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2. Vellage. Dienstag, 2S. Mai lSls. Leipziger Tageblatt. Nr. 2S3. Margen-Vusgabe. Seile v. preußisches Herrenhaus. Sitzungsbericht. Berlin. 25. Mai. Präsident von Wedel-Piesdorf eröffnet die Sitzung um 12,20 Uhr. Auf der Tagesordnung steht die Beratung des Fldeikommihgejetzes. Iustizminister Dr. Beseler: Die Fideikommiss verfolgen das Ziel, die wirtschaftliche Stellung des gebundenen Grundbesitzes zu heben. Das geltende Fideikommihrecht entspricht den heutigen Anforde rungen nicht mehr. Durch die Borlage ist beabsich tigt, das Institut in das moderneRechtiiber- zu führ en. Die Fideikommisse sollen vorbild lich für den kleinen Besitz wirken. Der Ent wurf stellt den Grundsatz auf, dah land- und forst- wissenjchaftlicher Besitz die Grundlage für die Fidei- kommitzbildung sein soll und dah andere Gegenstände, die dabei in Betracht kommen, als nebensächlich zu betrachten sind. Der Fideikommitz soll ein einheit licher Besitz in der Hand des einzelnen sein. Der Entwurf bestimmt die rechtliche Stellung des Besitzers in der Meise, dah er Eigentümer sein soll. Die ge meinsamen Interessen der Familie sollen durch Fa- milienbeschluh gewahrt werden. Für die nicht zur Nachfolge begimmten Familienmitglieder soll in an gemessener Meise Sorge getragen werden. Obwohl der Staat ein erhebliches Interesse an den Fidei kommissen hat, ist und bleibt das Institut eine Ein richtung des Prioatrechts. Deshalb ist die Materie prioatrechtlich geregelt. Als Aufsichtsbehörde haben sich die Oberlandesgcrichte bewährt, und es soll des halb so bleiben. Die Grundgedanken des Entwurfs sollen auch auf die bestehenden Fideikommisse an gewandt werden. Die bestehenden Fideikommisse sollen in ihrem Umfange erhalten bleiben. Berichterstatter Graf Borck von Wartenburg: Menn die Kommissionsbeschlüsse in den grundlegenden Punkten im anderen Hause ab geändert werden, begegnet die Verabschiedung des Entwurfs Schwierigkeiten. Mitberichterstatter Graf von Reichenbach-Soschütz bedauert, das; der Entwurf nicht gesetzgeberische Vor schläge für die Festigung des mittleren und kleineren Besitzes bringe. Die innere Kolonisation dürfe nicht mit tendenziösen Bestrebungen be lastet werden. Fürst zu Salm-Salm: Die Demokratie läuft Sturm gegen die Fideikommisse, weil sie darin eine Stütze der Monarchie erblickt. Es gibt kein besseres Mittel, um der Latifundienbildung entgcgenzuwirken, als die möglichst ausgedehnte fideikommissare Bin dung der Grundbesitzer, auch der mittleren und kleinen. Besonders wichtig ist es, das; der Fidei- kommis; vor Ueberschuldung geschützt ist. Die Be stimmung, wonach nicht mehr als 10 Prozent der land- und forstwirtschaftlich genützten Fläche des Kreises zur Fideikommihbildung verwandt werden sollen, ist bedenklich. Ich halte den Prozentsatz keineswegs für ausreichend. Gras Rantzau: Ich bekenne mich im Gegensatz zu meiner Fraktion als Gegner des Gesetzes, das ich für unreif halte. Ich beantrage, den Entwurf mit folgenden Direktiven an die Kommission zurück- zuverweisen: ' , 1. Die Aufsicht über die Fideikommisse ist in die Hand einer staatlichen Instanz, dar O b e r^- landesgericht, zu legen; 2. Der Familie ist keinerlei Einfluh auf die Funktionen des Fideikommihdesitzers ein zuräumen; 3. Als Zwischenglied zwischen der Auf sichtsbehörde und dem Fideikommihbesitzer sind sachkundige Männer mit beratender Stimme cinzuschieben. Falls der Antrag abgelehnt wird, beantrage ich, dah das Gesetz für einzelne Provinzen durch könig liche Verordnung in Kraft gesetzt wird. Landwirtschaftsminister Frhr. v. Schorlemer: Ich bitte, dem Antrag Rantzau keineFolgezu geben. Oertliche Verhältnisse können auch nach den Bestim mungen der Vorlage berücksichtigt werden. Die Fidei kommisse an sich sind eine notwendige und nützliche Einrichtung. Es ist Aufgabe der Regie rung, sie als solche zu erhalten. Es muh aber für die Bildung der Fideikommisse eine Grenze gezogen werden. Eine zu grohe Ausdehnung wäre volks wirtschaftlich nicht gerechtfertigt. Die Bauern wer den im grossen und ganzen nicht geneigt sein, sich Lauernd den einschränkenden Bestimmungen über das Grundeigentum zu unterwerfen. Freiherr v. Richthosen-Damsdorf: Durch Zurück verweisung an die Kommission würde das Zustande kommen des Gesetzes verzögert werden. Der Ent wurf entspricht einem langjährigen Wunsche des Herrenhauses. Fürst zu Psenburg und Büdingen in Wächters bach: Ich stimme dem Vorschlag Rantzau zu. Die Materie ist für die verschiedenen Provinzen ver schieden zu regeln. Dr. v. Dziemborvski begründet einen Antrag auf Vorlegung eines Gesetzentwurfes betreffend Bildung bäuerlicher Fideikommisse. Darauf wird die allgemeine Besprechung ge schlossen. Der Antrag Rantzau wird abgelehnt. In der E i n ze l b e s p r e chu n g wird der Gesetz entwurf nach den Beschlüssen der Kommission säst einstimmig angenommen. Der Eventual antrag Graf Rantzau wird ebenfalls abgelehnt und die Resolution Dziembowski angenommen. Nächste Sitzung Dienstag 1 Uhr: Intervellation Graf Rantzau betr. Dänenfrage. Etat. Schluh '/L5 Uhr. preußisches -wgeorönetenkaus. (Fortsetzung aus der gestrigen Abendausgabe.) Sitzungsbericht. Berlin, 25. Mai. Abg. v. d. Lsten (Kons.): Mir stimmen dem Grundsatz der Regierung zu, das; eine Differenzierung zwischen Reichs- und Staatsbeamten nicht stattfinden darf. Mir sind auch der Ansicht, dah eine Aufbesse rung der Beamten von der Initiative der Regierung getragen sein muh, wenn das Verhältnis zwischen Staat und Beamten nicht schweren Schaden leiden soll. Eine Aufbesserung scheint geboten, aber die Heraushebung einzelner Beamten klassen muh zu Unstimmigkeiten führen. Eine weitere Gehaltsreform ist auch uns erwünscht; wir müssen jedoch zunächst die Kom- missionsberaiung abwarten. Der Petitionssturm der Beamten ist bedauerlich. Insbesondere ist es un erwünscht, dah die Beamten ihre Wünsche nicht direkt der Regfermng iibermjhtcsn. Das widerspricht dgr alten Tradition der Beamtenschaft und der Tendenz des » direkten Tfeuovorhättmsses zu . dar Regierung. Stellenweise scheint die Ansicht Platz zu greifen, als ob der Staat nur für die Beamten da sei, und nicht umgekehrt. Siebenundsiebzig Prozent der Beamten haben weniger als 1500 -tt Einkommen. Ich be antrage Verweisung an die verstärkte Budgctkommission. Abg. König (Ztr.): Die Unzufriedenheit der Beamten darf nicht gleichgestellt werden mit dem Mangel an gutem Geist. Der alte prcuhische und deutsche Geist ist auch heute noch in der Beamtenschaft vorhanden. Wir bedauern, dah der Finanzvcrwal- tung noch nicht das soziale Verständnis aufgegangcn ist für den Gedanken unseres früheren Kollegen Hitze, nämlich, dah der Kinderzahl der Beamten Rechnung getragen wird. Die Besoldungsvorlage des Reiches ist noch nicht endgültig gescheitert, weil der Bundes rat noch keine Stellung dazu genommen hat. Finanzminister Dr. Lentze: Ich stelle demgegenüber fest, dah die Erklärung des Rcichsschatz- sekretärs durchaus nicht einseitig war, sondern im Auftrage der verbündeten Regie- rungen abgegeben wurde. Abg. Schröder-Kassel (Nat!.): Alle Parteien sind sich darin einig, dah die Wohnungsgeldzuschüsse der Unterbeamten völlig unzulänglich sind. Wir fordern eine Revision der Besoldungsordnung der unteren sowie der geringstbesoldetcn mittleren Beamten. Besonders sollen verheiratete und solche mit einer gröheren Zahl unversorgter Kinder durch gesetzliche Zulagen begünstigt werden. Wir fordern ferner eine allgemeine Nachprüfung der Besoldungs ordnungen für Staats- und Reichsbeamte. Das Wohnungsgeldwesen muh von Grund auf reformiert werden. Wir haben grohe Bedenken da gegen, dah die gehobenen Untcrbeamten nicht mit berücksichtigt werden. Die Erklärung des Ministers, dah er eine weitere Besoldungsordnung einbringen will, den Zeitpunkt ihrer Einbringung sich aber vor behält, ist reichlich unbestimmt. Wir wünschen die Einbringung einer Vorlage eventl. schon im Herbst. Die Verwendung des Remunerationssonds zu dauernden Zulagen ist unzulässig. Eine Reform des Diäte ngesetzes muh baldigst folgen. Wir könnten die Verantwortung für das Scheitern der Vorlage nicht tragen und müssen ihr deshalb zu stimmen. Abg. Viereck (Freikons.): Die Deklassierung der Orte bedeutet für viele Beamte den Ausfall der Ge haltszulage. Eine allgemeine Aufbesserung der Ge hälter bedeutet die Novelle nicht. Diese ist auch nicht durchführbar, da die Haupteinnahmen Preuhens auf den Eisenbahneinnahmen beruhen. Auf der artig schwankenden Grundlagen darf man dauernde Ausgaben nicht aufbauen. Mit neuen direkten Steuern darf Las Erwerbsleben nicht weiter be schwert werden. Das Anfangsgehalt der Beamten muh so bemessen sein, dah sie einen Hausstand grün den können. Die Kinderbeihilfen würden vornehm lich den unteren Beamten zugute kommen. Auf Vorschlag des Vizepräsidenten Dr. Porsch wird nach längerer Eeschäftsordnungsdebatte die Be ratung der Bewlduugsnovellc unterbrochen und in die dritte Beratung des Eisenbahnanleihegcsetzes eingetretcn. Arg. Dr. Wolff-Gorki (Kons.) tritt für bessere Eisenbahnverbindung im Osten der Monarchie ein. Aba. Jderhoff (Freikons.) fordert, dah die Inter essen Wilhelmshavens bei dem Staatsvertrgg m>t Oldenburg gewahrt werden. Abg. Lohmann (Natt.) wünscht bessere Zugver- bindungcn im Oberlahnkreis. Abg. v. Biilow-Stuthenen (Kons.) dankt dem Mi nister für in Angriff genommene Bahnbauten im Regierungsbettrk Königsberg und bringt sodann weiter Wünsche auf Vcrbeherung der Bahnverbin dungen vor. Darauf wird das Eisenbahnanleihegefetz in dritter Beratung angenommen, ebenso der Gesetzentwurf betr. Bewilligung weiterer Staats mittel zur Verbesserung der Wobnungsverhältnisse von Staatsarbeitern und gering besoldeten Staats beamten ohne Debatte. Es folgt die erste Lesung des Fijchereigesetzes. Landwirtschaftsminister Freiherr von Schorlemer: Die Binnenfischerei zeigt eine Reihe von Mängeln, denen wir abhelfen müssen. Ich hoffe, dah die Vor lage ebenso wie das Wassergesetz, zu welchem das Fischereigesetz eine Ergänzung bildet, die Annahme des Hauses finden wird. Abg. Freiherr von Maltzahn <Kons.) beantragt Verweisung an die Kommisgon. Es scheine, dah die Küstenfischer noch nicht genügend berücksichtigt würden. Abg. Eerhardus (Zrr.): Wir stimmen dem Ent wurf in den Hauptpunkten zu. Abg. Hausmann-Lauenstein (Natl.) stimmt eben falls der Kommissiousveratunq zu; besonders wert voll sei die Regelung des Fischereigenossenschafts wesens. Nach weiteren Ausführungen der Abgg. Hengs berger (Freikons.), Lippmann (Fortschr. Ppt.) und Dr. Liebknecht (Soz.) wird die Vorlage einer be sonderen Kommission' überwiesen. Dienstag 10 Ubr: Fortsetzung der Besoldungs novelle, kleinere Vorlagen. — Schluh Uhr. Vergnügungen. K r i st a l l P a l a st - T ft e a t c r. Ta-, vorzügliche zrünstte» personal lriit nur noch an sechs Äbenüen aus. — Zm Wein- reslauranl konzertiert allabendlich Via 8 Ufte nachts eine erst klassige ztünstlcrkapelle. — Im ztristallpalast-Ease finden täglich zwei zkonzerte des Berliner Metropol Ensembles statt, und zwar nachmittags von —7 und von 8—2 Uhr nachts. Zoologischer diarten. Heute TienStag nachmittag 4 Uftr konzertiert die l8er Ulanenkapeilc unter Leitung de» Herrn zlapclimeistcr Muller. — Morgen Mittwoch finde» zwei »ionzerte von der 187er »iavelle statt. — Besonders erwähnt sei noch, datz morgen Mittwoch das Ausschlüpsen von Ltockenten im Terrarium beobachtet werden kann. Leipziger Palme »garten. Heute Dienstag, 4 und 8 Uhr, zwei Militärkonzerte des Musikkorps der 1O7cr unter persönliche- Leitung des zkgl. Musikdirektors >tarl Putsch, der, wie immer, sehr abwechslungsreiche BortragSorduungen aus gestellt hat. Tie „Bugra"-Besucher sollten von ihren ein heimischen Freunden besonders aus den wirklich sehenswerten Palmcngartcn aufmerksam gemacht werden. Cafe Bauer. Erstklassiges Eafe im Zentrum der Ltadt. Täglich nachmittags und abends graste „FenNvefi-A'onzerte" bei freiem Eintritt. Zm Easc-Bauer-„Easino Bar" spielt dar «alon- trio Brose bis 4 Uftr morgens. — , --- - Idr. Oetk.ei-'L „klelitzopf" ist die Schutzmarke für das echte „Backin"-Backpulver und die übrigen Fabrikate „>>r. Oetker's", die wohl in jeder Küche Verwendung finden. Unserer heutigen Nummer liegt eine Beilage mit Back- und Einmache rezepten bei, aus deren erster Seite unten auch zwei Helle Köpfe abgebildet sind, deren Namen oft genannt werden. 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