seien — das sind sie in solchen Fällen immer — aber er verschloß sich den Ausführungen der Ankläger nicht und er fand in Anknüpfung daran außer dem sehr ernste und nachdrückliche Worte, die man nicht überhören wird. Der Kanzler sprach unumwunden aus, daß, wenn diese doch offen sichtlich von Dänemark aus geleiteten Bestre bungen nicht abrissen, das auf die internationalen Beziehungen, auf das Verhältnis zwischen Däne mark und Deutschland nicht ohne Folgen sein könnte; er betonte ferner, daß wir bei der Be handlung der Staatlosen uns nicht von dem Wege, den die Rücksicht auf das preußische Staatswohl vorschreibt, würden ablenken lassen und er empfahl im Anschluß daran ein Pro gramm wirtschaftlicher und Kulturpolitik, das diese Gebiete, die stets deutsch waren, immer enger mit dem deutschen Vaterlande verknüpfen soll. Die Rede des Ministerpräsidenten löste im Hause, das zu dieser Aktion sich äußerlich nicht sonderlich gerüstet hatte — im Saale wie auf den Tribünen gähnten breite Lücken — starken Beifall aus. Sie wird ihre Wirkung auch aus die dänische Negierung wohl nicht verfehlen, und sie wird, möchten wir annehmen, im Jnlande um so mehr Erfolg verheißen, als der Reichs kanzler und Ministerpräsident allen Nachdruck auf die wirtschaftliche Entwicklung gelegt wissen will und von einer kleinlichen Nadelstichpolitik Abstand nimmt. Vie Lebensmittelversorgung Ser üeutfchen Großftäöte im Kriegsfälle. Von Martin Schneider (Leipzig). Seit dem Herbst 1913 ist das Interesse der Oeffent lichkeit auf die Frage gerichtet worden, ob es möglich und wahrscheinlich ist, daß unsere Großstädte im Kriegsfälle nach Absperrung aller Transporteinrich tungen sich die benötigten Mengen Lebensmittel ver schaffen können. Es ist nur natürlich, daß sich sofort eine Anzahl Leute nicht zwar mit der Frage selbst befassen, sondern sich eifrig ans Werk machen, Lö sungen dieser Frage zu finden — Lösungen, die der Sache mehr schaden als nützen. Die Frage liegt so: Die bestehende, in Jahrzehn ten gewordene und an täglichen Zufälligkeiten und schwankenden Ernten erprobte Handelsorganisation der Lebcnsmittelgewerbe wird kaum die Sperrung des gesamten Transportwesens aushalten. Dies als richtig zugegeben — und bisher hat '^ch noch leine Stimme gefunden, die diese Behaupt»,;.., onzweifelte — ist die sozialdemokratische Meinung am einfachsten: Man sehe zu, die Gefahr eines Krieges überhaupt auszuschciden, dann tritt kein Lebensmittelmaugel ein, keine Hungersnot, und es ist nicht nötig, im Frieden Vorkehrungen zu treffen. Diese Lösung ist gewiß elegant. Die andere, die oon alldeutschen Politikern vorgeschlagen wird, ist zwar nicht elegant, aber den meisten doch sehr einleuchtend, man kaufe eben die nötigen Lebens rnittel auf dem Markte auf, baue Speicher, sichere sie gegen Angriffe des Feindes und damit gut. Man wird dann kaum noch Sorge zu tragen brauchen, ob unsere Großstädte eine Mobilmachung aushalten. Anscheinend sehr einfach, aber schon bei ganz flüch tigem Nachrechnen kommt man, 50 deutsche Großstädte angenommen, auf Zahlen, die in die Milliarden Mark gehen. WennLeipzig täglich für 85 000 Mehl, für 300 000 <L Fleisch und Flerschwaren braucht, so daß der Tagesbedarf aus IV. Millionen Mark be rechnet werden kann, dann würde, mit einem Vor rat für 14 Tage gerechnet und für 50 Großstädte, etwa ein Bedarf von 2 Milliarden Mark einzukaufen sein! Da wird gefordert, 200 Millionen Doppelzentner Getreide zu kaufen. Nun gibt es zwar solche Mengen, aber an dem Tage, an dem irgendeine deutsche Stadt dieses finanztechnisch und politisch äußerst gewagte Experiment unternähme, dürfte dies auf dem Welt markt für Getreide als an sich scharf wirkendes Hausse signal aufgefaßt werden. Wir sind zu weit in Welt marktzusammenhänge verstrickt, als daß man unseren einheimischen Eetreidepreis derartig tollen Unter nehmungen aussetzen sollte. Schon wenn Paris sich vornimmt, für 6 Mil lionen Franken Getreide zu kaufen, so ist sicher das Geld dafür schneller bewilligt und beschafft, als das Getreide ohne Erschütterung des Marktes und ohne fühlbare Verteuerung des Brodcs gekauft. Es ist weiter unter Berücksichtigung unserer inner politischen Verhältnisse unmöglich, eine Kriegsmaß nahme oorzubereiten, die einen gewaltigen, weiteren Schritt zur Lebensmittel verteuerung bedeutet. Wenn gesagt worden ist, daß eine jede weitere Stufe der Verteuerung eine weitere Radikalisierung der Wähler, massen bedeutet, so werden kaum die bürgerlichen Parteien die Hand dazu bieten, durch die empfohlenen Einkäufe, gleichgültig, ob möglich und durchführbar, die Lebensmittel weiter zu verteuern. Schon die Stadtverwaltungen selbst, auf die cs ja ankommt, werden von ihren Stadtverordneten kollegien diese Millionenforderungen nicht bewilligt erhalten. Weiter aber ist ja mit dem Ankauf von Getreide noch nichts getan. Wie sollte dieser Ge danke auf das Aufkäufen von Fleisch, Milchkonserven, Kartoffelfabrikaten, Dörrgemüsen usw. übertragen werden? Wir sind zwar ein reiches Volk geworden, aber doch nicht ein Staat, der in so kurzen Zeiträumen wiederum eine große Rüstungsvorlage vertragen könnte. Ich lehne jedenfalls alle Schritte und Maß nahmen, die zum Ankauf von Lebenzmittelvorräten im Kriegsfälle führen, aus wirtschaftspolitischen, sozialpolitischen und finanztechnischen Gründen ab. Das vollständig gleiche Urteil wer den alle Interessentenkreise fällen. Man kann wohl Millionen in die eigentliche Kriegsrüstung stecken, nicht aber versuchen, täglich in wachsenden Mengen benötigte Lebensmittel cinzusperren. Viele der Lebensmittel sind außerdem in solchen Mengen gar nicht konseroierbar, und endlich, die letz ten Aleischnotdcbatten haben bewiesen, daß der An kauf von Fleisch, in diesem Falle oon überseeischem Gefrierfleisch, von allen politischen und wirtschaft lichen Parteien und Jnteresscntengruppen, abgelehnt wurde. Die Einlagerung von deutschem Gefrier fleisch dagegen würde eine Teroute auf dem deutschen Flerschmarkt zur Folge haben. Diese Ausführungen bezwecken, alle diejenigen Pläne, die auf die Aufspeicherung von gekauften Lebensmittelvorrüten durch die Städte oder durch die Regierungen hinauslaufen, von vornherein als un durchführbar abzulehnen. Sie bezwecken aber auch, dem Ausland gegenüber zu betonen, daß wir uns keineswegs in einer latenten Kriegsgefahr befinden, die uns morgen zum Ankauf von Getreide nötigt. Wir wissen, daß es sich nur um die Anpassung un serer vorzüglichen Friedensorganisation des Lebens mittelgewerbes an die Amprüche der Mobil machungszeit handelt, nicht wollen wir etwa ganze Berufe oder Volksgruppen durch Rüstungsmaßnahmen bedrohen oder in ihrer Existenz erschüttern. Es können nur Vorschläge erörtert werden, die an dem Bestand der -zriedensgewerbe nichts ändern. Mit Ratschlägen, wie: 200 Millionen Doppel zentner Getreide einzulagern, machen wir das Aus land aufmerksam und zeigen ihm eine Schwäche un serer Wirtschaft, die tatsächlich nickt besteht. Es sind nur Transportschwierigkeiten zu beheben, nicht aber etwa Vorräte zufammenzubringen, weil sie im Kriege nicht vorhanden wären, sondern nur, weil sie trans portmäßig schwer zu beschaffen sind. Die Richtung der ganzen Diskussion soll also nicht zu rücksichtslosen Erschütterungen unserer Wirtschaft führen, sondern nur zur Anpassung der vorhandenen Friedensorgani- sation an die Verhältnisse der Mobilmachung! die nationalliberalen Sonöerbün-e. o Berlin, 26. Mai. Die Mitteilung, die am Sonnabend abend die „Altliberale Reichskorrespondcnz" mit ein wenig auf fälliger Hast über das Ergebnis der bisherigen Friedensverhandlungen zwischen Alten und Jungen veröffentlicht hat, ist vielfach so aufgefaßt worden, als sei damit das vom Zentralvorstand im März eingcleitete Unternehmen endgültig gescheitert. Wir haben einigen Grund, diese Annahme für irrig zu halten. Was in jener Notiz, die in Lvahrheit nichts anderes sein soll, als das sozusagen offizielle Protokoll der Vermittlungskonserenz vom 21. Mai, kund und zu wissen getan wird, ist ja im Grunde etwas, was wir längst wußten. Es ist eben der Standpunkt der beiden Verbände, der in den letzten Wochen in Wort und Schrift uns oft genug bekannt gegeben worden ist. Die beiden Bünde haben das jeder Organisation angeborene Bestroben, sich am Leben zu erhalten. Sie wollen nicht in Nacht und Vergessenheit versinken: das haben sie in Rede und Gegenrede am letzten Donnerstag auch den Herren vom Unterausschuß des geschäftsführenden Aus schusses als ihre persönliche Aufassung, die man bis zu einem gewissen Grade begreifen kann, weil sie eben menschlich und natürlich ist, formuliert. Was von den Herren des Unterausschußes dagegen ange führt worden ist, wird in diesem, für die Zwecke der Veröffentlichung besonders hergerichtetcn und stili sierten Protokoll leider nicht mitgeteilt. Wenn nicht noch mehr passiert ist, als in der für die Oefsentlich- keit bestimmten Mitteilung erzählt wird, scheinen die Herren vom Ausschuß sich damit begnügt zu haben, die Wortführer der beiden Verbände anzuhören. Das mag nach dem Geschmack der konkurrierenden Verbände gewesen sein, die den ganz natürlichen Wunsch haben, sich in ihre Pläne nicht hineinredcn zu lassen — dem Willen der übcrwieacirden Mehrheit und doch wohl auch dem Sinne des Zcntralvorstands- beschlusses geschieht damit kaum Genüge. Darum wird die ganz unverbindliche Sitzung vom letzren Donnerstag auf die große und grundsätzliche Aus einandersetzung, die nun doch einmal eröstnet worden ist, nach unserem Empfinden auch kaum irgendeinen Einfluß üben. Ob man die Verhandlungen von Ver band zu Verband und zwischen geschäftsführendem Ausschuß und Verbänden noch weiter führen wird, wissen wir nicht. Das aber wissen wir, daß unter allen Umständen auf dem Kölner Parteitag von bestimmter Seite der Antrag, im Interesse des Parteifriedens die Verbände aufzulösen, von neuem angemeldet werden wird. Soweit wir aber die Stim mung im Lande zu kennen glauben, ist es gar kein Zweifel, daß ein solcher Antrag auf dem Delegierten tag dann die Mehrheit finden wird. Uebersehen wir bitte das eine nicht: die wcitüberwiegende Mehrzahl der Partei besteht aus den Leuten der Mitte. Aus solchen, die vielleicht für das Vorgehen der Jugend nicht allzuviel Interesse haben, denen aber ebenso wenig die Methode und die Art der Alten gefällt. Die eine ruhige, stetige, zu gleichen Teilen liberale und nationale Politik wollen, und die vor allem — das persönliche Moment spricht in allen solchen Fragen höchst bedeutsam mit — viel zu sehr an Bassermann hängen, als daß sie wünschen möchten, daß ihm durch den inneren Partoihader in seinem Bestreben, die Partei einigermaßen einheitlich zu ge- stallen, Hemmnisse in den Weg gelegt werden. Diese Leute der Mitte, denen man nach unserem Gefühl unrecht tut, wenn man sie abschätzig und von oben herab „die Indifferenten" heißt, werden auf dem Dclegiertentag in Köln den Ausschlag geben. Ein anderes freilich ist, ob dem Beschluß auch obne weiteres Folge geleistet werden wird, und ob die beiden Verbände auch wirklich vom Erdboden ver schwinden. In dieser Richtung, wir gestehen es offen, vermögen wir uns freilich nicht aller Bedenken zu entschlagen. Immerhin, dünkt uns: der Versuch muß gemacht werden. Nachdem es einmal unter nommen worden ist, geht es nicht an, die Aktion wie das Hornberger schießen auslaufen zu laßen und vor dem Egoismus der rivalisierenden Sonderbünde die Waffen zu strecken. Sie allein sind in Wahrheit deran interessiert, daß der bisherige Zustand, wo nach inmitten der nationalliberalen Partei drei Organisationen nebeneiiWnder bestehen, verewigt werde. Wobei es uns noch nicht ganz ausgemacht scheint — die nationalliberale Jugend wird vielleicht im Augenblick darüber noch anders denken —, daß die Herren vom Reichsverband der Altliberalen die noch stärker Interessierten sind. Es bleibt doch auf alle Fälle seltsam, daß die „Altliberale Reichskorre spondenz" nicht abwarten mochte, bis das offizielle Parteiorgan die Mitteilung über die Donnerstags sitzung veröffentlichte, sondern Siebenmeilenstiesel aczog, um nur ja als erste die ihr offenbar höchst willkommene Kunde in die Welt zu rufen. Vie Vieren in Mbanien. Das oon italienischer Seite am Dienstag nach mittag verbreitete, von uns gleich mit Zweifeln in unserer gestrigen Abendausgabe wiedergegebenr Ge rücht, daß Durazzo aufs neue von den Aufständischen angegriffen und der Fürst sich wieder auf die Kriegs schiffe geflüchtet habe, wird von Wien aus als unglaubwürdig erklärt. Ferner werden neuerdings Lurch italienische Korrespondenten gegen Oesterreich gerichtete Sensationsmeldungen ver breitet. Während noch am Sonntag der amtliche Bericht des italienischen Gesandten in Dura<zzo diesen selbst mit Bestimmtheit als den Hauptratgrber des Fürsten im kritischen Augenblick bezeichnete, werden fetzt die jüngsten Ereignisse von italienischen Berichterstattern als eine Folge ganz verkehrter Auffassung der Lage durch die Ratgeber des Fürsten und als Ergebnis der Ränke der österreichischen Partei hingestcllt, die bei Annäherung der Re bellen völlig den Kopf verloren hätten. So behauptet die „T r i d u n a", daß nur der italienische Gesandte durch Mut und Besonnenheit gerettet habe, was zu retten war. Ferner wird er zählt, da» die Stimmung in Durazzo ganz zu gunsten der Italiener umgeschlagen sei, deren mutige Haltung verherrlicht wird. Dann fährt das Blatt fort: „Jetzt ist es die dringendste Aufgabe, die Umgebung des Fürsten zu reinigen und ihm das Vertrauen der Nation zurückzugeben. Die italienische Politik ist loyal ent schlossen, Albanien vor der Zerrüttung zu retten. Nur Italien ist nicht bloß gestellt und tann bei Christen und Muselmännern Gehör finden. Italien wird die nationale Einheit Albaniens und den Thron Wieds gegen jeden Angriff schützen. Die den Funken ins Pulverfaß geworfen haben, sind gestern entwichen oder haben unsere Hilfe gesucht. Die wahren Patrioten kennen jetzt die wahren Freunde Albaniens; die Geschütze, die aus sie feuer ten, rvaren nicht italienisch." Es wäre nach diesen italienischen Hctzmeldungcn gegen Oesterreich wirklich kein Wunder, wenn d^e Stimmung in Wien gegen Italien umschlagen würde. So schreibt ein hervorragender Staatsmann der Wiener „Neuen Freien Presse": Wien, 20. Mai. Die Lage in Albanien wird in Wien nicht günstig beurteilt. Der Fürst hat ver säumt, in der Zeit seiner Anwesenheit sofort mili tärische Kaders zu bilden, durch die er leichter im stande gewesen wäre, sich die nötige Macht zum Schutze gegen Krisen zu schaffen. Der Fürst scheint überdies nickt die Per- sönlichleitzu jein, die einer solchen Krise ge wachsen wäre. Er hat sich während der in Durazzo entstandenen Panit am Samstag ganz vom italieni schen EinfluHe beherrschen lassen, und dieser Ver irrung ist es zuzuschreiben, daß er durch die üoer- eilte Einschiffung kompromittiert wurde. Der Ehr geiz, eine Dynastie zu gründen, ist nicht zureichend, sondern muß durch einen selbständigen und eisernen Willen unterstützt werden. Dazu kommt, daß die Meinungsverschie denheiten zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien in der albanesischen Frage trotz der fortwährenden Versicherungen über Einigkeit wei te rg ehe n, als in der Oeffentlichkeit zugegeben wird. Bei dieser Verschiedenheit der Anschauungen zwischen Oesterreich-Ungarn und Italien kann gegen wärtig nicht davon die Rede sein, daß die de den Staaten eine militärische Expedition nach Albanien unternehmen. Es würde schwer sein, das Einver nehmen zu erzielen. An eine militärische Expedition von österreichi ch- ungarischer Seite wird somit gegenwärtig nicht ge dacht, und daraus folgt, daß auch Italien keine un ternehmen kann. Die militärischen Expeditionen sind bisher nicht in Erwägung gezogen worden. Die Verhandlungen der Kontrollkommission mit den Aufständischen. Durazzo, 26. Mai. (K. K. Wiener Korr.-Bur.) Nach einer verspätet eingetrosfenen Meldung wurde der österreichische Konteradmiral Seidensacher sofort vom Fürsten empfangen. Das schnelle Eintreffen der schiffe machte allgemein einen sehr guten Eindruck. Der österreichische Kreu zer „Admiral Spaun" ist nach den heimischen Gewässern abgedamoft. Ein österreichischer Schiffsarzt bcgao sich mit Verbandszeug zu den Aufständischen nach Schiak. Das österreichische Mitglied der Kontrollkommission Kral ist auf dem Torpedoboot „T u r u l" aus Valona hier einge trosten und hat sich in Begleitung mehrerer Kollegen zu den Aufständischen nach Schiak begeben. Die Forderungen der Aufständischen betreffen ledig lich den Schutz der mohammedanischen Religion. Daneben wurde der Wunsch ausge drückt, der Türkei gegen ihre Feinde zu helfen. Wegen Essad Pascha wurden keinerlei Forde rungen vorgebracht Umbildung des Kabinett»? Durazzo, 26. Mai. Hier verlautet, daß Turkhan Pascha sich mit dem Gedanken einer Umbildung des Kabinett» trage.
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